Medizinrecht

Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Mitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion

Aktenzeichen  AN 1 K 15.00673

Datum:
20.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBHV § 18 S. 4 Nr. 1
GG GG Art. 3 Abs. 1
BeamtStG BeamtStG § 45

 

Leitsatz

Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Behandlung der erektilen Dysfunktion (§ 18 Satz 4 Nr. 1 BayBhV) verstößt weder gegen die Fürsorgepflicht noch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Denn der Dienstherr muss keine lückenlose Erstattung der Krankheitskosten vorsehen, solange der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten wird. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 1 K 15.00673
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 20. Januar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 1335 99
Hauptpunkte:
Beihilfefähigkeit von Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Cialis) (verneint)
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: …
gegen
Deutsche Rentenversicherung …
– Beklagte –
wegen Beihilfe (BayBhV)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Burgdorf den Richter am Verwaltungsgericht Opitsch den Richter Brandl-Michel und durch den ehrenamtlichen Richter … und die ehrenamtliche Richterin …aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Januar 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der am …1952 geborene Kläger ist Beamter der Beklagten und zu 50 v. H. beihilfeberechtigt.
Beim Kläger wurde am 12. November 2014 eine „radikale DaVinci-assistierte Prostatovesiculektomie mit iliakaler Lymphadenektomie beidseits“ wegen eines Adenokarzinoms der Prostata durchgeführt. Im Rahmen der urologischen Rehabilitation wurde dem Kläger die Einnahme von PDE-5 Inhibitoren (Cialis) empfohlen.
Im Arztbrief der Klinik am Kurpark … GmbH vom 18. Dezember 2014 sind unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
„Anamnese: […] Im Vordergrund steht jetzt die Wiederherstellung der körperlichen Belastbarkeit bei vollständiger postoperativer Kontinenz, sowie die postoperative erektile Dysfunktion […]
Therapie und Verlauf: Im Vordergrund standen hier die Therapien des Prostatamoduls (Atemgymnastik, Verhaltensschulung, progressive Muskelrelaxation, ernährungs- bzw. krankheitsbezogene Vorträge). Postoperativ bestand vollständige Kontinenz.
Des Weiteren wurde eine Beratung in Bezug auf die postoperative erektile Dysfunktion vorgenommen unter dem Aspekt der penilen Frührehabilitation. Die Einnahme von PDE-5 Inhibitoren in geringer Dosierung zur Nacht wurde empfohlen. Unter Tadalafil 5 mg zur Nacht kam es bereits wieder zu leichten nächtlichen Tumeszenzen.[…]“
Mit Antrag vom 11. Dezember 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten Beihilfe für das Präparat Cialis nach ärztlicher Verordnung, beschafft am 1. Dezember 2014. Die Beklagte lehnte die Beihilfefähigkeit für die Aufwendungen in Höhe von 108,44 EUR mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 ab.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass das Medikament im Rahmen der urologischen Rehabilitation nach Operation wegen eines Prostatakarzinoms ärztlich empfohlen worden sei. Auch die private Krankenversicherung habe die Kostenübernahme für dieses Präparat zugesagt.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid der Beklagten vom 8. April 2015 zurückgewiesen. Nach § 18 Satz 4 Nr. 1 BayBhV seien die Aufwendungen für Mittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienten, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2008 seien Aufwendungen für potenzsteigernde Arzneimittel auch dann nicht beihilfefähig, wenn die Mittel zum Ausgleich der Folgen einer schweren Erkrankung, die einer krebsbedingten Entfernung der Prostata, ärztlich verschrieben worden seien. Das Gericht habe auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darin gesehen, dass die Beihilfevorschriften gegenüber den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung die Beihilfefähigkeit für diese Medikamentengruppe ausschließe. Der Ausschluss beruhe auf der Erwägung, dass diese Mittel ungeachtet der krankheitsbedingten Ursache der behandelten Leiden nicht erforderlich sei, um einen vom Willen und vom Verhalten des Patienten unabhängigen Leidenszustand zu beseitigen oder zu lindern. Sie seien folglich anders zu behandeln als die Arzneimittel, die bezüglich behandlungsbedürftiger Leiden verordnet würden, die unbehandelt unzumutbare Beschwerden nach sich ziehen oder zu einer weiteren Gesundheitsverschlechterung führten.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit am 22. April 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage mit den Anträgen:
