Medizinrecht

Ärztliche Verordnung nach Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes

Aktenzeichen  24 ZB 21.915

Datum:
21.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8478
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 25 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 17 K 19.3076 2021-02-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 2.100,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, als Ruhestandsbeamter mit einem Bemessungssatz von 70 v.H. beihilfeberechtigt, begehrt die Gewährung von Beihilfe für die Anschaffung eines Hörgeräts.
Mit Schreiben vom 17. April 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er um Prüfung der Beihilfefähigkeit von Hörgeräten gebeten habe (Bl. 7 der Behördenakte (BA)). Die notwendige ärztliche Verordnung liege nicht bei. Das Schreiben enthielt zusätzlich folgenden Hinweis:
„Sofern Sie eine ärztliche Verordnung vorlegen, wären die Aufwendungen für das beidseitige Hörgerät bis zum Höchstbetrag von 3.000,- Euro dem Grunde nach beihilfefähig.“
Ergänzend wurde in dem Schreiben ausgeführt, dass der Kläger zur Abrechnung die Rechnung zusammen mit der ärztlichen Verordnung mittels eines Beihilfeantrags zur Erstattung vorlegen solle.
Am 20. Februar 2019 ging bei der Beklagten ein Kurzantrag auf Beihilfe ein. Beigelegt war dem Antrag eine Rechnung vom 21. Dezember 2018 über zwei Hörgeräte. Aus der Rechnung geht hervor, dass die Hörgeräte am 21. Dezember 2018 übergeben wurden. Gleichzeitig wurde eine ohrenärztliche Verordnung vom 14. Februar 2019 für eine Hörhilfe mit der Bemerkung „Hörgeräte veraltet“ beigelegt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 6. März 2019 teilte die Beklagte mit, dass die am 21. Dezember 2018 ausgestellte Rechnung über 3.298,- Euro nicht beihilfefähig sei. Die ärztliche Verordnung sei nachträglich ausgestellt worden, daher scheide eine Beihilfefähigkeit aus.
Mit Schreiben vom 12. März 2019 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Seit fünf Jahren habe er ein Hörgerät, für das die Kosten damals aufgrund einer ärztlichen Verordnung mit 70 Prozent von der Beihilfe erstattet worden seien. Am 11. April 2018 habe er erneut um Prüfung der Kostenübernahme eines neuen Hörgerätes gebeten. Am 17. April 2018 sei ihm mitgeteilt worden, dass die Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 3.000,- Euro beihilfefähig seien, sofern eine ärztliche Verordnung vorliege. Es stehe in diesem Schreiben nicht, dass die ärztliche Verordnung vor Anschaffung des neuen Hörgerätes erfolgen müsse. Er sei davon ausgegangen, da er ja bereits ein Hörgerät trage und die Kosten daher auch von der Beihilfe erstattet worden seien, eine neue Verordnung nicht erforderlich sei. Deshalb habe er erst nach dem Schreiben vom 23. Januar 2019 einen Hals-Nasen-Ohrenarzt aufgesucht und sich aufgrund eines Hörtestes, der eine Verschlechterung der Hörfähigkeit bestätigt habe, die Bescheinigung ausstellen lassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch zurück. Wesentlich sei, dass Aufwendungen für Hilfsmittel nur dann als beihilfefähig anerkannt werden könnten, wenn die Anschaffung vom Arzt schriftlich verordnet sei. Zudem ergebe sich aus der Formulierung, dass die schriftliche Verordnung grundsätzlich der Anschaffung vorausgehen müsse. Dies werde auch dadurch deutlich, dass sich aus der ärztlichen Verordnung Art und Notwendigkeit der Beschaffung sowie Umfang der Kosten ergäben. Eine nachträgliche ärztliche Verordnung könne daher nur in besonders gelagerten und begründeten Ausnahmefällen anerkannt werden. Die fachärztliche Verordnung für die Hörgeräte sei am 14. Februar 2019 ausgestellt. Die in Rede stehenden Hörgeräte seien bereits am 21. Dezember 2018 käuflich erworben worden. Somit sei die nach geltendem Recht zwingend vorgeschriebene ärztliche Verordnung nachweislich nachträglich ausgestellt worden.
