Kosten- und Gebührenrecht

einstweiliger Rechtsschutz, Corona, Einstellung, Änderung der Rechtslage, übereinstimmende Erledigterklärung, Austausch des Antragsgegners als neuer, weitergehender Antrag

Aktenzeichen  W 8 E 22.658

Datum:
2.5.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Verfahren ist daher entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands lediglich über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der bei einer Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen und deshalb nach Maßgabe der §§ 154, 155 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Eine Verpflichtung des Gerichts, allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ansonsten erforderliche Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären, besteht nicht. Bei der Billigkeitsentscheidung kann auch berücksichtigt werden, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 161 Rn. 15 ff.).
Billigem Ermessen entspricht es hier, den Antragstellern die Kosten aufzuerlegen, weil sie bei streitiger Entscheidung voraussichtlich unterlegen wären, ohne dass Billigkeitsgründe eine andere Entscheidung gebieten.
Der Antragsgegner hat hier nicht das erledigende Ereignis herbeigeführt. Vielmehr erfolgte eine Änderung der Rechtslage, weil der Bundesgesetzgeber den § 2 Nr. 5 SchAusnahmV a.F. aufgehoben und mit dem Erlass des neuen § 22a Abs. 2 IfSG die Geltungsdauer des Genesenenstatus Ungeimpfter unmittelbar im Infektionsschutzgesetz geregelt hat. Durch diese Änderung der Rechtslage trat für sich indes noch nicht die Erledigung ein, weil die in der Sache angefochtene streitgegenständliche Verkürzung der Dauer des Genesenenstatus von 180 Tage auf 90 Tage – wenn auch aufgrund geänderter Rechtsgrundlage – weiter gilt und auch weiter eine den Antragstellern beschwerende, ihren Begehren zuwiderlaufende Regelungswirkung entfaltet. Dies zeigen auch andere bei Gericht anhängige Verfahren, in denen die dortigen Antragsteller ihr Begehren mit Verweis auf die angebliche materielle Verfassungswidrigkeit auch der Neuregelung fortführen (vgl. z.B. VG Würzburg, B.v. 25.3.2022 – W 8 E 22.456 – juris).
Die Erledigung des Rechtsstreits trat erst durch Eingang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen ein. Die Antragsteller wären bei streitiger Entscheidung zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Erledigungserklärungen voraussichtlich unterlegen.
Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung, mit der der Bundesgesetzgeber gerade der bisherigen verfassungsrechtlichen Kritik durch die Regelung der Geltungsdauer des Genesenennachweises unmittelbar im Infektionsschutzgesetz begegnet ist. Denn auch wenn das Meinungsbild zur Dauer der Immunität eines Ungeimpften nach einer vorangegangenen Infektion nicht einheitlich ist, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der mit der Verkürzung des Genesenenstatus von 180 Tage auf 90 Tage nicht überschritten ist (siehe ausführlich VG Würzburg, B.v. 25.3.2022 – W 8 E 22.456 – juris Rn. 27; vgl. auch NdsOVG, B.v. 6.4.2022 – 14 ME 180/22 – juris Rn. 28; VG Saarlouis, Be.v. 30.3.2022 – 6 L 209/22, 6 L 210/22, 6 L 298/22 – juris PM v. 30.3.2022; VG Hannover, B.v. 28.3.2022 – 15 B 1060/22 – juris PM v. 30.3.2022).
Eine gegenteilige Kostenentscheidung war auch nicht aus Billigkeitsgründen zu treffen, weil sich die Erfolgsaussichten eines zuvor aussichtsreichen Rechtsstreits infolge einer Rechtsänderung entscheidend geschmälert haben (vgl. Zimmermann-Kreher in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 60. Ed., Stand: 1.10.2021, § 161 Rn. 5). Die Antragsteller ließen mit Schreiben vom 23. März 2022 gegenüber dem Verwaltungsgericht Berlin erklären, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz statt gegen die Bundesrepublik Deutschland nunmehr gegen den Antragsgegner gestellt werde. Der Austausch des Antragsgegners ist als neuer, weitergehender Antrag auszulegen. Die Antragsteller haben den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz somit gegen den Antragsgegner erst am 23. März 2022 und damit nach Inkrafttreten des neuen § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG zum 19. März 2022 und nach Aufhebung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV mit Wirkung vom 19. März 2022 stellen lassen. Die Erledigungserklärung ohne Vorliegen eines erledigenden Ereignisses stellt aber eine „verschleierte“ Klagerücknahme da, bei der die Antragsteller die Kostentragungspflicht nach § 155 Abs. 2 VwGO getroffen hätte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 161 Rn. 17; Zimmermann-Kreher in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 60. Ed., Stand: 1.10.2021, § 161 Rn. 15 m.w.N.).
Die Streitwertfestsetzung auf 10.000,00 EUR beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Gemäß Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs sind die Streitwerte der einzelnen Anträge mehrerer Antragsteller zu addieren. Das Gericht sieht gem. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung der jeweiligen Streitwerte ab.


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