Medizinrecht

Ausschluss der extrakorporalen Stoßwellentherapie, Analogiefähigkeit der Anlage 2 Nr. 2 lit. c zu § 7 Abs. 5 BayBhV (verneint), Anspruch wegen hypothetisch ersparter Aufwendungen, Vertrauensschutz

Aktenzeichen  B 5 K 19.1204

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44555
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 7 Abs. 5 – Anlage 2 Nr. 2 lit. c zu BayBhV § 7 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
2. Das Gericht legt die Klage im wohlverstandenen Interesse der Klägerin dahingehend aus, dass sie als Teilverpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig ist, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Unter Beibehaltung der bereits bewilligten Beihilfe soll nur noch darüber entschieden werden, dass die extrakorporale Stoßwellentherapie der Klägerin beihilfefähig ist und die Beihilfe i.H.v. 496,02 Euro zusätzlich bewilligt wird.
3. Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Festsetzung der begehrten Beihilfeleistungen. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfen verlangt werden (vgl. BayVGH U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 12). Da die maßgeblichen Aufwendungen im Jahr 2019 getätigt wurden, ist auf die Bayerische Beihilfeverordnung (BayBhV) i.d.F. d. Bek. vom 2. Januar 2007 (GVBl. S. 15, BayRS 2030-2-27-F), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Oktober 2018 (GVBl. S. 794), abzustellen.
Nach Art. 96 Abs. 2 BayBG i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen gewährt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Aufwendungen für Untersuchungen oder Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einschließlich der hierbei verordneten Arznei- und Verbandmittel und Medizinprodukte, die in Anlage 2 Nr. 2 aufgeführt sind, sind nur unter den jeweiligen dort genannten Voraussetzungen beihilfefähig (Teilausschluss), vgl. § 7 Abs. 5 Nr. 2 BayBhV. Aufwendungen für folgende wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methoden sind begrenzt nach Anlage 2 Nr. 2 lit. c:
„Fokussierte Extracorporale Stoßwellentherapie (f-ESWT)
Die Aufwendungen sind im orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Bereich nur beihilfefähig bei Behandlung der Tendinosis calcarea, der Pseudarthrose, der Fasziitis plantaris, der therapierefraktären Achillodynie oder der therapierefraktären Epicondylitis humeri radialis. Auf der Grundlage des Beschlusses der Bundesärztekammer zur Analogbewertung der ESWT sind Gebühren nach Anlage Nr. 1800 GOÄ beihilfefähig. Daneben sind keine Zuschläge beihilfefähig. Die Aufwendungen der ESWT in sonstigen Anwendungsbereichen werden vom Teilausschluss nicht erfasst.“
Daran gemessen sind die Leistungen des behandelnden Arztes der Klägerin, für die die Klägerin Beihilfe begehrt, nicht beihilfefähig.
a. Bei direkter Anwendung der Anlage 2 Nr. 2 lit. c zu § 7 Abs. 5 BayBhV ergibt sich, dass die Diagnose der Klägerin nicht unter die in der Auflistung genannten Diagnosen zu subsumieren ist. Ausweislich der Arztrechnung vom 02.09.2019 hat der behandelnde Arzt eine chronische Trochantertendinose bds. bei der Klägerin diagnostiziert. Dieses Krankheitsbild unterfällt nicht der Auflistung der Anlage. Eine Behandlung der Trochantertendinose durch die extrakorporale Stoßwellentherapie ist daher von der Beihilfe ausgeschlossen.
b. Eine Beihilfefähigkeit ergibt sich auch nicht aufgrund analoger Anwendung der o.g. Vorschrift. Die Analogie erfordert eine planwidrige Regelungslücke und die Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhaltes mit dem Sachverhalt, den das Gesetz als Maßstab angesetzt hat. Der Gesetzgeber muss gerade den vorliegenden Fall übersehen haben. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Nr. 2 BayBhV regelt, dass nur unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen der Anlage 2 Nr. 2 ein Teilausschluss besteht. Der Verordnungsgeber hat bereits im Wortlaut entschieden, dass er andere Fälle nicht als beihilfefähig anerkennt. Zudem verlangt der Verordnungsgeber hinsichtlich der Diagnosen, die die Klägerin als Vergleichsmaßstab heranziehen will, die Eigenschaft „therapierefraktär“. Das bedeutet, dass der Beihilfeberechtigte auf Therapien nicht angesprochen hat, sodass die Stoßwellentherapie für die entsprechende Diagnose die ultima ratio darstellt. Daraus folgt, dass der Verordnungsgeber mit dem Teilausschluss eine bewusste Entscheidung getroffen und festgelegt hat, welche Behandlungen er einem Ausschluss unterwirft.
