Kosten- und Gebührenrecht

Streitwertbeschwerde eines Rechtsanwalts aus eigenem Recht; Höhe des Streitwertes bei der Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus

Aktenzeichen  15 C 20.2948

Datum:
4.1.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 800
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 68 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei der Streitwertbeschwerde eines Rechtsanwalts in eigenem Namen ist für die Beschwerdesumme nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG der Betrag maßgebend, um den sich im Falle des Erfolgs der Beschwerde seine Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen einschließlich anfallender Umsatzsteuer) erhöhen würde. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus ist in der Regel ein Streitwert von 10.000 € festzusetzen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der für eine Nachbarklage anzusetzende Streitwert in Anlehnung an Nr 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 regelmäßig zu halbieren. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 S 20.584 2020-05-14 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Die Beschwerde des Bevollmächtigten des Antragstellers gegen die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Mai 2020 (Au 5 S 20.584) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wandte sich als Nachbar mit seiner beim Verwaltungsgericht Augsburg erhobenen Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Sechsfamilienwohnhauses mit Tiefgarage vom 2. März 2020 und beantragte, diese aufzuheben. Seinen auf § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 14. Mai 2020 ab und setzte unter III. des Beschlusstenors den Streitwert für das Eilverfahren auf 5.000 Euro fest. Zur Begründung der Streitwertfestsetzung stützte sich das Verwaltungsgericht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nachbarklagen würden nach den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit gem. Nr. 9.7.1 mit 7.500 Euro bis 15.000 Euro im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer sehe im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 10.000 Euro als angemessen, der für das hier vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren sei.
Mit Beschluss vom 24. Juli 2020 (Az. 15 CS 20.1332) wies der Senat die Beschwerde des Antragstellers mit dem Antrag, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, zurück, entschied, dass der Antragsteller (mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen) die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen habe, und setzte den Streitwert für das Beschwerdeverfahren ebenso auf 5.000 Euro fest.
Mit Schriftsatz / Telefax vom 18. November 2020 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss vom 14. Mai 2020, der ihm laut Empfangsbekenntnis am 18. Mai 2020 zugestellt worden war, kraft eigenen Rechts Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abhalf (Beschluss vom 7. Dezember 2020). Der Bevollmächtigte des Antragstellers trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, der nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs vorgesehene untere Rahmenbetrag sei für Nachbarklagen z.B. gegen kleinere Wohnhäuser gedacht. Bei einer Nachbarklage gegen eine Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten, Tiefgarage und umfassenden Außenanlagen sei von einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung auszugehen. So habe der Verwaltungsgerichtshof bei einer Nachbarklage gegen eine Wohnanlage mit lediglich fünf Wohneinheiten einen Streitwert von 10.000 Euro und bei einer Nachbarklage gegen ein Mehrfamilienhaus mit acht bzw. neun Wohneinheiten sogar einen Streitwert von 20.000 Euro festgesetzt. Hinzukomme, dass der Antragsteller in seinem Antrag deutlich gemacht habe, welche erheblichen Auswirkungen er alleine schon wegen der umfassenden Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans befürchte. Unerheblich sei für die Streitwertfestsetzung, ob die mit dem Nachbarrechtsbehelf geltend gemachten Auswirkungen tatsächlich vorlägen. In der Hauptsache sei ein Streitwert von 15.000 Euro und demgemäß für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte hiervon angemessen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
den Streitwert für das Verfahren auf 7.500 Euro heraufzusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und verteidigt unter Rekurs auf einzelne Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts, die er als angemessen einstuft.
Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bauakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die der Senat als Spruchkörper zu entscheiden hat, weil der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschluss von der Kammer als Spruchkörper, nicht aber vom Einzelrichter oder Berichterstatter erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG), ist unbegründet.
1. Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers in eigenem Namen eingelegte Streitwertbeschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt 200 Euro. Bei der Beschwerde eines Rechtsanwalts ist für die Beschwerdesumme der Betrag maßgebend, um den sich im Falle des Erfolgs der Beschwerde seine Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen einschließlich anfallender Umsatzsteuer) erhöhen würde (BayVGH, B.v. 3.9.2013 – 6 C 13.1598 – juris Rn. 2; B.v. 21.1.2020 – 10 CE 20.60 u.a. – juris Rn. 12; B.v. 24.8.2020 – 11 C 20.1680 – juris Rn. 4). Vorliegend begehrt der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Heraufsetzung des Streitwerts von 5.000 Euro auf 7.500 Euro, so dass sich bei einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V. mit Anlage 1 Nr. 3100) zunächst eine Differenz von 198,90 Euro ergibt [(456 Euro x 1,3) – (303 Euro x 1,3) ]. Bei gebotener Einrechnung der Umsatzsteuer übersteigt der Unterschiedsbetrag die Mindestbeschwerdesumme gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Beschwerde wurde auch fristgemäß erhoben (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V. mit § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG).
2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert korrekt festgesetzt. Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts ist § 52 Abs. 1 GKG (hier i.V. mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG), wonach der Streitwert nach der sich aus dem Antrag eines Klägers / Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung, bei der Ausübung des Ermessens auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013, abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) – zurückzugreifen (BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 15 C 20.478 – juris Rn. 10).
In baurechtlichen Nachbarklagen gegen die Baugenehmigung von Einzelbauvorhaben, in denen es nicht um den Wert oder die Kosten eines Bauvorhabens, sondern um die Geltendmachung von Nachbarrechten geht, empfiehlt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 einen Streitwertrahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Im Hinblick darauf, dass es vorliegend um eine Nachbaranfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung für ein herkömmliches Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten – mithin einerseits nicht nur für ein einzelnes Wohnhaus, andererseits aber auch nicht für einen außergewöhnlich großen Gebäudekomplex – ging, ist für ein Hauptsacheverfahren ein etwas höherer Streitwert als der untere Rahmenwert der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs – mithin 10.000 Euro – angemessen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2018 – 9 C 18.648 – juris Rn. 4 sowie B.v. 27.4.2018 – 9 C 18.649 – juris Rn. 4: Mehrfamilienhaus mit 5 Wohneinheiten; vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2015 – 15 C 15.1674 – NVwZ-RR 2016, 158 = juris Rn. 12: Gemeinschaftsunterkunft für 40 Asylbewerber; vgl. auch BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 15 C 19.2149 – NVwZ-RR 2020, 568 = juris Rn. 8; SächsOVG, B.v. 28.11.2016 – 1 B 257/16 – NVwZ-RR 2017, 391 = juris Rn. 7; ThürOVG, B.v. 20.7.2016 – 1 VO 376/16 – BauR 2017, 1023 = juris Rn. 4). Die vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers begehrte Festsetzung eines noch höheren Streitwerts im oberen Bereich des vorgeschlagenen Streitwertrahmens kommt dagegen nur dann in Betracht, wenn sich die Nachbarklage gegen ein noch größeres Vorhaben oder ein Vorhaben mit gewerblicher oder industrieller Nutzung richtet (ThürOVG, B.v. 20.7.2016 a.a.O. juris Rn. 4; vgl. auch BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 1 C 18.2435 – juris Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch die vom Antragsteller in Bezug genommene, nicht veröffentlichte Entscheidung BayVGH, B.v. 14.9.2015 – 2 C 15.1454: Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung für einen großflächigen Einzelhandel / Vollsortimenter).
Der somit für ein Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert von 10.000 Euro ist für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren (ThürOVG, B.v. 20.7.2016 a.a.O. juris Rn. 4; SächsOVG, B.v. 28.11.2016 a.a.O. juris Rn. 8), sodass sich hieraus der vom Verwaltungsgericht zu Recht festgesetzte Streitwert i.H. von 5.000 Euro ergibt.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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