Kosten- und Gebührenrecht

Keine Abrechnung einer fiktiven Terminsgebühr der obsiegenden Seite nach rechtskräftigem Gerichtsbescheid

Aktenzeichen  RN 5 M 18.1069

Datum:
1.8.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19483
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 2
VwGO § 82 Abs. 2 Nr. 2 u. 5, § 84 Abs. 2 Nr. 2, § 151 S. 1, § 165 S. 1
RVG § 13

 

Leitsatz

Jedenfalls die nach rechtskräftig gewordenem Gerichtsbescheid vollständig obsiegende Seite kann keine fiktive Terminsgebühr abrechnen. Die mit einer solchen Gebühr bezweckte Steuerungsfunktion besteht in dieser Konstellation nicht. (Rn. 22 ff.)

Tenor

I. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.06.2018, Az. RN 5 K 16.1973 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Beklagte (Erinnerungsführerin) wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts vom 04.06.2018, Az. RN 5 K 16.1973, mit dem die der Beklagten erwachsenen notwendigen und zu erstattenden Aufwendungen festgesetzt wurden.
Das Hauptsacheverfahren (Az. RN 5 K 16.1973) wurde am 26.04.2018 vom Verwaltungsgericht Regensburg durch Gerichtsbescheid beendet. Nach Klageabweisung wurden die Kosten der Klägerin auferlegt. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids wurde auf den Antrag auf Zulassung der Berufung sowie auf den Antrag auf mündliche Verhandlung als in Betracht kommende Rechtsbehelfe hingewiesen. Solche wurden nicht erhoben, der Gerichtsbescheid erwuchs am 08.06.2018 in Rechtskraft. Der Streitwert des Hauptsacheverfahrens wurde mit Beschluss vom 04.06.2018, Az. RN 5 K 16.1973 auf 25.000,- Euro festgesetzt.
Der Beklagtenbevollmächtigte machte mit Kostenfestsetzungsantrag vom 07.05.2018, bei Gericht eingegangen am 08.05.2018, Kosten in Höhe von 2.368,10 Euro geltend, insbesondere eine fiktive Terminsgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG in Höhe von 945,60 Euro nebst hierauf entfallender Umsatzsteuer (179,66 Euro).
Mit Schreiben vom 09.05.2018 hörte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts den Kläger des Hauptsacheverfahrens zum Kostenfestsetzungsantrag an. Mit Schreiben vom gleichen Tag hörte er außerdem die Beklagtenseite des Hauptsacheverfahrens konkret zur Absicht an, die beantragte Terminsgebühr nebst hierauf entfallender Umsatzsteuer abzusetzen, weil vorliegend zwar ein Gerichtsbescheid ergangen sei aber wegen vollständigen Klageerfolgs kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden hätte können.
Hierzu teilte der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 14.05.2018 mit, der Antrag bleibe in der gestellten Form aufrecht erhalten, die Gegenargumentation sei bekannt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.06.2018, Az. RN 5 K 16.1973, dem Beklagtenvertreter laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 12.06.2018, setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die erstattungsfähigen Kosten ohne die beklagtenseitig geforderte fiktive Terminsgebühr auf 1.242,84 Euro fest. Auf die Beschlussgründe, in denen insbesondere zur Frage der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Terminsgebühr ausgeführt ist, wird Bezug genommen.
Mit am 21.06.2018 bei Gericht eingegangenem Telefax der Beklagtenseite beantragte diese die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.06.2018. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für die Entstehung der Gebühr nach dem Wortlaut von Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 2 VV-RVG erfüllt seien. Durch Nicht-Gewährung werde das Ziel des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, die Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung an die Einkommensentwicklung, konterkariert. Die Bundestagsdrucksache sei, soweit sich u.a. das VG Regensburg in seiner Entscheidungspraxis darauf stützt, bereits in sich widersprüchlich. Auch z.B. im Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO könne der Anwalt mündliche Verhandlung erzwingen, was dem Verfasser der BT-Drucksache wohl nicht klar gewesen sei. Würde man die fiktive Terminsgebühr auf die Fälle des § 82 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beschränken, seien dies so wenige, dass eine Regelung hätte unterbleiben können. Der Wortlaut enthalte zudem gerade nicht die Einschränkung, dass die fiktive Terminsgebühr anfalle, wenn nur mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid beantragt werden kann. Außerdem müsse in Fällen des § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Berufung erst zugelassen werden, ein Rechtsmittel sei damit – wie in der Gesetzesbegründung gefordert – auch gar nicht gegeben. Dass nur der unterlegene Rechtsanwalt in diesen Konstellationen eine fiktive Terminsgebühr verdiene, sei nicht nachvollziehbar, da Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 2 VV-RVG nicht danach differenziere, von wem der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden könne.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab und legte sie mit Schreiben vom 21.06.2018, in dem unter Bezugnahme auf verschiedene Gerichtsentscheidungen zur angenommenen fehlenden Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten fiktiven Terminsgebühr ausgeführt ist, dem zuständigen Gericht zur Entscheidung vor. Zudem gab er der Klägerseite nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakten in den Verfahren RN 5 M 18.1069 und RN 5 K 16.1973 Bezug genommen.
II.
Der gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) ist nach §§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, jedoch unbegründet.
Gemäß § 165 Satz 1, § 151 Satz 1 VwGO entscheidet über Erinnerungen das Gericht, dessen Urkundsbeamter gemäß § 164 VwGO die Kosten festzusetzen hat. Nachdem die der Kostenfestsetzung zugrundeliegende Kostenentscheidung durch die Kammer getroffen wurde, entscheidet das Gericht über die Erinnerung ebenfalls in Kammerbesetzung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 165 Rn. 3).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht bei der Festsetzung der der Beklagten zu erstattenden Kosten die beantragte Terminsgebühr nicht festgesetzt. Eine mündliche Verhandlung fand im einschlägigen Klageverfahren nicht statt, sodass es letztlich um die Frage der Erstattung einer fiktiven Terminsgebühr geht. Diese ist vorliegend nicht zu gewähren.
Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) entsteht die Terminsgebühr insbesondere auch, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Zwar scheint dieser Wortlaut auf den ersten Blick die Auffassung der Beklagtenseite zu tragen, wonach diese Voraussetzungen auch dann gegeben sein sollen, wenn von irgendeinem Beteiligten wie im hier gegebenen Fall von § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO neben anderen Rechtsbehelfen auch mündliche Verhandlung beantragt werden könne. Allerdings findet sich in der Rechtsliteratur die Kritik, dass vom Gesetzgeber der Vergütungstatbestand nicht mit der wünschenswerten Klarheit formuliert worden sei: Aus dem Wortlaut werde nicht klar, ob das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr alleine davon abhängig ist, ob theoretisch Antrag auf mündliche Verhandlung von irgendeiner Partei gestellt werden könnte, oder ob Voraussetzung für das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr ist, dass die betreffende Partei einen zulässigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung stellen könnte (vgl. Mayer in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG, 7. Aufl. 2018, Nr. 3104 VV Rn. 38).
Für das erkennende Gericht ergibt eine Auslegung der Vorschrift nach Sinn und Zweck, dass es nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung durch irgendeinen Beteiligten für das Entstehen der Terminsgebühr jedenfalls bei der obsiegenden Seite, hier der Erinnerungsführerin, genügen zu lassen.
Bis zur Änderung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung ab 1. August 2013 war lediglich Voraussetzung für das Entstehen der Terminsgebühr, dass durch Gerichtsbescheid entschieden wird. Die Ergänzung um den Zusatz „und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann“ wurde im Gesetzgebungsverfahren (vgl. den einschlägigen Gesetzentwurf, BT-Drucks. 17/11471, S. 275; im Internet abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/114/1711471.pdf) wie folgt begründet:
„Die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr soll konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig ist. Im Falle des Gerichtsbescheids sowohl im Verfahren nach der VwGO als auch im Verfahren nach dem SGG liegt es allein in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu beenden. Die Beteiligten können in beiden Verfahrensarten nur dann eine mündliche Verhandlung beantragen, wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben ist. Das Entstehen der Terminsgebühr, ohne dass ein Termin stattgefunden hat, soll daher auf diese Fälle beschränkt werden. (…).“
Das Verhältnis von Wortlaut der geänderten Vorschrift und gesetzgeberischer Absicht ist in der Literatur und der dem Gericht bekannten Rechtsprechung umstritten.
1. Teilweise wird zwar in der Tat vertreten, die Terminsgebühr entstehe ohne weitere Einschränkung letztlich bereits immer allein schon dann, wenn ein Gerichtsbescheid ergangen sei, gegen den von niemandem ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werde, weil es genüge, wenn eine der Parteien einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen könne (so etwa BRAK-Mitteilung 3/2018, S. 132 oder VG Hamburg, B.v. 9.11.2017 – 1 KO 8346/17 – juris). Insoweit wird geltend gemacht, die Norm führe mit keinem Wort ausdrücklich an, wer einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen können müsse; ebenso wenig enthalte der Wortlaut der Norm nichts dafür, nur Fälle von Gerichtsbescheiden im Sinne von § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erfassen zu lassen (vgl. VG Frankfurt, B.v. 3.1.2018 – 5 O 9405/17.F.A – juris). Eine Terminsgebühr falle also (nur) dann nicht an, wenn der Gerichtsbescheid kraft Gesetzes berufungsfähig sei oder das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen habe, weil dann eine mündliche Verhandlung nicht obligatorisch sei (vgl. Schneider, Die Änderungen in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, NJW 2014, 522, 524).
2. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass damit die Terminsgebühr auch für Fälle gewährt würde, in denen eine vom Gesetzgeber bezweckte Steuerungswirkung gar nicht notwendig ist, der Gesetzgeber aber erkennbar eine Terminsgebühr auf entsprechende Fälle beschränken wollte. Das erkennende Gericht hält daher aus teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung des Wortlauts für geboten. Dabei werden in Rechtsprechung und Literatur zwei Möglichkeiten diskutiert, die vorliegend jedoch beide dazu führen, dass eine Terminsgebühr für die Erinnerungsführerin nicht zu gewähren ist und die Kostenerinnerung ohne Erfolg bleibt.
a) Einerseits wird vertreten, dass die vom Gesetzgeber gewünschte Steuerungswirkung dann nicht erforderlich wird, wenn die Terminsgebühr von der vollständig obsiegenden Partei beantragt wird, da diese keinen (zulässigen) Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann. Bei fehlender Beschwer – die im vorliegenden Fall eines vollständig obsiegenden Klageabweisungsantrags für die Beklagtenseite auf der Hand liegt – habe es der Anwalt nicht in der Hand, durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung zu erzwingen (vgl. z.B. VG München, B.v. 4.12.2017 – M 3 M 17.52950 – juris; VG Regensburg, B.v. 20.6.2016 – RN 8 M 16.30783; VG Karlsruhe, B.v. 7.12.2017 – A 8 K 12574/17 – juris m.w.N., Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG, 7. Aufl. 2018, Nr. 3104 VV Rn. 38a). In der Gesetzesbegründung werde nämlich jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass der Anwalt (nur) dafür honoriert werden solle, dass er ein formal zulässiges Verhalten, das zum Entstehen einer Terminsgebühr führen würde, unterlässt (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 28.8.2017 – 3 O 359/17.WI.A – juris Rn. 5). Ist die Partei durch den Gerichtsbescheid nicht beschwert, weil sie vollständig obsiegt, braucht nicht durch eine dennoch erfolgende Gewährung einer (fiktiven) Terminsgebühr das Verhalten dieser Partei in der Weise beeinflusst werden, auf einen Antrag auf mündliche Verhandlung zu verzichten.
b) Dem wird andererseits entgegen gehalten, dass es dann zu einer Ungleichbehandlung der an dem Verfahren beteiligten Rechtsanwälte komme und die Gebühr eine „Misserfolgsgebühr“ darstelle (vgl. z.B. VG Regensburg, B.v. 14.9.2017 – RN 12 M 17.802; B.v. 27.6.2016 – RO 9 M 16.929 – juris; OVG NW, B.v. 9.5.2017 – 12 E 790/16 – juris). Es werde vielmehr angenommen, dass der Gesetzgeber gerade dieser Ungleichbehandlung, die dadurch entstehen würde, wenn man den Anfall der fiktiven Terminsgebühr davon abhängig machen würde, ob eine Beschwer für einen Verfahrensbeteiligten gegeben ist oder nicht, vorbeugen wollte. Die entscheidende Aussage in der Begründung des Gesetzesentwurfs sei darin zu sehen, dass – alle – Beteiligten, gleich ob unterliegende oder obsiegende Partei (und damit unabhängig von einer materiellen Beschwer durch den vorausgegangenen Gerichtsbescheid) nur dann eine mündliche Verhandlung beantragen und erzwingen können, wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben ist (so auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. 