Medizinrecht

Coronabedingte Schließung eines EMS-Mikro-Studios

Aktenzeichen  AN 18 S 20.02849

Datum:
23.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38180
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
11. BayIfSM § 4, § 10, § 12
VwGO § 80 Abs. 2, Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Ein EMS-Mikro-Studio (Elektro-Muskel-Stimulation) unterfällt grds. der Betriebsuntersagung des § 10 Abs. 3 S. 1 11. BayIfSMV. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Etwas anderes gilt aber insoweit, als in den Räumlichkeiten des Studios medizinisch notwendige EMS-Trainings erbracht werden sollen; in diesem Zusammenhang greift die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 3 S. 1 11. BayIfSMV. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Dezember 2020 (AN 18 K 20.02850) gegen die von der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2020 ausgesprochene Schließungsverfügung wird wiederhergestellt, soweit der Betrieb des … der Antragstellerin in …, …, für medizinisch notwendige Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung unter Einhaltung der Kontaktbeschränkungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung betroffen ist.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit sofortiger Wirkung angeordnete Schließung des von ihr betriebenen EMS-Studios.
Die Antragstellerin betreibt ein sog. EMS-Mikro-Studio (Elektro-Muskel-Stimulation) im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Sie erbringt darin unter anderem ärztlich verordnetes EMS-Training. Zu diesem Zweck hält die Antragstellerin auch ein mit dem Wort „Attest“ überschriebenes Formblatt zum Ausfüllen durch die Hausärzte ihrer Kunden bereit.
Mit E-Mail vom 21. Dezember 2020 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Betrieb des EMS-Studios einzustellen sei, sofern die Antragstellerin keine medizinische oder heilpraktische Ausbildung ihrer Mitarbeiter nachweisen könne.
Im Rahmen einer am 22. Dezember 2020 in Zusammenarbeit mit der Polizei durchgeführten Kontrolle ordnete die Antragsgegnerin mit sofortiger Wirkung die Schließung des zu diesem Zeitpunkt noch geöffneten EMS-Studios der Antragstellerin an.
Hiergegen hat die Antragstellerin um 16:28 Uhr desselben Tages Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und das Gericht außerdem um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
Nach Ziffer 7 der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege sei sie auch unter den aktuell gültigen Regelungen der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) zur Öffnung befugt, denn sie erbringe – anders als von der Antragsgegnerin angenommen – keine therapeutischen oder heilkundlichen Leistungen, sondern vielmehr hiernach ausdrücklich zulässiges Funktionstraining im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX. Leitgedanke des Funktionstrainings seien dabei der Erhalt und die Verbesserung von Funktionen vornehmlich des Bewegungsapparats, das Hinauszögern von Funktionsverlusten einzelner Organsysteme bzw. Körperteile, die Stärkung der Kraft, Ausdauer und Koordinationsfähigkeit sowie die Erhöhung der Beweglichkeit und der allgemeinen Fitness. Hierzu verwende die Antragstellerin unter anderem sog. EMS-Westen. Auch seien die hierbei eigesetzten Trainer, die ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen über eine Ausbildung als Sportökonom, Sportfachwirt, EMS- bzw. Fitnesstrainer verfügen würden, hinreichend qualifiziert.
Die Entscheidung über die medizinische Notwendigkeit des EMS-Trainings im konkreten Einzelfall obliege dabei der ärztlichen Therapiehoheit. So hätten rund 70 ihrer Kunden eine entsprechende ärztliche Verordnung beibringen können, wobei das von ihr angebotene Formblatt lediglich in drei Fällen verwendet worden sei; im Übrigen hätten die betreffenden Ärzte jeweils eigene Verordnungen ausgestellt. Weiteren 80 Kunden sei eine entsprechende ärztliche Verordnung hingegen versagt worden. Auch hieran zeige sich, dass ein entsprechendes Funktionstraining durch die jeweiligen Hausärzte ausschließlich in Fällen medizinischer Notwendigkeit verordnet worden sei.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch den von der Antragsgegnerin angeordneten Sofortvollzug anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
Nach Rücksprache mit der Regierung von Mittelfranken und dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege handle es sich bei den Dienstleistungen der Antragstellerin weder um Funktionstraining noch um sonstige medizinische, therapeutische oder pflegerische Leistungen oder medizinisch notwendige Behandlungen nach § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV. Im Kontext der Verordnung könne nicht jedermann „therapeutische Leistungen“ anbieten, ohne über eine einschlägige heilkundliche Ausbildung zu verfügen. Der dort verwendete Begriff „therapeutisch“ sei vielmehr mit „heilkundlich“ gleichzusetzen. Nur durch eine „ärztliche Verordnung“ werde eine EMS-Anwendung noch nicht zur Ausübung von Heilkunde. Stattdessen seien unter therapeutischen Leistungen nur solche zu verstehen, für deren Erbringung eine Heilpraktikererlaubnis oder eine ärztliche Verordnung (etwa bei anerkannten Heilmitteln) erforderlich sei; für EMS-Anwendungen sei dies jedoch nicht der Fall. Bei den betreffenden Attesten dürfte es sich somit eher um ärztliche Gefälligkeiten handeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie dem Hauptsacheverfahren AN 18 K 20.02850 verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat teilweise Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der in dem Hauptsachverfahren AN 18 K 20.02850 erhobenen Klage. Denn diese richtet sich gegen die von der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2020 mündlich bekannt gegebene und nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärte Schließungsverfügung. Die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor.
2. In der Sache erweist sich der Antrag in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang als teilweise begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das erkennende Gericht eine eigenständige und originäre Interessenabwägung zwischen dem – in der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Schließungsverfügung vom 22. Dezember 2020 zum Ausdruck gebrachten – Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zu treffen. Bei dieser gerichtlichen Ermessensentscheidung kommt vor allem den – nach dem Wesen des Eilverfahrens nur summarisch zu prüfenden – Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.1994 – 1 VR 10.93 – juris Rn. 4). Dabei können allerdings – eben wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens und seiner nur begrenzten Erkenntnismöglichkeiten – weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden; solches muss dem Verfahren der Hauptsache überlassen bleiben (OVG NRW, B.v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – juris Rn. 4). Wird bei einer derartigen summarischen Prüfung der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird dem Antrag regelmäßig zu entsprechen sein. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags.
In Anwendung dieser Maßstäbe war dem vorliegenden Antrag teilweise zu entsprechen. Die in der Hauptsache erhobene Klage gegen die von der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2020 ausgesprochene Schließungsverfügung wird bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach erfolgreich sein, soweit der Antragstellerin dadurch die Öffnung ihres EMS-Studios zur Erbringung ärztlich verordneter – und damit dem Grunde nach medizinisch notwendiger – EMS-Trainings unter Einhaltung der sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 11. Bay-IfSMV ergebenden Kontaktbeschränkungen untersagt wird. In diesem Umfang erweist sich die betreffende Schließungsverfügung als rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar unterfällt das von der Antragstellerin betriebene EMS-Studio im Ausgangspunkt der Betriebsuntersagung des § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV, womit sich auch die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Betriebsschließung – von der vorstehend bezeichneten Ausnahme abgesehen – als rechtmäßig erweist. Etwas anderes gilt aber insoweit, als in den Räumlichkeiten des Studios medizinisch notwendige EMS-Trainings erbracht werden sollen; in diesem Zusammenhang kann sich die Antragstellerin auf die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV berufen, der ihr zum Zweck der Erbringung entsprechender Dienstleistungen die (teilweise) Öffnung ihres EMS-Studios erlaubt.
