Kosten- und Gebührenrecht

Erstattungsfähigkeit von privaten Sachverständigenkosten im Verwaltungsprozess

Aktenzeichen  M 11 M 17.521

Datum:
27.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154964
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 1, § 165

 

Leitsatz

Aufwendungen für private Sachverständige sind nur in Ausnahmefällen als erstattungsfähig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn der private Sachverständige einer Partei von dieser von sich aus – ohne dass das Gericht darum ersucht hätte – zum Termin mitgebracht wird und er vom Gericht auch nicht förmlich im Rahmen eines Sachverständigenbeweises vernommen, sondern nur informell angehört wird, was bedeutet, dass seine Angaben wie Parteivorbringen anzusehen und zu verwerten sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. November 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Der Kläger beantragte im Februar 2013 eine Baugenehmigung für die Erweiterung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle als Getreide- und Strohlager auf einem im Außenbereich gelegenen Grundstück.
Nachdem das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (im Folgenden: AELF) in einer Stellungnahme vom 10. Mai 2013 gegenüber dem Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) ausgeführt hatte, das Vorhaben sei nicht privilegiert, ließ der Kläger von der … GmbH ein Gutachten erstellen, das am 22. Januar 2014 gefertigt und anschließend dem Landratsamt vorgelegt wurde. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, das Merkmal des „Dienens“ im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sei bei dem Vorhaben erfüllt.
Das AELF gab am 21. November 2014 eine weitere Stellungnahme ab. Die Stellungnahme vom 10. Mai 2013 gelte grundsätzlich weiter. Der beantragte Anbau „diene“ nicht, weil genügend Unterstellfläche vorhanden sei.
Mit Bescheid vom „10.04.2015“ – zur Post gegeben am 5. Mai 2015 – lehnte das Landratsamt den Bauantrag des Klägers ab. Das Vorhaben sei nicht privilegiert.
Der Kläger erhob in der Folge Versagungsgegenklage auf Erteilung der Baugenehmigung (M 11 K 15.2313). Die Kammer gab mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 21. Januar 2016 der Klage statt und legte dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Es bejahte die zwischen den Beteiligten einzig streitige Frage, ob das Vorhaben dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „diene“.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 25. Januar 2016 machte der Bevollmächtigte des Klägers zunächst Anwaltskosten in Höhe von 1.683,85 Euro geltend.
Mit weiterem Schreiben vom 15. Februar 2016 wurde zusätzlich die Festsetzung von Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 3.730,66 Euro beantragt, resultierend aus drei Rechnungen der … … GmbH vom 22. Januar 2014 (2.950,61 Euro), 8. September 2014 (461,96 Euro) und „28.01.2016“ [richtig: 25. Januar 2016] (318,09 Euro).
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. Juli 2016 die geltend gemachten Anwaltskosten antragsgemäß als vom Beklagten zu tragende notwendige Aufwendungen des Klägers fest. Hinsichtlich der geltend gemachten Sachverständigenkosten gab sie dem Landratsamt Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Landratsamt erhob mit Schreiben vom 1. August 2016 Einwände gegen die Rechnung vom 22. Januar 2014. Es führte näher aus, dass die Höhe der Rechnung weit überzogen erscheine.
Der Bevollmächtigte des Klägers hielt mit Schreiben vom 11. August 2016 unter Vorlage einer Stellungnahme des Gutachters vom 10. August 2016 seinen Kostenfestsetzungsantrag vollumfänglich aufrecht.
Mit weiterem Beschluss vom 21. November 2016 lehnte die Kostenbeamtin den hinsichtlich der Sachverständigenkosten gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom 15. Februar 2016 ab. Diese Kosten seien nicht erstattungsfähig. Auf die Begründung wird verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte gegen den ihm am 29. November 2016 zugestellten Beschluss am 6. Dezember 2016 „sofortige Beschwerde“ ein.
Die Kostenbeamtin half diesem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht vor.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte in der Folge mit Schreiben vom 3. April 2017 näher dar, weshalb die Kosten der gutachterlichen Stellungnahme im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig gewesen seien.
