Medizinrecht

Einstweilige Anordnung zur vorläufigen Berechtigung des Betriebs eines Einzelhandelsgeschäfts auf einer Gesamtfläche von max. 800 m²

Aktenzeichen  Au 9 E 20.721

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10637
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6, § 123 Abs. 1 S. 1
2. BayIfSMV § 2 Abs. 4
2. BayIfSMV § 2 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie berechtigt ist, ihr in … gelegenes Textileinzelhandelsgeschäft mit einer auf 800 m² abgetrennten Verkaufsfläche für den Publikumsverkehr zu öffnen.
Die Antragstellerin betreibt auf dem Gebiet der Antragsgegnerin die Filiale eines Textileinzelhandelsgeschäfts mit einer Verkaufsfläche von ca. 2.500 m². Dieses Ladengeschäft ist infolge der bislang ergangen Regelungen zur Ausbreitung der Corona-Pandemie seit dem 18. März 2020 geschlossen.
Nach der zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art untersagt. Nach Satz 2 des § 2 Abs. 4 der 2. BayIfSMV sind hiervon ausgenommen, der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel. § 2 Abs. 5 der 2. BayIfSMV bestimmt abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels, wenn deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m² nicht überschreiten (Nr. 1) und der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m² Verkaufsfläche. § 10 der 2. BayIfSMV bestimmt weiter, dass die Verordnung am 20. April 2020 in Kraft und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft tritt (Satz 1). Nach § 10 Satz 2 der 2. BayIfSMV treten abweichend von Satz 1 §§ 2 Abs. 4 Satz 4, 2 Abs. 5, § 4 Satz 2 und 3 am 27. April 2020 in Kraft.
Mit Schriftsatz vom 24. April 2020 beantragte die Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO):
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin vorläufig berechtigt ist, ihr Einzelhandelsgeschäft in der…straße,, auf einer Gesamtfläche von max. 800 m² zu betreiben.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die angekündigte Öffnung von Ladengeschäften durch den Freistaat Bayern bei einer Verkaufsfläche von max. 800 m² ein umfangreiches Schutz- und Hygienekonzept entwickelt habe. Auch wurde die Öffnung des Modehauses… die mit der Infektionsschutzverordnung verfolgten Intensionen beitragen, denn die potentiellen Käufer würden ihren Einkauf gerade nicht in der Innenstadt, sondern auf dem Gelände des Modehauses… außerhalb der Innenstadt erledigen können. Darüber hinaus verfüge das Modehaus über einen eigenen großen Parkplatz auf Privatgrund, der exklusiv für Kunden des Modehauses zur Verfügung stehe. Das Modehaus… sei seit dem 18. März 2020 vollständig geschlossen. Der Antrag sei begründet, weil die Antragsteller vorliegend glaubhaft machen könnten, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund bestehe. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf die von ihr begehrte Begünstigung. Zunächst gebe der Verordnungstext keine Maßgabe vor, ob die Verkaufsfläche originär auf max. 800 m² beschränkt werden müsse oder diese maximale Verkaufsfläche auch durch nachträgliche bauliche Maßnahmen erreicht werden könne. Nachdem vorliegend ein massiv grundrechtsintensiver Eingriff stattfinde, müsse der Eingriffscharakter genau bestimmt sein. Der Wortlaut lasse aber nur die Interpretation zu, dass zum Schutz der Bevölkerung eben nur eine einzige Verkaufsfläche von max. 800 m² pro Verkaufsgeschäft zur Verfügung stehen dürfe. Dass hierbei auf eine Fläche ohne Maßnahmenreduzierung abgestellt werden müsse, lasse sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Verordnung entnehmen. Eine abweichende Ansicht lasse sich auch in den Wortlaut der Verordnung nicht interpretieren. Es sei eine restriktive Auslegung geboten, da die Verkaufsverbote massiv in die Grundrechte der Antragstellerin eingreifen würden. Auch sei die Größe von 800 m² willkürlich gewählt. Der Verordnungsgeber habe dabei auf eine Fläche zurückgegriffen, die in einem völlig anderen Zusammenhang ihre Anwendung finde. Auch würde eine abweichende Interpretation einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darstellen. Es lasse sich kein rechtfertigender Grund einer Ungleichbehandlung zwischen Läden finden, die von jeher eine maximale Fläche von 800 m² aufwiesen und denen, die dies entsprechend reduzierten. Auch sei ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben, da andere nicht existenznotwendige Geschäfte, wie etwa Baumärkte, einer Begrenzung nicht unterworfen seien, obgleich keine andersartige Infektionsgefahr bestehe. Schließlich stehe die Antragstellerin auch im Wettbewerb mit Modegeschäften, die von jeher eine kleinere Verkaufsfläche anbieten und nach der derzeitigen Interpretation öffnen dürften. Bei Einhaltung der gleichen Schutzmaßnahmen gebe es keinen Grund für eine Ungleichbehandlung und die damit verbundene Verletzung von Art. 3 GG. Damit habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Öffnung auf einer Maximalfläche von 800 m². Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsgrund gegeben. Die Antragstellerin habe Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine besondere Eilbedürftigkeit begründeten. Ohne die Eröffnung der Verkaufsfläche drohe der Verlust von Arbeitsplätzen wie auch die Insolvenz des Unternehmens. Die besondere Situation werde erschwert, da die Ware für das Frühjahr schon komplett geordert und bezahlt habe werden müssen und die korrespondierenden Einnahmen nicht erzielt werden könnten. Da es sich bei Modewaren um eine stark der jeweiligen Saison und dem aktuellen Trend unterworfene Ware handele, könne auch die derzeit eingekaufte Ware nicht zu einem späteren Zeitpunkt wirtschaftlich veräußert werden. Unter Abwägung der Güter und der hier betroffenen Interessen sei der Anordnungsgrund zu bejahen.
Auf den weiteren Vortrag im Antragsschriftsatz vom 24. April 2020 wird ergänzend verwiesen.
Der Antrag wurde dem Antragsgegner zur Stellungnahme zugeleitet. Eine Stellungnahme ist bislang nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
2. Es bestehen bereits Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist die Antragstellerin vorrangig auf einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem eventuellen Normenkontrollverfahren zu verweisen. Sie macht zur Antragsbegründung geltend, die Größe von 800 m² sei willkürlich gewählt. Der Verordnungsgeber habe dabei auf eine Fläche zurückgegriffen, die in einem völlig anderen Zusammenhang ihre Anwendung finde. Es lasse sich kein rechtfertigender Grund einer Ungleichbehandlung zwischen Läden finden, die von jeher eine maximale Fläche von 800 m² aufwiesen und denen, die diese entsprechend reduzierten. Auch sei ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben, da andere nicht existenznotwendige Geschäfte, wie etwa Baumärkte, einer Begrenzung nicht unterworfen seien, obgleich keine andersartige Infektionsgefahr bestehe. Damit wendet sie sich gegen einzelne in der 2. BayIfSMV getroffenen abstrakt generellen Regelungen; hierfür ist das Normenkontrollverfahren mit der Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes in § 47 Abs. 6 VwGO vorgesehen.
3. Der Antrag erweist sich jedoch auch als unbegründet.
Soweit man davon ausgehen wollte, dass der auf Feststellung gerichtete Antrag so zu verstehen ist, dass er sich vorbeugend gegen eine spätere Untersagungsverfügung gestützt auf § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 der 2. BayIfSMV richtet, wäre er gegen den falschen Antragsgegner gerichtet und schon deshalb unbegründet. Richtiger Antragsgegner der hier begehrten einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Berechtigung der Antragstellerin, ihr Einzelhandelsgeschäft auf einer Gesamtfläche von max. 800 m² zu betreiben, ist ausschließlich die Stadt… als zuständige Behörde zum Vollzug der 2. BayIfSMV.
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer hat vorliegend den in der Hauptsache gebotenen Streitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) für geboten erachtet, da sich das gerichtliche Verfahren auf den Eilrechtsschutz beschränkt.


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