Medizinrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Normenkontrollantrag, Beschlussverfahren, Geltungsdauer, Verfahren, Verletzung, Eilverfahren, Hauptsache, Feststellung, Erfolgsaussichten, Rechtsschutzverfahren, Anspruch, Angemessenheit, Gewerbebetrieb, Rechtsgrundlage, kein Anspruch, einstweiligen Rechtsschutzes, gesetzliche Regelung

Aktenzeichen  20 NE 21.848

Datum:
13.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 48017
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragstellerin, die u.a. in Bayern Hotels betreibt, begehrt mit ihrem Eilantrag die vorläufige Außervollzugsetzung der § 5, § 11 Abs. 5, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 15 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2020 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171), die zuletzt mit Verordnung vom 9. April 2021 2021 geändert wurde (BayMBl. 2021 Nr. 261).
2. Der Antragsgegner hat durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die o.g. Verordnung erlassen, die mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV).
3. Zur Begründung ihres am 23. März 2021 eingegangenen Eilantrags führt die Antragstellerin aus: Zunächst werde beantragt, aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, weil die Antragstellerin den Eindruck habe, im schriftlichen Verfahren nur unzureichend rechtliches Gehör zu erhalten. Angesichts der existenzbedrohenden Lage der Antragstellerin erscheine ein derart unmittelbares Vorgehen geboten. Weiter beantragt die Antragstellerin, die Frage, ob Eingriffe nach § 28a IfSG entschädigungslos hinzunehmen seien, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Aufgrund der lang andauernden Betriebsuntersagungen sei die Antragstellerin unmittelbar bevorstehend in ihrer Existenz bedroht. Die nur geringen staatlichen Hilfen könnten nicht im geringsten die Umsatzausfälle kompensieren. In der jetzigen Situation stünde die Antragstellerin und die mit ihr verbundenen Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Die Eingriffe in den Bestand des Unternehmens der Antragstellerin durch die Betriebsuntersagungen seien so schwerwiegend, dass sie ausgleichspflichtig seien. Zudem seien die Staatshilfen diskriminierend konzipiert und würden Unternehmensgruppen wie die Klägerin systematisch benachteiligen. Das drohende Infektionsgeschehen in Beherbergungsbetrieben rechtfertige keine Schließung. Auch aus Art. 12 Abs. 1 GG folge eine Entschädigungspflicht, sodass die Maßnahme der Betriebsschließung auch aus diesem Grunde rechtswidrig sei. Die Maßnahme sei auch unverhältnismäßig, weil die Infektionszahlen sänken. Auch die Gefahr durch Virusmutationen rechtfertige den Eingriff nicht, da es sich hierbei um eine latente Gefahr handele, welche einen entschädigungslosen Eingriff nicht rechtfertige. Ein Abstellen auf die sogenannte 7-Tages-Inzidenz sei sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig. Durch mildere Maßnahmen könne eine ebenso effektive Pandemiebekämpfung erfolgen. Die Gerichte dürften sich hier nicht hinter den üblichen Ermessensspielräumen der Exekutive verstecken. Weiter verpflichteten die Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoffen und Schnell- bzw. Selbsttests zu einer besonders genauen Prüfung der Notwendigkeit der Maßnahmen. Darüber hinaus sei § 28a IfSG verfassungswidrig.
Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen mit weiteren Schriftsätzen ergänzt.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der nur zum Teil zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 122 Abs. 1 VwGO). Auch aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich kein Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschlussverfahren.
A. Der Antrag auf Außervollzugsetzung der § 5 (Veranstaltungen, Feiern), § 11 Abs. 5 (Verbot bestimmter Freizeiteinrichtungen) und § 15 (Tagungen, Kongresse, Messen) 12. BayIfSMV ist unzulässig, da dem durchaus umfangreichen Vorbringen der Antragstellerin keine konkreten Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass sie durch diese Regelungen schwere Nachteile erleidet oder eine Außervollzugsetzung aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
B. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er nicht begründet.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag gegen § 13 Abs. 1 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO bei summarischer Prüfung keinen Erfolg. Hinsichtlich § 14 Abs. 1 (Satz 2) 12. BayIfSMV sind die Erfolgsaussichten als offen anzusehen. Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus.
