Medizinrecht

Corona-Pandemie, Maskenpflicht und Testobliegenheit an Schulen

Aktenzeichen  20 NE 21.1328

Datum:
10.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12829
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BayIfSMV § 18 Abs. 2 und Abs. 4 § 12
IfSG § 28, § 28a, § 28 b

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller besuchen ein Gymnasium in Bayern (Lauf a.d. Pegnitz) und beantragen, § 18 Abs. 2 und Abs. 4 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 5. Mai 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 307), die mit Ablauf des 2. Juni 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.
2. Mit ihrem Eilantrag vom 5. Mai 2021 tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, der Normgeber habe mit den angegriffenen Regelungen unverhältnismäßige und ungeeignete Maßnahmen ergriffen. Der Senat sei in seinem Beschluss vom 12. April 2021 von fehlerhaften Annahmen ausgegangen, da bei Verweigerung der „freiwilligen“ Tests ein Distanzunterricht nicht flächendeckend angeboten werde und nicht nur zugelassene Testkits in den Schulen Verwendung fänden. Eingesetzte Testkits stünden im Verdacht, krebserregende Substanzen zu beinhalten. Die Fehlerquote bei Selbsttestung durch Minderjährige betrage 58%. Die angegriffene Vorschrift verletze die Antragsteller in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die Freiheit der Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), den Schutz von Ehe, Familie und Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 und 4 GG) und das Schulwesen (Art. 7 Abs. 1 GG). Das Abstellen auf den Inzidenzwert sowie PCR-Tests seien ungeeignet. Die angegriffene Vorschrift sei unverhältnismäßig. Die Maskenpflicht sei ungeeignet, das Pandemiegeschehen einzudämmen. Als weniger einschneidende Maßnahmen kämen etwa Luftfiltersysteme in Betracht. Auf die Beschlüsse des Amtsgerichts Weimar (B.v. 8.4.2021 – 9 F 148/21) und des Amtsgerichts Weilheim (B.v. 13.4.2021 – 2 F 192/21) werde verwiesen (im Detail dargestellt). Aerosolforscher seien sich einig, dass die Infektionen innerhalb geschlossener Gebäude stattfänden. Daher sei eine Maskenpflicht für negativ getestete Kinder im Freien fraglich. Der Testzwang sei nicht geeignet, eine relevante Anzahl positiv infizierter Schüler zu erkennen. Bis heute existiere kein Antigen-Schnelltest auf SARS-CoV-2 zur Eigenanwendung, der zugelassen wäre.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag bleibt ohne Erfolg.
A. Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV (Testobliegenheit) ist bereits unzulässig, da die Antragsteller kein Rechtsschutzinteresse mehr geltend machen können. Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO fehlt einer natürlichen Person immer dann, wenn sie durch die einstweilige Außervollzugssetzung der Norm ihre Rechtsstellung nicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb für sie nutzlos ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.1989 – 4 NB 1.89 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 37). Das ist hier der Fall. Durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 wurde § 28b IfSG in das Infektionsschutzgesetz eingefügt, dessen Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 folgendermaßen lautet:
„(…); die Teilnahme am Präsenzunterricht ist nur zulässig für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte, die zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 getestet werden.“
Mit ihrem Antrag auf Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV, soweit darin eine Testpflicht an bayerischen Schulen angeordnet wird, wenden sich die Antragsteller gegen eine landesrechtliche Bestimmung, die im Hinblick auf das – nach dem eindeutigen Wortlaut und den Motiven des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 19/28444 S. 14) gerade nicht von bestimmten Inzidenzen abhängige – Erfordernis regelmäßiger Testungen als Voraussetzung der Teilnahme am Präsenzunterricht die Antragsteller nicht mehr selbständig belastet. Selbst wenn der angegriffenen Norm nach Art. 31 GG überhaupt noch Rechtswirkungen zukommen sollten (ablehnend etwa Huber in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 31 Rn. 21 m.w.N.), hätte die beantragte einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm keine Auswirkungen auf das sich mittlerweile unmittelbar aus formellem Bundesrecht ergebende Erfordernis einer Testung als Voraussetzung einer Teilnahme am Präsenzunterricht. Insofern ist keine über die Regelungswirkungen des § 28b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG hinausgehende Beschwer der Antragsteller erkennbar.
