Medizinrecht

Antrag auf Rückabwicklung des Sabbatjahr-Modells wegen hoher Behandlungskosten im Eilverfahren

Aktenzeichen  M 5 E 18.4660

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134513
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
BayBG § 88 Abs. 4

 

Leitsatz

Allein der Umstand, dass aufgrund eines Sabbatjahr-Modells reduzierte Bezüge ausgezahlt werden, bedingt für sich noch keine Unzumutbarkeit, die die Rückabwicklung im Wege einer Eilentscheidung eröffnet; dies gilt auch bei Kombination mit hohen Behandlungskosten, die erst nach fünf Wochen von der Beihilfestelle erstattet werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 29.792,16,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als verbeamtete Lehrerin (Besoldungsgruppe A 13 Stufe 11) in den Diensten der Antragsgegnerin.
Am … März 2016 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Teilnahme am sogenannten Sabbatjahr-Modell für städtische Lehrkräfte im Beamtenverhältnis. Diesen genehmigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom … März 2016 antragsgemäß. Danach sollte die Antragstellerin im Schuljahr 2016/2017 ihren Dienst in Vollzeit leisten (Ansparphase); im Schuljahr 2017/2018 sollte sie sodann vom Dienst freigestellt werden (Freistellungs- oder Ausgleichsphase). Sowohl in der Anspar- als auch in der Freistellungsphase sollten die Dienstbezüge nur zu 50% gezahlt werden.
Im Schuljahr 2016/2017 war die Antragstellerin wiederholt und seit dem … Januar 2017 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom … Juli 2017 und erneut mit Schreiben vom … Dezember 2017 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie aufgrund der langanhaltenden Erkrankung gehindert sei, die Zeit der Freistellung, beginnend ab dem … August 2017, anzutreten. Sie beantrage daher die Rückabwicklung der getroffenen Sabbatjahr-Regelung, da ihr die Durchführung des Sabbatjahres aufgrund ihrer andauernden Erkrankung unzumutbar sei. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom … Dezember 2017 mit der Begründung ab, die Antragstellerin befinde sich noch in der Ansparphase; allein eine Erkrankung sei noch kein Grund für eine Rückabwicklung der getroffenen Sabbatjahr-Regelung. Ihr diesbezügliches Begehren verfolgt die Antragstellerin in dem vor dem erkennenden Gericht geführten Verfahren M 5 K 18.70 weiter. Dort unterbreitete ihr die Antragsgegnerin ein Vergleichsangebot, wonach die Antragstellerin auf die Rückabwicklung des Sabbatjahr-Modells verzichten solle und die Antragsgegnerin im Gegenzug dafür die ihrer Auffassung nach fehlenden 2,5 Wochen Dienst in Vollzeit in der Ansparphase zugestehen würde, sodass die Antragstellerin in die Freistellungsphase bei Fortbestehen der Hälfte der Dienstbezüge eintreten könne. Dieses Angebot lehnte die Antragstellerin ab.
Das Schuljahr 2017/2018 endete mit Ablauf des … Juli 2018. Die Antragstellerin erhält seitdem weiterhin (nur) Dienstbezüge in Höhe von 50%. Auf Nachfrage diesbezüglich teilte ihr die Antragsgegnerin mit, dass deshalb nur 50% der Bezüge gezahlt würden, da die Voraussetzungen für das vollständige Gehalt nicht erfüllt worden seien. Zur Vollendung der Ansparphase fehlten noch 2,5 Wochen in Vollzeit zu leistende Dienste.
Am … Mai 2018 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Beihilfe für Arztrechnungen aus November 2017 bis Mai 2018 in Höhe von insgesamt ca. 2.600 EUR. Eine diesbezügliche Beihilfefestsetzung erfolgte am … Juni 2018. Am … September 2018 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Beihilfe für Arztrechnungen aus Juli und August 2018 in Höhe von insgesamt 1.688,17 EUR. Dieser Antrag wird derzeit noch bearbeitet.
Mit Schreiben vom 19. September 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr beginnend ab dem … August 2018 die vollen monatlichen Bezüge in Höhe von 5.106,78 € brutto bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu zahlen.