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 2.100,- Euro abgewiesen. Die ärztliche Verordnung für Hilfsmittel müsse bereits im Zeitpunkt der Anschaffung vorliegen, um den Erfordernissen des § 25 Abs. 1 Satz 1 BBhV zu genügen. Da die ärztliche Verordnung erst am 14. Februar 2019 und damit zeitlich nach Anschaffung Ende des Jahres 2018 ausgestellt worden sei, seien die Hörgeräte nicht beihilfefähig. Die Notwendigkeit der ärztlichen Verordnung vor Anschaffung des Hilfsmittels ergebe sich aus der Auslegung der Norm. Zwar sei der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 1 BBhV und auch der des Einleitungssatzes zu Anlage 11 zu § 25 BBhV offen formuliert. Mit „ärztlich verordnete Hilfsmittel“ und „einem Arzt verordnet werden“ und gerade nicht „zuvor ärztlich verordnete Hilfsmittel“ und „einem Arzt verordnet wurden“ könne noch kein eindeutiger Rückschluss auf den Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung gezogen werden. Der Sinn des Verordnungszwangs bestehe in erster Linie darin, dem Dienstherrn Gewissheit über die Notwendigkeit einer Maßnahme zu verschaffen. Der Beihilfeberechtigte sei regelmäßig nicht in der Lage, selbst zu beurteilen, welches Hilfsmittel notwendig sei. Durch die schriftliche Verordnung übernehme der Arzt die Verantwortung für die Leistungen, die der medizinischen Versorgung dienten, aber nicht vom Arzt selbst erbracht würden, was insbesondere bei Hilfsmitteln der Fall sei. Durch die schriftliche Verordnung bestätige der Arzt unter anderem die Notwendigkeit und die Wirksamkeit des betreffenden Mittels. Die Notwendigkeit der Anschaffung könne die schriftliche ärztliche Verordnung nur glaubhaft darlegen, wenn sie vor Anschaffung des Hilfsmittels erfolge und wenn sich aus der ärztlichen Verordnung nicht nur die Notwendigkeit der Anschaffung dem Grunde nach, sondern auch Art und Umfang der Ausstattung des Hilfsmittels ergäben. Im vorliegenden Fall sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger eine vorherige Konsultation eines Arztes ausgeschlossen oder unzumutbar gewesen sei. Vielmehr habe der Kläger im Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass er von der Notwendigkeit einer vorherigen ärztlichen Verordnung nichts gewusst habe. Auch eine Ausnahme dahingehend, dass bei der getätigten Ersatzbeschaffung eines Hörgeräts auf eine ärztliche Verordnung ganz verzichtet werden könne, bestehe nicht. Dies ergebe sich aus der systematischen Auslegung von Ziffer 8.8 der Anlage 11 zu § 25 BBhV im Zusammenhang mit Abschnitt 4 unter Abschnitt 2 Nr. 2 derselben Anlage. Bei der Anschaffung des Klägers handele es sich um den Ersatz für ein veraltetes Hörgerät. Dieses habe er länger als fünf Jahre getragen, sodass die Beihilfefähigkeit für ein Ersatzgerät aus zeitlicher Perspektive an sich gegeben gewesen wäre. Auch sei für das veraltete Hörgerät Beihilfe gewährt worden. Mit Blick auf die oben dargestellten Zwecke des Verordnungszwanges ließe sich grundsätzlich vertreten, dass die Zwecke bei der Ersatzbeschaffung eines Hörgeräts nicht konterkariert würden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich ein Betroffener ein neues Hörgerät besorge, wenn sich seine Hörfähigkeit so verbessert hätte, dass er ohne ein Hörgerät höre. Zum anderen brauche es für die Anschaffung eines Hörgeräts den Kontakt mit einem Hörgeräteakustiker, sodass die Gefahr eines Misserfolgs gering erscheine. Allerdings habe der Verordnungsgeber (nur) für Sehhilfen eine Differenzierung zwischen Erst- und Ersatzbeschaffung vorgenommen. In Nr. 2 des Abschnitts 4 Unterabschnitt 2 der Anlage 11 zu § 25 BBhV heiße es: „Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die erstmalige Beschaffung einer Sehhilfe sei, dass diese von einer Augenärztin oder einem Augenarzt verordnet worden sei. Bei der Ersatzbeschaffung genüge die Refraktionsbestimmung von einer Augenoptikerin oder einem Augenoptiker.“. Diese ausdrückliche Beschränkung der Differenzierung auf Sehhilfen bringe den Willen des Verordnungsgebers zum Ausdruck, dass nur in diesem Fall differenziert werden dürfe. Im Übrigen bleibe es bei der grundsätzlichen Regelung, dass es einer ärztlichen Verordnung vor Anschaffung bedürfe. Dem Verordnungsgeber sei es freigestanden, auch für den Fall einer Ersatzbeschaffung eines Hörgeräts die Durchführung eines Hörtestes durch einen Hörgeräteakustiker für ausreichend zu erklären.