Kosten- und Gebührenrecht

Unbegründete Streitwertbeschwerde im Verfahren einer Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung

Aktenzeichen  15 C 20.478

Datum:
20.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9507
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2 Abs. 2 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Da der Arbeitsaufwand des Gerichts mit dem ausschlaggebenden klägerischen Abwehrinteresse nichts zu tun hat, ist dieser bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 54083). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 19.1698 2020-01-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 erteilte das Landratsamt Rottal-Inn den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Umnutzung und den Umbau eines vormals landwirtschaftlichen Gebäudes in eine Schreinerei. Hiergegen erhob der Kläger am 10. November 2017 als Eigentümer eines (westlich) benachbarten Anwesens Anfechtungsklage bei Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RN 6 K 17.1938). Unter dem 16. August 2019 erließ das Landratsamt (während des laufenden erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens) einen „Änderungs- und Ergänzungsbescheid“, wonach ein „Beiblatt zum Bauantrag“ zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärt wurde. In der mündlichen Verhandlung im Verfahren RN 6 K 17.1938 vor dem Verwaltungsgericht am 3. September 2019 erklärte der (in diesem Verfahren auftretende) klägerische Bevollmächtigte (in Anwesenheit des Klägers), dass der Ergänzungsbescheid vom 16. August 2019 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werde. Mit Urteil vom 3. September 2019 wies das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers, den Baugenehmigungsbescheid vom 5. Oktober 2017 in der Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsbescheids vom 16. August 2019 aufzuheben, ab. Hiergegen stellte der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. hierzu das Verfahren 15 ZB 19.2046).
Im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2019 im Verfahren RN 6 K 17.1938, das laut Empfangsbekenntnis den Bevollmächtigten des Klägers am 13. September 2019 zugestellt wurde, erhob der Kläger persönlich mit Schreiben vom 19. September 2019, das am 20. September 2019 beim Verwaltungsgericht einging, (nochmals) Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg „gegen den Änderungs- und Ergänzungsbescheid (…) vom 16.8.2019“ (Az. RN 6 K 19.1698). Zur Begründung führte der Kläger aus, er sehe seine Grundrechte durch diesen Bescheid gefährdet, da die Lackiererei der Schreinerei seine Abwässer und sein Brunnentrinkwasser belasteten und die Lackierdämpfe / Gase ihn und seine Ehefrau (gesundheitlich) sowie auch seine Tiere und seinen Gemüsegarten schädigten. Trotz des Hinweises des Verwaltungsgerichts, dass der angefochtene Bescheid bereits zum Gegenstand des früheren Verfahrens RN 6 K 17.1938 gemacht worden sei, sodass aufgrund doppelter Rechtshängigkeit die nunmehr erneut eingereichte Klage unzulässig sein dürfte, hielt der Kläger an der erhobenen weiteren Klage fest. Mit Urteil des Einzelrichters vom 24. Januar 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage im Verfahren RN 6 K 19.1698 wegen doppelter Rechtshängigkeit unter Rekurs auf § 173 Satz 1 VwGO i.V. mit § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG als unzulässig ab.
Mit gesondertem Beschluss des Einzelrichters vom 24. Januar 2020 setzte das Verwaltungsgericht den Streitwert des Verfahren RN 6 K 19.1698 auf 7.500 Euro fest. Hiergegen richtet sich die vorliegende Streitwertbeschwerde des Klägers. Zur Begründung trägt der Kläger vor, der Streitwert sei Monate zuvor vom Verwaltungsgericht mit 5.000 Euro festgesetzt worden. Da das Urteil vom 24. Januar 2020 statt der üblichen drei Richter durch einen Einzelrichter gefällt worden sei, müsse der Streitwert eher gesenkt werden.
II.
Die Beschwerde, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V. mit § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig (vgl. im Folgenden 1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (unten 2.).
1. Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten zulässig (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V. mit § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG, vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 9 ZB 17.2 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 4.8.2017 – 2 S 1446/17 – VBlBW 2018, 206 = juris Rn. 3 m.w.N.). Sie ist ferner gem. § 68 GKG statthaft. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,– EUR übersteigt. Maßgeblich ist der Differenzbetrag der tatsächlichen (Gerichts- und Rechtsanwalts-) Gebühren, die sich für den Beschwerdeführer aus dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten niedrigeren Streitwert ergeben (BayVGH, B.v. 26.6.2013 – 8 C 13.519 – juris Rn. 5; B.v. 1.4.2018 – 15 C 18.750 – juris Rn. 5). Legt man die Beschwerdebegründung dahingehend aus, dass sich der Kläger in der Sache gegen einen festgesetzten Streitwert jedenfalls von mehr als 5.000 Euro richtet, errechnet sich ein den Beschwerdemindestwert übersteigender Differenzbetrag von zumindest 626,17 Euro [171 Euro (Gerichtsgebühren) + 455,17 Euro (außergerichtliche Kosten) ] wie folgt:
„- Bei dem vom Verwaltungsgericht angesetzten Streitwert von 7.500 Euro hat der Kläger gem. Nr. 5110 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG drei Gerichtsgebühren zu zahlen, mithin 3 x 203 Euro = 609 Euro (vgl. Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG). Bei der Festsetzung eines Streitwerts von 5.000 Euro ergäbe sich eine Gerichtsgebühr von 3 x 146 Euro = 438 Euro, mithin eine Differenz hinsichtlich der Gerichtsgebühren von 171 Euro.“
– Hinsichtlich der vom Kläger nach dem Urteilstenor zu tragenden außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen erhalten deren Prozessbevollmächtigte jedenfalls nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V. mit Anlage 1 Nrn. 3100 und 3104 für ihre Tätigkeit im ersten Rechtszug eine 1,3-fache Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-fache Termingebühr. Bei dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert von 7.500 Euro ergibt sich dabei nach § 13 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V. mit Anlage 2 eine Gebühr von 1.356,60 Euro (456 Euro x 2,5 + 19%). Bei einem Streitwert von 5.000 Euro ergäbe sich demgegenüber eine Gebühr von 901,43 Euro (303 Euro x 2,5+ 19%), sodass sich allein diesbezüglich ein Differenzbetrag von 455,17 Euro ergibt.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.
Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts ist § 52 Abs. 1 GKG, wonach der Streitwert nach der sich aus dem Antrag eines Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist.
Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung des Senats und damit der Gleichbehandlung, bei der Ausübung des Ermessens auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013, abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) – zurückzugreifen. In baurechtlichen Nachbarklagen gegen die Baugenehmigung von Einzelbauvorhaben empfiehlt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 einen Streitwertrahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist (BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 15 C 19.2149 – juris Rn. 8). Innerhalb dieses Rahmens ist der Streitwert nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die der Kläger abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 1 C 18.2435 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Da der Arbeitsaufwand des Gerichts mit dem ausschlaggebenden klägerischen Abwehrinteresse (s.o.) nicht zu tun hat, ist dieser bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2/15 u.a. – UPR 2016, 116 = juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 C 19.1331 – juris Rn. 3). Daher kommt es auf das Argument der Beschwerdebegründung, wonach das Urteil vom 24. Januar 2020 nicht von der Kammer in Dreierbesetzung, sondern vom Einzelrichter gefällt worden sei, nicht an. Ebenso ist der in der Streitwertbegründung erhobene Einwand des Klägers, der Streitwert sei vormals auf lediglich 5.000,- Euro festgesetzt worden, irrelevant. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen bereits bei der vorläufigen Streitwertfestsetzung (Beschluss vom 23. September 2019) einen Streitwert von 7.500 Euro angesetzt.
Das Verwaltungsgericht hat sich für eine Streitwertfestsetzung schon am unteren Limit des in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs vorgesehenen Rahmens entschieden. Für eine weitere Reduzierung sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass. Es wird auch davon abgesehen, in Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG den Streitwert angepasst an die Streitwertfestsetzung im Verfahren RN 6 K 17.1938 (Az. des Verwaltungsgerichtshofs 15 ZB 19.2046) auf 10.000 Euro zum Nachteil des Klägers heraufzusetzen (zur grundsätzlichen Möglichkeit der sog. reformatio in peius im Verfahren der Streitwertbeschwerde vgl. NdsOVG, B.v. 12.2.2020 – 1 OA 18/20 – juris Rn. 5 m.w.N.). Auch wenn sich der Ursprungs- und der Ergänzungsbescheid grundsätzlich zu einer einheitlichen Baugenehmigung für das Vorhaben der Beigeladenen verbinden (BayVGH, B.v. 5.12.2014 – 15 C 14.1293 – juris Rn. 7), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Kläger im weiteren Gerichtsverfahren RN 6 K 19.1698 unter Ausgrenzung des Ursprungsbescheids vom 5. Oktober 2017 auf die Anfechtung des Änderungs- und Ergänzungsbescheids vom 16. August 2019 begrenzt hat und dabei ersichtlich nur auf die Abwehr der Lackiererei der Schreinerei (und nicht der Nutzung der Schreinerei im Ganzen) zielte.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten (auch der Beigeladenen) werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.


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