Kosten- und Gebührenrecht

Offenlegung des Aufbewahrungsortes von Equidenpässe

Aktenzeichen  20 CS 16.517

Datum:
25.5.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46776
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 80 Abs. 1, Abs. 3, § 147, § 152 Abs.1, § 166
ZPO § 114, § 115 Abs. 1, Abs. 3
ViehVerkV § 44b
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. In § 44b ViehVerkV wird ein an den Tierhalter adressiertes Verbot statuiert, Tiere ohne Equidenpass in seinen Tierbestand zu übernehmen. Die Vorschrift ist nicht als Befugnisnorm für die zuständige Behörde formuliert. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Begründung des Sofortvollzugs muss auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf sich nicht mit formelhaften Erwägungen begnügen. Der Betroffene soll in die Lage versetzt werden, seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 S 16.183 2016-02-24 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Änderung von Ziffer I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 2016 (Az. RN 5 S 16.183) wird der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das beim Verwaltungsgericht Regensburg geführte Klageverfahren bewilligt.
II. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für eine noch zu erhebende Beschwerde gegen Ziffern II bis IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 2016 (Az. RN 5 S 16.183) bewilligt und Rechtsanwältin …, …, beigeordnet.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ein beim Verwaltungsgericht Regensburg geführtes Klageverfahren gegen eine Anordnung des Landratsamts Landshut, mit der ihr die Offenlegung des Aufbewahrungsortes der Equidenpässe früher von ihr gehaltener Pferde bzw. deren Herausgabe auferlegt wurde. Gleichzeitig begehrt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für eine noch einzulegende Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg zu ihrem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 ordnete das Landratsamt Landshut (Landratsamt) die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 29 Pferden, die bislang von der Antragstellerin gehalten worden waren, an, nachdem es Kenntnis davon erlangt hatte, dass die Versorgung dieser Pferde nicht mehr gewährleistet sei, da die Antragstellerin sich seit dem 23. Oktober 2015 in Untersuchungshaft befindet. Den gegen diese Anordnung gestellten Antrag auf Bewilligung einstweiligen Rechtsschutzes wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 22. Februar 2016 (Az. RN 4 S 16.181) ab. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist beim 9. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unter den Aktenzeichen 9 CS 16.525 anhängig.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, die für diese Pferde ausgestellten Equidenpässe bis zum 27. Dezember 2015 dem Landratsamt zu übergeben. Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 wurde die Antragstellerin aufgefordert, die Pässe bis spätestens 14. Januar 2016 vorzulegen bzw. zu veranlassen, dass eine andere Person die Pässe vorlege. Falls dies nicht fristgerecht erfolge, würden unverzüglich Ersatzpässe beantragt. Die Kosten hierfür (pro Tier 200,- Euro) habe die Antragstellerin zu tragen.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2016 ordnete das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin an, dass sie binnen einer Frist von sieben Tagen offen zu legen habe, an welchem Ort sie die Equidenpässe der fortgenommenen Pferde hinterlegt habe und dass sie gegebenenfalls die Herausgabe zu veranlassen habe (Nr. 1). Der sofortige Vollzug wurde in Ziffer 2 angeordnet.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 5. Februar 2016 Klage und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Daneben beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren ab (Ziff. I), lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (Ziff. II) und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf (Ziff. III) unter Festsetzung eines Streitwertes von 2.500,- Euro (Ziff. IV). Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 29. Februar 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit einem vom 3. März 2016 datierenden Schreiben, das am 11. März 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einging, erhob die Antragstellerin „sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.2.2016 Az. RN 5 S 16.183“. In der Begründung nahm sie auf ihr Vorbringen in der Beschwerde zum Verfahren RN 4 S 16.181 Bezug. Außerdem führte sie aus, dass das Gericht selbst Zweifel habe, ob die Anordnung sich auf den im Bescheid genannten § 44b Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) stützen lasse. Die Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, werde beantragt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Verwaltungsgerichts Regensburg und des Landratsamts Landshut Bezug genommen.
II.
