Medizinrecht

24-stündige Krankenbeobachtung als häusliche Krankenpflege

Aktenzeichen  S 6 KR 223/21 ER

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16816
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 37, § 37c
SGG § 86b

 

Leitsatz

Ein Anspruch auf 24-stündige spezielle Krankenbeobachtung verlangt eine täglich sich wiederholende potenziell lebensbedrohliche Situation.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zur bestandskräftigten Entscheidung über die Verordnung vom 10. März 2021 häusliche Krankenpflege in Wege der Sachleistung im Umfang von 130 Stunden monatlich zur Verfügung zu stellen, längstens jedoch bis 31. Dezember 2021.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 1/3 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung häusliche Krankenpflege im Umfang von 400 Stunden monatlich.
1. Der am … Mai 2003 geborene Antragsteller leidet bei Zustand nach einer im Alter von sechs Wochen stattgehabten Sinusvenenthrombose an einer schweren globalen Entwicklungsstörung mit Tetraparese, Ausbleiben der sprachlichen Entwicklung, kompletter Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Geh-, Steh- und Drehunfähigkeit und einer symptomatischen Epilepsie. Bei ihm bestanden rezidivierend schwere Pneumonie mit Beatmungspflichtigkeit, zuletzt im Oktober/November 2020. Im September 2020 wurde ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2020 bis 31. Dezember 2020 Intensivpflege im Umfang von 500 Stunden verordnet. Hierzu äußerte sich der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) am 25. September 2020. In den zurückliegenden Wochen seien keine unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustände aufgetreten, sodass die Kriterien der außerklinischen Intensivpflegebedürftigkeit nach Nummer 24 der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) nicht erfüllt seien. Um eine adäquate häusliche Versorgung weiterhin gewährleisten zu können, werde unter Wertung aller vorliegenden medizinischen Informationen und der im Pflegegutachten 2017 beschriebenen psychosozialen Kontextfaktoren eine Bewilligung des beantragten Stundenkontingents (500 Stunden in 3 Monaten) sozialmedizinisch empfohlen. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller sodann häusliche Krankenpflege in Form der Symptomkontrolle bei Palliativpatienten im Umfang von 130 Stunden pro Monat. Da der Antragsteller in der Zeit vom 18. Oktober 2020 bis 12. November 2020 im Universitätsklinikum B-Stadt behandelt wurde, konnte die verordnete häusliche Krankenpflege nur zu einem Teil in Anspruch genommen werden.
Am 18. Dezember 2020 wurde dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis 31. März 2021 häusliche Krankenpflege im Umfang von 400 Stunden (anscheinend gemeint pro Monat) für Nahrungsversorgung über PEG, Absaugen, spezielle Lagerung, O2Versorgung, schlaffördernde Maßnahmen und spezielle Krankenbeobachtung verordnet. Die Antragsgegnerin beauftragte sodann den MDK, der letztlich in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 3. Februar 2021 ausführt, dass der Antragsteller wegen rezidivierender schwerer Pneumonie wiederholt beatmungspflichtig war und intensivmedizinisch behandelt wurde. Die Notwendigkeit einer Versorgung mit Sauerstoff sowie die Notwendigkeit einer Überwachung mittels Pulsoxymetrie sei attestiert worden. Die Ernährung erfolge inzwischen ausschließlich über PEG-Sonde. Aktuell werde der Antragsteller nicht beatmet oder sei nicht tracheotomiert, es bestünde kein dauerhafter oder täglicher Sauerstoffbedarf, es müsse nicht abgesaugt werden. Es bestehe eine stabile Anfallsituation. In den zurückliegenden Wochen seien keine unmittelbar lebensbedrohlichen Zustände aufgetreten, bei denen eine unmittelbare ärztliche/pflegerische Intervention aus vitalen Gründen erforderlich gewesen sei. Die Kriterien der außerklinischen Intensivpflegebedürftigkeit nach Nummer 24 der HKP-Richtlinie seien nicht erfüllt. Der Antragsteller benötige eine aufwendige Pflege und Betreuung rund um die Uhr. Darüber hinaus seien täglich verschiedene Maßnahmen der Behandlungspflege erforderlich, wie Medikamentengabe, Inhalation und Temperaturmessung. Die genaue Häufigkeit oder der Zeitaufwand könne aus der vorgelegten Pflegedokumentation nicht entnommen werden. Mit Bescheid vom 3. Februar 2021 lehnte die Antragsgegnerin eine Übernahme der häuslichen Krankenpflege ab dem 8. Februar 2021 ab. Für Januar 2021 wurden 400 Stunden und vom 1. bis 7. Februar 2021 100 Stunden Symptomkontrolle bei Palliativpatienten bewilligt. Gegen die Ablehnung ließ der Antragsteller Widerspruch einlegen, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden wurde.
