Kosten- und Gebührenrecht

Zur Streitwertfestsetzung bei Klage auf Einschreiten gegen eine gewerbliche Altkleidersammlung

Aktenzeichen  20 C 17.367

Datum:
24.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 119886
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Aufgrund der spiegelbildlichen Interessenlage ist es sachgerecht, den Streitwert für eine Klage auf gewerbeaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen eine gewerbliche Altkleidersammlung denselben Streitwert festzusetzen wie bei Anfechtungsklagen des gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung. Für letztere ist der Streitwert unter entsprechender Heranziehung der Ziffer 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 20.000,00 € festzusetzen (Verweis auf BayVGH BeckRS 2015, 42272 u.a., stRspr). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da im Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage noch nicht absehbar ist, welchen Gewinn der Beigeladene gewerbliche Sammler durch die angezeigte Altkleidersammlung tatsächlich erzielen kann, ist es nicht sachgerecht, die Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit heranzuziehen, wonach bei einer Klage gegen eine Gewerbeuntersagung der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns anzusetzen ist (entgegen OVG NRW BeckRS 2013, 53366). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.43 2017-01-16 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

Der Streitwert wird unter Änderung von Ziffer IV. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Januar 2017 auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich als Bevollmächtigter des im Ausgangsverfahren beigeladenen gewerblichen Altkleidersammlers gegen die Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht.
Der Landkreis M. erhob mit Schriftsatz vom 20. Februar 2014 zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg Klage gegen den Freistaat …, vertreten durch das Landratsamt M., mit dem Ziel, die von der Beigeladenen angezeigte gewerbliche Sammlung von Altkleidern im Landkreis M. zu untersagen. Diese nahm er mit Schriftsatz vom 12. Januar 2017 zurück. Das Verwaltungsgericht stellte daraufhin mit Beschluss vom 16. Januar 2017 das Verfahren ein, legte die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen dem Kläger auf und setzte den Streitwert auf 5.000 Euro fest (Ziff. IV). Die Streitwertfestsetzung wurde dahingehend begründet, dass sie auf § 52 GKG beruhe.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Beigeladenen im eigenen Namen die vorliegende Streitwertbeschwerde. Er beantragt,
den Streitwert für das Verfahren auf 12.000 Euro festzusetzen.
Zur Begründung führt er aus, dass das von der Klägerin verfolgte Ziel der Sammlungsuntersagung einer partiellen Gewerbeuntersagung gleichstehe, so dass der Streitwert in Orientierung an Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu bemessen sei. Angesichts der geplanten Aufstellung von 60 Altkleidercontainern im Landkreisgebiet durch die Beigeladene belaufe sich der Streitwert zumindest auf 12.000 Euro (60 Tonnen voraussichtliche Sammelmenge, durchschnittlich erzielter Erlös pro Tonne 400 Euro, Gewinnmarge von 50 Prozent).
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Januar 2017 (Az. W 4 K 17.43) zurückzuweisen.
Bei der Streitwertfestsetzung komme es nach § 52 Abs. 1 GKG auf die Bedeutung der Sache für den Kläger an. Die Beschwerde verlange jedoch, den Streitwert nach der Bedeutung der Sache für die Beigeladene zu bestimmen. Die Bedeutung der Sache für den Kläger sei in diesem Fall eine andere. Bei der vom Kläger begehrten Untersagung der Sammlung der Beigeladenen wären ihm nicht automatisch die von der Beigeladenen zu erzielenden Sammelmengen zugekommen, er hätte nicht den von der Beigeladenen erwarteten Erlös erzielt. Vielmehr sei es unklar, wie sich eine Untersagung der Sammlung zu Gunsten des Klägers ausgewirkt hätte. Daher sei der Rückgriff auf den Auffangstreitwert gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde gegen den im Beschluss des VG Würzburg vom 16. Januar 2017 (Az. W 4 K 17.43) festgesetzten Streitwert zurückzuweisen.
Die Klage habe keine partielle Gewerbeuntersagung zum Ziel gehabt, da es der Beigeladenen unbenommen gewesen sei, Altkleider aus anderen Herkunftsbereichen zu sammeln. Die finanziellen Auswirkungen der nicht durchgeführten Alttextilsammlung der Beigeladenen auf die Klägerin ließen sich nicht beziffern.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 19. Juni 2017 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens beim VG Würzburg Bezug genommen.