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung führte er aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht setze sich nicht mit Satz 3 des § 25 Abs. 1 BBhV auseinander. Bei Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 3 BBhV hätte dem Antrag deshalb stattgegeben werden müssen. Auf die systematische Auslegung von Ziffer 8.8 der Anlage 11 zu § 25 BBhV im Zusammenhang mit Abschnitt 4 Unterabschnitt 2 Nr. 2 derselben Anlage komme es demnach nicht an. Sollte es, wie nicht, auf die Auslegung von Ziffer 8.8 der Anlage zu § 25 BBhV ankommen, so halte der Kläger die vom Verwaltungsgericht angewendete Auslegung für verfassungswidrig. Denn die Ungleichbehandlung von Sehhilfen, für deren Ersatzbeschaffung die Refraktionsbestimmung eines Augenoptikers genüge, während die Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes nicht von einem Hörgeräteakustiker, sondern von einem Arzt verordnet werden müsse, entbehre jeder sachlichen Grundlage. Der Hörgeräteakustiker sei ein nach der Handwerksordnung anerkannter Ausbildungsberuf, für den es eine eigene Ausbildungsverordnung und eine eigene Meisterverordnung gebe, ebenso wie für den Beruf des Augenoptikers. Eine Ungleichbehandlung der Ersatzbeschaffung von Sehhilfen und Hörgeräten verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Deshalb sei die Anlage 11 zu § 25 BBhV verfassungskonform auszulegen. Folglich sei die Berufung auch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die aufgeworfene Rechtsfrage laute: „Verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Ziffer 8.8 in Anlage 11 zu § 25 BBhV dahingehend ausgelegt wird, dass für die Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes im Gegensatz zur Ersatzbeschaffung für eine Sehhilfe die ärztliche Verordnung zeitlich vor der Anschaffung ausgestellt sein muss?“ Wenn diese Frage bejaht würde, müsste im vorliegenden Fall dem Beihilfeantrag stattgegeben werden, weil der Kläger in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung die Ersatzbeschaffung seines Hörgerätes ärztlich habe verordnen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die
vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), ergibt sich weder der geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Der Einwand, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, führt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss mit schlüssigen Gegenargumenten darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Rn. 61 zu § 124a). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Dem wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
Nach Auffassung des Klägers setze sich das Verwaltungsgericht nicht mit Satz 3 des § 25 Abs. 1 BBhV auseinander. Die Regelung sei vom Wortlaut her so auszulegen, dass der Begriff „seit Anschaffung“ die Anschaffung des Ersatzgerätes und nicht das erstmals verordnete Hilfsmittel meine. Satz 3 des § 25 Abs. 1 BBhV sei als lex specialis zum vorangegangenen Satz 2 zu verstehen. Hierfür reiche es nach der Verordnung aus, wenn ein Arzt innerhalb von sechs Monaten nach der Anschaffung die Ersatzbeschaffung anordne. Bei Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 3 BBhV hätte dem Antrag stattgegeben werden müssen. Auf die systematische Auslegung von Ziffer 8.8. der Anlage 11 zu § 25 BBhV im Zusammenhang mit Abschnitt 4 Unterabschnitt 2 Nr. 2 derselben Anlage komme es demnach nicht an.
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, aus welchen Gründen kein Anspruch auf Beihilfe für die angeschafften Hörgeräte besteht (UA S. 6 ff.). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Wie sich aus § 25 Absatz 1 Satz 1 BBhV ergibt, sind Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel wie z.B. Hörgeräte beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Dem Erfordernis einer ärztlichen Verordnung ist dabei – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat – zumindest für den Regelfall nur dann Rechnung getragen, wenn die betreffende ärztliche Bescheinigung vor (und nicht erst nach) Beschaffung des in Rede stehenden Mittels ausgestellt worden ist. Die regelmäßige Nichtanerkennung nachträglicher ärztlicher Bescheinigungen findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass Beihilfeberechtigte selbst in aller Regel nicht in der Lage sind zu beurteilen, welche Arznei- oder Hilfsmittel oder Heilbehandlungen notwendig sind und jede Eigenbeschaffung oder Eigenbehandlung eine erhöhte Gefahr des Misserfolges in sich trägt. Eine Ausnahme von der Unbeachtlichkeit nachträglich ausgestellter Verordnungen wird, soweit ersichtlich, nur für Fälle unaufschiebbaren Bedarfs anerkannt, wenn unverzüglich nach Fortfall des anzuerkennenden Hinderungsgrundes (für eine vorherige Konsultation des Arztes) die nachgeholte ärztliche Bescheinigung die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung sowie Art und Umfang der Hilfsmittelausstattung bestätigt. (OVG Saarl, U.v. 1.12.2015 – 1 A 94/15 – juris Rn. 49 f. m.w.N).
