Medizinrecht

Corona-Pandemie, Auflagen für Gemeinschaftseinrichtungen im Zusammenhang mit der Testung von noch nicht eingeschulten Kindern in Tageseinrichtungen

Aktenzeichen  20 NE 22.393

Datum:
28.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4084
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 7 S. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 16
BayIfSMV § 11 Abs. 2 S. 2 15.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt

Gründe

I.
Mit seinem Antrag wendet sich der Antragsteller, der freier Träger einer Kindertageseinrichtung in Bayern ist, gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. November 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 816) i.d.F. vom 21. Februar 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 118), dessen vorläufige Außervollzugsetzung er beantragt.
Die angegriffene Norm hat folgenden Wortlaut:
㤠11
Kindertagesbetreuung
… Die Träger von Kindertageseinrichtungen und Heilpädagogischen Tagesstätten sowie Tagespflegepersonen haben für jedes noch nicht eingeschulte Kind pro Betreuungswoche drei Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten oder die kostenlose Abholung von drei Selbsttests in den Apotheken zu ermöglichen…“
Er trägt im Wesentlichen vor, er wende sich gegen die Pflicht zur Erstellung von Berechtigungsscheinen und zum direkten Anbieten von Erregernachweisen und dem damit im Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufwand. Die Träger von Kindertageseinrichtungen seien verpflichtet, Berechtigungsscheine für die Abholung von Selbsttests in Apotheken auszustellen und deren Ausgabe usw. zu dokumentieren und zu verwalten. Alternativ seien die Träger verpflichtet, für jedes noch nicht eingeschulte Kind pro Betreuungswoche drei Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis anzubieten. Beides gehe mit einem erheblichen Personal- und Kostenaufwand einher. Der Zeitbedarf für einen Berechtigungsschein liege bei ca. 20 Minuten pro Kind. Bei 80 Kindern entspräche dies ca. 26 Stunden alle vier Wochen. Eine Kostenerstattung erfolge nicht. Es fehle an einer rechtlichen Grundlage für die Verpflichtung des Antragstellers, im Rahmen dieser Leistungserbringung tätig zu werden. Die Inanspruchnahme des Antragstellers scheide aus, da er kein Störer sei. Es gebe andere geeignete Maßnahmen, die den Antragsteller nicht oder weniger verpflichten würden, zum Beispiel eine Verteilung der Tests über die Gemeindeverwaltung oder die Ausstellung eines einmaligen Dokumentes an die Berechtigten. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Freie Träger von Kindertageseinrichtungen würden ohne sachlichen Grund anders behandelt als staatliche Schulen. Diese erhielten die erforderlichen Tests direkt vom Staat. Auch die Mitarbeiter des Antragstellers würden die erforderlichen Tests direkt vom Landratsamt zur Verfügung gestellt bekommen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. Februar 2022 nochmals Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein in der Hauptsache noch zu erhebenden Normenkontrollantrag gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg (2.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
a. § 11 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV findet als Auflage für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen i.S.v. § 33 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 16 IfSG. Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 32 Satz 1 und 2 IfSG sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, wozu nach dem Willen des Gesetzgebers auch Auflagen für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen i.S.v. § 33 IfSG gehören können.
b. Die von dem Antragsteller angegriffene Bestimmung steht mit der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 7 Nr. 7, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Einklang und erweist sich bei summarischer Prüfung derzeit nicht als offensichtlich unverhältnismäßig.
aa. § 11 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV findet als Auflage für die Fortführung des Betriebs von Gemeinschaftseinrichtungen i.S.v. § 33 eine hinreichende gesetzliche Grundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 16 IfSG.
bb. Eine Unvereinbarkeit der angegriffenen Norm mit § 28a Abs. 3 IfSG, der gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG auch für Maßnahmen nach § 28a Abs. 7 Satz 1 IfSG entsprechend gilt, ist in der derzeitigen pandemischen Lage bei summarischer Prüfung nicht erkennbar.
