Medizinrecht

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Aktenzeichen  M 26b E 21.234

Datum:
19.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1184
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EQV § 1 Abs. 1 S. 1
EQV § 2 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren eine Ausnahme von der für Reiserückkehrer geltenden Quarantänepflicht aufgrund behaupteter überstandener COVID-19-Erkrankung.
Die Antragsteller planen vom … bis … Januar 2021 eine Reise nach A* …
Gemäß Verordnung über Quarantänemaßnahmen für Einreisende zur Bekämpfung des Coronavirus (Einreise-Quarantäneverordnung – EQV) vom 5. November 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 630), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Einreise-Quarantäneverordnung vom 15. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 36), müssen sich Personen, die in den Freistaat einreisen und sich innerhalb von zehn Tagen vor ihrer Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, unverzüglich nach ihrer Einreise für einen Zeitraum von zehn Tagen nach ihrer Einreise absondern (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EQV). Von dieser Verpflichtung sieht § 2 Abs. 1 bis 3 EQV Ausnahmen vor. In begründeten Fällen kann die zuständige Behörde auf Antrag weitere Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes erteilen (§ 2 Abs. 4 EQV).
Laut Auskunft des Robert-Koch-Instituts (https://www.rki.de/risikogebiete, aufgerufen am 19.1.2021) handelt es sich bei den Kanarischen Inseln seit dem 20. Dezember 2020 um ein Risikogebiet.
Das Robert-Koch-Institut äußert sich auf seiner Homepage (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19 (Gesamtstand: 14.1.2020), Kontaktpersonen und Quarantäne (Stand: 3.12.2020), Gilt für Einreisende aus Risikogebieten die Quarantänepflicht, wenn diese zuvor eine molekulardiagnostisch nachgewiesene SARS-CoV-2 Infektion hatten und wieder genesen s…, aufgerufen am 19.1.2021) zur Quarantänepflicht für Reiserückkehrer, die bereits an COVID-19 erkrankt waren, wie folgt:
Bei Personen, die nachweislich eine molekulardiagnostisch nachgewiesene SARS-CoV-2 Infektion hatten und wieder als genesen gelten, kann nach aktuellem Kenntnisstand von einer partiellen Immunität ausgegangen werden. Obwohl eine erneute Ansteckung und ein damit einhergehendes Übertragungsrisiko auf andere Personen nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist bei diesen Personen dennoch keine Quarantäne erforderlich. Nach Einreise aus einem Risikogebiet oder Exposition zu einem COVID-19 Fall soll daher ein Selbstmonitoring und bei Auftreten von Symptomen eine sofortige Selbst-Isolation und Testung erfolgen. Informationen zur Anerkennung von molekularbiologischen Testen auf SARS-CoV-2 bei Einreise aus einem Risikogebiet nach Deutschland finden sich hier.“
Mit Schreiben vom … Januar 2021 beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner eine Ausnahme von der Quarantänepflicht für Reiserückkehrer aufgrund überstandener COVID-19-Erkrankung im November 2020. Beide Antragsteller wiesen SARS-CoV-2-Antikörper auf. Eine Testung während der jeweiligen Erkrankung habe jedoch nicht stattgefunden.
Mit E-Mail vom … Januar 2021 legten die Antragsteller zwei ärztliche Atteste vor. Darin wird von einem Internisten und Hausarzt bestätigt, dass die inzwischen wieder gesunden und beschwerdefreien Antragsteller im November 2020 an COVID-19 erkrankt gewesen seien, wobei der Erkrankungszeitraum beim Antragsteller zu 2 zwischen dem … und … November 2020 und der Antragstellerin zu 1 zwischen dem … und … November gelegen habe.
Mit E-Mail vom 12. Januar 2021 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Ausnahme von der Quarantänepflicht für Reiserückkehrer ab. Eine Ausnahme komme nur in Betracht bei einem laborbestätigten Fall innerhalb der letzten drei Monate, während ein Antikörpernachweis und/oder eine Bestätigung eines Arztes hierzu nicht ausreichen würden.