1. Der Bescheid vom 15. 12. 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8.4.2015 werden aufgehoben.
2. Dem Antrag des Klägers vom 11.12.2014 wird stattgegeben.
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 wurde die Klage begründet. Aus der ärztlichen Bescheinigung der Klinik am Kurpark … GmbH vom 2. Dezember 2014 ergebe sich, dass die Einnahme der Inhibitoren aus gesundheitlichen Gründen erforderlich sei, um frühzeitig einem Fibrosierungsprozess entgegenzuwirken. Es handele sich somit nicht um ein zum Vergnügen des Klägers verordnetes Medikament, sondern um eines, das zur vollständigen Gesundung und Vorbeugung eventueller Spätfolgen seiner ursprünglichen Erkrankung erforderlich sei. Diese Art der vorbeugenden Nachbehandlung werde auch im Entlassungsbrief des Klägers der missionsärztlichen Klinik … vom 11. Dezember 2014 befürwortet bzw. sogar ausdrücklich empfohlen.
Die Begründung der Rentenversicherungsanstalt möge zwar formell zutreffend sein, sei aber auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Es sei ein eklatanter Unterschied, ob die streitgegenständlichen Präparate zur Beseitigung einer erektilen Dysfunktion verschrieben würden oder zur Behandlung bzw. Nachbehandlung einer Krankheit. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das Präparat auch eine andere Nebenwirkung entfalte, zumal es wohl kaum ein Medikament ohne jegliche Nebenwirkungen gebe. Deshalb sei § 18 Satz 4 Nr. 1 BayBhV vorliegend nicht anwendbar.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 28. Juli 2015:
Die Klage wird abgewiesen.
Nach § 18 Satz 4 Nr. 1 BayBhV seien die Aufwendungen für Mittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienten, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2008 (Az. 2 C 1.07) werde erneut hingewiesen.
Die vorgelegten Atteste enthielten Ausführungen zur Wiedererlangung der Potenz sowie eine Empfehlung für eine frühzeitige sexuelle Rehabilitation, jeweils mit PDE-5 Inhibitoren (Cialis). Eine medizinische Notwendigkeit sei nicht erkennbar.
Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 ergänzte der Klägervertreter, aus dem Entlassungsbericht der Klinik am Kurpark ergebe sich eine medizinische Notwendigkeit zur Einnahme von Inhibitoren zur Behandlung bzw. Nachbehandlung der postoperativen Folgeerscheinungen. Wenn infolge einer Operation eine körperliche Funktion, welche Art auch immer, beeinträchtigt würde, so gehöre es zu einer vollständigen Behandlung und Rekonvaleszenz, dass nicht nur die Hauptursache, sondern auch die Nebenwirkungen eines solchen medizinischen Eingriffs beseitigt bzw. behoben würden. Wenn sich jemand den Arm gebrochen habe und trotz Ausheilung anschließend seine Finger nicht mehr richtig bewegen könne, müssten diesem Patienten selbstverständlich auch für die Behandlung seiner Finger erforderlichen Medikamente so lange verordnet und erstattet werden, bis deren vollständige Funktion wiederhergestellt sei. Deshalb sei die einseitige Berufung der Beklagten auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorliegend nicht anwendbar.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2015 entgegnete die Beklagte, ausweislich des Arztberichtes sei lediglich eine Beratung in Bezug auf die postoperative erektile Dysfunktion vorgenommen worden unter dem Aspekt der penilen (= den Penis betreffend) Frührehabilitation. Die Einnahme von PDE-5 Inhibitoren in geringer Dosierung zur Nacht sei empfohlen worden. Unter Tadalafil 5 mg zur Nacht sei bereits wieder zu leichten nächtlichen Tumeszenzen (= Volumenzunahmen durch Anschwellungen) gekommen. Weitere klagerelevante Inhalte als die zitierten seien im Entlassungsbericht nicht enthalten. In der Summe gehe daraus ausschließlich hervor, dass eine Beratung stattgefunden habe, wie eine Frührehabilitation bewirkt werden könne. Ausführungen zu krankhaften Aspekten der erektilen Dysfunktion seien nicht im Ansatz enthalten. Das vom Kläger vorgebrachte Beispiel des Therapierens unbeweglicher Finger nach einem gebrochenen Arm gehe fehl, an die Einsatzfähigkeit der Finger würden im Alltag im Beruf zweifelsfrei andere und weitaus höhere Anforderungen gestellt.