Am 10 März 2021 wurde dem Antragsteller für die Zeit vom 1. April 2021 bis 31. Dezember 2021 häusliche Krankenpflege erneut im Umfang von 400 Stunden verordnet. Den Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11. März 2021 ab. Dagegen ließ der Antragsteller ebenfalls Widerspruch einlegen. Unter dem 14. April 2021 erklärte der MDK, dass aus den vorliegenden Unterlagen zeitlich nicht vorhersehbare (potenziell) lebensbedrohliche Komplikationen, die täglich und unvorhersehbar eintreten und einen ärztlichen und pflegerischen Interventionsbedarf aus vitaler Indikation täglich begründen könnten, nicht nachvollziehbar seien. Die Kriterien einer speziellen Krankenbeobachtung im Sinn einer außerklinischen Intensivpflege würden weiterhin nicht erfüllt. Es bestehe jedoch die Notwendigkeit zu einer permanenten pflegerischen Interventionsbereitschaft, jedoch nicht aus vitaler Indikation im Sinn einer außerklinischen Intensivpflegebereitschaft. Zur Entlastung der pflegenden Eltern und zur Gewährleistung der häuslichen Versorgung würden Einsätze eines Pflegedienstes in einem adäquaten Stundenumfang empfohlen.
2. Mit seinem am 8. April 2021 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lässt der Antragsteller vortragen, dass eine spezielle Krankenbeobachtung im Umfang von 400 Stunden monatlich medizinisch notwendig sei. Seit dem Krankenhausaufenthalt im Oktober 2020 sei sein Gesundheitszustand instabiler. Während des Krankenhausaufenthaltes sei eine intensive Beatmung erforderlich gewesen. Es komme in der Nacht zu Unruhezuständen, die einer sofortigen Intervention bedürfen, um eine respiratorische Verschlechterung zu vermeiden. Sein Zustand sei nicht berechenbar, verändere sich rasch und unvorhergesehen, sodass jederzeit eine gute Krankenbeobachtung nötig sei und die pflegerische Expertise, um rasch eingreifen zu können und die passenden Maßnahmen durchzuführen. Es seien 400 Stunden monatlich erforderlich. Die Mutter des Antragstellers übernehme grundsätzlich die Pflege. Die häusliche Krankenpflege in dem verordneten Umfang von 400 Stunden monatlich ermögliche ihr, die Nächte durchzuschlafen und in der Zeit zwischen 20:00 Uhr abends und 8:00 Uhr morgens die Intensivpflege des Antragstellers von dem Pflegedienst durchführen zu lassen. Laut dem Pflegedienst sei häusliche Krankenpflege erforderlich, um auf Probleme sofort reagieren zu können und Schaden abwenden zu können. Auch könnten durch die häusliche Krankenpflege Komplikationen wie epileptische Anfälle und Gehirnblutungen frühzeitig erkannt und darauf reagiert werden. Auch habe der MDK seine Stellungnahme lediglich nach Aktenlage abgegeben. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, weil auch die Eltern des Antragstellers nicht in der Lage seien, die Kosten in Höhe von monatlich 14.000,00 Euro selbst zu tragen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 11. März 2021 dem Antragsteller häusliche Krankenpflege bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2021, im ärztlich verordneten Umfang in Form von 400 Stunden monatlicher spezieller Krankenbeobachtung zu genehmigen.
3. Dem Antrag trat die Antragsgegnerin entgegen.
4. Das Gericht hat im Rahmen der Ermittlungen die Unterlagen des MDK, aus denen auch hervorgeht, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller anscheinend weiterhin spezialisierte ambulante Palliativversorgung und im März 2021 stationäre Hospizversorgung bewilligt hat, und die Akte der Antragsgegnerin beigezogen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet. Der Antragsteller hat insoweit einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
1. Mit dem Antrag begehrt der Antragsteller eine Erweiterung seiner Rechtsposition, so dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich statthaft ist. Aus dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung ist der Antrag allerdings dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller häusliche Krankenpflege im Umfang von 400 Stunden aus welchem Rechtsgrund auch immer begehrt und nicht nur als spezielle Krankenbeobachtung, wie sie in Nummer 24 der Anlage zur Häusliche Krankenpflege-Richtlinie explizit genannt wird. Auch der so verstandene Antrag ist zulässig.
2. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) der begehrten Sicherung oder Regelung. Für sein Vorliegen ist Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 123 Rd.Nr. 26). Beides, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung – ZPO).
3. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch nach § 37c SGB V glaubhaft gemacht. Ein Anspruch nach § 37c SGB V ist nicht gegeben, weil sich aus der Norm ein Anspruch erst nach Umsetzung der erforderlichen Schritte ergeben kann. Nach § 37c Abs. 1 Satz 8 SGB V muss der Gemeinsame Bundesauschuss bis zum 31. Oktober 2021 eine Richtlinie erlassen, in der das Nähere zu Inhalt und Umfang der Leistung geregelt ist. Bis dahin kann sich ein Anspruch auf Intensivpflege „lediglich“ – wie bisher – auf der Grundlage des § 37 SGB V ergeben (BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 60. Edition Stand: 01.03.2021, § 37c SGB V Rd.Nr. 6). Von daher ist es aktuell noch ohne Belang, dass vorliegend die Begutachtung durch den MDK lediglich nach Aktenlage erfolgt ist, was nach § 37c Abs. 2 Satz 6 SGB V zukünftig problematisch sein dürfte.
4. Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V in der Form der speziellen Krankenbeobachtung im Umfang von 400 Stunden glaubhaft gemacht.
Versicherte erhalten nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275 SGB V) festgestellt hat, dass dies aus den in § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Gründen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1 Satz 2 bis 5 SGB V). Demgegenüber erhalten nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, § 37 Abs. 4 SGB V.
Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. In den Richtlinien ist insbesondere die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung zu regeln (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Nähere Regelungen enthält die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie). Die Anlage zur Häusliche Krankenpflege-Richtlinie enthält ein Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Leistungsverzeichnis). In dem Leistungsverzeichnis werden bei den verordnungsfähigen Maßnahmen soweit möglich Aussagen zur Dauer der Verordnung und zur Häufigkeit der Verrichtungen angegeben. Dies sind Empfehlungen für den Regelfall, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann. Abweichungen können insbesondere in Betracht kommen auf Grund von Art und Schwere des Krankheitsbildes, der individuellen Fähigkeiten und Aufnahmemöglichkeiten des Umfeldes (vgl. Absatz 3 der Vorbemerkung des Verzeichnisses). Nach Nummer 24 des Verzeichnisses ist die spezielle Krankenbeobachtung, also die kontinuierliche Beobachtung und Intervention mit den notwendigen medizinisch-pflegerischen Maßnahmen sowie die Dokumentation der Vitalfunktionen wie: Puls, Blutdruck, Temperatur, Haut, Schleimhaut einschließlich aller in diesem Zeitraum anfallenden pflegerischen Maßnahmen, verordnungsfähig, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen täglich erforderlich ist und nur die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden können.
Nach den Gutachten des MDK, die insoweit nachvollziehbaren und frei von Widersprüchen sind, ist für eine derartige tägliche lebensbedrohliche Situation nichts ersichtlich. Derartiges geht auch nicht aus der Stellungnahme der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin Schellenberger hervor. Aufgrund der nächtlichen Unruhezustände sei zwar eine Intervention erforderlich, allerdings um eine respiratorische Verschlechterung zu vermeiden. Ein lebensbedrohlicher Zustand geht hieraus nicht hervor. Auch aus der Stellungnahme des Pflegedienstes folgt nichts Anderes. Bei allem Verständnis für die Situation des Antragstellers und seiner Eltern, insbesondere auch, dass eine nächtliche Krankenbeobachtung von 20:00 Uhr bis 8:00 Uhr der unbestritten erforderlichen Entlastung der pflegenden Mutter dient, ist für eine spezielle Krankenbeobachtung nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eine täglich sich wiederholende potenziell lebensbedrohliche Situation erforderlich. Eine solche täglich potenziell lebensbedrohliche Situation ist auch nach den Schilderungen des Pflegedienstes nicht gegeben und geht aus der Pflegedokumentation nicht hervor.
5. Allerdings hat der Antragsteller zur Überzeugung der Kammer einen Anordnungsanspruch auf häusliche Krankenpflege im Umfang von 130 Stunden in Form der Symptomkontrolle bei Palliativpatientinnen oder Palliativpatienten nach Nummer 24a des Verzeichnisses der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie glaubhaft gemacht. In diesem Umfang wurde dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 häusliche Krankenpflege bewilligt. Wie die Anfang des Jahres anscheinend erfolgte Bewilligung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung und Hospizleistungen nach § 39a SGB V zeigt, gehört der Antragsteller zu der in Nummer 24a genannten Personengruppe. Der Zustand des Antragstellers hat sich – soweit ersichtlich – seit der Entlassung aus dem Universitätsklinikum B-Stadt am 12. November 2020 nicht gravierenden verbessert. In Hinblick darauf, dass davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin die häusliche Krankenpflege in Form der Symptomkontrolle bei Palliativpatientinnen oder Palliativpatienten für die Zeit vom 1. Oktober 2020 bis 31. Dezember 2020 im Umfang von 130 Stunden monatlich rechtmäßig bewilligt hat, ist daher nunmehr nichts dafür ersichtlich, warum der von Oktober bis Dezember 2020 bestehende Anspruch im Jahr 2021 nicht mehr bestehen soll.
6. Unter erneuter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles hat der Antragsteller daher zur Überzeugung des Gerichts einen Anordnungsanspruch hinsichtlich häuslicher Krankenpflege im Umfang von 130 Stunden monatlich glaubhaft gemacht. Für ein höheres Deputat mangelt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
7. Soweit ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist, also im Umfang von 130 Stunden monatlich, hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller ist ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar, auch eine Vorfinanzierung der monatlichen Kosten in Höhe von 4.550 Euro scheidet aus.
8. Demnach hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen.
9. Die Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG analog und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.


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