Mit Schreiben vom … Januar 2021 beantragen die Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO:
Es wird festgestellt, dass die Antragsteller nach ihrer Rückkehr am 30. Januar 2021 aus A* … nicht in Quarantäne müssen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, die inzwischen wieder gesunden und beschwerdefreien Antragsteller seien im November 2020 an COVID-19 erkrankt gewesen, wie sich aus einem durchgeführten Antikörpertest ergebe. Die Antragsteller seien noch über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten nicht ansteckend. Auf die oben wiedergegebene Auskunft des Robert-Koch-Instituts sowie auf die Wachau-Studie der Danube Private University wird Bezug genommen. Zudem wird vorgetragen, dass die Anordnung einer Quarantäne eine freiheitsentziehende Maßnahme darstelle. Aber auch dann, wenn man eine Quarantäne nur als freiheitsbeschränkende Maßnahme ansehe, seien im vorliegenden Fall die Antragsteller in ihren Grundrechten verletzt, da ein Eingriff in das Grundrecht der Antragsteller auf Freiheit der Person dem Richtervorbehalt unterliege, während im vorliegenden Fall in dieses Grundrecht durch einen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Antragsgegners eingegriffen werde.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 beantragt der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Ausnahme von der grundsätzlichen Quarantäneverpflichtung für Einreisende nicht erteilt werden kann. Eine Ausnahme komme nur dann in Frage, wenn ein labordiagnostischer Nachweis über eine vorangehende SARS-CoV-2-Infektion in Form eines Antigentests, einer Erregerisolierung oder eines Nukleinsäurenachweises (z. B. PCR) vorgelegt werde. Die vorgelegten Antikörpertests würden hingegen nicht genügen, da diese keine belastbaren Aussagen zur Immunität und Ausschluss künftiger Infektiosität liefern würden.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
a) Der Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig.
aa) Der Antrag ist statthaft. § 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis ist (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn.40 f., Beck OK VwGO, § 123 Rn.16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn.22), ist hier nicht einschlägig, da die Antragsteller nach ihrem gesamten Vorbringen, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO, vorrangig das Bestehen einer Ausnahme von der grundsätzlichen Quarantäneverpflichtung für Einreisende in Anspruch nehmen. Ein einstweiliger Rechtsschutzantrag mit dem Ziel, die Wirksamkeit einer Norm im Wege einer vorläufigen Feststellung zu suspendieren, wäre hingegen nicht statthaft (BayVGH, B.v. 18.06.2020 – 20 CE 20.1388 -, Rn. 4 juris).
bb) Die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO ist zu bejahen. Der mögliche Anordnungsanspruch ergibt sich aus den vorgelegten Laborbefunden, wonach die Antragsteller Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet haben sollen. Der mögliche Anordnungsgrund resultiert aus der weitgehenden Einschränkung der persönlichen Freiheit der Antragsteller für einen nicht unerheblichen Zeitraum, würden diese auf gerichtlichen Rechtsschutz nach Beginn der Quarantäne verwiesen werden. Ebenso ist es den Antragstellern aufgrund der Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen die Absonderungspflicht (vgl. § 4 Nr. 1 EQV) nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung die Quarantäneverpflichtung zu missachten und erst gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.04.2020 – 14 K 1360/20 – juris Rn.12; BVerwG, U.v. 13.01.1969 – I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181, Rn. 19, juris).
cc) Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf Feststellung gerichteten Antrag ist unproblematisch gegeben, da der Antragsteller den Antragsgegner vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem streitgegenständlichen Vorbringen befasst hat.
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m. w. N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Die Antragsgegner haben bereits nicht glaubhaft gemacht, einen Anordnungsanspruch auf Ausnahme von der Quarantäneverpflichtung zu haben.
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV sind Personen, die in den Freistaat Bayern einreisen und sich innerhalb von zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Risikogebiet im Sinne des § 2 Nr. 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingestuften Gebietes aufgehalten haben, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete, eine Absonderung ermöglichende Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von zehn Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. Gemäß § 2 Nr. 17 IfSG werden die Risikogebiete im Internet unter https://www.rki.de/risikogebiete veröffentlicht.