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 1 12. BayIfSMV abzulehnen, weil der in der Hauptsache zu erhebende Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat. Bei § 14 Abs. 1 12. BayIfSMV geht der Senat von offenen Erfolgsaussichten aus.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffenen Maßnahmen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 12 (Übernachtungsangebote) und Nr. 13 (Gastronomie) IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Deswegen wird der beantragten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht entsprochen.
b) Die formellen Anforderungen an den Verordnungserlass gemäß § 28a Abs. 5 IfSG sind bei summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eingehalten. Der Verordnungsgeber hat die Fortführung der Regelung des § 14 12. BayIfSMV in der Begründung zur Änderungsverordnung vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 225 S. 4 f.) konkret begründet. Damit hat er die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffene Maßnahme transparent gemacht, sodass der Verfahrensrationalität und Legitimationssicherung (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2016 – 5 B 11.16 – juris Rn. 4) genügt wurde. Eine empirische und umfassende Erläuterung ist nicht geschuldet (vgl. BT-Drs. 19/24334, a.a.O.).
c) Die Regelungen in § 13 Abs. 1 sowie § 14 Abs. 1 12. BayIfSMV stehen mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 12 und 13 IfSG in Einklang, weil ihre Voraussetzungen vorliegen.
aa) Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 12. BayIfSMV bis zum 18. April 2021 zu verlängern (§ 1 Nr. 11 der Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV vom 25.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 124) wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) beträgt am 12. April 2021 bundesweit 136 und in Bayern 153. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung der Norm (BGBl. 2021 I S. 370) sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz IfSG). Bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 9 bis 11 sind insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG).
Der Einwand, die 7-Tage-Inzidenz sei kein geeigneter Richtwert, geht ins Leere. § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG legt fest, dass Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist. Dass der Gesetzgeber dabei seinen weiten Gestaltungsspielraum im Rahmen der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Auch die Heranziehung von PCR-Tests ist nicht grundsätzlich ungeeignet, um das Pandemiegeschehen abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (vgl. BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28 m.w.N.; vgl. auch BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20 f.).
bb) In der derzeitigen pandemischen Situation mit einem starken diffusen Infektionsgeschehen, begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, den Gastronomiebereich und touristische Übernachtungsmöglichkeiten zu schließen, keinen durchgreifenden Bedenken. Die angegriffene Schutzmaßnahme ist demnach voraussichtlich geeignet und erforderlich.
(1) Zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie verweist der Senat zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.406 – juris Rn. 21 ff. u.a. zu § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV; B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.460 – BeckRS 2021, 3819, Rn. 20 ff.; B. v. 23.2.2021 – 20 NE 21.367 – BeckRS 2021, 2697, Rn. 18 ff.). Dass dem Normgeber mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Betriebsschließungen mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 grundsätzlich geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Dass der Bundestag bei seiner Gefährdungseinschätzung seinen weiten Gestaltungsspielraum im Rahmen der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Dafür, dass sich an dieser Risikoeinschätzung durch den Bundesgesetzgeber maßgeblich etwas ändert, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (BT-Drs. 19/26545 und 19/27291) am 31. März 2021 in Kraft getreten.
(2) Auch das Argument, die Infektionsgefahr in Gastronomiebetrieben sei nachgewiesen gering, sodass ihre Schließung weder geeignet noch erforderlich sei, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, greift nicht durch. Zwar können auch Schutz- und Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem stark diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. RKI, Lagebericht vom 12.4.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-12-de.pdf? blob=publicationFile), ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass die bestehenden Infektionszahlen zu hoch sind (vgl. Begründung vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 172) und dass notwendige Schutz- und Hygienevorkehrungen im Bereich des § 14 12. BayIfSMV (Freizeit) nicht mit gleicher Zuverlässigkeit beachtet würden wie etwa im Berufsleben (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 225 S. 4), unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben zur Ergreifung umfassender Schutzmaßnahmen bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG) rechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Auch gegen die Angemessenheit der weitreichenden Betriebsschließungen bestehen derzeit keine durchgreifenden Bedenken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese nicht zuletzt wegen ihrer Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen der Betreiber führen und damit deren Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schwer beeinträchtigen und ggf. im Einzelfall – mit zunehmender Dauer – auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreifen können. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin gerügte Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Betriebsschließung verstößt voraussichtlich nicht wegen des Fehlens einer Ausgleichsregelung gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Überschreitet der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, indem er den Kernbereich der Eigentümerbefugnisse aushöhlt, so ist die gesetzliche Regelung unwirksam. Es ist dem Gesetzgeber aber nicht grundsätzlich verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Maßnahmen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.22016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 – juris Rn. 258 ff.; B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 – juris Rn. 76 ff.).
