Kosten- und Gebührenrecht

Keine Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 KV GKG bei Entscheidung über die Kosten des Beigeladenen

Aktenzeichen  L 15 SF 37/12 B

Datum:
8.1.2016
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG § 66
GKG KV Nr. 7111
SGG SGG § 197a
VwGO VwGO §§ 155 II
162 III

 

Leitsatz

1. Eine Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 KV GKG kommt dann nicht in Betracht, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostengrundentscheidung treffen muss, die sich nicht lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. (amtlicher Leitsatz)
2. Eine zu treffende Kostengrundentscheidung steht nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegen, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum. (amtlicher Leitsatz)
3. Bei der Frage der Art der Erledigung des Hauptsacheverfahrens sind Kostenbeamter und Kostengericht an die Festlegung des Gerichts der Hauptsache gebunden, ohne dass es auf die materielle Richtigkeit der Festlegung im Hauptsacheverfahren ankommt. (amtlicher Leitsatz)
4. Geht das Gericht der Hauptsache bei seiner Kostengrundentscheidung von einer Klagerücknahme gemäß 155 Abs. 2 VwGO aus, kommt der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG zur Anwendung. (amtlicher Leitsatz)
5 Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG setzt eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraus. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 36 SF 1043/11 2012-01-26 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben.
II.
Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 4. November 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).
Das unter dem Aktenzeichen S 28 KA 881/07 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren des Erinnerungsführers und jetzigen Beschwerdegegners (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns endete durch mit Schriftsatz vom 22.10.2007 erklärter Klagerücknahme. Anschließend erlegte das SG mit Beschluss vom 05.03.2008, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens auf; weiter stellte es fest, dass Kosten des Beigeladenen nicht zu erstatten seien, weil dieser weder Anträge zur Hauptsache gestellt habe noch Ausführungen des Beigeladenen das Verfahren wesentlich gefördert hätten, da auch ein Äußerungsbedarf noch nicht bestanden habe. Zudem wurde der Streitwert auf 5.000,- € festgesetzt.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 363,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zugrunde. Der Ansatz der Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG und nicht nach Nr. 7111 KV GKG wurde im Begleitschreiben vom 04.11.2011 damit begründet wurde, dass ein Beschluss nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) erlassen worden sei.
Dagegen hat der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 09.11.2011 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass im Falle der Klagerücknahme eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen sei und der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG erfüllt sei.
Mit Beschluss vom 26.01.2012 hat das SG die Gerichtskosten auf 121,- € festgesetzt und dabei den Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG zugrunde gelegt. Wegen der Klagerücknahme – so das SG – beruhe die Kostenentscheidung des Gerichts der Hauptsache auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO. Dass hinsichtlich der Tragung der Kosten des Beigeladenen eine Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO nach billigem Ermessen ergangen sei, führe nicht zum Ausschluss der Ermäßigung der Gerichtsgebühr. Nach dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG seien die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr erfüllt.
Gegen den Beschluss des SG München vom 26.01.2012 hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 02.02.2012 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass der Ermäßigungstatbestand nur dann zur Anwendung komme, wenn das gesamte Verfahren, also die Hauptsache und die Kosten, erledigt seien und eine gerichtliche Kostenentscheidung entbehrlich geworden sei. Im vorliegenden Fall sei aber über die Kosten zu entscheiden gewesen. Dabei sei es unbeachtlich, ob die gerichtliche Kostenentscheidung nur deklaratorischen Charakter habe oder – wie hier – nach billigem Ermessen erfolgt sei. Außerdem sei es Teil des vom Beschwerdegegner eingegangenen Prozessrisikos, dass ein Mitbewerber seine Beiladung beantrage. Dass über die Kosten dieses Beigeladenen mit Beschluss entschieden werden müsse, könne nicht mit einer Ermäßigung der Gerichtskosten zulasten der Staatskasse honoriert werden.
Demgegenüber ist der Beschwerdegegner der Meinung, dass die Auslegung des Beschwerdeführers, eine „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG umfasse auch den Kostenpunkt, neben der Sache liege und nicht haltbar sei. Nur im Fall der – hier nicht einschlägigen – Nummer 4 von Nr. 7111 KV GKG verhindere eine Kostenentscheidung die Ermäßigung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.
Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zur Anwendung komme. Der Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 hingegen ist zu Recht der Gebührentatbestand der Nr. 7110 KV GKG zugrunde gelegt worden.
Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.
Mit der inmitten stehenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:
„3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens
Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es – mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens – keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.
„3.1. Gesamtbeendigung
Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. – teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen – Oberlandesgericht – OLG – Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. A., Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.
3.2. Fehlende Kostenentscheidung
Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.
3.2.1. Grundsatz
Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.
Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.
Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.
Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG – und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird – eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnrn. 2 f. – m. w. N.).
3.2.2. Ausnahme
Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.
Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a.A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offengelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.
Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.
Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).
Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht – unabhängig in welchem Umfang – weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.
Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle,
„die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“
Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.“
Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine vom Gericht der Hauptsache zu treffende Kostengrundentscheidung nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegensteht, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum (vgl. auch Beschluss des Senats vom 07.01.2016, Az.: L 15 SF 95/13 B).
Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Auch wenn im Fall einer Klagerücknahme wegen der gemäß § 155 Abs. 2 VwGO vorgegebenen Kostenfolge (einer Kostentragung dessen, der die Klage zurückgenommen hat) grundsätzlich von einer „unechten“ Kostengrundentscheidung mit der Folge einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG auszugehen ist, ist im hier vorliegenden Fall einer Beteiligung eines Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise nicht von einer solchen Kostengrundentscheidung auszugehen. Denn gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ist die vom Gericht zu treffende Kostengrundentscheidung, soweit sie die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen betrifft, eine Ermessensentscheidung und damit insofern eine echte Kostengrundentscheidung. Eine solche Entscheidung kann nicht allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung der Rücknahme und einer vom Gesetzgeber daran geknüpften kostenrechtlichen Konsequenz getroffen werden, sondern bedarf eines weiteren Blicks in die Akten, um die Ausübung des für die Kostenentscheidung erforderlichen Ermessens zu gewährleisten. Damit ist eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG ausgeschlossen.
Der Senat ist sich bewusst, dass damit im Fall einer Klagerücknahme regelmäßig nicht eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG erfolgen wird, sofern im Verfahren ein Beigeladener beteiligt gewesen ist. Zwar kann auch in solchen Fällen der die Klage zurücknehmende Kläger eine Anwendung des Ermäßigungstatbestands dadurch bewirken, dass er seine Bereitschaft zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen erklärt. Eine derartige Erklärung wird aber – dies zeigt auch der hier entschiedene Fall – oft nicht erfolgen. Gleichwohl sieht der Senat in derartigen Fällen keine Grundlage, einem sein Rechtsmittel zurücknehmenden Kläger durch die Anwendung des Ermäßigungstatbestands zulasten der Staatskasse entgegenzukommen. Denn für eine Kostenprivilegierung ist dann kein Raum, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostenentscheidung treffen muss, die mit erheblichem richterlichem Arbeitsaufwand verbunden sein kann, weil eine Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien erforderlich ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen [Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 – KostRÄndG 1994] – Bundestags-Drucksache 12/6962, S. 70), wie es auch bei der gemäß § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Entscheidung der Fall ist.
Darauf, wie hoch der Aufwand des Gerichts der Hauptsache für die mit Blick auf den Beigeladenen zu treffende Kostenentscheidung im Einzelfall tatsächlich ist, kommt es nicht an. Denn die Frage einer Gebührenermäßigung ist allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht – unabhängig in welchem Umfang – weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E).
Für eine erweiternde Auslegung in dem Sinn, dass es mit Blick auf die Anreizwirkung der Nr. 7111 KV GKG zur umfassenden unstreitigen Verfahrensbeendigung allein auf die Kostenregelung betreffend Kläger und Beklagte, nicht aber den Beigeladenen ankommen sollte, sieht der Senat keinen Raum, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E; A., a. a. O., GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 1 f. – m. w. N.).
Dass es in Verfahren mit Beigeladenen im Fall der Klagerücknahme wie hier regelmäßig nicht zu einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 KV GKG kommen wird, ist daher hinzunehmen.
Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).


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