Unabhängig davon fehlt den Antragstellern auch soweit sie sich gegen die Maskenpflicht wenden (§ 18 Abs. 2 12. BayIfSMV) die erforderliche Antragsbefugnis, da sie nicht vorgetragen haben derzeit am Präsenz- oder Wechselunterricht, der Mittags- oder Notbetreuung teilzunehmen. Im Landkreis Nürnberger Land findet derzeit (Stand 10.5.2021 Sieben-Tages-Inzidenz von 105,4) grundsätzlich Distanzunterricht statt (https://landkreis.nuernberger-land.de/index.php?id=6416; § 28b Abs. 5 IfSG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 12. BayIfSMV). Dass die Antragsteller eine Jahrgangsstufe besuchen würden, in der gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV Präsenzunterricht stattfinden würde, haben sie nicht vorgetragen.
B. Letzteres kann aber offenbleiben, da der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV (Maskenpflicht) jedenfalls in der Sache abzulehnen ist.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 18 Abs. 2 (Maskenpflicht) 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Maskenpflicht nach § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG (Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 24 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Die angegriffene Regelung ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit den Ermächtigungsgrundlagen im Einklang stehen und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig erweisen.
aa) Zur Begründung kann auf die Senatsrechtsprechung verwiesen werden. Anträge auf vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht hat der Senat zuletzt mit Beschlüssen vom 16. März 2021 (Az. 20 NE 21.627 – BeckRS 2021, 4746), 2. März 2021 (Az. 20 NE 21.469 – BeckRS 2021, 3794), 15. Februar 2021 (Az. 20 NE 21.411 – juris), 29. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.201 – BeckRS 2021, 791), 28. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.136 – BeckRS 2021, 970), 7. September 2020 (Az. 20 NE 20.1981 – BeckRS 2020, 21962), 8. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2875 – BeckRS 2020, 34824) und 3. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2809 – BeckRS 2020, 34848) abgelehnt. In seinem Beschluss vom 12. April 2021 (20 NE 21.926 – juris; vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.4.2021 – Vf. 26-VII-21) hat sich der Senat im Übrigen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Testobliegenheit zur Teilnahme am Präsenzunterricht geäußert.
Auf die Beschlüsse des Amtsgerichts Weimar (B.v. 8.4.2021 – 9 F 148/21 – juris) und Amtsgerichts Weilheim (B.v. 13.4.2021 – 2 F 192/21 – juris) können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Den beiden Entscheidungen misst der Senat schon im Hinblick auf die Rechtswegzuständigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei (BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113, Urteilsabdruck S. 11; veröffentlicht: https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/10_cs_21.1113_anonym; vgl. auch VGH BW, B.v. 22.4.2021 – 1 S 1007/21, 1 S 1047/21, 1 S 1049/21, 1 S 1121/21, 1 S 1137/21 – juris; VG Weimar, B.v. 20.4.2021 – 8 E 416/21 We – juris Rn. 7; VG Würzburg B.v. 23.4.2021 – W 8 E 21.548 – BeckRS 2021, 8448; B.v. 23.4.2021 – W 8 E 21.546 – BeckRS 2021, 8444).
bb) Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose ist auch für die angegriffene Regelung gegenwärtig nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 12. BayIfSMV bis zum 2. Juni 2021 zu verlängern (§ 1 Nr. 7 der Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV vom 5.5.2021, BayMBl. 2021 Nr. 307) wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor.
Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) betrug am 10. Mai 2021 bundesweit und in Bayern jeweils 119. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung der Norm (BGBl. 2021 I S. 370) sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz IfSG). Bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 9 bis 11 sind insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG).
