Kosten- und Gebührenrecht

Keine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Beendigung des Sachverfahrens

Aktenzeichen  6 C 20.344

Datum:
31.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6762
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114
VwGO § 166

 

Leitsatz

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet grundsätzlich aus, wenn die zugrunde liegende kostenverursachende Instanz bereits abgeschlossen ist, also nichts mehr gefördert werden kann. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht, wenn der jeweilige Antragsteller aus freiem Entschluss, etwa im Wege der Klage- oder Antragsrücknahme, das zu fördernde Sachverfahren beendet hat. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem gleichzustellen ist der Fall, dass der Rechtsschutzsuchende nach erfolglos verlaufenem ersten Rechtszug hinsichtlich des mittels Prozesskostenhilfe zu fördernden Gerichtsverfahrens die Einlegung eines möglichen Rechtsmittels unterlässt und sich darauf beschränkt, die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeversagung anzufechten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21b K 19.3470 2020-02-04 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 4. Februar 2020 – M 21b K 19.3470 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Rechtsanwalts für seine Klage vom 23. Juli 2019 gegen den Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 25. April 2019 in der Gestalt des Beschwerdebescheides derselben Behörde vom 26. Juni 2019, mit dem er gemäß § 55 Abs. 5 SG i.V.m. §§ 11, 20 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit entlassen worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 4. Februar 2020 mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Unter dem 10. Februar 2020 hat der Kläger hiergegen Beschwerde eingelegt.
Mit Urteil vom 11. Februar 2020, das dem Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Februar 2020 zugestellt worden ist, hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung ist beim Verwaltungsgericht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 VwGO nicht eingegangen.
II.
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.
Ist das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, durch eine rechtskräftige abschlägige Entscheidung abgeschlossen, so bleibt eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zwar zulässig; sie ist jedoch grundsätzlich als unbegründet zurückzuweisen, da mit Eintritt der Rechtskraft der ergangenen Sachentscheidung bindend feststeht, dass das Rechtsschutzgesuch des um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn von § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO besitzt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 29.5.2001 – 21 ZC 00.2788 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 27.8.2008 – 11 CS 08.2213, 11 C 08.2239 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Prozesskostenhilfe dient dazu, einem Beteiligten ohne zureichendes Einkommen und Vermögen eine beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Die Bezugnahme auf eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung zeigt dabei, dass es zumindest im Regelfall um die Förderung einer konkreten, in der vom Prozesskostenhilfegesuch erfassten Instanz noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreitigkeit gehen muss; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat nicht die Aufgabe, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten bzw. dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet daher grundsätzlich aus, wenn die zugrunde liegende, kostenverursachende Instanz bereits abgeschlossen ist, also nichts mehr gefördert werden kann (vgl. NdsOVG, B.v. 13.1.2016 – 2 PA 409/15 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 4.1.2016 – 1 E 1187/15 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.6.2010 – 11 C 10.747 – juris Rn. 17 und 31 m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze liegt hier keine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung mehr vor. Auch die Voraussetzungen für eine in dieser Situation nur noch in Betracht kommende rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus Billigkeitsgründen sind nicht gegeben. Es besteht weitgehend Einigkeit darin, dass eine derartige Billigkeitsentscheidung nicht in Betracht kommt, wenn der jeweilige Antragsteller aus freiem Entschluss, etwa im Wege der Klage- oder Antragsrücknahme, das zu fördernde Sachverfahren beendet hat (vgl. OVG NW, B.v. 19.9.2008 – 5 B 1410/08 – 5 E 1231/08 – NVwZ-RR 2009, 270).
Dem gleichzustellen ist der Fall, dass der Rechtsschutzsuchende nach erfolglos verlaufenem ersten Rechtszug hinsichtlich des mittels Prozesskostenhilfe zu fördernden Gerichtsverfahrens die Einlegung eines möglichen Rechtsmittels unterlässt und sich darauf beschränkt, die erstinstanzliche Prozesskostenhilfeversagung anzufechten. In solchen Fällen hat sich das Verfahren nicht „ohne Zutun“ des Betroffenen erledigt; die damit eingetretene Beendigung des Verfahrens ist vielmehr der eigenen Verantwortungssphäre des Rechtsschutzsuchenden zuzurechnen, stellt also ebenfalls eine gewillkürte Verfahrensbeendigung dar, die einer Billigkeitsentscheidung für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe abträglich ist.
So liegt es hier. Der Kläger hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht gestellt. Selbst wenn einem Beteiligten wegen seiner Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, muss er jedoch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zumindest einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag für das beabsichtigte Rechtsmittel eingereicht haben (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PKH 15.03 – DÖV 2004, 537). Dies hat der Kläger versäumt.
Vor dem Hintergrund des Vorstehenden sei hier nur noch ergänzend ausgeführt, dass die Klage auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat und das Verwaltungsgericht das Prozesskostenhilfegesuch daher zu Recht abgelehnt hat. Zur Begründung sei insoweit auf die entsprechenden überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), denen der Kläger mit seiner Beschwerde nichts Substanzielles entgegengesetzt hat.
Der Hinweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Oldenburg (B.v. 19.2.2019 – 6 B 4453/18) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 2.5.2019 – 5 ME 69/19) führt nicht weiter, da sich die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte von dem vorliegend zu beurteilenden in einem wesentlichen Punkt unterscheiden. Anders als die dortigen Rechtsmittelführer hat der Kläger seine persönliche und dienstliche Integrität nicht allein durch die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit innerhalb seines Dienstes als Tippgeber für unterschiedliche Unternehmen erschüttert. Vielmehr hat er darüber hinaus trotz des ausdrücklichen Befehls seines Vorgesetzten, diese Tätigkeit ab sofort einzustellen, in der Folgezeit einen weiteren Kameraden zu einer von einem seiner Vertragspartner durchgeführten Informationsveranstaltung zu Versicherungsverträgen mitgebracht. Mit dem Verwaltungsgericht ist dies ohne Zweifel objektiv als Tippgebertätigkeit anzusehen, die zu unterlassen dem Kläger befohlen worden war. Das ergibt sich eindeutig aus der vom Kläger am 19. März 2018 unterzeichneten Partnervereinbarung mit der P. GmbH, worin der Kläger sich (ausschließlich) zur gelegentlichen Zuführung von Interessenten verpflichtet hatte. Ob diese vom Kläger zu erbringende Tätigkeit der Zuführung jeweils letztendlich zu einer Vergütung in Form einer Provision gemäß Nr. 3 der Partnervereinbarung führte, spielt bei der Einordnung der Interessentenzuführung als – dem Kläger ausdrücklich untersagte – Tätigkeit eines Tippgebers keine Rolle. Die in diesem Verhalten liegende schuldhafte Verletzung seiner Gehorsamspflicht stellt einen entscheidenden Unterschied zu den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 152 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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