a) In Anwendung der Bestimmungen der 11. BayIfSMV ist die Antragstellerin zwar zu einer generellen Öffnung des von ihr betriebenen EMS-Studios nicht befugt. Vielmehr unterfällt dieses im Ausgangspunkt der Betriebsuntersagung des § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV sind der Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderen Sportstätten untersagt. Dahinstehen kann insoweit, ob das hier inmitten stehende EMS-Studio nach seinem allgemeinen Unternehmenskonzept bereits dem in der Verordnung verwendeten Begriff des Fitnessstudios unterfällt, wofür nicht zuletzt der Name der Antragstellerin („… GmbH“) und die Verwendung der Bezeichnung „Fitnessstudio“ durch diese selbst sprechen mögen. Bei dem EMS-Studio handelt es sich nämlich jedenfalls um eine sonstige Sportstätte im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV. Darunter sind in Anlehnung an den allgemeinen Sprachgebrauch sämtliche Gebäude und Einrichtungen zu verstehen, die der Ausübung einer oder mehrerer Sportarten dienen (VG München, B.v. 24.11.2020 – M 26a E 20.5958 – juris Rn. 43). Dieser Definition unterfällt auch das Studio der Antragstellerin; eigenen Angaben gemäß verfolgen die dort angebotenen Trainingseinheiten auch die allgemeine Stärkung von Kraft, Ausdauer und Koordinationsfähigkeit sowie die Erhöhung der Beweglichkeit und der allgemeinen Fitness. Zu diesen Zwecken steht das Studio – losgelöst von der Frage ärztlich verordneter Behandlungen – grundsätzlich jedermann offen und hält damit ein allgemeines Freizeitsportangebot bereit (vgl. zur Einordnung von EMS-Studios als Sportstätten: VG München, B.v. 24.11.2020 – M 26a E 20.5958 – juris Rn. 42 ff.; VG Würzburg, B.v. 24.11.2020 – W 8 E 20.1791 – juris Rn. 29 ff.).
b) Soweit die Antragstellerin allerdings aufgrund ärztlicher Verordnung medizinisch notwendige EMS-Trainings erbringt, beruft sie sich mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 11. BayIfSMV, die es ihr gestattet, das von ihr betriebene EMS-Studio (ausschließlich) zu diesem Zweck zu öffnen und zu betreiben.
§ 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV gestattet die Öffnung von Arztpraxen, Zahnarztpraxen und allen sonstigen Praxen, soweit in ihnen medizinische, therapeutische und pflegerische Leistungen erbracht oder medizinisch notwendige Behandlungen angeboten werden. Dabei unterscheidet der Wortlaut zwei mögliche Konstellationen. Zunächst regelt § 12 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 11. Bay-IfSMV den Fall der Erbringung medizinischer, therapeutischer und pflegerischer Leistungen. Daneben sieht § 12 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 11. BayIfSMV eine weitere Ausnahme für den Fall medizinisch notwendiger Behandlungen vor. Beide Regelungskomplexe stehen dabei ausweislich des Wortlauts („oder“) in einem Alternativverhältnis zueinander.
Die zuletzt genannte Ausnahme hinsichtlich der Erbringung medizinisch notwendiger Behandlungen ist auch in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation einschlägig. Der Antragstellerin ist es hiernach erlaubt, ihr EMS-Studio zu öffnen und zu betrieben, soweit sie darin medizinisch notwendige EMS-Trainings erbringt. Von der medizinischen Notwendigkeit ist regelmäßig auszugehen, wenn das EMS-Training im jeweiligen Einzelfall aufgrund ärztlicher Verordnung durchgeführt wird (ebenso VG Würzburg, B.v. 24.11.2020 – W 8 E 21.1791 – juris Rn. 34). Dies trifft nach eigenen unwiderlegten Angaben der Antragstellerin derzeit auf rund 70 Kunden des EMS-Studios zu.
