Kosten- und Gebührenrecht

Keine analoge Anwendung der Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG bei nachträglicher Klagerücknahme

Aktenzeichen  L 15 SF 27/14 E

Datum:
14.1.2016
Fundstelle:
NZS – 2016, 399
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
KV GKG Nr. 7111
GKG GKG § 66
SGG SGG § 197a Abs.1

 

Leitsatz

Eine analoge Anwendung der Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG bei Klagerücknahme nach der mündlichen Verhandlung, in der ein Urteil ergangen ist, kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Absetzung des Urteils bis zur nachträglichen Klagerücknahme aufgrund einer Absprache des Hauptsacherichters mit dem Kläger zurückgestellt worden ist. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

S 50 SF 638/13 2014-01-22 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2014 wird aufgehoben.
II.
Auf die Erinnerung hin werden die Gerichtskosten im Verfahren vor dem Sozialgericht München mit dem Aktenzeichen S 15 R 3010/11 mit 363,- € festgestellt.

Gründe

I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).
Das unter dem Aktenzeichen S 15 R 3010/11 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) der damaligen Klägerin und jetzigen Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund endete dadurch, dass der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2013 die Klage teilweise zurücknahm. Im Übrigen wurde die Klage durch Urteil abgewiesen; dabei wurden die Kosten des Verfahrens der Beschwerdegegnerin auferlegt. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom selben Tag auf 5.000,- € festgesetzt. Mit Schreiben vom 05.11.2013 nahm der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin die Klage dann vollumfänglich zurück.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 07.11.2013 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 121,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde.
Dagegen hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schriftsatz vom 08.11.2013 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass gemäß Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG eine Ermäßigung nur dann stattfinde, wenn die Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werde. Der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, in der hier ein Urteil gesprochen worden sei, sei am 25.10.2013 gewesen. Die Klagerücknahme mit Schreiben vom 05.11.2013 sei also zu spät für eine Ermäßigung erfolgt. Wie hoch Qualität und Quantität des richterlichen Aufwands im Einzelfall bei einer verspäteten Klagerücknahme tatsächlich seien, könne wegen des eindeutigen Wortlauts des Ermäßigungstatbestands keine Rolle spielen.
Auf Nachfrage des Kostengerichts hat der Hauptsacherichter im November oder Dezember 2013 – seine Stellungnahme ist nicht datiert – angegeben, dass ihn der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung gebeten habe, die Angelegenheit mit seinem Mandanten besprechen zu können. Er werde dann die Klage nachträglich zurücknehmen. Aufgrund dieser Vereinbarung habe der Hauptsacherichter nicht begonnen, das Urteil abzusetzen. Dies erweitere – so der Hauptsacherichter – den Spielraum des Vorsitzenden, ohne die Sache vertagen zu müssen. Es wäre nicht sachdienlich, wenn ihm diese Möglichkeit durch zu restriktive Anwendung des Kostenrechts genommen würde.
Mit Beschluss vom 22.01.2014 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Zwar seien – so das SG – die Tatbestände der Nr. 7111 KV GKG ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt. Gleichwohl werde im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm, Herstellung der Kostengerechtigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit, eine Ausdehnung des Tatbestands der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG für notwendig erachtet. Eine Auslegungsfähigkeit dieses Tatbestands werde trotz des klaren Wortlauts nicht grundsätzlich ausgeschlossen, obgleich sich hinsichtlich des Ausnahmecharakters der Nr. 7111 KV GKG eine weite Auslegung verbiete. Der Kostengesetzgeber habe wohl die Art der im vorliegenden Fall getroffenen Vereinbarung nicht bedacht. Es werde für sinnvoll erachtet, es einem Vorsitzenden zu ermöglichen, eine