Mit Schriftsatz vom 6. November 2015 vertiefte der Klägervertreter sein Vorbringen. Der Begriff der medizinischen Notwendigkeit sei nirgends eindeutig definiert. Tatsache sei, dass zwei auf diesem Gebiet kompetente und voneinander unabhängige Fachärzte dem Kläger die Notwendigkeit für die Verschreibung von PDE-5 Inhibitoren zur Behandlung bzw. Beseitigung der für seine Prostataoperation hervorgerufenen physischen und psychischen Folgeerscheinungen bestätigt hätten. Es stelle sich deshalb die Frage, wer für die Beantwortung bzw. Beurteilung einer solchen Frage besser geeignet sei, zwei Chefärzte oder ein Verwaltungsrat. Deshalb werde nochmals ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung dieser Frage beantragt.
Allerdings stelle sich die Frage, ob im Hinblick auf die Kosten von monatlich ca. 60 EUR über zwei Jahre ein solcher Kostenaufwand sinnvoll sei. Die private Krankenversicherung habe den Kostenanteil für die Behandlung im Übrigen anstandslos übernommen, was sicherlich nicht der Fall wäre, wenn aus deren Sicht keine medizinische Notwendigkeit vorläge. Vor allem seien keinerlei Anhaltspunkte von der Beklagten dafür vorgetragen worden, dass und warum für die Einschätzung dieser Frage durch die private Krankenversicherung andere Regeln bzw. Maßstäbe als für die Deutsche Rentenversicherung gelten sollten.
Mit Schriftsatz vom 30. November 2015 vertiefte die Beklagte ihr Vorbringen. Ausweislich des § 18 Satz 4 Nr. 1 BayBhV gelte die Vorschrift unabhängig von den medizinischen Gründen für die erektile Dysfunktion. Ob die psychischen und/oder physischen Folgeerscheinungen einer erektilen Dysfunktion nach einer Prostataoperation oder als Folge des natürlichen Alterungsprozesses zu beseitigen seien, sei somit bei der beihilferechtlichen Beurteilung nicht relevant. Somit werde auch das von der Klägerseite beantragte Sachverständigengutachten keine neuen Erkenntnisse im Hinblick auf die beihilferechtliche Beurteilung aufzeigen können. Im Übrigen sei die Entscheidung der privaten Krankenversicherung für die Erstattung der Aufwendungen für die beihilferechtliche Entscheidung ohne Bedeutung, da völlig unterschiedliche Rechtsgrundlagen Anwendung fänden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, bezüglich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8. April 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Kosten für das Präparat Cialis als beihilfefähig anerkannt werden.
Nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der geltend gemachten Aufwendungen für das genannte Präparat (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23.9.2010, Az. 14 ZB 09.207; BVerwG, Urteil vom 20.3.2008, Az. 2 C 19/06, NVwZ-RR 2008, 713; Urteil vom 15.12.2005, Az. 2 C 35.04, BVerwGE 125, 21 ff.) geltenden Art. 96 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 29. Juli 2008, GVBl. S. 500, in Kraft seit 1. April 2009, erhalten Beamte, Ruhestandsbeamte, deren versorgungsberechtigte Hinterbliebene, Dienstanfänger und Dienstanfängerinnen sowie frühere Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit oder Erreichen der Altersgrenze entlassen sind, für sich, den Ehegatten oder den Lebenspartner (Lebenspartner im Sinn des § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), soweit dessen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) im zweiten Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags 18.000.00 EUR nicht übersteigt, und die im Familienzuschlag nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz berücksichtigungsfähigen Kinder Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge, solange ihnen laufende Besoldungs- und Versorgungsbezüge zustehen.
Dazu werden nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. Der Bemessungssatz beträgt bei Beamten sowie Richtern 50 v. H., bei Ehegatten oder Lebenspartnern sowie bei Versorgungsempfängern 70 v. H. (Art. 96 Abs. 3 Satz 1 BayBG).
Konkretisiert wird die Beihilfegewährung durch die gemäß Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen erlassene Rechtsverordnung.
Hinsichtlich der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Mittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, bestimmt § 18 Satz 4 Nr. 1 der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen – Bayerische Beihilfeverordnung, BayBhV, vom 2.1.2007, GVBl. S. 15, in der hier maßgebenden Fassung der Verordnung zur Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352; ber. S. 447), dass diese nicht beihilfefähig sind.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Wirksamkeit der Vorschriften der BayBhV und ihrer
jeweiligen Ausführungsbestimmungen. Insbesondere ist der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Medikamenten, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, mit höherrangigem Recht vereinbar.