Gegen diese Auffassung spricht auch nicht das System der Verordnung. Zum einen stellt§ 7 Abs. 5 BayBhV als Ausschlusstatbestand eine Ausnahme zu den beihilfefähigen Leistungen des Dienstherrn dar, wie auch der Wortlaut zeigt. Die Auflistung in der Anlage 2 Nr. 2 lit. c ist eine Ausnahme dieser Ausnahme. Ausnahmen sind eng auszulegen. Bereits das spricht gegen eine Erweiterung der Beihilfefähigkeit durch Analogie. Darüber hinaus ist die Anlage 2 Nr. 2 abschließend geregelt. Dafür spricht der Wortlaut der Anlage, dass die Aufwendungen für folgende wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methoden begrenzt sind. Der Verordnungsgeber hat die Auflistung nicht als Regelbeispiele ausgestaltet, sondern die beihilfefähigen Behandlungsmethoden enumerativ und damit abschließend festgelegt. Daraus folgt, dass keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
Für diese Ansicht streitet auch der Sinn und Zweck der Beihilfe. Sie leitet sich her vom Fürsorgeprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG und stellt eine Ergänzung der mit eigenen Mitteln zu betreibenden Eigenvorsorge dar. Sie soll den Beihilfeberechtigten nur von den Aufwendungen in angemessenem Umfang, die ihn u.a. in Krankheitsfällen unabwendbar treffen und die er nicht durch sonstige Leistungen, die ihm nach dem Gesetz zustehen, ausgleichen kann, freistellen. Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht nicht (vgl. BVerfG B.v. 7.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – juris Rn. 29; BVerfG B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – juris Rn. 40, BVerfG U.v. 3.7.2003 – 2 C 36/02 – juris Rn. 18). Der Verordnungsgeber kann deshalb selbst bestimmen, welche Fälle er als beihilfeberechtigt anerkennt und welche er von einer Beihilfe ausschließt. Es genügt, dass die Klägerin auf sonstige Weise bei der Behandlung ihrer Krankheit unterstützt wird. Da die BayBhV eine Behandlung der Trochantertendinose mittels anderer Therapie nicht als nicht beihilfefähig ansieht, wird das Fürsorgeprinzip im Kern nicht verletzt.
Zudem hat der Verordnungsgeber eine Einschätzungsprärogative, welche Behandlungen er als beihilfefähig erachtet. In Abwägung mit dem Fürsorgeprinzip entscheidet er, bei welchen Behandlungen der Beihilfeberechtigte entlastet werden soll. Diese Prärogative ist in Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 lit. c. BayBG festgehalten, der ausweislich seines Wortlauts „können“ dem Verordnungsgeber ein Ermessen hinsichtlich der Bestimmung über den Inhalt und Umfang der Beihilfen, über die Beschränkung oder den Ausschluss für Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einräumt.
c. Ein Anspruch kann aus weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen nicht hergeleitet werden.
aa. Aus einem subjektiv positiven Ergebnis der Behandlung sowie einer künftigen hypothetischen Ersparnis von Aufwendungen des Dienstherrn entsteht kein Anspruch.
Die obergerichtliche Rechtsprechung geht von keinem Anspruch wegen dieses Grundsatzes aus (vgl. OVG NW, U.v. 23.8.1993 – 12 A 1031/91 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 14 ZB 17.1474 – juris Rn. 8: zu hypothetisch ersparten Aufwendungen wegen Dienstunfähigkeit). Aus dem Gesetz ergibt sich kein Grundsatz, dass ein Anspruch nach dieser Voraussetzung entstehen kann. Gegen das Vorliegen eines Anspruchs spricht insbesondere, dass es bloße Spekulation ist, ob sich der Dienstherr künftig Aufwendungen ersparen wird. Es ist nicht absehbar, wie lange die Therapie der Klägerin andauern wird und ob sich die Behandlung künftig nicht sogar verteuert.
bb. Aus dem Vertrauensschutz kann die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch herleiten. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand besteht nicht.
In eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Betroffener wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht kein schutzwürdiges Vertrauen mit Wirkung für die Zukunft in dem Sinne begründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährt keinen derartigen Anspruch. Es gibt keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung (vgl. BVerfG B.v. 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – juris Rn. 59; vgl. BSG U.v. 21.5.2003 – B 6 KA 32/02 R – juris Rn. 29; Jarass/Pieroth, GG, 7. Auflage 2004, Art. 3 Rn. 36).
Gemessen daran ist der Anspruch abzulehnen. Ein Anspruch, rechtswidrige Verwaltungsmaßnahmen fortzuführen besteht deshalb nicht, zumal rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte – wie möglicherweise die Beihilfebewilligungen vom 04.06.2018 und 25.07.2018 – unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Art. 48 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückgenommen werden können.
cc. Ein Anspruch durch Abweichung von § 7 BayBhV besteht nicht. Die Vorschrift beinhaltet keine Ermessensregelung, dies gilt insbesondere für die Ausnahme in § 7 Abs. 5 Nr. 2 BayBhV, die als gebundene Entscheidung ausgestaltet ist. Die Beklagte konnte deshalb nicht von der Regelung nach eigenem Ermessen abweichen.
4. Die Klägerin hat keinen Anspruch und wird deshalb nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klage war deshalb abzuweisen.
5. Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
6. Die Berufung wird nicht zugelassen.


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