mündliche Verhandlung mit einem Urteil abzuschließen, ohne zur Vertagung verpflichtet zu sein, und dennoch dem Kläger den Anreiz der Kostenfolge zu geben, wenn das Verfahren noch durch Rücknahme beendet werde. Denn der mit der Absetzung eines Urteils verbundene richterliche Aufwand, der durch die Klagerücknahme eingespart werden könne, sei nicht unbeträchtlich. Auch spreche die Kostengerechtigkeit für eine Reduzierung, wobei zu berücksichtigen sei, dass eine Ermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG auch dann anfalle, wenn ein Gerichtsbescheid oder ein Urteil vom Richter bereits fertig gestellt sei. Im Hinblick auf die im Kostenrecht geforderte Klarheit werde es für sinnvoll erachtet, den Ausnahmetatbestand der Nr. 7111 (Nr. 1a) KV GKG auf die Fälle auszudehnen, in denen das Bestehen einer Vereinbarung zwischen dem Hauptsacherichter und dem Kläger, das Urteil innerhalb einer gewissen Frist nicht abzusetzen, entweder protokolliert sei oder nach Anfrage durch die Aussage des Vorsitzenden bestätigt werde.
Gegen den Beschluss des SG vom 22.01.2014 hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.01.2014 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass es mit Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG einen unmissverständlich formulierten Tatbestand gebe, der nicht erfüllt sei, weshalb nicht ermäßigt werden dürfe. Die Begriffe „vor“ oder „nach dem Abschluss der mündlichen Verhandlung“ seien nicht auslegungsfähig, sondern könnten nur nach Aktenlage als Fakt festgestellt werden. Eine „planwidrige Regelungslücke“ sei daher schwer zu erkennen.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.
Das SG ist, wie zuvor der Kostenbeamte in der Gerichtskostenfeststellung vom 07.11.2013, fälschlicherweise davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zur Anwendung komme. Tatsächlich ist für die Gerichtskostenfeststellung vorliegend der Gebührentatbestand der Nr. 7110 KV GKG einschlägig.
Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.
1. Keine Erfüllung der Voraussetzungen der Nr. 7111 KV GKG
Die Voraussetzungen der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG sind nicht erfüllt.
Die Voraussetzungen einer Ermäßigung des Satzes der Gebühr nach § 34 GKG vom 3,0-Fachen für das Verfahren im Allgemeinen (Nr. 7110 KV GKG) auf das 1,0-Fache sind in Nr. 7111 KV GKG wie folgt formuliert:
„Beendigung des gesamten Verfahrens durch
1. Zurücknahme der Klage
a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder,
b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird,
2. Anerkenntnisurteil,
3. gerichtlichen Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis oder
4. Erledigungserklärungen nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO, wenn keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgt,
es sei denn, dass bereits ein Urteil oder ein Gerichtsbescheid vorausgegangen ist.“
Die teilweise Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2013 begründet die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG nicht, da die teilweise Klagerücknahme nicht die Beendigung des gesamten Klageverfahrens bewirkt hat. Eine solche vollständige Erledigung ist aber Voraussetzung für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG (dort a.A.: „Beendigung des gesamten Verfahrens …“).
Mit der Klagerücknahme im Übrigen im Schreiben vom 05.11.2013 nach Erlass des Urteils in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2013 wird die Anwendung des Ermäßigungstatbestands nicht eröffnet, auch wenn damit nunmehr das gesamte Verfahren erledigt ist. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist Voraussetzung, dass im Fall einer mündlichen Verhandlung die Zurücknahme der Klage „vor“ dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgen muss. Die Klagerücknahme im Übrigen ist im vorliegenden Fall aber erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt worden.
2. Keine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG
Die Vorschrift der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG ist einer analogen Anwendung nicht zugänglich.
Das SG hat den Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG analog angewendet, obwohl es selbst darauf hingewiesen hat, dass diese analoge Anwendung entgegen des Wortlauts des Gesetzes erfolge und der Ausnahmecharakter der Vorschrift der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG einer weiten Auslegung entgegenstehe. Es hat die gleichwohl von ihm vorgenommene analoge Anwendung mit der „Kostengerechtigkeit“ und damit begründet, dass es einem Vorsitzenden ermöglicht werden sollte, eine mündliche Verhandlung mit einem Urteil abzuschließen, ohne zur Vertagung verpflichtet zu sein, und dennoch dem Kläger den Anreiz der Gebührenermäßigung zu geben, wenn das Verfahren noch durch Rücknahme beendet werde. Zudem führt das SG als Argument für eine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands an, dass der mit der Absetzung eines Urteils verbundene richterliche Aufwand nicht unbeträchtlich sei und dieser Aufwand in einem Fall der Zurückstellung der Absetzung des Urteils und anschließender Rücknahme eingespart werden könne.
Dieser Argumentation kann sich der Senat nicht anschließen.
Die Regelung der Nr. 7111 KV GKG kann schon wegen ihres Charakters als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG nicht weit ausgelegt werden (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, und vom 08.01.2016, Az.: L 15 SF 37/12 B; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 1 f. – m. w. N.).
Erst recht ist sie nicht einer analogen Anwendung zugänglich. Eine analoge Anwendung von Gebührentatbeständen des Kostenverzeichnisses wird bereits generell abgelehnt (h.M., vgl. z. B. Bundesgerichtshof – BGH -, Beschlüsse vom 22.02.2006, Az.: RiZ (R) 1/05, und vom 12.03.2007, Az.: II ZR 19/05; Bundessozialgericht – BSG -, Beschluss vom 01.09.2009, Az.: B 1 KR 1/09 D; mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen: Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 20.04.2010, Az.: 1 BvR 1670/09). Dies gilt unabhängig davon, ob die im Raum stehende Vorschrift zulasten oder zugunsten eines Kostenpflichtigen angewendet werden soll. Denn bei der Ermittlung der Analogiefähigkeit einer Rechtsnorm spielt der Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes keine Rolle. Sofern der Beschluss des BGH vom 22.02.2006, Az.: RiZ (R) 1/05, und die diesen Beschluss inhaltlich aufgreifenden, zeitlich nachfolgenden Beschlüsse (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 12.03.2007, Az.: II ZR 19/05BSG; BSG, Beschlüsse vom 01.09.2009, Az.: B 1 KR 1/09 D, und vom 07.09.2010, Az.: B 1 KR 1/10 D) den Eindruck erwecken, dass die fehlende Analogiefähigkeit auch mit dem Vorbehalt des Gesetzes begründet worden ist, kann sich der Senat dieser Begründung nicht anschließen. Bezeichnend ist im diesem Zusammenhang auch, dass das BVerfG diesen Gesichtspunkt in seinem Beschluss vom 20.04.2010, Az.: 1 BvR 1670/09, nicht aufgegriffen hat, wodurch sich der Senat in seiner Ansicht bestätigt sieht. Eine analoge Anwendung von Regelungen des GKG ist daher nicht nur zulasten, sondern auch zugunsten eines kostenpflichtigen Beteiligten ausgeschlossen.
Der Senat sieht zudem im eindeutigen Wortlaut der Regelung der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG ein unüberwindbares Hindernis für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in der vom SG vorgenommen Form. Das Wort „vor“ kann nicht im Weg einer analogen Anwendung als sein Gegenteil, nämlich als „nach“ ausgelegt werden. Zudem steht einer analogen Anwendung der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG entgegen, dass es sich bei Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG um eine Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG handelt und eine solche Regelung grundsätzlich nicht analogiefähig ist.
Im Übrigen können auch die vom SG für eine analoge Anwendung angeführten Gründen nicht überzeugen.