Die Infektionslage stellt sich nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) in dem wöchentlichen Lagebericht vom 24. Februar 2022 und der Risikobewertung vom 14. Januar 2022 wie folgt dar:
„In der 7. Kalenderwoche (KW) 2022 wurden erneut über 1 Million COVID-19-Fälle an das RKI übermittelt – der Scheitelpunkt der fünften Welle der COVID-19-Pandemie scheint aber überschritten. In allen Bundesländern mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen sanken die Inzidenzen wieder. Insgesamt wurden bundesweit 10% weniger Fälle als in der Vorwoche übermittelt. Es herrscht jedoch weiterhin ein sehr hoher Infektionsdruck in der Bevölkerung. Dies zeigt auch der Positivenanteil der erfassten Testungen, der bei leicht zurückgehender Zahl der Testungen in KW 07/2022 mit 46% weiter hoch bleibt. Während die 7-Tage-Inzidenzen in allen Altersgruppen bis 69 Jahre sanken, war bei den ab 70-Jährigen in der vergangenen Woche ein weiterer Anstieg zu verzeichnen. Nach wie vor wurden die höchsten Inzidenzen bei Kindern im Alter von 5-14 Jahren mit mehr als 2.700 COVID-19-Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ermittelt. Auch die Zahl der Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und in medizinischen Behandlungseinrichtungen stieg im Vergleich zur Vorwoche weiter an. Die Hospitalisierungsinzidenz aus den Meldedaten, die Hospitalisierungsinzidenz aus der syndromischen Surveillance (COVID-SARI) und auch die Belegungskapazitäten im Intensivregister zeigen, dass es in den letzten Wochen während der Omikron-Welle zu einem erneuten Anstieg der Neuaufnahmen gekommen ist. Dieser durch die aktuelle (Omikron-)Welle bedingte Anstieg ist allerdings im Verhältnis zur Höhe der Fallzahlen und Neuinfektionen moderat und schwächer als in den ersten vier COVID-19-Wellen… Die Belastung der ITS-Bettenkapazität ist mit 2.398 auf einer Intensivstation behandelten Personen mit COVID-19-Diagnose, im Vergleich zur Vorwoche nahezu unverändert, weiter hoch…Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Ursächlich hierfür ist das Auftreten der Omikron-Variante, die sich effektiver verbreitet als die bisherigen Virusvarianten. Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 24.02.2022 4 Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesenen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt.“
Die aktuelle Einschätzung der Lage durch den Verordnungsgeber stellte sich in der Begründung zur letzten Änderungsverordnung des Verordnungsgebers vom 21. Februar 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 119) demnach wie folgt dar (Auszug):
„Die 7-Tage-Hospitalisierungsrate als Maßstab für die Krankheitsschwere ist im Vergleich zur Vorwoche leicht angestiegen. Am 21. Februar 2022 wurden nach den Daten des LGL innerhalb der letzten sieben Tage 755 hospitalisierte Fälle registriert, was einer 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von 5,7 entspricht (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm#inzidenzgeimpft). Eine Woche zuvor, am 14. Februar 2022, waren es 686 hospitalisierte Fälle innerhalb der letzten sieben Tage (7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von 5,2).
Die oben genannte Hospitalisierungsinzidenz ist aktuell jedoch nicht hinreichend valide, weil es aufgrund der sehr hohen Infektionszahlen zu erheblichen Meldeverzügen der Gesundheitsämter kommt. Das RKI weist deshalb eine adjustierte 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz aus, die den zeitlichen Verzug der Meldungen nach dem Infektionsschutzgesetz korrigiert (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Fallzahlen_Inzidenz_aktualisiert.html; jsessionid=800C9202B8C591748688663E3FB46A7D.internet052?nn=13490888). Danach betrug die adjustierte 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz für Bayern am 18. Februar 2022 12,81 und lag damit mehr als doppelt so hoch wie die tagesaktuell am 18. Februar 2022 vom RKI für Bayern berichtete 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von 5,69 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Fallzahlen_Kum_Tab.html).
Seit dem 16. Januar 2022 liegt die adjustierte 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz wieder über dem vom RKI im Papier zur ControlCOVID-Strategie für die Stufe Rot empfohlenen Grenzwert von 5 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/control-covid-2021-09-22.pdf? blob=publicationFile).
Seit dem 16. Januar 2022 ist bei zunächst leichten Schwankungen in den Tagesverläufen ein inzwischen deutlicher Anstieg der Zahl stationär behandelter COVID-19-Patienten insgesamt zu beobachten. Auch im Bereich der Intensivbetten zeichnet sich trotz der seit dem 24. Januar 2022 noch immer schwankenden Entwicklung insgesamt wieder eine Zunahme der Intensivbettenbelegung durch COVID-19-Patienten ab. Aktuell werden bayernweit 3 894 Patienten, bei denen eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, stationär behandelt (Meldungen der Krankenhäuser in IVENA vom 21. Februar 2022). Damit hat sich die Anzahl der mit COVID-19-Patienten belegten Krankenhausbetten seit dem 16. Januar 2022 mehr als verdoppelt. 414 COVID-19-Fälle werden derzeit intensivmedizinisch behandelt (Meldungen der Krankenhäuser im DIVI-Intensivregister vom 21. Februar 2022). Das sind 37 mehr als noch vor einer Woche.