Sie ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin ihr mit Ablauf des Schuljahrs 2017/2018 ab dem … August 2018 die vollen Dienstbezüge zu zahlen habe. Sie erhalte seit 26 Monaten die Hälfte ihrer Bezüge und werde diese nach Auffassung der Antragsgegnerin wohl noch so lange erhalten, bis sie wieder dienstfähig sei, 2,5 Wochen arbeite und danach weitere zwölf Monate in der Freistellungsphase bei hälftigen Bezügen verbleibe. Bei anhaltender Dienstunfähigkeit werde sie auf unabsehbare Zeit nur die Hälfte der Bezüge erhalten, da die Antragsgegnerin der Auffassung sei, sie befinde sich weiterhin in der Ansparphase. Sie habe allerdings einkalkuliert, ab August 2018 (Ende des Sabbatjahr-Modells), wieder die vollen Bezüge zu erhalten. Durch ihre Erkrankung entstünden ihr hohe Behandlung- und Therapiekosten, die sie als beihilfeberechtigte Beamtin verauslagen müsse. Da die Bearbeitungszeit der Beihilfestelle bei ca. fünf Wochen liege, müsse sie über diesen Zeitraum hohe Beträge vorstrecken. Das Sabbatjahr sei jedoch wegen Unzumutbarkeit rückabzuwickeln. Zum anderen sei das Sabbatjahr als beendet zu betrachten. Soweit sich die Antragsgegnerin auf die fehlenden 2,5 Wochen geleisteten Dienst in der Ansparphase berufe, sei dies unverhältnismäßig.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle der Antragstellerin an einem Anordnungsanspruch, da sich die Ansparphase des Sabbatjahr-Models aufgrund der einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitenden durchgehenden Dienstunfähigkeit der Antragstellerin verlängert habe. Zudem bestehe kein Anordnungsgrund, da die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihr bei Fortzahlung der reduzierten Bezüge wesentliche Nachteile drohten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist unbegründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Die Antragstellerin hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es besteht vorliegend ohne Durchführung eines gerichtlichen Eilverfahrens nicht die Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, warum ihr bei fortlaufendem Bezug reduzierter Bezüge unzumutbare Nachteile entstehen. Allein der Erhalt hälftig reduzierter Bezüge stellt für sich genommen keinen, in diesem Sinne unzumutbaren Nachteil dar. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie müsse derzeit aufgrund ihrer Erkrankung hohe Beträge zur Begleichung von Behandlungskosten vorstrecken, die ihr von der Beihilfestelle erst nach ca. fünf Wochen erstattet werden würden, ist nicht ersichtlich, inwieweit daraus in Kombination mit der Bezügereduzierung ein unzumutbarer (finanzieller) Nachteil für die Antragstellerin folgt. Ob und inwieweit ihre Finanzlage durch die gegenwärtige Situation belastet ist und welche weiteren Auswirkungen dies auf ihre allgemeine Lebensführung hat, ist nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass nur 50% der Bezüge ausgezahlt werden, bedingt für sich allein noch keine Notwendigkeit einer eiligen Entscheidung durch das Gericht. Es müssten weitere Umstände für eine entsprechende Dringlichkeit hinzukommen. Diese sind aber nicht glaubhaft gemacht.
Im Übrigen deutet auch das bisherige Verhalten der Antragstellerin betreffend ihren Umgang mit Arztrechnung nicht darauf hin, dass sie sich aufgrund der Verauslagung von Beträgen in einer finanziellen Notsituation befände. So hat sie einen Beihilfeantrag für Rechnungsbeträge aus November 2017 bis Mai 2018 in Höhe von insgesamt ca. 2600 EUR erst im Mai 2018 gestellt, für Rechnungsbeträge aus Juli und August 2018 erst Ende September 2018.
3. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 und 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (der zweifache Jahresbetrag der Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Status; davon aufgrund der Vorläufigkeit des erstrebten Rechtsschutzes die Hälfte).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben