Medizinrecht

Ärztliche Feststellung der unfallbedingten Invalidität

Aktenzeichen  31 O 1004/17

Datum:
24.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49945
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUB Nr. 2.2.1.1
VVG § 186

 

Leitsatz

1. Eine ärztliche Feststellung der Invalidität setzt die von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Bewertung voraus, dass bestimmte unfallbedingte körperliche Schäden zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit führen. (Rn. 17 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein der Vortrag, es liege eine teilweise unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit vor, genügt zur Darlegung einer unfallbedingten Invalidität nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200,- Euro vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Ein Anspruch des Klägers auf Invaliditätsleistung scheitert bereits deshalb, als keine schriftliche Feststellung der Invalidität binnen 15 Monaten durch einen Arzt gemäß Ziffer 2.2.1.1 der AVB vorgelegt worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt dies aber eine Anspruchsvoraussetzung dar und ist dabei gerichtlicherseits immer zu prüfen, selbst wenn dies von den Parteien nicht vorgetragen wird.
Auch der Inhalt dieser ärztlichen Feststellung ist durch die Obergerichte in hinreichender Weise dargestellt worden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass an diese ärztliche Feststellung keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Sie muss sich insbesondere nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern, die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein und dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zugehen, soweit sie nur fristgerecht getroffen worden ist.
Allerdings muss sich aus ihr die ärztlicherseits für die Invalidität angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Erforderlich ist danach immer die Angabe des konkreten, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinflussenden Dauerschadens (BGH, VersR 2007, 1115; NJW-RR 1997, 277).
Des Weiteren wird verlangt, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität als Unfallfolge eine von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung ist, ob und in welchem Umfang bestimmte Körperschäden mit der Folge der Invalidität auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Dies bedeutet, dass neben der Erhebung von Befunden auch eine Wertung der Befunde durch den Arzt dahingehend erforderlich ist, dass der Arzt aus ihnen die tatsächlich dauernde Invalidität folgert. Es muss also eine Verbindung hergestellt werden zwischen bestimmten Gesundheitsschädigungen und dem in Betracht kommenden Unfallereignis, das für sich gesehen für den Invaliditätseintritt ursächlich geworden ist (OLG Frankfurt, VersR 2003, 362; VersR 2002, 1139).
Es muss sich aus der Feststellung darum danach ergeben, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers unfallbedingt nach hinreichend gesicherter Prognose dauerhaft beeinträchtigt sein wird (OLG Saarbrücken, VersR 2004, 856).
Immer müsste sich deshalb der ärztlichen Feststellung die gesundheitlichen Dauerfolgen entnehmen lassen und dass konkret eine Invalidität eingetreten und auf den Unfall zurückzuführen ist (OLG Düsseldorf, ZFS 2006, 9).
Notwendig ist deshalb immer, dass auch aus Untersuchungsergebnissen Schlüsse gezogen und Feststellungen abgeleitet werden sowie die hieraus ärztlicherseits angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten.
Notwendig ist danach auch immer die Feststellung einer dauerhaften und bedingten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers (OLG Köln, VersR 2013, 1428).
Entscheidend ist dabei auch, dass die bloße Möglichkeit als Ursachenzusammenhang nicht ausreichend ist (OLG Koblenz, VersR 2001, 1417).
Die Beklagtenseits insoweit vorgelegten ärztlichen Atteste und Befundberichte, nämlich ambulanter Arztbrief des Krankenhauses … vom 10.06.2015, ambulanter Arztbrief des Krankenhauses … vom 17.08.2015, Attest … und … vom 12.11.2015, Attest vom 14.01.2016 … und… vom 01.02.2016 und letztlich das Attest der Gemeinschaftspraxis des … vom 22.02.2016 erfüllen diese Vorgaben bei Weitem nicht und sind für die Frage der ärztlichen Feststellung der Invalidität damit nicht brauchbar.
Aus diesen Berichten folgert vielmehr gerade das Gegenteil eines vermeintlichen Dauerschadens.
Diagnostiziert wurde dort nämlich eine Chondromalazie. Insoweit handelt es sich um eine Erweichung des Gelenkknorpels. Als Symptome werden Schmerzen im betroffenen Gelenkabschnitt beschrieben, wobei jedoch auch therapeutische Maßnahmen wie intensive physiotherapeutische Behandlung, physikalische Maßnahmen und Gelenkinjektionen zur Linderung dargestellt werden.
All dies aber bedeutet, dass es sich vorliegend lediglich um einen Schmerzzustand handelt, jedoch keinerlei Dauerschaden sich hieraus ergeben kann.
II. Die Klage ist auch im Übrigen nicht schlüssig.
Der ursprüngliche Vortrag der Klägerseite ging dahin, dass eine abgeheilte Schambeinfraktur vorläge und ein Dauerschaden entstanden sei durch eine Fehlbelastung wegen Gehstützen.
Dies wird schon durch die klägerseits vorgelegten ärztlichen Atteste nicht bestätigt. Der ambulante Arztbrief des Dr. … vom 17.08.2015 beeinhaltet eine deutliche Beschwerdebesserung, gelegentliche Schmerzmedikation und einen Gang ohne Krücken. Das fachärztliche Attest der … vom 02.11.2015 erklärt eine Besserung der Schmerzen durch die Injektionen mit Hyaloronsäure und ebenfalls einen Gang ohne Krücken.
Das fachärztliche Attest des Dr. … vom 14.01.2016 spricht von Injektionsbehandlungen und Bandageversorgung, jedoch gehend ohne Krücken. Das Attest vom 01.02.2016 weist auf vorbestehende Knorpelschäden hin.
Auch die vermeintliche Aussage des Dr. … das bei der Ehefrau des Klägers eine Gesamt-MDE von 60 % gegeben sei, wobei 30 % auf den Unfall zurückzuführen seien, ist vorliegend ohne jede Bedeutung. Es ist hinlänglich anerkannt, dass die Frage der MDE im Rahmen der privaten Unfallversicherung nicht von Bedeutung sein kann, ein Vortrag und die Behauptung der Invalidität gestützt auf eine MDE macht Vortrag im Rahmen der privaten Unfallversicherung unschlüssig.
Selbst wenn man von einer 30 %-igen Invalidität bei der Ehefrau des Klägers ausgehen wollte, kann sich ein Anspruch des Klägers nicht ergeben. Nach Ziffer H66.1009 der Bedingungen nämlich würde sich ein Anspruch auf eine Rentenzahlung erst bei einer Invalidität von 35 % ergeben.
Der zuletzt genannte Vortrag mit der Behauptung einer Gesamt-MDE von 50-60 % ist nicht schlüssig, wie oben dargelegt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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