Die pauschal und undifferenziert gegen „den Beschluss vom 26. Februar 2016“ (gemeint offenbar: vom 24. Februar 2016) erhobene „sofortige“ Beschwerde ist dahingehend auszulegen, dass einerseits im Beschwerdewege gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren in Ziffer I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vorgegangen werden soll. Der diese ablehnende Beschluss ist unter Angabe des Aktenzeichens eindeutig bezeichnet. Aus der in diesem Beschluss enthaltenen Rechtsmittelbelehrungwar für die Antragstellerin eindeutig erkennbar, dass eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne einen Rechtsanwalt nur hinsichtlich Ziffer 1 des Beschlusses möglich ist. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Antragstellerin eine unzulässige Beschwerde erheben wollte, richtet sich die Beschwerde also nur gegen die in Ziffer 1 formulierte Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. Darüber hinaus ist durch die am Ende des Beschwerdeschriftsatzes formulierte Bitte um Rechtsanwaltsbeiordnung in der Beschwerde auch ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die noch einzulegende Beschwerde gegen die übrigen Ziffern des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses zu erkennen. Die Beschwerde war daher auch als entsprechender Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren auszulegen.
1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist nach § 147 VwGO erhoben.
Darüber hinaus ist sie auch begründet. Denn die Klage gegen die Anordnung des Landratsamts vom 12. Januar 2016 hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO, § 114 Abs. 1 ZPO. An die Prüfung der Erfolgsaussichten sind grundsätzlich keine überspannten Anforderungen zu stellen. Der anzulegende Prüfungsmaßstab ist summarischer Natur (vgl. nur Reichling in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 114, Rn. 28). Die hinreichende Erfolgsaussicht der durch die Antragstellerin erhobenen Klage ergibt sich daraus, dass, wie auch das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 24. Februar 2016 ausführte, jedenfalls Zweifel an der vom Landratsamt herangezogenen Rechtsgrundlage des § 44b ViehVerkV angezeigt sind. Der Verwaltungsgerichtshof teilt insoweit die Bedenken des Verwaltungsgerichts. § 44b ViehVerkV ist von seinem Wortlaut her schon nicht als Befugnisnorm für die zuständige Behörde formuliert. Stattdessen wird darin ein an den Tierhalter adressiertes Verbot statuiert, Tiere ohne Equidenpass in seinen Tierbestand zu übernehmen. Ob sich daraus im Wege der Auslegung eine Befugnisnorm ableiten lässt, erscheint jedenfalls zweifelhaft.
Was den stattdessen als Rechtsgrundlage vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG angeht, ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine Ermessensvorschrift handelt. Demgegenüber hat das Landratsamt jedoch offenbar die von ihm herangezogene Bestimmung des § 44b ViehVerkV als gebundene Entscheidung aufgefasst, so dass Ermessenserwägungen auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung unterbleiben konnten. In der hier streitgegenständlichen Anordnung vom 12. Januar 2016 finden sich dementsprechend auch anders als im Bescheid des Landratsamts vom 17. Dezember 2015 (mit dem die Wegnahme der Tiere verfügt wurde) keine Ermessenserwägungen. Auch wenn man also die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, dass die im Bescheid vom 12. Januar 2016 getroffene Verfügung auf § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestützt werden könne, dem Grunde nach teilen würde, so müsste in einer entsprechenden Anordnung eine Begründung der Ermessensentscheidung erfolgen. Nachdem diese in der streitgegenständlichen Verfügung nicht offensichtlich ist, besteht jedenfalls hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe.
Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe liegen vor. Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder in Geldeswert als Einkommen anzusehen und nach § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch einzusetzen. Die Antragstellerin verfügt ausweislich ihrer Angaben beim Verwaltungsgericht neben Kindergeld in Höhe von 988,- Euro noch über Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit als Geschäftsführerin einer Holding in Höhe von 25.000,- Euro im Monat. Diesbezüglich ist jedoch ein arbeitsgerichtlicher Prozess derzeit rechtshängig, mit dem Ergebnis, dass dieses Einkommen hier nicht berücksichtigungsfähig ist, da maßgeblich das tatsächlich erzielte Einkommen ist. Ein bloßer Rechtsanspruch auf Zahlung ist kein Einkommen (Reichling a. a. O., § 115 ZPO, Rn. 2). Was die Kindergeldzahlungen angeht, so handelt es sich dabei, soweit das Kindergeld nicht für den Unterhalt des Kindes benötigt wird, zwar um Einkommen des Beziehers (Reichling a. a. O., § 115 ZPO, Rn. 16). Nachdem die Antragstellerin jedoch nicht über Unterhaltszahlungen von den Kindesvätern verfügt, wird das Kindergeld vorliegend für den Unterhalt der Kinder benötigt und steht daher nicht als Einkommen der Antragstellerin zur Verfügung. Nach § 115 Abs. 3 ZPO besteht zwar auch die Pflicht zum Einsatz des eigenen Vermögens, soweit dies zumutbar ist. Das Vermögen muss hierzu jedoch verwertbar sein (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 SGB XII). Bei Forderungen wird daher entweder Zahlungsbereitschaft des Schuldners oder Titulierung der Forderung verlangt (Reichling a. a. O., § 115 ZPO, Rn. 51). Daher sind die im PKH-Formular gegenüber dem Verwaltungsgericht genannten Forderungen gegen den Insolvenzverwalter bzw. aus dem Insolvenzkonto derzeit nicht in diesem Sinne als verwertbar anzusehen. Im Ergebnis ergibt sich daher weder ein einzusetzendes Einkommen noch ein einzusetzendes Vermögen der Antragstellerin. Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren war daher zu bewilligen.
2. Ebenfalls zulässig und begründet ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für ein noch anzustrengendes Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Ziffern II bis IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2016. Dieser ist insbesondere nicht unzulässig, da die Beschwerdefrist zwar inzwischen abgelaufen ist, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO ist vorliegend aber nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. OVG Magdeburg, B. v. 12.4.2010 – 4 L 45/10, BeckRS 2010, 48759). Denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde innerhalb der Beschwerdefrist gestellt. Eine vollständige neue Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (sog. PKH-Erklärung) wurde zwar zusammen mit der Beschwerde nicht dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt, allerdings wurde eine entsprechende Erklärung mit umfangreichen Unterlagen im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt. Dies kann daher nur so verstanden werden, dass sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem (im Übrigen nur kurz zurückliegenden) erstinstanzlichen Verfahren nichts geändert hat.
Der Antrag ist auch begründet. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Gleiches gilt grundsätzlich für die hinreichende Erfolgsaussicht einer Beschwerde. Insoweit ist darüber hinaus noch zu ergänzen, dass der Senat auch erhebliche Bedenken hat, ob die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Bescheid vom 12. Januar 2016 ordnungsgemäß begründet ist. Wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat, muss die Begründung des Sofortvollzugs auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf sich nicht mit formelhaften Erwägungen begnügen. Der Behörde soll der Ausnahmecharakter der Anordnung des Sofortvollzugs vor Augen geführt werden und sie soll veranlasst werden, genau zu prüfen, ob und warum ausnahmsweise der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen durchbrochen werden soll. Der Betroffene soll durch die Begründung in die Lage versetzt werden, seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können (vgl. zum Ganzen Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80, Rn. 84 ff.). Demgegenüber erschöpft sich die diesbezügliche Begründung in dem Bescheid vom 12. Januar 2016 auf allgemeine Ausführungen zur Notwendigkeit der Anordnung zur Schaffung tiergesundheitsgemäßer Zustände. Warum gerade hier die Anordnung des Sofortvollzugs zur Schaffung tiergesundheitsgemäßer Zustände notwendig ist, ist der Begründung nicht ansatzweise zu entnehmen. Die diesbezügliche Passage erscheint vielmehr derart allgemein gehalten, dass sie praktisch jedem tierseuchenrechtlichen Bescheid beigefügt werden könnte. Damit wird die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht gerecht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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