Betriebsschließungen aufgrund § 28a Abs. 1 Nr. 12, 13 und 14 IfSG führen im Regelfall noch nicht zu einem Eingriff in die Substanz der geschlossenen Betriebe und damit auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch Letzteres schützt nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen; es geht nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 – juris Rn. 240). Bei der Beurteilung der Eingriffsintensität und der Frage, ob eine Norm einen eigentumsrelevanten Eingriff in die Substanz eines Gewerbebetriebs i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG begründet (vgl. auch Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 48), sind insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Auswirkungen auf die betroffenen Betriebe zu beurteilen. Auch wenn die seit 2. November 2020 anhaltende Betriebsschließung von Beherbergungsbetrieben für touristische Übernachtungen diese wirtschaftlich hart trifft, vermag der Senat gegenwärtig noch keinen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG von einem solchen Ausmaß erkennen, der nur durch einen durch den Gesetzgeber vorab normierten finanziellen Ausgleich verhältnismäßig sein könnte. Eine genaue Bewertung dieser Frage ist angesichts der Komplexität der Materie schwierig. Im Grundsatz stellt sich aber auch die Frage, ob kontaktintensive Bereiche des Wirtschaftslebens nicht ohnehin durch die Möglichkeit einer Pandemie und darauf antwortenden staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen vorgeprägt sind und damit auch länger andauernde Schutzmaßnahmen hinzunehmen haben.
Angesichts des weiterhin angespannten und sich zuletzt wieder deutlich verstärkenden Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für die Grundrechte der Antragstellerin, auf die sie sich beruft (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG), gegenwärtig nicht offensichtlich außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe.
(4) Ob das Verbot touristischer Übernachtungsangebote als Mittel zur Beschränkung der Mobilität in Anbetracht der bestehenden Reisemöglichkeiten ins Ausland mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, bedarf einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren. Der Senat geht deshalb insoweit von offenen Erfolgsaussichten aus.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2019 – 2 BvL 22/14 u.a. – BVerfGE 152, 274 – juris Rn. 95). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gleichheitssatz verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (stRspr, vgl. nur BVerfG, B.v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06 u.a. – BVerfGE 133, 377 – juris Rn. 74).
Ausgehend von diesen Maßstäben besteht hinsichtlich des Konzepts des Verordnungsgebers, touristische Übernachtungsangebote im Inland zu untersagen, während touristische Reisen und Übernachtungen ins Ausland (vorbehaltlich einer etwaigen Test- und/oder Quarantäneverpflichtung) möglich bleiben, weiterer Aufklärungsbedarf. Ob sich der Verordnungsgeber bei dieser Differenzierung darauf berufen kann, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (vgl. BayVerfGH, E.v. 22.3.3021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 39 m.w.N.), ist im Hauptsacheverfahren – gegebenenfalls auch mit Blick auf die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten, die Reisetätigkeit ins Ausland zu beschränken (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG, der sich nur auf Reisebewegungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehen soll, vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 34) – zu klären.
3. Die Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern der Normadressaten, insbesondere der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG und ggf. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ergibt, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Folgen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen.
Das pandemische Geschehen verstärkt sich aktuell erneut. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 12. April 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-04-12-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland stark zu. Etwa seit Mitte März 2021 hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt, besonders stark bei Kindern und Jugendlichen, von denen zunehmend Übertragungen und Ausbruchsgeschehen ausgehen. COVID-19-bedingte Ausbrüche betreffen momentan insbesondere private Haushalte und zunehmend auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt noch als „sehr hoch“ ein. Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B 1.1.7. werden zu einer deutlich ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten führen. Bundesweit ist seit Mitte März wieder ein deutlicher Anstieg der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen (ITS) zu verzeichnen. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 31.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risi-kobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres Vollzugs für die Interessen der Normadressaten.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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