Dieser Ausschluss verletzt nicht die Fürsorgepflicht nach § 45 BeamtStG. Ihrem Wesen nach ist die Beihilfe eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Dabei ergänzt die Beihilfe nach der ihr zugrundeliegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten (BVerwG, Urteil vom 20.3.2008, Az. 2 C 49.07, Rdnr. 20, juris; zuletzt VG Bremen, Urteil vom 10.11.2015, Az. 2 K 695/14, Rdnr. 23, juris). Der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten soll auch im Krankheits- und Pflegefall gesichert werden. Dem Dienstherrn ist es daher grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten; das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet (VG Bremen, Urteil vom 10.11.2015, Az. 2 K 695/14, Rdnr. 23, juris; BVerwG, Urteil vom 28.5.2008, Az. 2 C 24/07, Rdnr. 23, juris, m. w. N.).
Auch liegt durch den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Mitteln, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil sachliche Gründe diese Differenzierung im Beihilferecht rechtfertigen. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
„Die erektile Dysfunktion stellt zwar einen regelwidrigen Gesundheitszustand dar. Ihre Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich jedoch vorwiegend aus sexuellen Bedürfnissen und damit nicht aus biologisch-medizinischen Erfordernissen wie etwa beim behandlungsbedürftigen Bluthochdruck, bei Diabetes oder anderen Erkrankungen, deren Auswirkungen der willentlichen Steuerung des Menschen nicht unterliegen und die unbehandelt unzumutbare Beschwerden und weitere körperliche Krankheitserscheinungen auslösen können. Sie hängt wesentlich vom steuerbaren Willen des Betroffenen ab; die Behandlung als solche und die Häufigkeit der Anwendung medizinischer Mittel unterliegen der freien Entscheidung des von der Erkrankung Betroffenen. Ohne Verletzung der beamtenrechtlichen Verpflichtung, sich gesund zu erhalten, und ohne die Gefahr weitergehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder Schädigungen kann der Betroffene auf die Behandlung je nach seinen individuellen Lebensbedürfnissen teilweise, überwiegend oder auch ganz verzichten. […] Es ist deswegen auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit nicht zu beanstanden, potenzsteigernde Arzneimittel als Mittel einzustufen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, und zwar auch dann, wenn die zugrunde liegende Ursache der erektilen Dysfunktion in einem an sich behandlungsbedürftigen oder nicht mehr behandelbaren Leiden wurzelt. Unter dem Gesichtspunkt der Behandlungsbedürftigkeit können diese Mittel ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz anders als sonstige verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn umfassten Verantwortungsbereich ausgeschieden werden.“ (BVerwG, Urteil vom 28.5.2008, Az. 2 C 24/07, Rdnr. 29, juris)
Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an. Auch wenn diese Sichtweise für den Betroffenen besonders hart erscheinen mag, ist es dem hierfür zuständigen Verordnungsgeber unter dem Aspekt des Art. 3 GG nicht verwehrt, – auch aus fiskalischen Gründen – eine entsprechende Regelung zu treffen.
Das Präparat Cialis dient überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion und wurde dem Kläger auch aus diesem Grund verschrieben. Dass zusätzlich einem Fibrosierungsprozess entgegengewirkt werden sollte, ändert an der Beurteilung nichts, weil hieraus keine biologisch-medizinische Notwendigkeit im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgeleitet werden kann (vgl. auch VG Bremen, Urteil vom 10.11.2015, Az. 2 K 695/14, Rdnr. 26, juris; OVG NRW, Beschluss vom 25.3.2015, Az. 1 A 220/14, Rdnr. 7 ff., juris; VG Würzburg, Urteil vom 29.12.2010, Az. W 1 K 10.1282, Rdnr. 22, juris). Auf die medizinische Notwendigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV) kommt er daher nicht mehr an.
Auch übergeordnete Rechtsgrundsätze führen nicht zu einer Beihilfefähigkeit der Kosten für das Präparat Cialis. Ein unmittelbarer Anspruch aus dem aus Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenen Grundsatz der Fürsorge kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn ansonsten die Fürsorgepflicht im Wesenskern verletzt wäre. Ein solcher Fall liegt bereits deshalb nicht vor, weil der Wesenskern allenfalls bei einer erheblichen finanziellen Belastung berührt sein könnte. Bei monatlichen Kosten von unter 60 EUR über einen Zeitraum von zwei Jahren kann hiervon keinesfalls ausgegangen werden.
Anders als vom Kläger angenommen kann auch die Entscheidung der privaten Krankenversicherung über die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen keinen Anspruch begründen. Beihilfe wird nur aufgrund der einschlägigen Vorschriften gewährt, während die private Krankenversicherung aufgrund eigener Versicherungsbedingungen, die zugunsten der Beamten von den Beihilfevorschriften abweichen können, Kosten übernimmt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 54,22 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 S. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben