Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Außervollzugsetzung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Die Regelungen zu Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperre sind voraussichtlich rechtmäßig.

Aktenzeichen  20 NE 21.924

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8706
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
12. BayIfSMV § 4, § 26
IfSG § 28a

 

Leitsatz

1. Der Verordnungsgeber darf bei der Pandemiebekämpfung nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine Maßnahme in der Wissenschaft als übereinstimmend gesichert bewertet wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verordnungsgeber darf bei der Pandemiebekämpfung nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine Maßnahme in der Wissenschaft als übereinstimmend gesichert bewertet wird . (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob und in welcher Form Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine angemessene Schutzmaßnahme darstellen, hat der Verordnungsgeber zu entscheiden. Dabei dürfte es sich um eine prognostische Abwägungsentscheidung handeln, welche dem Verordnungsgeber einen Beurteilungsspielraum eröffnet, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben durch eine in ihrem Verlauf und ihren Auswirkungen bisher nicht zuverlässig einzuschätzende Pandemie, vor der zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betroffenen derzeit zurücktreten. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die in Bayern lebt, begehrt mit ihrem Eilantrag die vorläufige Außervollzugsetzung der der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2020 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171), die mit Verordnung vom 25. März 2021 geändert wurde (BayMBl. 2021 Nr. 224).
Zur Begründung ihres am 30. März 2021 eingegangenen Eilantrags führt die Antragstellerin an, ihr Antrag richte sich insbesondere gegen die Kontaktbeschränkung (§ 4 12. BayIfSMV) und die nächtliche Ausgangssperre (§ 26 12. BayIfSMV). Sie sei alleinstehend und erst vor kurzem an ihren aktuellen Wohnort gezogen, sodass sie dort noch über keinen Freundeskreis verfüge. Nach der nochmaligen Verlängerung des Lockdowns sei ihre Psyche durch die Vereinsamung erheblich angegriffen. Die Ausgangssperre sei nach den Ergebnissen verschiedener Studien keine effektive Maßnahme. Die 7-Tages-Inzidenz sei kein geeigneter Richtwert, weil sie keine Rückschlüsse auf das Pandemiegeschehen zulasse. PCR-Tests seien enorm fehleranfällig und hätten keine Aussagekraft darüber, ob ein Mensch krank oder infektiös sei. Die Maßnahmen hätten viele negative Auswirkungen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und sogar erhöhte Sterblichkeit; dies hätten verschiedene (wissenschaftliche) Untersuchungen belegt. Es sei höchste Zeit, dass die Politik durch die Gerichte gezwungen werde, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu akzeptieren und aufhöre, weiteren Schaden anzurichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der nur teilweise zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
A.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist unzulässig, soweit er – über die konkret beanstandeten Bestimmungen in § 4 und § 26 12. BayIfSMV hinausgehend – die vorläufige Außervollzugsetzung der gesamten 12. BayIfSMV begehrt. Mit Ausnahme der Regelungen über die Kontaktbeschränkung (§ 4 12. BayIfSMV) und der inzidenzabhängigen nächtlichen Ausgangssperre (§ 26 12. BayIfSMV) hat die Antragstellerin keinerlei Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027 – juris Rn. 11). Hinsichtlich der Geltendmachung der Rechtsverletzung ist zunächst allein der Antragsteller gefordert; ihm obliegt es, die Rechtsverletzung selbst darzutun (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 41 m.w.N.).
B.
Soweit der Antrag zulässig ist, hat er in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag gegen § 4 und § 26 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg (2.). Auch eine Folgenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Maßnahmen nach §§ 4 und 26 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Die Bestimmungen in § 4 (Kontaktbeschränkung) und § 26 (Ausgangssperre) 12. BayIfSMV sind voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie sich bei summarischer Prüfung an die Vorgaben in § 28a IfSG halten. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Senatsentscheidungen vom 7. März 2021 (Az. 20 NE 21.524, BeckRS 2021, 3814 – Rn. 19 ff.), 12. Januar 2021 (Az. 20 NE 20.2933 – juris Rn. 37 ff.) und 19. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.129 – juris Rn. 12 ff.) verwiesen.
aa) Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 12. BayIfSMV bis zum 18. April 2021 (§ 1 Nr. 11 der Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV vom 25.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 124) zu verlängern wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) betrug am 30. März 2021 bundesweit 135 und in Bayern 140. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
bb) Einen Verstoß gegen § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vermag der Senat nicht zu erkennen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Senatsbeschluss vom 12. Januar 2021 (20 NE 20.2933 – juris Rn. 39 ff.) gelten gegenwärtig weiter. Die Gefährdungsprognose des Verordnungsgebers, dass eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 ohne die angegriffene Kontaktbeschränkung und die Ausgangssperre in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz von 100 erheblich gefährdet wäre, erweist sich auch gegenwärtig nicht als rechtsfehlerhaft (vgl. auch BayVGH, B.v. 7.3.2021 – 20 NE 21.524 – BeckRS 2021, 3814 – Rn. 24).
Das Vorbringen der Antragstellerin, die Wirksamkeit nächtlicher Ausgangssperren sei wissenschaftlich zweifelhaft oder unbelegt, greift nicht durch. Der Verordnungsgeber darf bei der Pandemiebekämpfung nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine Maßnahme in der Wissenschaft als übereinstimmend gesichert bewertet wird (vgl. BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20 f.). Auch der Einwand, der Wert der 7-Tage-Inzidenz sei kein geeigneter Richtwert, geht ins Leere. § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG legt fest, dass Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist. Dass der Gesetzgeber dabei seinen weiten Gestaltungsspielraum im Rahmen der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Auch die Heranziehung von PCR-Tests ist nicht grundsätzlich ungeeignet, um das Pandemiegeschehen abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28 m.w.N.; vgl. auch BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20 f.).
c) Die angegriffenen Maßnahmen sind bei summarischer Prüfung gegenwärtig auch verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen.
Ob und in welcher Form Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine angemessene Schutzmaßnahme darstellen, hat der Verordnungsgeber nach § 32 IfSG zu entscheiden. Dieser hat in einer dokumentierten Entscheidung die besonders gewichtigen infektiologischen Erfordernisse mit sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit nach § 28a Abs. 6 IfSG abzuwägen. Dabei dürfte es sich um eine prognostische Abwägungsentscheidung handeln, welche dem Verordnungsgeber einen Beurteilungsspielraum eröffnet, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BayVGH, B. v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 25). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist. Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu. Die Entscheidung, die Kontaktbeschränkungen und die nächtliche Ausgangssperre in Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 bis 18. April 2021 zu verlängern, wurde mit den hohen Infektionszahlen, einem diffusen Infektionsgeschehen und der durch besorgniserregenden Virusvarianten (VOC) hervorgerufenen zusätzlichen gefahren (deutlich höhere Übertragbarkeit und erhöhte Fallsterblichkeit) begründet (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 225). Diese Einschätzung ist gegenwärtig nicht rechtlich zu beanstanden (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris). Mit der Beschränkung der nächtlichen Ausgangssperre auf Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 hat der Verordnungsgeber eine örtlich differenzierende Regelung und damit – im Vergleich zur zuvor geltenden landesweiten Ausgangssperre – eine weniger eingriffsintensive Regelung getroffen (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 113 S. 3).
Angesichts des sich derzeit wieder deutlich verstärkenden Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für die Grundrechte der Normadressaten voraussichtlich nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die zum Teil tiefgreifenden Grundrechtseinschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung nach verschiedenen wissenschaftlichen Studien, auf die sich die Antragstellerin beruft, bei Betroffenen zu nicht unerheblichen Auswirkungen auf die physische und/oder psychische Gesundheit haben können (vgl. hierzu auch BVerfG, B.v. 1.5.2020 – 1 BvQ 42/20 – juris Rn. 10).
3. Selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgeht, ergibt eine Folgenabwägung, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen der Antragstellerin, uneingeschränkt soziale Kontakte zu pflegen und sich nachts ohne „gewichtige oder unabweisbare Gründe“ außerhalb der Wohnung zu bewegen, gegenwärtig überwiegen.
Das pandemische Geschehen verstärkt sich aktuell erneut. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 30. März 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-30-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland deutlich zu. Etwa seit dem 10. März 2021 hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 15.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-ges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Besorgniserregende Virusvarianten mit erhöhter Übertragbarkeit und potenziell schwereren Krankheitsverläufen tragen zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage bei. Effektive und sichere Impfstoffe sind seit Ende 2020 zugelassen, stehen aber noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung und werden derzeit vorrangig den besonders gefährdeten Gruppen angeboten. Das individuelle Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen bzw. statistischen Daten nicht abgeleitet werden. Auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen kann es zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Interessen der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben durch eine in ihrem Verlauf und ihren Auswirkungen bisher nicht zuverlässig einzuschätzende Pandemie, vor der zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 47 f.).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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