Nach wie vor besteht eine insgesamt hohe Inanspruchnahme der Intensivkapazitäten.
Angesichts der seit Monaten bayernweit (teils außerordentlich) hohen Belegung mit COVID-19-Patienten und infolge der immer noch hohen Inzidenzen ist insbesondere angesichts des zeitlichen „Nachlaufs“ der Hospitalisierungen auch in den nächsten Wochen mit keiner Erleichterung der COVID-19-Situation in den Krankenhäusern zu rechnen. Momentan können die Krankenhäuser die durch die Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 bedingte Inanspruchnahme von stationären Behandlungsleistungen auf Intensivwie auf Normalstationen, auch unter Berücksichtigung von Personalausfällen aufgrund Isolation bzw. Quarantäne, jedoch noch hinreichend bewältigen.
Die durchschnittliche Auslastung der Intensivstationen liegt bei 85,8% (DIVI-Meldungen, Stand 21. Februar 2022). In 38 von 96 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen weisen die Intensivstationen der Kliniken eine Auslastung von weniger als 80% auf. In 16 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen liegt die Auslastung hingegen über 95%, davon in neun kreisfreien Städten bzw. Landkreisen bei 100%. Auf Ebene der Integrierten Leitstellen (ILS) liegt bei neun der insgesamt 26 ILS die Auslastung der Intensivkapazitäten unter 80%, keine ILS weist eine Auslastung von über 95% auf (DIVI-Meldungen, Stand 21. Februar 2022).
Die genauen Auswirkungen der neuen Virusvariante Omikron auf die Intensivbettenbelegung mit COVID-19-Patienten bleiben nach wie vor abzuwarten, auch wenn aktuellen Erkenntnissen zufolge die Omikron-Variante seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt als die Delta-Variante. Wie prognostiziert, hat sich ein rascher und erheblicher Anstieg der Infektionszahlen gezeigt, der Experten zufolge den „Vorteil“ der leichteren Krankheitsverläufe für die Intensivbettenbelegung zumindest teilweise noch kompensieren und weiterhin zu einer starken Beanspruchung der Normalpflegestationen führen kann. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) schätzt die Gefahr der Verbreitung der SARS-CoV-2-VoC Omikron als „sehr hoch“ ein und hat die kurzfristige Ergreifung weiterer Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Überlastung der Gesundheitssysteme angemahnt. Neben den Patientenzahlen ist auch die Verfügbarkeit von Personal für die weitere Lagebeurteilung von entscheidender Bedeutung. So wird das System umso stärker belastet, je stärker sich die zu verzeichnenden Personalausfälle, etwa infolge von Quarantäne- oder Isolationsmaßnahmen, darstellen.
Angesichts des nach wie vor vergleichsweise hohen Niveaus der Intensivbettenbelegung insgesamt (COVID-19- und Non-COVID-19-Patienten) und der in den letzten Wochen festzustellenden deutlichen Zunahme der COVID-19-Patienten insbesondere auf Normalstationen ist die aktuelle Entwicklung der Hospitalisierung von COVID-19-Patienten sowie der Personalsituation auch weiterhin aufmerksam zu beobachten, um bei erneut drohender Überlastung der Kliniken wieder rechtzeitig gegensteuern zu können.
Die bis zum 23. Januar 2022 rückläufige Entwicklung hinsichtlich der Belegung mit COVID-19-Patienten auf Intensivstationen sowie die Tatsache, dass trotz der immer noch hohen Inzidenzen momentan nur ein vergleichsweise moderater Anstieg der Intensivbettenbelegungen mit Omikron-Patienten erkennbar ist, hat insgesamt jedoch gezeigt, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen Wirkung zeigen…“
In der dargestellten pandemischen Situation dürfte die angegriffene Norm daher den durch § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG vorgegebenen Maßstäben entsprechen.
cc. Die Verpflichtung der Träger von Kindertageseinrichtungen und Heilpädagogischen Tagesstätten sowie Tagespflegepersonen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV für jedes noch nicht eingeschulte Kind pro Betreuungswoche drei Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten oder die kostenlose Abholung von drei Selbsttests in den Apotheken zu ermöglichen, erweist sich aller Voraussicht nach auch nicht als unverhältnismäßig.