Anders als der Kläger ausführt, ist der Begriff „seit Anschaffung“ in § 25 Absatz 1 Satz 3 BBhV nicht so auszulegen, dass die Anschaffung des Ersatzgerätes gemeint ist und dass es bei der Ersatzbeschaffung eines unbrauchbar gewordenen Hilfsmittels genügt, wenn ein Arzt innerhalb von sechs Monaten nach Anschaffung die Ersatzbeschaffung anordnet. § 25 Abs. 1 Satz 3 BBhV regelt vielmehr, dass wieder eine ärztliche Verordnung erforderlich ist, wenn seit der Anschaffung des unbrauchbar gewordenen Hörgerätes mehr als sechs Monate vergangen sind. Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Ersatzbeschaffung ohne erneute ärztliche Verordnung auf die ersten sechs Monate seit der erstmaligen Anschaffung erfolgt unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, da nur während dieses Zeitraums angenommen werden kann, dass das Hilfsmittel in der verschriebenen Ausführung notwendig ist (Schadewitz/Röhrig, BBhV, Band I Teil B, Stand November 2021, § 25 Rn. 59; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Band II Teil III, Stand Februar 2021, § 25 Rn. 2; Köhnen/Schröder/Amelungk, BBhV, Band I, Stand Oktober 2021, zu § 25, S. 25).
Nach sechs Monaten hingegen kann nicht mehr automatisch davon ausgegangen werden, dass das Hilfsmittel in der verschriebenen Ausführung notwendig ist, vielmehr muss aus den gleichen Gründen wie bei der Erstbeschaffung vor der Ersatzbeschaffung von einem Arzt die medizinische Notwendigkeit der Ersatzbeschaffung sowie Art und Umfang der Hilfsmittelausstattung festgestellt werden. Je nach Krankheit kann es sein, dass ein Hilfsmittel gar nicht mehr medizinisch notwendig ist, da z.B. ein Armbruch ausgeheilt und damit ein Armtragetuch nicht mehr erforderlich ist oder dass z.B. wegen der Verschlimmerung der Krankheit das Hilfsmittel in einer anderen Ausführung erforderlich ist. Jede Eigenbeschaffung oder Eigenbehandlung trägt auch hier eine erhöhte Gefahr des Misserfolges in sich.
Da im vorliegenden Fall die Ersatzbeschaffung erst deutlich nach sechs Monaten seit der Anschaffung des ersten Hörgerätes erfolgte, war demnach – anders als der Kläger meint – eine ärztliche Verordnung, die vor der Anschaffung des Ersatzgerätes zu erfolgen hatte, erforderlich.
Der Kläger hat nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit die Ungleichbehandlung der Ersatzbeschaffung einer Sehhilfe, für die die Refraktionsbestimmung eines Augenoptikers genügen soll und der Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes, für die eine Verordnung eines Arztes und nicht eines Hörgeräteakustikers erforderlich sei, gegen Art. 3 GG verstoßen und jeglicher Grundlage entbehren soll.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln und stellt es dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können (vgl. BVerfG, B. v. vom 13.3.2007 – 1 BvF 1/05 – BVerfGE 118, 79/100 und vom 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07 – BVerfGE 129, 49/ 68 m.w.N.). Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereiches ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint.
Der Kläger argumentiert lediglich, sowohl der Hörgeräteakustiker als auch der Augenoptiker seien anerkannte Ausbildungsberufe. Er zeigt aber nicht auf, inwieweit die Ersatzbeschaffung einer Sehhilfe und eines Hörgerätes wesentlich gleich sein sollen und weshalb sich kein vernünftiger, einleuchtender Grund für die unterschiedlichen beihilferechtlichen Regelungen schlechthin finden lassen und die Regelungen also willkürlich erscheinen sollen.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Insoweit erfüllt das Vorbringen des Klägers bereits nicht die Darlegungsvoraussetzungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72).
Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung nicht. Der Kläger wirft die Rechtsfrage auf: „Verstößt es gegen Art. 3 GG, wenn die Ziffer 8.8. in Anlage 11 zu § 25 BBhV dahingehend ausgelegt wird, dass für die Ersatzbeschaffung eines Hörgerätes im Gegensatz zur Ersatzbeschaffung für eine Sehhilfe die ärztliche Verordnung zeitlich vor der Anschaffung ausgestellt sein muss?“
Bei einer Sehhilfe ist für eine Ersatzbeschaffung eine ärztliche Verordnung grundsätzlich nicht notwendig. Es genügt vielmehr die Refraktionsbestimmung durch einen Augenoptiker. Daher stellt sich diese Frage nicht. Zudem wird lediglich vorgetragen, dass im vorliegenden Fall dem Beihilfeantrag stattgegeben werden müsste, weil der Kläger in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung die Ersatzbeschaffung seines Hörgerätes ärztlich hat verordnen lassen. Der Kläger verhält sich aber nicht dazu, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 3 GKG und entspricht der vom Verwaltungsgericht festgesetzten und von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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