Kosten- und Gebührenrecht

Keine erneute Verfahrensgebühr im Abänderungsverfahren

Aktenzeichen  M 15 M 20.32762

Datum:
26.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41818
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7, § 151, § 165
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5

 

Leitsatz

1. In der Regel benötigt der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, keine besondere Einarbeitungszeit, sondern kann vielmehr auf seine frühere Arbeit zurückgreifen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abänderungsverfahren stellt keine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens dar, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes für die Zukunft ist. Die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt davon unberührt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 hatte das Bayerische Verwaltungsgericht … einen Antrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 8. Dezember 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage vom selben Tag (…) anzuordnen, abgelehnt (…). Am 9. März 2017 stellte der Bevollmächtigte einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO (…). Daraufhin wurde unter Abänderung der Ziffer I. des Beschlusses vom 29. Dezember 2016 mit Gerichtsbeschluss vom 14. Dezember 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Auf Kostenfestsetzungsantrag des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 4. September 2020 zum Verfahren  … (Festsetzung von Verfahrensgebühr und Postpauschale) erging am 15. September 2020 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem der Antrag auf Festsetzung der dem Antragsteller im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstandenen Kosten abgelehnt wurde, da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebührenrechtlich eine Einheit seien und die im letzteren Verfahren schon entstandene Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post und Telekommunikation nicht (erneut) erstattungsfähig seien. Erstmals im Abänderungsverfahren entstandene Kosten seien nicht geltend gemacht worden.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2020, beim Verwaltungsgericht … eingegangen am selben Tag, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Entscheidung des Gerichts.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab. Zur Begründung verwies sie auf den Beschluss vom 15. September 2020.
Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 22. Oktober 2020, eine Äußerung erfolgte jedoch nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren … verwiesen.
II.
1. Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat zu Recht eine Festsetzung der von dem Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Kosten für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abgelehnt. Der Erstattung der geltend gemachten Kosten stehen §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG entgegen.
Nach § 16 Nr. 5 RVG stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (vgl. a. BayVGH, B.v. 26.01.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris). Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs. Das stellt § 16 Nr. 5 RVG als speziellere Regelung nunmehr auch vergütungsrechtlich klar. Eine Verfahrensgebühr ist im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO somit nicht (erneut) entstanden, nachdem sie schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden war. Ist der Rechtsanwalt – wie im vorliegenden Fall – in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für diesen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht erstattungsfähig (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris; BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris; VG München, B.v. 19.7.18 – M 8 M 18.51372; VG München, B.v. 22.7.2015 – M 22 M 15.50672).
Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht eine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren ist, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist, bleibt davon auch die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO unberührt (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris, Rn. 15; VG Sigmaringen, B.v. 30.3.2011 – 5 K 3036/10 – juris m.w.N.).
Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Gebühren (Verfahrensgebühr und Postpauschale) sind nach alledem bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angefallen und können nur in diesem und nicht erst im anschließenden Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abgerechnet werden. Die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 14. Dezember 2017 bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren und lässt die Kostenentscheidung des § 80 Abs. 5 VwGO-Beschlusses von 29. Dezember 2016 unberührt. Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis bleibt auch, ob dem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO eine stattgebende oder eine ablehnende Entscheidung mit entsprechender Kostenfolge im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorausgegangen ist (vgl. OVG NRW, B.v. 13.7.2018 – 13 B 275/18.A – juris). Dies führt auch nicht vor dem Hintergrund zu einem unbilligen Ergebnis, dass ein in einem Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht (oder anderweitig) vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zu Grunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen (vgl. VG Berlin, B.v. 31.10.2012 – 35 KE 32.12, 34 L 222.11A – juris; VG München, B.v. 1.2.2016 – M 25 M 16.50045). Es besteht auch kein Wahlrecht, die Kosten erst nach dem Obsiegen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen den dort Unterlegenen geltend zu machen (vgl. zu Allem z.B. a. VG München, B.v. 29.6.2020 – M 23 M 20.30017; B.v. 23.1.2010 – M 9 M 20.50032; B.v. 15.5.2019 – M 12 M 18.50220; B.v. 10.4.2019 – M 4 M 19.31156; B.v. 19.2.2019 – M 1 M 19.50087).
Nach alledem war die Erinnerung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. a. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).


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