Nach dem Situationsbericht des RKI vom 9. Mai 2021 (abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Mai_2021/2021-05-09-de.pdf? blob=publicationFile) steigt die 7-Tages-Inzidenz für ganz Deutschland seit Mitte Februar 2021 stark an und liegt deutlich über 100/100.000 Einwohner. Seit Mitte April hatte sich die Zunahme zunächst abgeschwächt und seit Anfang der Kalenderwoche 17 haben die Zahlen abgenommen. Die Anzahl der Landkreise mit einer 7-Tages-Inzidenz über 100/100.000 Einwohner ist weiterhin sehr hoch. Der 7-Tage-R-Wert liegt unter 1. In der letzten Woche sank die 7-Tage-Inzidenz in allen Altersgruppen. Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt. COVID-19-bedingte Ausbrüche betreffen insbesondere private Haushalte, aber auch das berufliche Umfeld sowie Kitas und Schulen, während die Anzahl der Ausbrüche in Alters und Pflegeheimen abgenommen hat. Um einen möglichst kontinuierlichen Betrieb von Kitas und Schulen gewährleisten zu können, erfordert die aktuelle Situation den Einsatz aller organisatorischer und individueller Maßnahmen zur Infektionsprävention (s. u. a. Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen – Lebende Leitlinie). Darüber hinaus muss der Eintrag von SARS-CoV-2 in die Einrichtungen möglichst verhindert werden, d. h. Familien und Beschäftigte sollten ihr Infektionsrisiko außerhalb der Kita oder Schule entsprechend der Empfehlungen des RKI (AHA + L) minimieren und bei Zeichen einer Erkrankung 5-7 Tage zuhause bleiben. Falls es zu Erkrankungen in einer Einrichtung kommt, sollte eine frühzeitige reaktive Schließung aufgrund des hohen Ausbreitungspotenzials der SARS-CoV-2 Varianten erwogen werden, um eine weitere Ausbreitung innerhalb und außerhalb der Einrichtung zu verhindern. Insgesamt ist die VOC B.1.1.7 inzwischen in Deutschland der vorherrschende COVID-19-Erreger (vgl. nun auch § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 IfSG i.d.F.v. 29.3.2021, BGBl. I S. 370). Das ist besorgniserregend, weil die VOC B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen deutlich ansteckender ist. Zudem vermindert die zunehmende Verbreitung und Dominanz der VOC B.1.1.7 die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich. Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B.1.1.7. führte zu einer ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen insbesondere bei den 35- bis 79-Jährigen. Der Anstieg bei der Zahl an intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten scheint aktuell gestoppt.
Das Vorbringen der Antragsteller, PCR-Tests könnten keine Infektiosität nachweisen, greift nicht durch. PCR-Tests sind grundsätzlich nicht ungeeignet, um die Infektionsgefahr von SARS-CoV-2 abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20 f.). Der Normgeber darf im Übrigen nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine beabsichtigte Regelung in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wird.
Die Antragsteller dringen auch nicht mit ihrem Einwand durch, der Inzidenzwert sei ungeeignet. Der Bundesgesetzgeber sieht die Sieben-Tage-Inzidenz ohne klar ersichtliches Überschreiten seiner Einschätzungsprärogative als geeigneten Indikator für das Infektionsgeschehen an. Aus einer zunehmenden Zahl von Neuinfektionen, die die Inzidenz abbildet, könne geschlossen werden, dass mit dem auf den spezifischen Umständen der vorliegenden Pandemie beruhenden erheblichen zeitlichen Abstand die Belastung des Gesundheitssystems und die Zahl der Todesfälle steigen würden (vgl. BT-Drs. 19/28444, S. 9). Auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 5.5.2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 30) ist diese Annahme ebenso wenig von vornherein unplausibel wie die Einschätzung, dass die Sieben-Tage-Inzidenz als wochentagsbedingte Schwankungen ausmittelnder Wert einen tagesaktuell vorhandenen und einfach nachvollziehbaren Indikator darstellt (vgl. BT-Drs. 19/28444, S. 9).
cc) Die angegriffene Maßnahme (Maskenpflicht) ist bei summarischer Prüfung gegenwärtig verhältnismäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die oben (unter Buchst. aa.) genannten Beschlüsse des Senats verwiesen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Antragsteller rechtfertigen keine andere Einschätzung.
