Kosten- und Gebührenrecht

Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Beschwerdeausschlusses

Aktenzeichen  13a C 20.30391

Datum:
28.5.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14580
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO  § 146 Abs. 1, § 151, § 165
AsylG § 80
RVG § 1 Abs. 3, § 33 Abs. 9 S. 2

 

Leitsatz

Im Asylrechtsstreit schließt der umfassende Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG Beschwerden auch in allen selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren im Zusammenhang mit dem Asylgerichtsverfahren aus. Dies gilt insbesondere auch für Beschwerden gegen Beschlüsse im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). (Rn. 9)

Verfahrensgang

M 31 M 19.33844 2020-01-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 15. Januar 2020 wird verworfen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 6. Februar 2020 durch ihren Bevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2020 erheben lassen. Mit diesem Beschluss ist auf Erinnerung der Beklagten der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 11. Oktober 2019 im Verfahren M 24 K 15.31417 geändert worden, wobei die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe des Beschusses dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin übertragen wurde. In den Gründen des angegriffenen Beschlusses heißt es u.a., der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert werde auf entsprechenden Antrag der Beklagten auf 4.500,00 € festgesetzt, entsprechend sei der Kostenfestsetzungsbeschluss zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Februar 2020 nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Die Kläger machen geltend, die Beschwerde sei entgegen den Ausführungen im angegriffenen Beschluss nach § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Hierfür werde auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. September 2019 (Az. OVG 3 L 112.19) verwiesen, wonach § 80 AsylG durch § 1 Abs. 3 RVG verdrängt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 6. Februar 2020 sowie die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2020 und vom 7. Februar 2020 (Az. M 31 M 19.33844) und die vorgelegten Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2020 ist wegen des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG unzulässig und daher gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verwerfen. Dies gilt für die Beschwerde, soweit sich diese gegen die Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2019 gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO richtet (Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO) und auch soweit sich die Beschwerde auf die Festsetzung des Gegenstandswertes gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG bezieht (Beschwerde gemäß § 33 Abs. 3 RVG).
Über die Beschwerde hat der Senat zu entscheiden. Dies gilt auch für die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG, da das Verfahren insoweit mit Beschluss vom heutigen Tage gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 und 2 RVG auf den Senat übertragen wurde.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 2020 umfasst nicht nur eine Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2019, sondern auch die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 4.500 € (BA S. 4 f.). Allerdings wäre es aus Gründen der Rechtsklarheit angezeigt gewesen, dass das Verwaltungsgericht die auf Antrag der Beklagten erfolgte abweichende Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG nicht nur inzident in den Gründen des Beschlusses vornimmt, sondern diese Entscheidung, die grundsätzlich als Beschluss zu fassen ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 122 Rn. 1), im Tenor der Entscheidung getroffen hätte.
Die Beschwerde der Kläger bezieht sich gemessen an deren offenkundigen Rechtsschutzziel auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 2020 insgesamt. Sie richtete sich sowohl gegen die Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2019 als auch gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 4.500 € (§ 88 VwGO).
Die so verstandene Beschwerde ist wegen des umfassenden Ausschlusses der Beschwerde in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz gemäß § 80 AsylG insgesamt nicht statthaft.
Nach § 80 AsylG können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Insoweit enthält § 80 AsylG einen umfassenden Ausschluss des Rechtsbehelfs der Beschwerde in allen Streitverfahren auf der Grundlage des AsylG, insbesondere auch in allen Eilverfahren von Asylbewerbern nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO (vgl. Neundorf in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition, Stand: 1.3.2020, § 80 AsylG Rn. 2; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 80 AsylG Rn. 2; Müller in Hofmann [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 80 AsylVfG/AsylG Rn. 3). Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erfasst nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern auch alle gerichtliche Entscheidungen in selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren im Zusammenhang mit dem Asylgerichtsverfahren, wie etwa die Verfahrenseinstellung, Kostenentscheidung, Gegenstandswertfestsetzung, (Teil-)Versagung von Prozesskostenhilfe, Aussetzung und Ruhensanordnung, Richterablehnung, Zeugen- und Sachverständigenentschädigung, Entscheidung über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung, selbst wenn diese Entscheidungen – in Ergänzung des Asylgesetzes – ihre Rechtsgrundlage in anderen Gesetzen (z.B. VwGO, GKG, RVG, ZPO) haben (ThürOVG, B.v. 24.1.2019 – 3 VO 783/18 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 19.6.2018 – 10 OA 176/18 – juris Rn. 8; B.v. 27.2.2018 – 13 OA 40/18 – juris Rn. 3 m.w.N.; HessVGH, B.v. 16.1.2018 – 4 E 805/17.A – juris Rn. 5; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 2; B.v. 2.9.2011 – A 12 S 2451/11 – juris Rn. 1; vgl. auch BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 21 CS 17.30500 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 13 E 939/18.A – juris Rn. 2 f.; B.v. 9.5.2016 – 1 E 298/16.A – juris Rn. 4; B.v. 15.9.2014 – 11 E 909/14.A – juris Rn. 3 f.).