2017, VV 3104 Rn. 85; v.Seltmann in BeckOK RVG, 40. Edition Stand 1.12.2017, RVG VV 3104 Rn. 2; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, Nr. 3104 VV Rn. 16). Dem Anliegen des Gesetzgebers sei daher dadurch zu entsprechen, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift auf den Fall eingeschränkt werde, dass allein eine mündliche Verhandlung beantragt werden könne. Diese Auslegung lasse der Wortlaut der Vorschrift ebenfalls zu. Die fiktive Terminsgebühr entstehe demnach letztlich nur in den Fällen des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
3. Ein Streitentscheid, welcher dieser beiden einschränkenden Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben ist, ist vorliegend nicht erforderlich, die fiktive Terminsgebühr ist nämlich nach beiden Ansichten nicht zu gewähren.
a) So konnte vorliegend von Klägerseite auch die Zulassung der Berufung beantragt werden, sodass jedenfalls kein Fall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gegeben ist.
b) Unabhängig davon könnte die Beklagte vorliegend aber jedenfalls deshalb keine mündliche Verhandlung beantragen, weil sie durch den Gerichtsbescheid nicht beschwert ist. Durch die vollumfängliche Klageabweisung hat die Beklagte in dem durch Gerichtsbescheid beendeten Verfahren vollständig obsiegt. Ein (zulässiger) Antrag auf mündliche Verhandlung setzt aber, wie jeder Rechtsbehelf, eine Beschwer voraus (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 84 Rn. 37). Wird gleichwohl trotz fehlender Beschwer ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, kommt eine Ablehnung als unzulässig durch Beschluss in Betracht (vgl. VG Regensburg, B.v. 23.3.2018 – RN 11 M 18.30208 und B.v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006 – juris Rn. 4 m.w.N.; VG Schleswig-Holstein, B.v. 13.11.2015 – 12 A 30/15 – juris Rn. 10 m.w.N.). Sollte er allein zum Zweck, eine Terminsgebühr zu erwirken, gestellt werden, mag sogar eine Ablehnung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zu erwägen sein. Im Falle einer fehlenden Beschwer hat es der Anwalt eines Beteiligten also gerade nicht in der Hand, durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung zu erzwingen.
Wie bereits oben ausgeführt, sollte aber ausweislich der gesetzlichen Begründung zur Änderung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig ist. Immerhin dient die fiktive Terminsgebühr in erster Linie der Entlastung der Justiz. Die Gerichte sollen von mündlichen Verhandlungen entlastet werden, für die offensichtlich kein Bedarf besteht und die nur im Gebühreninteresse beantragt werden. Nur wenn dieses befürchtete Szenario (Belastung der Justiz mit inhaltlich leerlaufenden mündlichen Verhandlungen im Gebühreninteresse) überhaupt besteht, ist eine fiktive Terminsgebühr anzusetzen (VG Schleswig-Holstein, B.v. 13.11.2015 – 12 A 30/15 – juris Rn. 12).
Nachdem vorliegend der Beklagte mangels einer Beschwer keinen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen könnte und es somit der Bevollmächtigte des Beklagten nicht in der Hand hat, durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung zu erzwingen, steht ihm auch danach kein Anspruch auf eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG zu (so auch VG Regensburg, B.v. 23.3.2018 – RN 11 M 18.30208, B.v. 9.3.2016 – RN 2 M 16.30211; VG Schleswig-Holstein, B.v. 21.9.2015 – 12 A 3/15 – juris).
Die geltend gemachte Terminsgebühr wurde daher vom Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. März 2018 zu Recht nicht als eine dem Beklagten erwachsene notwendige und zu erstattende Aufwendung festgesetzt. Konsequenterweise fand dann auch keine Festsetzung der sich errechnenden Umsatzsteuer statt.
Die Erinnerung war demnach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Für das Verfahren nach § 165 VwGO sieht das Kostenverzeichnis einen Kostentatbestand für eine gerichtliche Entscheidung nicht vor, es ist daher gerichtsgebührenfrei. Wegen der Gerichtsgebührenfreiheit war die Festsetzung eines Gegenstandswerts nicht veranlasst. Der streitige Betrag beläuft sich auf 1.125,26 Euro.


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