(1) Die Regelung ist geeignet, den infektionsschutzrechtlichen Zielen des § 28a Abs. 3 IfSG (Schutz von Leben und Gesundheit, Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems) zu dienen. Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Februar 2022 (Az.: 20 NE 22.168 – BeckRS 2022, 2399) einen Antrag auf Außervollzugsetzung des § 11 Abs. 2 (ehemals § 13 Abs. 2) 15. BayIfSMV (Test als Zugangsvoraussetzung für den Besuch einer Kindertagesstätte) abgelehnt. Damit trägt die das Testerfordernis unterstützende Auflage, dass Kindertageseinrichtungen Berechtigungsscheine erteilen bzw. Tests anbieten, ebenso wie die regelmäßigen Testungen der betreuten Kinder selbst insgesamt zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens bei und verhindert – jedenfalls zum Teil und vorübergehend – die Weiterverbreitung von Infektionen. Zudem hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass Hintergrund der Berechtigungsschein-Lösung im Kita-Bereich der erforderliche Beratungsbedarf für diese Altersgruppe sei. Nicht alle Testarten (Gurgel-, Spuck-, Nasenabstrich oder Lollitest) seien für Kinder im Vorschulbereich gleich geeignet, da etwa die Fähigkeit zum Gurgeln altersbedingt fehlen oder das Teststäbchen beim Lollitest abbrechen und verschluckt werden könnten. Die Möglichkeit der Testdurchführung hänge dabei vom individuellen Entwicklungsstand des Kindes ab. Durch das System der Berechtigungsscheine werde eine individuelle, auf das jeweilige Kind abgestimmte Beratung der Eltern in den Apotheken ermöglicht. Die Apotheken erhielten dafür auch eine Beratungspauschale. Dies sind nachvollziehbare sachliche Erwägungen, welche die Geeignetheit der Maßnahme in Zusammenhang mit den Testungen belegen.
(2) Die angegriffene Regelung erscheint bei summarischer Prüfung auch erforderlich zur Erreichung des Normzwecks. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dem Verordnungsgeber in der oben beschriebenen derzeitigen Phase der Pandemie zur Erreichung der in § 28a Abs. 3 IfSG formulierten Ziele im Rahmen des derzeit geltenden Regelungssystems mildere Mittel zur Verfügung stehen würden. Insbesondere erschiene eine Verteilung der Berechtigungsscheine durch Gemeindeverwaltungen oder Kreisverwaltungsbehörden schon nicht gleichermaßen geeignet, alle betroffenen Kinder niederschwellig, zeitnah und zuverlässig zu erreichen.
(3) Durchgreifende Zweifel an der Angemessenheit der Maßnahme bestehen voraussichtlich nicht. Das Gewicht des mit der angegriffenen Norm verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Normadressaten steht angesichts der Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Zulässigkeit von Auflagen gegenüber Kindertagesstätten als Gemeinschaftseinrichtungen (zum weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 – juris), der nicht als die Existenz gefährdend geschilderten Belastung des Einrichtungsträgers und des grundsätzlich befristeten Geltungszeitraums der Norm (vgl. § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 IfSG) jedenfalls bislang nicht außer Verhältnis zu dem Regelungsziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung der (intensiv-)medizinischen Behandlungskapazitäten zu vermeiden. Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Vergleich mit den Schulen vermag der Senat nicht zu erkennen, weil es sich hierbei schon aufgrund des geringeren Alters der in Kindertagesstätten betreuten Kinder um unterschiedliche Sachverhalte handelt; abgesehen davon dürfte der von den Schulen zu leistende Zusatzaufwand, die Tests zur Verfügung zu stellen, die Testungen der Schüler zu überwachen und die Testergebnisse zu verarbeiten (§ 10 Abs. 2 15. BayIfSMV), bei summarischer Betrachtung eher größer sein als der die Träger von Kindertagesstätten nach § 11 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV treffende (Verwaltungs-)Aufwand.
(4) Der Verordnungsgeber ist zur regelmäßigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahmen verpflichtet. Aus diesem Grund sind die Maßnahmen nach § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG zu befristen. Für die Fortdauer der Maßnahmen sind zur Rechtfertigung der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die nach § 28a Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 IfSG maßgeblichen Indikatoren zugrunde zu legen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 19. März 2022 außer Kraft tritt (§ 15 15. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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