IT- und Medienrecht

Zur Zulässigkeit der (vorläufigen) Feststellungsklage

Aktenzeichen  M 18 K 15.1511

Datum:
7.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 43

 

Leitsatz

1 Die Weisung ist ein Behördeninternum, das keine feststellungsfähige Rechtsbeziehung vermittelt. Auch aus einer Veröffentlichung von Ministerialbeamten in einer Ärztefachzeitschrift über die rechtliche Einwertung von Trophektodermbiopsien lässt sich kein eine persönliche Betroffenheit vermittelnder konkreter Sachverhalt entnehmen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine (hier vorbeugende) Feststellungsklage ist unzulässig, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen. Weil mit der Anfechtungsklage bei Erfolg die unmittelbare Aufhebung der Untersagungsverfügung erreicht wird, ist diese ein wirksamerer und unmittelbarerer Rechtsbehelf als eine zuvor erhobene Feststellungsklage (Parallelentscheidung zu VG München u.a. BeckRS 2016, 54334 – Anfechtungsklage). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Bezüglich der Klage gegen den Beklagten zu 1) fehlt es bereits von vornherein an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten liegt dann vor, wenn sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts eine rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person ergibt (Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 18. Auflage 2012, § 43 Rnr. 11).Nach außen handelte gegenüber der Klägerin die Beklagte zu 2). Diese ist sachlich und örtlich zuständige Sicherheitsbehörde und hat auch in ihren Schreiben vom 2. März 2015 die Einleitung von Bußgeldverfahren und den Erlass einer sicherheitsrechtlichen Maßnahme angekündigt. Der Beklagte zu 1) hingegen stand bei keiner Handlung in einer durch eine Rechtsnorm des öffentlichen Rechts vermittelten Beziehung zur Klägerin. Das Schreiben des Beklagten zu 1) an die Klägerin vom 17. Februar 2014 sowie die Besprechung zwischen dem Beklagten zu 1) und der Klägerin am 28. April 2014 dienten lediglich dem Hinweis auf die geltende Rechtslage und stellen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Zweck war unter anderem die Mitteilung, wann mit einer Umsetzung der PIDV in bayerisches Recht gerechnet werden kann und dem Hinweis darauf, dass nach Rechtsansicht des Beklagten zu 1) Trophektodermbiopsien unter § 3a ESchG fallen.
Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 2) erst nach Aufforderung des Beklagten zu 1) die sicherheitsrechtliche Anordnung im Verlauf des Verfahrens erließ, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Nach außen hin handelte nur die Beklagte zu 2), zu der dann auch ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO bestand. Die Weisung des Beklagten zu 1) ist ein Behördeninternum, das keine Rechtsbeziehung vermittelt.
Auch aus einer Veröffentlichung von Ministerialbeamten in einer Ärztefachzeitschrift über die rechtliche Einwertung von Trophektodermbiopsien, lässt sich kein die Klägerin persönlich betreffender, konkreter Sachverhalt entnehmen. Somit ist die Klage gegen den Beklagten zu 1) mangels feststellungsfähigem Rechtsverhältnis als unzulässig abzuweisen.
Ob ein für vorbeugende Feststellungsklagen qualifiziertes Feststellungsinteresse der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) vorlag, kann offen bleiben.
Es handelt sich um eine so genannte „vorbeugende Feststellungsklage“, bei der an das Vorliegen eines berechtigten Interesses hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Klägerin muss darlegen, warum ein Abwarten des Erlasses des angedrohten Verwaltungsaktes für sie ausnahmsweise nicht zumutbar ist. Ob und inwieweit dies der Klägerin – vor allem unter dem Aspekt der so genannten „Damoklesschwert-Rechtsprechung“ – gelungen ist, kann jedoch dahinstehen.
Die Feststellungsklage der Klägerin ist gegenüber der am 22. Juni 2015 eingelegten Anfechtungsklage mit dem Aktenzeichen M 18 K 15.2602 subsidiär gemäß § 43 Abs. 2 VwGO. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eine Feststellungsklage nicht zulässig, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Eine Feststellungsklage ist demnach unzulässig, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen (Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 18. Aufl. 2012, § 43 Rn. 26).
Vorliegend erließ die Beklagte zu 2) am 2. Juni 2015 den angekündigten sicherheitsrechtlichen Untersagungsbescheid. Dieser wurde von der Klägerin am 22. Juni 2015 mit einer Anfechtungsklage angegriffen. Die mit der streitgegenständlichen Klage begehrte Feststellung, dass Trophektodermbiopsien an muralen TE-Zellen zur Feststellung der Entwicklungsfähigkeit eines Embryos nicht dem Erfordernis einer zustimmenden Bewertung der Bayerischen Ethikkommission unterliegen, wird inzident in der Anfechtungsklage vom 22. Juni 2015 ( M 18 K 15.2602) geklärt. Im dort streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Juni 2015 untersagte die Beklagte zu 2) der Klägerin nämlich die Durchführung jedweder Trophektodermbiopsien ohne das Einholen einer zustimmenden Ethikkommission-Bewertung in jedem Einzelfall. Aufgrund des Vortrags der Klägerin ist im dortigen Verfahren auch inzident zu prüfen, ob eine Teilaufhebung des Bescheids wegen der Differenzierung hinsichtlich des Untersuchungszwecks der Trophektodermbiopsien möglich wäre. Das Rechtsschutzziel der Feststellungsklage ist daher vollumfänglich von der Anfechtungsklage umfasst. Weil mit der Anfechtungsklage bei Erfolg die unmittelbare Aufhebung der Untersagungsverfügung erreicht wird, ist diese ein wirksamerer und unmittelbarerer Rechtsbehelf, als die zuvor erhobene Feststellungsklage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 120.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200, – übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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