Kosten- und Gebührenrecht

Kostenerstattung für Kopien aus der Behördenakte und außergerichtliche Besprechung

Aktenzeichen  11 C 21.740

Datum:
23.11.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36681
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162, § 164
RVG VV Vorb. 3.3., Nr. 3202

 

Leitsatz

1. Außerhalb eines Vorverfahrens im Verwaltungsverfahren entstandene Kosten eines Rechtsanwalts sind regelmäßig nicht erstattungsfähig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Höhe nach sind Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte erstattungsfähig, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nicht erstattungsfähig sind Ablichtungen von Aktenbestandteilen, die für den Rechtsanwalt von vornherein irrelevant sind oder von denen er erwarten kann, dass von ihnen bereits Ablichtungen gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Terminsgebühr wegen einer außergerichtlichen Besprechung setzt die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 M 20.2399 2021-01-29 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin werden der Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2020, der die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu erstattenden Aufwendungen betrifft, sowie der Erinnerungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2021 geändert.
Die abschließende Kostenfestsetzung nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts übertragen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der untereinander zu erstattenden Kosten.
In dem Ausgangsrechtsstreit hatte sich der Antragsteller gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit Bescheid des Landratsamts A* … vom 4. Februar 2019 gewandt.
Im Hauptsacheverfahren blieb die Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach zunächst ohne Erfolg (U.v. 6.11.2019 – AN 10 K 19.471). Mit Beschlüssen vom 9. März 2020 stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid wieder her (11 CS 20.72) und ließ im Hauptsacheverfahren die Berufung zu (11 ZB 30.305).
Am 13. März 2020 sprach der Antragsteller persönlich beim Landratsamt vor. Das Landratsamt erteilte ihm eine bis 13. Juni 2020 befristete vorläufige Fahrberechtigung. Am 16. März 2020 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine fernmündliche Unterredung mit dem Landratsamt, zu dessen Inhalt sich in den Behördenvorgängen folgender Vermerk findet: „I. tel. Hr. Dr. H* …, Kanzlei P* … auf Anfrage mitgeteilt, dass vorläufige FB am 13.03.`20 gemäß Beschluss erteilt wurde II. z.V.“. Weiterhin findet sich in den Behördenvorgängen ein Datenblatt des Antragstellers vom 30. März 2020 mit der Notiz „Erteilung in lfd. Klageverf. nicht mögl., weil ggf. alte FE auferleben kann“. Ein weiterer Kontakt zwischen Bevollmächtigtem und Landratsamt ist aus der Behördenakte nicht ersichtlich.
Mit Schreiben vom 20. April 2020 legte die Landesanwaltschaft Bayern dem Landratsamt nahe, den Entziehungsbescheid aufzuheben. Daraufhin erließ das Landratsamt am 30. April 2020 einen Abhilfebescheid. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 14. September 2020 ein und erlegte die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsgegner auf (11 B 20.501).
Mit Schreiben vom 25. September 2020 ließ der Antragsteller die Kostenfestsetzung in dem vorgenannten Klagesowie in dem Berufungsverfahren beantragen.
Mit Blick auf das Klageverfahren begehrte er unter dem Stichwort „außergerichtlich/I. Instanz“ u.a. eine (teilweise anzurechnende) Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sowie zwei Pauschalen nach Nr. 7002 VV RVG. Zudem machte er eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 37,15 EUR für 131 schwarz-weiß-Kopien geltend; aus der Behördenakte ist ersichtlich, dass dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 18. Februar 2019 die bis dahin angefallenen Vorgänge zur Einsicht übersandt worden waren. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2020 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die von dem Antragsgegner an den Antragsteller im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu erstattenden notwendigen Aufwendungen fest, ohne die vorgenannten Positionen zu berücksichtigen. Aufwendungen für die Vertretung im behördlichen Ausgangsverfahren seien nicht erstattungsfähig. Zu den Kopierkosten heißt es, aus der Akte ergebe sich kein Antrag auf Akteneinsicht, so dass davon ausgegangen werde, diese sei im behördlichen Ausgangsverfahren erfolgt und damit ebenfalls nicht festzusetzen.
Mit Blick auf das Berufungsverfahren begehrte der Antragsteller unter anderem die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG mit der Anmerkung „Besprechungen“, deren Berücksichtigung die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts mit getrenntem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2020 ablehnte. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass der Bevollmächtigte im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG an Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet waren, mitgewirkt habe.
Die hiergegen eingelegten Erinnerungen wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 29. Januar 2021 zurück.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.
II.
Die nach § 146 Abs. 1, Abs. 3 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte, die der Bevollmächtigte zur Vorbereitung der Klage angefertigt hat, sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Deswegen ist dem Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses sowie des Erinnerungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts die Neufestsetzung nach Maßgabe dieses Beschlusses zu übertragen. Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die Erstattung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sowie einer Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG für die außergerichtliche Tätigkeit seines Bevollmächtigten hat.
a) Nach § 164 VwGO setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Erstattungsfähige Kosten sind nach § 162 Abs. 1 VwGO neben den Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig. Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, in dem der Bevollmächtigte sie nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes von seinem Mandanten fordern kann (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, VwGO § 162 Rn. 33) und in dem sie den Prozesskosten zuzurechnen sind oder die Sonderregelung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren greift.
Denn § 162 VwGO bezieht sich wie der gesamte 16. Abschnitt der Verwaltungsgerichtsordnung auf die Prozesskosten, d.h. die Aufwendungen eines Beteiligten aus Anlass und zum Zweck der Prozessführung, und legt den Umfang der prozessualen Kostentragungspflicht näher fest. Dabei werden durch § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 VwGO lediglich die Kosten des Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO als außergerichtliche Kosten grundsätzlich als in gleicher Weise erstattungsfähig erklärt wie die Kosten des gerichtlichen Verfahrens. Dagegen werden außerhalb eines Vorverfahrens im Verwaltungsverfahren entstandene Kosten eines Rechtsanwalts von § 162 VwGO und demzufolge auch von der Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO sachlich nicht erfasst, weil diese Kosten gerade noch nicht den mit Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit entstandenen Prozesskosten zuzuordnen sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2013 – 10 C 12.2381 – NVwZ-RR 2013, 662 = juris Rn. 4 m.w.N.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 16, 26).
Zu den Aufwendungen, die für eine effektive und rechtzeitige Rechtsverfolgung notwendig sind, können ausnahmsweise jedoch auch Vorbereitungskosten gehören, wenn sie mit Blick auf einen bestimmten Rechtsstreit sowie in zeitlichem Zusammenhang mit diesem entstanden sind und in einem angemessenen Verhältnis zum Sach- und Streitstoff der Sache stehen (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.2007 – 4 KSt 1004/07 u.a. – juris Rn. 2; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 162 Rn. 6).
b) Daran gemessen war für die außergerichtliche Tätigkeit des Bevollmächtigten weder eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG noch eine Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG anzusetzen. Sollte der Antragsteller mit der Geltendmachung dieser Positionen auf Aufwendungen für die Anfertigung der Klageschrift zielen, sind diese mit der berücksichtigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, Nr. 3100 VV Rn. 24).