(1) Soweit die Antragsteller Luftfilteranlagen als weniger einschneidende Maßnahmen geltend machen, stellt der Senat zunächst fest, dass Maskenpflicht nach § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV grundsätzlich zur Bekämpfung von COVID-19 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Die ausgesprochene Verpflichtung zum Tragen einer Maske auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung, in allen Angeboten der Notbetreuung sowie unbeschadet der Anforderungen des § 17 12. BayIfSMV während schulischer Abschlussprüfungen gehört zu den Katalogmaßnahmen des § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG. Sie kann nach § 28a Abs. 6 Satz 1 IfSG kumulativ neben weiteren Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung angewendet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich ist. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und auf die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist, § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG. Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen. Die angegriffene Maßnahme dient der Vermeidung der Virusübertragung auf dem Schulgelände, auf dem das Abstandsgebot zu anderen Schülern nach § 1 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV (§ 28a Abs. 1 Nr. 1 IfSG) nicht immer verlässlich eingehalten werden kann.
Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23944 S. 32 vom 3. November 2020), lässt sich dazu entnehmen:
„Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) nach Nummer 3 ist ein zentraler Baustein zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. Sie stellt eine notwendige und einfache Schutzmaßnahme dar. Wissenschaftlichen Studien belegen den signifikanten Nutzen zur Verringerung der Infektionszahlen (vgl. etwa https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html; siehe auch https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-adetail/q-a-on-covid-19-and-masks). Der mit der Maskenpflicht verbundene grundsätzlich sehr geringe Eingriff in die Handlungsfreiheit der Betroffenen ist angesichts des überragend wichtigen Ziels des Infektionsschutzes bei steigenden Infektionszahlen hinzunehmen.“
Dieser Begründung lässt sich entnehmen, dass der parlamentarische Gesetzgeber Mund-Nasen-Bedeckungen als grundsätzlich geeignetes Mittel zur Infektionsbekämpfung ansieht.
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 119 am 10. Mai 2021 besteht hiernach Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
Da die Übertragung des Virus hauptsächlich durch Aerosole stattfindet, erscheint die zeitlich stark begrenzte Maskenpflicht auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung, in allen Angeboten der Notbetreuung sowie unbeschadet der Anforderungen des § 17 12. BayIfSMV während schulischer Abschlussprüfungen und der Ausnahmemöglichkeiten nach § 18 Abs. 2 Satz 2 12. BayIfSMV sowohl geeignet als auch in einer Lage anhaltend hoher Infektionszahlen jedenfalls aus ex ante – Sicht als erforderlich, um Infektionen in Situationen zu vermeiden, in welchen das Abstandsgebot möglicherweise nicht hinreichend beachtet werden kann oder aus anderen Gründen eine erhöhte Infektionsgefahr anzunehmen ist.
(2) Mildere Maßnahmen, die eine vergleichbare infektiologische Wirkung haben, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Maskenpflicht leistet aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts. (Nur) dadurch, verbunden mit der Zugangsbeschränkung durch Tests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und die damit verbundene Möglichkeit, einen Schulbesuch infektiöser Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, hält es der Verordnungsgeber auch angesichts des äußerst dynamischen und durch besorgniserregende Virusvarianten (VOC) geprägten Infektionsgeschehens für vertretbar, flächendeckende Schulschließungen abzuwenden und weiter Unterrichtsangebote in Präsenzform anzubieten (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9.4.2021, BayMBl Nr. 262, S. 5). Diese Einschätzung zum Infektionsgeschehen ist nachvollziehbar.
(3) An der Angemessenheit der auf §§ 28a Abs. 1 Nr. 2, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Maßnahme bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Die negativen Folgen für die Antragsteller stehen nicht außer Verhältnis zu dem mit den Maßnahmen verfolgten Zweck. Gefahren für die Gesundheit durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen dürften nicht zu befürchten sein. Soweit eine Person aus gesundheitlichen Gründen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht in der Lage sein sollte, besteht die Befreiungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV (vgl. BayVGH, B.v. 26.01.2021 – 20 NE 21.171 – BeckRS 2021, 796 Rn. 24; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.1999 – COVuR 2020, 718).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von den Antragstellern angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 2. Juni 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht erscheint.
D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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