Kosten- und Gebührenrecht

Keine Verfahrensgebühr für Abänderungsverfahren

Aktenzeichen  M 12 M 18.50220

Datum:
15.5.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35820
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 15 Abs. 2 S. 1, § 16 Nr. 5
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 151, § 165

 

Leitsatz

Eine Verfahrensgebühr entsteht im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut, nachdem sie bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden war (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2011, 55855). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Mit Beschluss vom 9. April … lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag des Antragstellers im Verfahren M 12 S 14.30554 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 13. März … (M 12 K 14.30553) gegen die mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19. Februar … verfügte Abschiebungsanordnung nach Ungarn ab und erlegte dem Antragsteller in Nr. II des Tenors die Kosten des Verfahrens auf. Auf einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (M 12 S7 14.50710) hin änderte das Gericht mit Beschluss vom 19. Dezember … den Beschluss vom 9. April … ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an. Unter Nr. II des Tenors dieses Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember … hat der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Kostenfestsetzungsantrag (1,3 Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale) gestellt und mit Schriftsatz vom 31. Dezember … auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. September … (M 17 M 15.50729) verwiesen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Januar … (M 12 S7 14.50710) wurde der Antrag des Bevollmächtigten des Antragsteller auf Festsetzung der von der Antragsgegnerin nach dem Beschluss vom 19. Dezember … zu erstattenden Kosten abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO seien gebührenrechtlich eine Einheit, da die Verfahren nach § 16 Nr. 5 RVG dieselbe Angelegenheit beträfen. Da der Rechtsanwalt nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern könne, seien Gebühren, die bereits im Ausgangsverfahren entstanden seien, im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht nochmals erstattungsfähig. Zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehe regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang, der die Zusammenfassung der Verfahrensabschnitte zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertige, Der Arbeitsanfall des Rechtsanwalts sei im Wesentlichen bereits im vorausgegangenen Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten. Da der Bevollmächtigte bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 12 S 14.30554) für den Antragsteller tätig gewesen sei, seien die dort entstandenen Gebühren nicht – nochmals – erstattungsfähig. Die erst im Abänderungsverfahren zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostengrundentscheidung beziehe sich nur auf das Abänderungsverfahren selbst und regle damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten. Sie ersetze nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, diese bleibe vielmehr erhalten. Daher könnten nur erstmals im Abänderungsverfahren entstandene Kosten geltend gemacht werden. Die beantragte Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen seien erstmals im Ausgangsverfahren angefallen. Auf Beschlüsse des VGH Baden-Württemberg vom 8.11.2011 (8 S 1247/11 – juris), des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.5.2014 (19 E 524/14.A), des Verwaltungsgerichts Münster vom 8.5.2014 (6 L 776/13.A – juris) und des Verwaltungsgerichts München vom 10.9.2014 (M 11 M 14.50469) vom 12.9.2014 (M 25 M 14.30889) und vom 26.9.2014 (M 16 M 14.30662) wurde verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 19. Januar …, bei Gericht am 22. Januar … eingegangen, hat der Bevollmächtigte des Antragstellers
die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Zur Begründung verwies der Bevollmächtigte auf sein Schreiben vom 31. Dezember … und eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. September … (M 17 M 15.50729).
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 30. Januar … hat die Antragsgegnerin hierauf ausführlich erwidert. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 14. April … hat der Bevollmächtige des Antragstellers im Wesentlichen ausgeführt, es sei widersprüchlich, wenn zwar über die Kosten bei den beiden Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO zweimal entschieden werde, die Rechtsanwaltsgebühr aber nur einmal anfallen sollte. Nach dem RVG sollen die beiden Verfahren ein Verfahren sein, während es nach der VwGO prozessrechtlich zwei selbständige Verfahren seien. Der Antragsteller müsste bei einem Anwaltswechsel nach Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zweimal nach dem RVG zahlen, würde aber nach der Rechtsprechung keinerlei Erstattung vom Antragsgegner erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Verfahren M 12 S7 14.50710 verwiesen.
II.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 VwGO).
Die Erinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat zutreffend eine Festsetzung der von dem Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Kosten (Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen) für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abgelehnt. Der Erstattung der geltend gemachten Kosten stehen §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG entgegen.
Nach § 16 Nr. 5 RVG stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (vgl. BayVGH, B.v. 26.01.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris). Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs. Das stellt § 16 Nr. 5 RVG als speziellere Regelung nunmehr auch vergütungsrechtlich klar. Eine Verfahrensgebühr ist somit im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht (erneut) entstanden, nachdem sie bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden war. Ist der Rechtsanwalt – wie im vorliegenden Fall – in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für diesen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht erstattungsfähig (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris; VG München, B.v. 19.7.18 – M 8 M 18.51372; VG München, B.v. 22.7.2015 – M 22 M 15.50672; BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040).
Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht eine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren ist, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist, bleibt davon auch die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO unberührt (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris, Rn. 15; VG Sigmaringen, B.v. 30.3.2011 – 5 K 3036/10 – juris m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben sind die vom Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Gebühren (Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen) nicht erst im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstanden, sondern bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und können demnach nur in diesem abgerechnet werden. Die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 19. Dezember … bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren und lässt die Kostenentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 9. April … unberührt. Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis bleibt auch, ob dem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO eine stattgebende oder eine ablehnende Entscheidung mit entsprechender Kostenfolge im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorausgegangen ist (vgl. OVG NRW, B.v. 13.7.2018 – 13 B 275/18.A – juris). Dies führt auch nicht vor dem Hintergrund zu einem unbilligen Ergebnis, dass ein in einem Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht (oder anderweitig) vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zu Grunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen (vgl. VG Berlin, B.v. 31.10.2012 – 35 KE 32.12, 34 L 222.11A – juris; VG München, B.v. 1.2.2016 – M 25 M 16.50045). Ein Wahlrecht, die Kosten erst nach dem Obsiegen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen den dort Unterlegenen geltend zu machen, besteht nicht.
Nach alledem war die Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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