Kosten- und Gebührenrecht

Kostenrechtliche Folgen der Abtrennung eines Verfahrensteils nach Teilklagerücknahme

Aktenzeichen  Au 8 M 18.30054

Datum:
23.8.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23139
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2, § 15 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 30 Abs. 1
VwGO § 93, § 151, § 165
AsylG § 76 Abs. 1, § 80

 

Leitsatz

Bei einer Verfahrenstrennung infolge Teilrücknahme einer Klage fallen in den durch Trennung verselbstständigten Verfahren entsprechende Gebühren aus den jeweiligen (geringeren) Streitwerten erneut an, welche dementsprechend zu berechnen sind. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen werden unter Abänderung von Nr. 1. des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2017 auf 925,22 EUR festgesetzt.
II. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Erinnerungsführer (Antragsteller) wendet sich gegen die im Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2017 vorgenommene Kürzung der Verfahrens- und Terminsgebühr.
1. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 17. Oktober 2017 wurden dem Antragsteller weder die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) noch der subsidiäre Schutzstatus (N. 3) zuerkannt. Der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt (Nr. 2), ebenso das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes (Nr. 4). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung in das Herkunftsland angedroht (Nr. 5) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate befristet (Nr. 6).
Die ursprünglich gegen die Entscheidungen unter Nrn. 1, 3, 4 mit 6 des Bescheides unter dem Aktenzeichen Au 8 K 17.35132 erhobene Klage wurde vom Antragsteller in Bezug auf die unter Nrn. 1 und 3 getroffene Ablehnungsentscheidung mit Schriftsatz vom 8. November 2017 zurückgenommen.
Daraufhin wurde mit Beschluss vom 9. November 2017 von dem Verfahren Au 8 K 17. 35132 der von der Klagerücknahme erfasste Verfahrensteil als eigenes Klageverfahren abgetrennt, unter dem Aktenzeichen Au 8 K 17.35226 fortgeführt und eingestellt. Die Kosten des abgetrennten Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt.
Mit Urteil vom 10. November 2017 wurde die Antragsgegnerin unter insoweitiger Aufhebung der Nrn. 4 mit 6 des Bescheides vom 17. Oktober 2017 verpflichtet, beim Antragsteller ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen (Ziffer I. des Urteils) und zur Tragung der Kosten verurteilt (Ziffer II. des Urteils).
2. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 22. November 2017 begehrte der Antragsteller die Festsetzung der zu erstattenden Kosten seines Prozessbevollmächtigten im Verfahren Au 8 K 17. 35132. Es wurde beantragt, aus einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR eine Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG Nr. 3100 VV-RVG (1,3fach) in Höhe von 393,90 EUR, eine Terminsgebühr nach § 13 RVG Nr. 3104 VV-RVG (1,2fach) in Höhe von 363,60 EUR sowie eine Pauschale für Post- und Telekomunikation Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,- EUR, insgesamt netto 777,50 EUR nebst 19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG in Höhe von 147,72 EUR, insgesamt mithin 925,22 EUR zu erstatten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2017, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 8. Januar 2018, wurden die dem Antragsteller von der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen auf 249,16 EUR festgesetzt.
Zur Begründung wurde dargelegt, dass die Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Wert von 5.000,- EUR zum Zeitpunkt der Abtrennung bereits entstanden und jeweils zu einem Viertel in dem Verfahren Au 8 K 17. 35132 festzusetzen sei. Gemäß § 15 Abs. 2 RVG könne der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal fordern. Das Verfahren Au 8 K 17.35226 sei Teil des Verfahrens Au 8 K 17. 35132 gewesen, so dass die Verfahrensgebühr für beide Teile nur einmal angefallen sei.
Die Aufwendungen seien demnach bei einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR wie folgt zu berechnen:
1,3 Verfahrensgebühr (1/4 aus 393,90 EUR) 98,48 EUR
1,2 Termingebühr (1/4 aus 363,60 EUR) 90,90 EUR
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 EUR
Zwischensumme 209,38 EUR
19% Umsatzsteuer 39,78 EUR
Summe 249,16 EUR
3. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2018 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) gegen die Reduzierung der geltend gemachten Verfahrens- und Terminsgebühr.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der in dem Verfahren Au 8 K 17. 35132 verbliebene Antrag denselben Gegenstandswert wie die ursprüngliche Klage habe. Eine Quotelung der Kostenentscheidung sei im Urteil vom 10. November 2017 nicht erfolgt. Eine Doppelerhebung von Gebühren sei vorliegend ausgeschlossen, da eine Kostenfestsetzung in dem Verfahren Au 8 K 17.35226 nicht beabsichtigt wäre.
Auf die Begründung wird im Einzelnen verwiesen.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie mit Schreiben vom 11. Januar 2018 dem Gericht zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Kostenakten, auch in den Verfahren Au 8 K 17.35132 und Au 8 K 17.35226, und die gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen.
II.
1. Über die Erinnerung nach § 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO hat im vorliegenden Fall der Einzelrichter zu entscheiden, da das Kostenfestsetzungsverfahren ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren darstellt und die der Kostenfestsetzung zugrunde liegende Kostenentscheidung im Urteil vom 10. November 2017 durch den Einzelrichter, auf den die Entscheidung des Rechtsstreits mit Beschluss der Kammer vom 9. November 2017 gemäß § 76 Abs. 1 AsylG übertragen worden war, getroffen wurde (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40.95 – NVwZ 1996, 786; BverwG, B.v. 13.3.1995 – 4 A 1.92 – BayVBl 1995, 504; BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – BayVBl 2008, 417).
2. Das Begehren des Antragstellers, der keinen zahlenmäßig bezeichneten Antrag gestellt hat, ist nach verständiger Auslegung dahingehend zu verstehen, dass er den Kostenfestsetzungsbeschluss nur teilweise angefochten hat, nämlich hinsichtlich der Kürzung der Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 14).
a) Die teilweise Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist zulässig und begründet. Nr. 1 des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2017 ist demnach dahingehend abzuändern, dass der Erstattungsbetrag auf 925,22 Euro erhöht wird. Denn der Antragsteller kann die 1,3fache Verfahrens- und die 1,2fache Terminsgebühr aus dem Gegenstandswert von 5000,- EUR ungekürzt verlangen.
b) Nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3100 und Nr. 3104 VVRVG erhält ein Bevollmächtigter eine 1,3fache Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbem. 3 Abs. 2 VVRVG) und eine 1,2fache Terminsgebühr für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen sowie von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen (vgl. Vorbem. 3 Abs. 2 VVRVG). Auch wenn diese Gebühren vor der Verfahrenstrennung bereits aus dem Gegenstandswert erwachsen sind, fallen in den durch die mit dem Beschluss vom 9. November 2017 erfolgte Trennung verselbständigten Verfahren entsprechende Gebühren aus den jeweiligen (geringeren) Streitwerten erneut an (BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 19, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; BGH, U.v. 24.9.2014 – IV ZR 422/13 – juris Rn. 12; BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10.09 u.a. – juris Rn. 5; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.11.2016 – OVG 3 K 97.16 – juris Rn. 5). Die Gebühren sind nach der Trennung für jedes Verfahren nach seinem in deren Folge geltenden neuen Streitwert zu berechnen (VG Frankfurt (Oder), B.v. 25.5.2016 – 6 KE 9/16.A – juris Rn. 2; Rudisile in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 93 Rn. 26; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 15 Rn. 64).
Diese Gebühr ergibt sich vorliegend aus dem Gegenstandswert, der in Klageverfahren nach dem Asylgesetz einheitlich 5.000,- EUR beträgt und (nur) bei Beteiligung mehrerer Personen um 1.000,- EUR für jede weitere Person erhöht wird (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG). Somit bildet sich bei der Abtrennung eines Streitgegenstandes, etwa wie vorliegend hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes, in beiden Verfahren die Gebühr in Anwendung der Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG stets aus 5.000,- EUR.
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 15 Abs. 2 RVG. Durch die Trennung sind jeweils rechtlich selbständige Verfahren entstanden, die gesondert geführt werden und bei denen Gebühren gesondert erneut anfallen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 93 Rn. 8). Es handelt sich dabei nach der Trennung nicht mehr um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 22).
Schließlich sind vorliegend in den abgetrennten „neuen“ Verfahren die Voraussetzungen für das Entstehen einer Gebühr erfüllt. Zu dem Verfahren gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und insoweit insbesondere die Empfangnahme von Entscheidungen und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG, siehe auch BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 21; BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10.09 u.a. – juris Rn. 6 m.w.N.). Diese Tätigkeiten des Bevollmächtigten fanden in jedem Verfahren auch nach der Abtrennung statt, wie sich etwa aus den dem Gericht übermittelten Empfangsbekenntnissen im Verfahren Au 8 K 17.35132 (Bl. 50 der Gerichtsakte) und den Zustellungen im abgetrennten Verfahren Au 8 K 17.35226 ergibt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2013 – 8 C 13.30078 – juris; VGH BW, B.v. 2.9.2011 – A 12 S 2451/11 – BeckRS 2011, 54424).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben