Kosten- und Gebührenrecht

Gleichzeitige Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und eine Anhörungsrüge

Aktenzeichen  3 M 16.567, 3 M 16.568

Datum:
29.3.2016
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG § 12 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 130b, § 169 Abs. 4
BGB BGB § 126, § 127
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein leichter Verfahrensverstoß reicht grundsätzlich nicht aus, um gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen. Es muss vielmehr ein schwerer Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung vorliegen (ebenso VGH München BeckRS 2012, 57094). (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll über eine Anhörungsrüge nur dann entschieden werden, wenn die hierfür beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt wird, muss der Antragsteller dies bei gleichzeitiger Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe und der Anhörungsrüge eindeutig klarstellen. (redaktioneller Leitsatz)
3 § 12 GKG gilt nicht für Gebühren in Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Verfahren 3 M 16.567 und 3 M 16.568 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Erinnerungen werden zurückgewiesen.

Gründe

1. Mit seinen Anträgen auf Erlass der mit Kostenrechnungen vom 3. Februar 2016 erhobenen Gerichtskosten rügt der Antragsteller sinngemäß eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Diese Anträge sind als Erinnerungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zu werten (vgl. BVerwG, B. v. 25.1.2006 – 10 KSt 5/05 – NVwZ 2006, 479 – juris Rn. 1), über die nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheidet.
2. Die Erinnerungen des Antragstellers bleiben ohne Erfolg.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Jedoch reicht nach ständiger Rechtsprechung ein leichter Verfahrensverstoß in der Regel nicht, um von der Erhebung der Kosten nach dieser Bestimmung abzusehen. Es muss sich vielmehr um einen schweren Mangel im Sinne einer eindeutigen und offenkundig unrichtigen Sachbehandlung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 6.7.2012 – 15 M 12.1358 – juris Rn. 4). Es ist weder erkennbar noch wird von den Erinnerungen aufgezeigt, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen könnten.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16. Januar 2016 Anhörungsrüge erhoben und Prozesskostenhilfe für den Fall, dass durch sein Rechtsmittel oder seine Anträge Kosten entstehen, beantragt. Bei gleichzeitiger Einreichung von PKH-Antrag und (hier) Anhörungsrüge muss der Antragsteller eindeutig klarstellen, dass er die Anhörungsrüge nur bedingt für den Fall der PKH-Bewilligung stellen will (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 117 Rn. 7; Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: Dez, 2015, § 117 Rn. 16; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 117 Rn. 5; OVG N.-W., B. v. 25.9.2014 – 13 D 93/14 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 18.11.2014 – 10 C 14.2284 – juris Rn. 13).
An einer entsprechenden Klarstellung fehlt es hier. Der Antragsteller verweist darauf, er habe einen Hinweis des Gerichts beantragt, falls seine Ausführungen nicht sach- und/oder formgerecht und/oder weitere Informationen erforderlich seien. Mit diesem Hinweis ist jedoch nicht klargestellt, dass vorab eine Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgen sollte. Die vom Antragsteller verwendete Formulierung verhält sich zur Problematik der gleichzeitigen Einreichung von PKH-Antrag und Anhörungsrüge nicht.
Mangels entsprechender Klarstellung durch den Antragsteller durfte der Senat daher über den PKH-Antrag und die Anhörungsrüge gleichzeitig entscheiden, ohne dass in dieser Sachbehandlung ein Verfahrensverstoß zu sehen wäre.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick darauf, dass die Verfahrensgebühr für die Anhörungsrüge nach der KV-Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz erst mit der Zurückweisung fällig wird (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, Nr. 5400 KV GKG Rn. 6). Der Antragsteller hätte es in der Hand gehabt, sich durch eine entsprechende Klarstellung, dass er vorab eine Entscheidung über den PKH-Antrag begehrt, die Möglichkeit der Rücknahme der Anhörungsrüge vorzubehalten. Dem Beschluss des 11. Senats vom 17. September 2015 (11 M 15.2034) wird daher nicht näher getreten.
Auch mit dem Hinweis auf die Eigenständigkeit des PKH-Verfahrens legt der Antragsteller keine unrichtige Sachbehandlung dar. Der Senat hat die Entscheidung über den PKH-Antrag mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge prozessual zulässig verbunden, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des PKH-Verfahrens berührt worden wäre. Der Antragsteller verweist auf die Pflicht des Gerichts, die Anträge der Verfahrensbeteiligten entgegen zu nehmen und darüber zu entscheiden. Dieser Pflicht ist das Gericht mit seinem Beschluss vom 16. Januar 2016 nachgekommen.
Der Antragsteller verweist auf § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG. Nach dieser Bestimmung soll in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Er schließt daraus, die Geltendmachung der Gerichtsgebühren nach Abschluss des Verfahrens sei im Gerichtskostengesetz nicht vorgesehen. Der Antragsteller verkennt, dass § 12 GKG nicht für Gebühren in Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung gilt (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, § 12 Rn. 4).
Der Antragsteller meint, die Kostenrechnung sei unwirksam, weil sie nicht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 130b, 169 Abs. 4 ZPO, §§ 126, 127 BGB) entspreche. Damit legt er keine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht dar, die im Rahmen der Erinnerungen zu berücksichtigen wäre. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass Kostenanforderungen, die automationsgestützt erstellt werden, weder einer Unterschrift noch eines Abdrucks des Dienstsiegels bedürfen (Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG).
Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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