Die von der Antragstellerin angebotenen EMS-Trainings können eine in diesem Sinne medizinisch notwendige Behandlung darstellen. Die in diesem Bereich eingesetzten Mitarbeiter der Antragstellerin verfügen ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen jeweils über eine hinreichende fachliche Ausbildung (als Sportökonom, Sportfachwirt, EMS- bzw. Fitnesstrainer), um ärztlich verordneten EMS-Trainings fachgerecht durchzuführen. Ebenso wenig ist die medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 11. BayIfSMV von vorneherein deshalb ausgeschlossen, weil das von der Antragstellerin angebotene EMS-Training grundsätzlich unabhängig von einer entsprechenden ärztlichen Verordnung durchgeführt werden kann. So verfügt die Antragstellerin nach eigenen Angabe über etwa 80 Kunden, die – wohl mangels im konkreten Einzelfall gegebener medizinischer Notwendigkeit – über keine entsprechende ärztliche Verordnung verfügen. Dies stellt bei summarischer Prüfung gerade ein Indiz dafür dar, dass die betreffenden ärztlichen Bescheinigungen – anders als von der Antragsgegnerin vermutet – nicht etwa als reine Gefälligkeitsatteste erteilt werden. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Antragstellerin ein entsprechendes Formular zum Ausfüllen durch den jeweiligen Arzt bereithält. Dies gilt umso mehr, als die ärztliche Verordnung des EMS-Trainings ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung jedenfalls nicht ausschließlich unter Verwendung dieses Vordrucks erfolgt. Zwar kann auch in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation das Ausstellen von ärztlichen Verordnungen, in denen einzelnen Kunden fälschlicherweise eine in Wirklichkeit nicht gegebene medizinische Notwendigkeit des EMS-Trainings attestiert werden mag, nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Abgesehen davon, dass es hier bereits an hinreichend gewichtigen Anhaltspunkten für eine tatsächliche Verbreitung derartiger Gefälligkeitsatteste fehlt, würde dies die medizinische Notwendigkeit ohnehin nur mit Blick auf den jeweiligen Patienten, nicht aber der EMS-Trainings generell in Frage stellen. Im Übrigen handelt es sich bei der Problematik, welche Beschwerden im Einzelnen in medizinisch ausreichender Weise durch das hier streitgegenständliche EMS-Training behandelt werden können, um eine medizinische Fachfrage, die einer abschließenden Klärung im Eilverfahren nicht zugänglich ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 20 CE 20.2868 – BeckRS 2020, 35627 Rn. 15).
Für die Annahme einer medizinisch notwendigen Behandlung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 11. BayIfSMV ist des Weiteren unerheblich, dass das von der Antragstellerin angebotene EMS-Training – wie diese selbst einräumt – keine medizinische bzw. therapeutische Behandlung darstellt. Die von der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (Stand: 21.12.2020; abrufbar unter: https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2020/12/2020122_positivliste_final.pdf) vertretene gegenteilige Auffassung steht in erkennbarem Widerspruch zum Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV. Denn dieser enthält zwei selbständige Ausnahmetatbestände – einerseits die Erbringung medizinischer, therapeutischer und pflegerischer Leistungen und andererseits medizinisch notwendige Behandlungen. Diese stehen – wie ausgeführt – zueinander in einem Alternativverhältnis. Ein derartiges, dem Wortlaut der Verordnung zuwiderlaufendes Normverständnis wird durch die üblichen Auslegungsregeln nicht mehr gedeckt. Im Wege der Auslegung darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Regelung nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt werden oder das damit verfolgte Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG, B.v. 22.10.1985 – 1 BvL 44/83 – BVerfGE 71, 81/115 = juris Rn. 56). Ebendies würde aber durch die von der Antragsgegnerin vorgenommene einschränkende Lesart des § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV bewirkt. Es würden hierdurch nicht nur die vom Verordnungsgeber alternativ vorgesehenen Ausnahmetatbestände entgegen dem Wortlaut vereinheitlicht, sondern in der Konsequenz auch die Erbringung der im Bereich der Gesundheitsvorsorge ausdrücklich für zulässig erklärten medizinisch notwendigen Dienstleistungen entgegen dem Wortlaut eingeschränkt. Schließlich würde durch ein derartiges Normverständnis das vom Verordnungsgeber mit der Schaffung des § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV ersichtlich verfolgte Ziel verfehlt, die Erbringung medizinisch notwendiger Dienstleistungen auch in Zeiten steigender COVID-19-Infektionszahlen weiterhin vollumfänglich zu gewährleisten. Nach alledem kommt es nicht auf die Frage an, ob es sich bei den von der Antragstellerin angebotenen EMS-Behandlungen um Funktionstraining im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX handelt. Dies gilt umso mehr, als dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV keinerlei Anhaltspunkte für die Maßgeblichkeit dieser Bestimmung entnommen werden können, sondern eine entsprechende Bezugnahme alleine in den – für das Gericht ohnehin nicht bindenden – FAQs des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vorgesehen ist.
Auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Kontaktbeschränkung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV während der EMS-Trainingseinheiten wird hingewiesen. Es dürfen hierfür also einschließlich des daran beteiligten Trainingspersonals – sofern nicht alle betreffenden Personen demselben Hausstand angehören – höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten zusammenkommen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach hat das Gericht bei jeweils anteiligem Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten die Möglichkeit, die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben, wovon vorliegend Gebrauch gemacht wurde.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.


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