Wenn das SG zur Begründung der Analogiefähigkeit den Gesichtspunkt heranzieht, dass im vorliegenden Fall der mit der Absetzung eines Urteils verbundene erhebliche richterliche Arbeitsaufwand durch die nach der mündlichen Verhandlung erklärte Klagerücknahme verhindert worden sei, und darauf hinweist, dass dies mit dem Fall einer Klagerücknahme vor Schluss der mündlichen Verhandlung vergleichbar sei, mag dies zwar mit Blick auf den Aufwand für die Absetzung des Urteils nachvollziehbar sein. Das SG verkennt dabei aber, dass es für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG nicht ausreichend ist, dass der Aufwand für die Absetzung des Urteils vermieden worden ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das „gesamte“ Verfahren beendet sein muss und schon eine Kostenentscheidung, die über eine „unechte“ Kostengrundentscheidung hinausgeht, einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegen steht (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, und vom 07.01.2016, Az.: L 15 SF 95/13 B). Zudem – auch dies hat das SG verkannt – ist gegenüber einer vollständigen Rücknahme vor Schluss der mündlichen Verhandlung dadurch ein erheblich größerer Aufwand richterlicher Tätigkeit entstanden, dass die Urteilsberatung und -verkündung und möglicherweise auch eine mündliche Begründung der Entscheidung erfolgen haben müssen. Dass dieser Aufwand in nicht wenigen Fällen vergleichbar oder sogar größer ist als der einer echten Kostengrundentscheidung, die aber einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands ohne den geringsten Zweifel entgegen steht, liegt auf der Hand. Von einer Vergleichbarkeit des richterlichen Aufwands bei Klagerücknahme vor Schluss der mündlichen Verhandlung mit dem bei einer Rücknahme danach kann daher keine Rede sein.
Pragmatische Gründe, wie sie das SG für die analoge Anwendung anführt, nämlich es dem Hauptsacherichter zu ermöglichen, in der mündlichen Verhandlung bereits durch Urteil zu entscheiden und sich gleichwohl die Anreizwirkung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG zu erhalten, sind grundsätzlich kein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Entscheidung, ob eine gesetzliche Regelung in analoger Form zur Anwendung kommen soll. Im Übrigen kann diesem Gesichtspunkt im sozialgerichtlichen Verfahren oft auch dadurch Rechnung getragen werden, dass in der mündlichen Verhandlung nicht durch Urteil entschieden wird, wenn eine Klagerücknahme zeitnah im Raum steht, sondern stattdessen zum Gerichtsbescheid angehört wird. Damit wird eine Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG weiterhin offen gehalten. Von einer unzumutbaren Einschränkung des „Spielraums des Vorsitzenden“, wie dies der Hauptsacherichter in seiner Stellungnahme vom November oder Dezember 2013 gemeint hat, kann nicht die Rede sein.
Schließlich sieht der Senat auch nicht aus Gründen der Kostengerechtigkeit einen Grund für eine analoge Anwendung. Es ist zwar zutreffend, dass im Rahmen der Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG nicht auszuschließen ist, dass der Ermäßigungstatbestand zur Anwendung kommt, obwohl der Hauptsacherichter seine Entscheidung bereits weitgehend fertig gestellt hat. Diese Regelung ist dem Umstand geschuldet, dass die Anwendung des Ermäßigungstatbestands auch in solchen Fällen nicht ausgeschlossen sein soll, in denen die verfahrensabschließende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, bei denen aber für die Beteiligten nicht erkennbar ist, wie weit die richterliche Arbeit schon gediehen ist. Dass insofern Fälle denkbar sind, in denen der Ermäßigungstatbestand zur Anwendung kommt, obwohl das Gericht für die Entscheidung in der Hauptsache bereits erhebliche Zeit aufgewendet hat, ist im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Ermessensspielraums hinzunehmen. Zu berücksichtigen ist zudem auch, dass auch die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung für den Richter mit erheblichem Aufwand verbunden ist, dies aber einer Gebührenermäßigung nicht entgegensteht. Verfassungsrechtliche Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz eine analoge Anwendung der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG verlangen könnten, bestehen jedenfalls nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76).
3. Kostenfestsetzung
Die Gerichtskosten im Klageverfahren vor dem SG mit dem Aktenzeichen S 15 R 3010/11 sind nach Nr. 7110 KV GKG festzusetzen. Die Gerichtskosten betragen bei einem Streitwert von 5.000,- € zum maßgeblichen Zeitpunkt 363,- €.
Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).


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