An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der Kläger auf § 1 Abs. 3 RVG und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. September 2019 (Az. OVG 3 L 112.19) nichts zu ändern:
Soweit sich die Beschwerde gegen die Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2019 richtet, steht § 1 Abs. 3 RVG einer Anwendung des § 80 AsylG schon deshalb nicht entgegen, weil sich das Verfahren bei einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung nicht nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes richtet, sondern nach der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 165, 151, 146 Abs. 1 VwGO; ebenso: NdsOVG, B.v. 19.6.2018 – 10 OA 176/18 – juris Rn. 9; HessVGH, B.v. 16.1.2018 – 4 E 805/17.A – juris Rn. 7).
Soweit im Anwendungsbereich des RVG und damit auch hinsichtlich der Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG vertreten wird, § 80 AsylG werde durch § 1 Abs. 3 RVG verdrängt (so OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.9.2019 – OVG 3 L 112.19 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; B.v. 26.7.2016 – OVG 3 K 40.16 – juris Rn. 5; HessVGH, B.v. 7.8.2019 – 4 E 1311/19.A – juris Rn. 2 m.w.N.), vermag der Senat dem nicht zu folgen (ebenso: OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 13 E 939/18.A – juris Rn. 4 ff.; ThürOVG, B.v. 24.1.2019 – 3 VO 783/18 – juris Rn. 5; HessVGH, B.v. 10.9.2018 – 7 E 928/18.A – juris Rn. 5 f.; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3). Insoweit ist weder eine grammatikalische, noch eine an der Intention des RVG-Gesetzgebers oder an einer teleologischen Auslegung des § 80 AsylG anknüpfende Argumentation geeignet, eine Unanwendbarkeit des umfassenden Beschwerdeausschlusses zu begründen:
Das Argument, bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 3 RVG spreche für eine Verdrängung des § 80 AsylG (OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.9.2019 – OVG 3 L 112.19 – juris Rn. 6), überzeugt nicht. Richtig ist vielmehr, dass bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 3 RVG dafür streitet, dass sich der Vorrang des RVG allein auf Beschwerdevorschriften in den Verfahrensvorschriften der einzelnen Gerichtszweige – etwa der VwGO, des SGG oder der FGO – bezieht, nicht aber auf diesen vorgehende, spezielle Regelungen wie § 80 AsylG (OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 13 E 939/18.A – juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3). Nicht überzeugen kann auch die an der Intention des Gesetzgebers ansetzende Argumentation, mit § 1 Abs. 3 RVG habe dieser die Konkurrenzfragen eindeutig zugunsten der Verfahrensvorschriften im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz lösen wollen (OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.9.2019 – OVG 3 L 112.19 – juris Rn. 7). Hiergegen spricht, dass mit der Einführung der Regelung des § 80 AsylG im Asylprozess spezialgesetzlich ein umfassender Rechtsmittelausschluss bezweckt war und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1 Abs. 3 RVG hieran etwas ändern wollte (OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 13 E 939/18.A – juris Rn. 8 ff.; NdsOVG, B.v. 19.6.2018 – 10 OA 176/18 – juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3). Schließlich vermag auch das Argument, der Unanwendbarkeit des § 80 AsylG stehe sein Sinn und Zweck, die Erreichung einer möglichst umfassenden Beschleunigung des Asylverfahrens, nicht entgegen (so OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.9.2019 – OVG 3 L 112.19 – juris Rn. 8), dieses Auslegungsergebnis nicht zu tragen. Zwar mag es zutreffen, dass etwa bei Streitigkeiten über die Festsetzung des Gegenstandswertes eine derartige Beschleunigung nicht mehr erforderlich ist, weil es sich dabei um ein dem Asylverfahren nachgelagertes Nebenverfahren handele, bei dem es einzig um die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung geht. Allerdings würde mit dieser Argumentation der Beschwerdeausschluss im Bereich der Asylgerichtsverfahren zwar für Beschlüsse in Hauptsache- und Eilverfahren sowie allen Nebenverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des RVG anerkannt, aber insoweit systemwidrig nicht auch für die Nebenverfahren im Anwendungsbereich des RVG. Obwohl also insbesondere für Beschlüsse in Hauptsache- und Eilrechtsschutzverfahren grundsätzlich kein Instanzenzug vorgesehen ist, wäre dies dann für die von ihrer Bedeutung her eindeutig niedriger zu gewichtenden RVG-Nebenverfahren der Fall. Im Interesse der Systemgerechtigkeit drängt sich vielmehr der Erst-recht-Schluss auf, dass die RVG-Nebenverfahren aus systematischen Gründen „erst recht“ dem umfassenden Beschwerdeausschluss unterliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Wegen § 83b AsylG kommt es auf § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG nicht an. Hinsichtlich der Beschwerde gemäß § 33 Abs. 3 RVG werden Kosten nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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