Die Antragsteller planen einen Aufenthalt in A* … (Kanarische Inseln, Spanien) vom … bis … Januar 2021. Da es sich bei den kanarischen Inseln ausweislich der genannten Homepage des Robert-Koch-Instituts seit 20. Dezember 2020 um ein Risikogebiet handelt, haben sich die Antragsteller gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV nach ihrer Rückkehr voraussichtlich für zehn Tage abzusondern, sich mithin voraussichtlich für zehn Tage in „häusliche Quarantäne“ zu begeben.
bb) Eine nach § 2 Abs. 1 bis 3 EQV bestehende Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Quarantäneverpflichtung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV ist nicht ersichtlich.
cc) Schließlich scheidet auch eine nach § 2 Abs. 4 EQV zu gewährende Ausnahme mangels Vorliegen eines triftigen Grundes aus.
(1.) Ein triftiger Grund ergibt sich zunächst nicht aus der oben wiedergegebenen Auskunft des Robert-Koch-Instituts zur Quarantäneverpflichtung von Reiserückkehrern.
Zwar hat der Gesetzgeber dem Robert-Koch-Institut im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), so dass dessen Einschätzungen hohes Gewicht zukommt und einen triftigen Grund begründen können.
Allerdings liegen die Voraussetzungen der oben wiedergegebenen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts nicht vor. Die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach eine Quarantäne von Reiserückkehrern, die bereits eine SARS-CoV-2-Infektion hatten und wieder als genesen gelten, nicht erforderlich sei, gilt nur für solche Infektionen, die molekulardiagnostisch nachgewiesen wurden. Bei dem Nachweistest Elecsys Anti-SARS-CoV-2-Test des Herstellers Roche, den die Antragsteller haben durchführen lassen und bei dem ein Elektrochemilumineszenz-Immunoassay („ECLIA“) zur Anwendung kommt, handelt es sich hingegen um einen Test zum Nachweis von Antikörpern in Humanserum oder -plasma, mithin um einen serologischen Test (vgl. Roche, https://www.roche.de/diagnostik-produkte/produktkatalog/tests-parameter/elecsys-covid-19-solutions/, aufgerufen am 19.1.2021).
Nichts anderes ergibt sich aus der Muster-Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus vom 14. Januar 2021, die sich zu dieser Frage nicht äußert.
(2.) Ein triftiger Grund ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Laborbefunden, aus denen sich ergibt, dass die Antragsteller Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet haben sollen.
Dies ergibt sich bereits aus den vorgelegten Laborbefunden. So heißt es etwa in dem Laborbefund vom … Dezember 2020 betreffend den Antragsteller zu 2, dass noch nicht beurteilbar ist, ob SARS-CoV-2-Antikörper als Biomarker für Immunität angesehen werden können.
Diese Aussage deckt sich auch mit der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach nach derzeitigem Kenntnisstand ein serologischer Nachweis SARS-CoV-2 spezifischer Antikörper keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus zulässt (Robert-Koch-Institut, Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 23.12.2020, Unterpunkt Antikörpernachweise (Indirekter Nachweis einer Infektion), https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html; jsessinid=769E467E3BAF2F168C748AA0187D716D.internet071?nn=13490888#doc13490982bodyText5, aufgerufen am 19.1.2021).
Zu keinem anderen Ergebnis führt die von den Antragstellern angeführte Wachau-Studie der Danube Private University, wonach Antikörper auch nach neun Monaten größtenteils noch im Blut ehemals Infizierter nachweisbar sind und auch bei denjenigen, bei denen keine Antikörper mehr nachzuweisen sind, größtenteils eine Hintergrundimmunität festgestellt werden konnte. Denn insofern handelt es sich nur eine einzelne Studie, die zudem nach Angabe der Ersteller der Studie im Widerspruch zu den Ergebnissen einer anderen Studie steht, während die Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts auf einer Auswertung diverser Studien beruhen. Die Ergebnisse der Wachau-Studie sind daher nicht geeignet, die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts ernstlich in Frage zu stellen.
(3.) Weiterhin ergibt sich ein triftiger Grund auch nicht aus den vorgelegten Attesten.
