Kosten- und Gebührenrecht

Unbegründete Kostenerinnerung

Aktenzeichen  M 12 M 18.30420

Datum:
4.4.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35819
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 151, § 165
RVG § 15 Abs. 2 S. 1, § 16 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Ist der Rechtsanwalt in beiden Verfahren (nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO) tätig geworden, entstehen seine Gebühren für den Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht erstattungsfähig (VGH Mannheim BeckRS 2011, 55855). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht eine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren ist, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist, bleibt davon auch die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO unberührt (VGH München BeckRS 2007, 30189). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Antragsteller. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Mit Beschluss vom 20. März … lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag des Antragstellers im Verfahren Az. M 12 S 14.30527 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. März … (M 12 K 14.30527) gegen die mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verfügte Abschiebungsanordnung nach Ungarn ab und erlegte dem Antragsteller in Nr. II des Tenors die Kosten des Verfahrens auf. Einen Antrag nach § 80 Absatz 7 Satz 2 VwGO (M 12 E 14.31029) lehnte das Gericht mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 ab. Auf einen weiteren Antrag (M 12 S7 14.31093) änderte das Gericht mit Beschluss vom 28. November 2014 den Beschluss vom 20. März 2014 ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an. Unter Nr. II. des Tenors dieses Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Januar … (M 12 S7 14.31093) wurde entschieden, dass der Antrag des Antragstellerbevollmächtigten auf Kostenerstattung abgelehnt werde. Auf den Antrag, den Kostenfestsetzungsbeschluss und die zwischenzeitliche Korrespondenz wird Bezug genommen.
Mit dem am 22. Januar 2019 bei Gericht eingegangenen Schreiben beantragte der Bevollmächtigte die Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung verwies der Bevollmächtigte auf sein Schreiben vom 31. Dezember … und eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. September 2015 (M 17 M 15.50729).
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 30. Januar … erwiderte die Antragsgegnerin im Wesentlichen, dass die Kosten bereits im Ausgangsverfahren entstanden seien. Kostenmäßig handele es sich um dieselbe Angelegenheit wie das Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Es handele sich nicht um eine einheitliche Kostenentscheidung für das gesamte Verfahren einschließlich des ursprünglichen Verfahrens. Da dem Bevollmächtigten für dessen Vertretung im 2. Abänderungsverfahren also von vornherein kein Gebührenanspruch zustehe, könne ein solcher auch keineswegs Grundlage einer Kostenfestsetzung sein. Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 28. November … sei für die streitigen Kosten nicht maßgeblich. Sie treffe keine Aussage darüber, ob und welche Kosten tatsächlich angefallen seien.
Mit Schreiben vom 14. April … führte der Bevollmächtige aus, es sei widersprüchlich, wenn zwar über die Kosten bei den beiden Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 und Abs. 7 VwGO zweimal entschieden werde, die Rechtsanwaltsgebühr nur einmal anfallen sollte. Der Antragsteller müsste bei einem Anwaltswechsel nach Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zweimal nach dem RVG zahlen, würde aber nach der Rechtsprechung keinerlei Erstattung vom Antragsgegner erhalten.
Mit Schreiben vom 6. August 2018 verwies die Beklagte auf im Jahre 2018 ergangene obergerichtliche und erstinstanzliche Rechtsprechung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Verfahren M 12 S7 14.31093 verwiesen.
II.
Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 VwGO).
Zur Entscheidung über die vorliegende Kostenerinnerung ist im Rahmen einer Annexzuständigkeit der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter berufen (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845).
Die Erinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat zutreffend eine Festsetzung der von dem Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Kosten für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abgelehnt. Der Erstattung der geltend gemachten Kosten stehen §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG entgegen.
Nach § 16 Nr. 5 RVG stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (vgl. BayVGH, B.v. 26.01.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris). Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs. Das stellt § 16 Nr. 5 RVG als speziellere Regelung nunmehr auch vergütungsrechtlich klar. Eine Verfahrensgebühr ist im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO somit nicht (erneut) entstanden, nachdem sie schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden war. Ist der Rechtsanwalt – wie im vorliegenden Fall – in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für diesen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht erstattungsfähig (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris; VG München, B.v. 19.7.18 – M 8 M 18.51372; VG München, B.v. 22.7.2015 – M 22 M 15.50672; VGH München, Beschluss vom 26.01.2012 – 9 C 11.3040).
Da das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht eine besondere Art des Rechtsmittelverfahrens darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren ist, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist, bleibt davon auch die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO unberührt (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2007 – 14 CS 07.670 – juris, Rn. 15; VG Sigmaringen, B.v. 30.3.2011 – 5 K 3036/10 – juris m.w.N.).
Die von dem Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Gebühren sind nach Maßgabe dessen bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angefallen und können nur in diesem abgerechnet werden. Sie können demnach nicht erst im anschließenden Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anfallen und dort geltend gemacht werden. Die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 28. November 2014 bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren und lässt die Kostenentscheidung des § 80 Abs. 5 VwGO-Beschlusses von 20. März … unberührt. Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis bleibt auch, ob dem Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO eine stattgebende oder eine ablehnende Entscheidung mit entsprechender Kostenfolge im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorausgegangen ist. Dies führt auch nicht vor dem Hintergrund zu einem unbilligen Ergebnis, dass ein in einem Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht (oder anderweitig) vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zu Grunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen (vgl. VG Berlin, B.v. 31.10.2012 – 35 KE 32.12, 34 L 222.11A – juris; VG München, B.v. 1.2.2016 – M 25 M 16.50045).
Es handelt sich also kostenrechtlich um dieselbe Angelegenheit. Ein Wahlrecht, die Kosten erst nach dem Obsiegen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen den dort Unterlegenen geltend zu machen, besteht nicht.
Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG, hier auch aufgrund § 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. hierzu auch VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).


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