Der Beklagte, dem das Schreiben vom 3. April 2017 zugeleitet worden ist, hat sich nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Kostenverfahrens, des zugrunde liegenden Hauptsacheverfahrens (M 11 K 15.2313) und die vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die als sog. „Erinnerung“, d. h. als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 165 i. V. m. § 151 VwGO auszulegende „sofortige Beschwerde“ ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Kostenbeamtin hat es zu Recht abgelehnt, neben den Rechtsanwaltskosten auch die vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten als vom Beklagten zu erstattende Kosten festzusetzen.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO zählen zu den erstattungsfähigen Kosten neben den Gerichtskosten auch „die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens“. Die vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten sind keine notwendigen Aufwendungen in diesem Sinne. Nach der Rechtsprechung des BVerwG, der die Kammer folgt, sind Aufwendungen für private Sachverständige nur in Ausnahmefällen als erstattungsfähig anzusehen (z. B. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2006 – 4 KSt 1003/06 – juris Rn. 8). Für keine der drei Rechnungen liegt ein solcher Ausnahmefall vor.
Soweit der Kläger Kosten geltend macht, die ihm von der … GmbH bereits am 22. Januar 2014 und 8. September 2014 in Rechnung gestellt worden sind, scheitert die Erstattungsfähigkeit bereits daran, dass diesen Kosten der spezifische Bezug zum Klageverfahren fehlt. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen, die zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem der im Klageverfahren streitgegenständliche Versagungsbescheid noch gar nicht erlassen war. Die Einschaltung des Gutachters zu diesem Zeitpunkt diente in erster Linie dazu, bereits im Verwaltungsverfahren eine günstige Entscheidung der Behörde herbeizuführen, selbst wenn der Kläger auch im Auge gehabt haben mag, dass ihm das Gutachten im Falle einer ablehnenden Behördenentscheidung zusätzlich in einem etwaigen späteren Prozess dienlich sein könnte. Nach Ansicht des Gerichts sind solche Aufwendungen nicht nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig (ebenso wohl Schoch / Schneider / Bier, VwGO, 32. EL Oktober 2016, § 162 Rn. 28 bei Fn. 116). Dafür spricht auch der Umstand, dass dem Kläger die Möglichkeit, die Sachverständigenkosten über § 162 Abs. 1 VwGO geltend zu machen, versperrt geblieben wäre, wenn das Landratsamt dem Gutachten gefolgt wäre und die Baugenehmigung erteilt hätte. Denn in diesem Fall wäre es überhaupt nicht zu einer Klage auf Erteilung der Baugenehmigung gekommen. Es gibt keinen Grund, den Kläger hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von noch während des Verwaltungsverfahrens entstandenen Aufwendungen deshalb besser zu behandeln, weil sein Bauantrag vor der Behörde zunächst erfolglos geblieben ist.
Nicht nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig sind auch die mit der Rechnung vom 25. Januar 2016 geltend gemachten Kosten. Die … GmbH hat mit dieser Rechnung dafür, dass der private Sachverständige an der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2016 teilgenommen hat, vom Kläger für die Vorbereitung und Teilnahme an diesem Termin ein Zeithonorar und Reisekosten verlangt. Der private Sachverständige des Klägers wurde von diesem von sich aus – ohne dass das Gericht darum ersucht hätte – zum Termin mitgebracht. Er wurde vom Gericht auch nicht förmlich im Rahmen eines Sachverständigenbeweises vernommen, sondern nur informell angehört, was bedeutet, dass seine Angaben wie Parteivorbringen anzusehen und zu verwerten waren (Eyermann/Geiger, VwGO, 14. Aufl., § 98 Rn. 24a). Insgesamt lag hier deshalb keine Situation vor, in der abweichend von der Regel, dass Aufwendungen für private Sachverständige grundsätzlich nicht notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind, ausnahmsweise eine Erstattungsfähigkeit zu bejahen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil im Erinnerungsverfahren keine vom Streitwert abhängigen Gerichtsgebühren anfallen.


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