Darin wird von einem Internisten und Hausarzt bestätigt, dass die inzwischen wieder gesunden und beschwerdefreien Antragsteller im November 2020 an COVID-19 erkrankt gewesen seien, wobei der Erkrankungszeitraum beim Antragsteller zu 2 zwischen dem … und … November 2020 und der Antragstellerin zu 1 zwischen dem … und … November gelegen habe.
Den Attesten lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf welcher Grundlage festgestellt wurde, dass die Antragsteller an COVID-19 erkrankt waren. Dies ist jedoch erforderlich, da wie bereits dargestellt wurde, nur ein molekulardiagnostischer Test nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts eine Ausnahme von der Quarantänepflicht von Einreisenden rechtfertigen würde.
dd) Soweit die Antragsteller dadurch, dass sie in der Anordnung der Quarantäne durch die EQV eine sachgrundlose freiheitsentziehende Maßnahme sehen, die Wirksamkeit der EQV in Frage stellen, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dieser Rechtsstreit ist darauf gerichtet, festzustellen, dass eine Ausnahme von der nach der EQV grundsätzlich bestehenden Quarantäneverpflichtung für Einreisende zu machen ist. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Regelungen der EQV müsste hingegen im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO überprüft werden (BayVGH, B. v. 26.10.2020 – 20 CE 2185 – beckonline Rn. 14; B. v. 18.6.2020 – 20 CE 20.1388 – juris Rn. 4).
Dessen ungeachtet bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der EQV.
Ein Fall der Freiheitsentziehung, über deren Zulässigkeit und Fortdauer ein Richter zu entscheiden hat (Art. 104 Abs. 2 Grundgesetz (GG)), dürfte entgegen der Ansicht der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Eine Freiheitsentziehung erfordert regelmäßig die Anwendung von physischem Zwang oder physischen bzw. technischen Mitteln (Einsperren) (vgl. Sachs Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 104 Rn. 7; Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 104 Rn. 20). Die Absonderung setzt jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung die Freiwilligkeit des Betroffenen und damit seine „Einsicht in das Notwendige“ voraus (BT-Drs. 14/2530, 75). Erst im Falle einer Weigerung des Betroffenen, der Absonderung nachzukommen, ist die Absonderung – dann allerdings unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 104 Abs. 2 GG – zwangsweise durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund dürfte der Anordnung der freiwilligen Absonderung, anders als einer im Weigerungsfalle erforderlichen zwangsweisen Durchsetzung keine freiheitsentziehende Wirkung zukommen (vgl. OVG NRW, B.v. 13.7.2020 – 13 B 968/29 – juris Rn. 41, VG Saarlouis, B.v. 23.9.2020 – 6L 1001/20 – juris Rn. 15; Johann/Gabriel in BeckOK InfSchR, 1. Ed. 1.7.2020, IfSG § 30 Rn. 24, 25; Lutz, IfSG, 2. Aufl. 2020, § 30 Rn. 2; a.A. Kießling, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 30 Rn. 14).
Das Gericht verkennt dabei auch nicht, dass die Verpflichtung zur Absonderung erheblich in die Grundrechte der Antragsteller, insbesondere die Bewegungsfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) eingreift. Dennoch erweist sich die Quarantäneverpflichtung für Einreisende als grundsätzlich verhältnismäßig. Die Quarantäneanordnung dient mit der Reduzierung des Infektionsgeschehens anlässlich der globalen Corona-Pandemie einem legitimen Zweck. Die Quarantäneverpflichtung ist geeignet, der Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken. Sie ist auch erforderlich, dieses Ziel zu erreichen, da andere Maßnahmen wie etwa Kontaktreduzierungen oder Hygienemaßnahmen zwar milder sind, aber nicht die gleiche Wirksamkeit aufweisen. Die getroffene Anordnung erweist sich schließlich in Anbetracht des gewichtigen Ziels der Pandemiebekämpfung, des damit verfolgten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie des Funktionierens des staatlichen Gesundheitssystems auch als angemessen.
2. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nrn. 1.1.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.


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