2. Die geltend gemachten Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte, die der Bevollmächtigte zur Vorbereitung der Klage angefertigt hat, konnten hingegen nicht vollumfänglich unberücksichtigt bleiben.
a) Dem Grunde nach sind diese als Vorbereitungskosten den Prozesskosten zuzurechnen (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2000 – 8 C 99.2099 – NVwZ-RR 2001, 413; B.v. 18.2.2020 – 5 M 19.2487 – BayVBl 2020, 535 = juris Rn. 6) und nicht bereits mit den Gebühren abgegolten (vgl. Vorbemerkung 7 Abs. 1, Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG).
b) Der Höhe nach sind Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte gemäß Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG erstattungsfähig, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter haben darf, wenn er sich mit der Akte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der Bearbeitung der Sache auftreten können. Insoweit kommt dem Bevollmächtigten zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu und darf kein kleinlicher Maßstab angelegt werden, trifft ihn aber eine Kostenminimierungspflicht (vgl. BGH, B.v. 26.4.2005 – X ZB 17/04 – NJW 2005, 2317 = juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 18.2.2020, a.a.O. Rn. 6; OVG LSA, B.v. 11.5.2020 – 4 O 42/20 – juris Rn. 7). Nicht erstattungsfähig sind daher Ablichtungen von Aktenbestandteilen, die für den Rechtsanwalt von vornherein irrelevant sind oder von denen er erwarten kann, dass von ihnen bereits Ablichtungen gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH, B.v. 26.4.2005, a.a.O. Rn. 10). Die wahllose Ablichtung der gesamten Behördenakte ist folglich nicht mehr vom Beurteilungsspielraum des Bevollmächtigten gedeckt (OVG LSA, a.a.O.; OVG NW, B.v. 18.10.2006 – 7 E 1339/05 – NVwZ-RR 2007, 500 = juris Rn. 33; BFH, B.v. 8.3.1984 – VII E 9/83 – juris Rn. 3 ff.; VG Würzburg, B.v. 4.5.2012 – W 6 M 12.30074 – juris Rn. 20 ff.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, VV 7000 Rn. 58 f.). Das schließt es allerdings in Einzelfällen nicht aus, bei besonderer Begründung die Notwendigkeit einer kompletten Kopie anzuerkennen (OVG LSA, a.a.O.).
Hier hat der Bevollmächtigte offenbar ungeprüft die gesamten bis dahin angefallenen Behördenvorgänge einschließlich der eigenen Schriftsätze, des angegriffenen Bescheids, den der Antragsgegner ihm auf seine Bitte hin nochmals gesondert übersandt hatte, und von vornherein irrelevanter Schriftstücke, etwa zum Erwerb des Führerscheins, kopiert.
Auf der anderen Seite drängt sich auf, dass die Kopie eines Teils der Führerscheinakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war und der Bevollmächtigte aufgrund des abweichenden rechtlichen Standpunkts der Urkundsbeamtin sowie des Verwaltungsgerichts auch im Rechtsbehelfsverfahren keinen Anlass hatte, die Notwendigkeit der Kopie einzelner Aktenbestandteile näher zu begründen und glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 ZPO). Deswegen erscheint es dem Senat im vorliegenden Fall sachgerecht, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen, auch wenn es grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts oder des Kostenbeamten ist, die notwendigen Fotokopien von den insgesamt geltend gemachten Ablichtungen abzuziehen, und daher in der Regel bei ungeprüfter Ablichtung der gesamten Akte die Kopierkosten insgesamt nicht berücksichtigungsfähig sind (vgl. OVG NW, a.a.O. Rn. 33; OVG LSA, a.a.O. Rn. 8, 10).
3. Die Erstattung der geltend gemachten Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG für das Berufungsverfahren kann der Antragsteller nicht beanspruchen.
a) Nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber (Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG).