II.
Die vorliegende Streitwertbeschwerde ist zulässig. Sie wurde fristgerecht eingelegt und der Bevollmächtigte der Beigeladenen im Ausgangsverfahren ist berechtigt, die Beschwerde aus eigenem Recht mit dem Ziel der Streitwerterhöhung einzulegen (Zimmermann in: Binz/Dörndorfer, GKG, 3. Aufl. 2014, § 68 Rn. 17). Daneben ist auch die notwendige Beschwer nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erreicht.
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist nach der Rückübertragung der Streitsache durch den Einzelrichter der Senat zuständig, § 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Senat ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht an den Antrag des Beschwerdeführers gebunden (vgl. Zimmermann in: Binz/Dörndorfer, GKG, § 68 Rn. 26).
Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 52 Abs. 1 GKG grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen (Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer, GKG, § 52 Rn. 5). Bei der Beurteilung der Bedeutung der Sache für den Kläger in diesem Sinne besteht ein gerichtlicher Spielraum. Der Streitwert darf geschätzt werden und im Interesse der einheitlichen Bewertung ist auch eine Schematisierung und Pauschalisierung grundsätzlich zulässig (OVG NRW, B.v. 11.7.2011 – 13 E 600/11 – NJW 2011, 2824). Der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit kann bei der Streitwertfestsetzung als Empfehlung herangezogen werden, ohne dass ihm jedoch eine Bindungswirkung zukommt (vgl. 3. Vorbemerkung zum Streitwertkatalog 2013).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, bei Anfechtungsklagen des gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung den Streitwert unter entsprechender Heranziehung der Ziffer 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Höhe von 20.000 Euro festzusetzen (B.v. 14.11.2013 – 20 CS 13.1945 – juris; U.v. 29.1.2015 – 20 B 14.666 – AbfallR 2015, 79ff. B.v. 19.6.2017 – 20 B 16.2248 – juris). In der hier vorliegenden Konstellation besteht eine spiegelbildliche Interessenlage: Denn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zielt mit seiner Verpflichtungsklage auf den Erlass einer ebensolchen Untersagungsverfügung. Daher ist es sachgerecht, hier den Streitwert in gleicher Höhe festzusetzen.
Entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers ist es nicht sachnäher, wie das OVG Münster (B.v. 19.7.2013 – 20 B 530/13 – juris, Rn. 10) die Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit heranzuziehen, wonach bei einer Klage gegen eine Gewerbeuntersagung der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns anzusetzen ist. Welchen Gewinn der im Ausgangsverfahren beigeladene gewerbliche Sammler durch die angezeigte Altkleidersammlung tatsächlich erzielen kann, ist im Zeitpunkt der Entscheidung über die entsprechende Klage nämlich noch nicht absehbar. Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers mögen zwar auf Erfahrungswerten beruhen, sie sind jedoch dennoch hinsichtlich der konkreten Sammlung spekulativ. Die vom OVG Münster praktizierte Vorgehensweise ist daher gegenüber dem pauschalen Ansatz von 20.000,- Euro entsprechend Ziffer 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht vorzugswürdig. Die Praxis des Senats führt dem gegenüber zu einer klaren, für alle Seiten berechenbaren Handhabung der Streitwertfestsetzung.
Daran ändert auch die Argumentation des Beklagten nichts. Dieser weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach § 52 Abs. 1 GKG der Streitwert nach der für den Kläger und nicht nach der für den Beigeladenen resultierenden Bedeutung der Sache zu bemessen ist. Das Argument des Beklagten, dass die Interessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers an der Untersagung der gewerblichen Altkleidersammlung nicht bezifferbar sind, überzeugt jedoch nicht. Denn auch das Interesse des gewerblichen Sammlers an der Durchführung der Altkleidersammlung ist nicht von vornherein genau bezifferbar. Denn vor der Durchführung der Sammlung ist nicht abschätzbar, ob die Erwartungen des gewerblichen Sammlers hinsichtlich der Sammelmenge sich erfüllen werden und tatsächlich im erwarteten Umfang gesammelt wird.
Im Interesse einer praktikablen Handhabung ist im Rahmen der soweit zulässigen Schematisierung und Pauschalierung daher hier der Ansatz des Streitwerts in Höhe von 20.000,- Euro sachgerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 2 Satz 7, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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