Dieser Gebührentatbestand zielt darauf ab, das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts zu honorieren und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern. An das Merkmal der Besprechung sind deshalb keine besonderen Anforderungen zu stellen, insbesondere kann sie auch telefonisch erfolgen und verlangt sie keinen Erfolg der Einigungsbemühungen (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.2018 – 3 KSt 1.18 u.a. – Buchholz 363 § 2 RVG Nr. 5 = juris Rn. 5 f.; BGH, B.v. 20.11.2006 – II ZB 9/06 – NJW-RR 2007, 286 = juris Rn. 6 f.; B.v. 21.1.2010 – I ZB 14/09 – ZfS 2010, 286 = juris Rn. 7). Als mündlicher Austausch von Erklärungen setzt sie allerdings die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (BVerwG, a.a.O. Rn. 6; BGH, B.v. 20.11.2006, a.a.O. Rn. 8). Dazu reicht es aus, wenn sich der zuständige Gesprächspartner an einer Erledigung interessiert zeigt, was auch dann der Fall ist, wenn er die Vorschläge nur zur Kenntnis nimmt, aber eine Prüfung zusagt (BGH, B.v. 20.11.2006, a.a.O. Rn. 8; NdsFG, B.v. 29.5.2012 – 9 KO 1/12 – juris Rn. 28). Daran fehlt es hingegen z.B. bei aufgedrängten Gesprächen oder einem Einreden auf den Gegner, der von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung verweigert, bei bloßen Sachstandsanfragen sowie einem allgemeinen Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.2018, a.a.O.; ThürOVG, B.v. 28.3.2018 – 2 VO 350/15 – juris Rn. 7). Weiterhin ermangelt es an einer Besprechung in diesem Sinn, wenn das Gespräch allein der technischen Abwicklung einer von der Behörde bereits in Aussicht gestellten Klaglosstellung dient. Gleiches gilt, wenn der Kontaktaufnahme durch den Bevollmächtigten von vornherein jede Anstoßfunktion fehlt, weil zu erwarten steht, dass die Behörde aufgrund neuer Entwicklungen ohnehin in eine Überprüfung ihrer Entscheidung eintritt oder bereits eingetreten ist (vgl ThürOVG, a.a.O. Rn. 11 zu einer gerichtlichen Anfrage; NdsFG, B.v. 29.5.2012, a.a.O. Rn. 34 zu gerichtlichem Erledigungsvorschlag; FG Hamburg, B.v. 12.1.2018 – 4 K 100717 – juris Rn. 8 f. zur Umsetzung einer Entscheidung des BVerfG).
b) Daran gemessen fehlt es hier an einer Besprechung. Weder aus den Akten noch aus dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Antragstellers ergibt sich ein Gesprächsinhalt, der geeignet war, eine Anstoßfunktion zur Beendigung des Berufungsverfahrens zu entfalten. Soweit der Bevollmächtigte ausführt, in dem Telefonat am 16. März 2020 sei auch über die Zulassung der Berufung gesprochen worden und der zuständige Sachbearbeiter habe angegeben, es sei zu prüfen, ob „noch etwas aufgehoben werden müsse“, ist dem zu entnehmen, dass das Landratsamt bereits eigenständig in einen solchen Denkprozess eingetreten war. Es lag auf der Hand, dass die Behörde aufgrund der Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sowie der deutlichen Hinweise des Senats im Eilverfahren ohnehin gehalten war, eine Abhilfe zu prüfen, so wie sie aufgrund der Empfehlung der Landesanwaltschaft Bayern schließlich erfolgt ist. Dagegen, dass das Landratsamt darüber hinaus gehende Vorschläge zur Prüfung entgegengenommen hätte, spricht auch, dass der zuständige Sachbearbeiter die Notiz über das Gespräch mit dem Bevollmächtigten zur Akte verfügt hat und eine irgendwie geartete Reaktion darauf nicht ersichtlich ist.
4. Die Übertragung der abschließenden Kostenfestsetzung auf den Urkundsbeamten beruht auf dem Rechtsgedanken des § 173 Satz 1 VwGO, § 573 Abs. 1 Satz 3, § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 4.9.2014 – OVG 3 K 36.14 = juris Rn. 4; BVerwG, B.v. 27.6.2019 – 2 KSt 1/19 – NVwZ-RR 2019, 975 = juris Rn. 14).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für die erfolglose Beschwerde eine Festgebühr in Höhe von 66,00 EUR nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anl. 1 zu § 3 GKG) anfällt.
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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