Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Freistellung negativ auf SARS-CoV-2 getesteter Erntehelfer von der häuslichen Quarantäne

Aktenzeichen  RN 14 E 20.1311

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18386
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
IfSG § 28 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Es reicht nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob die Schutzmaßnahme, konkret die häusliche Quarantäne sämtlicher Erntehelfer des Betriebs des Antragstellers ohne Unterscheidung, inhaltlich und zeitlich erforderlich und damit verhältnismäßig ist, beurteilt sich nach dem Infektionsgeschehen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anordnung einer vollständigen häuslichen Quarantäne für Erntehelfer und Ablehnung, dem Einsatz der negativ getesteten Erntehelfer während der angeordneten häuslichen Quarantäne als Erntehelfer für Erntearbeiten auf den Feldern zuzustimmen, ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten derzeit nicht zu beanstanden.  (Rn. 54 – 63) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 150.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zustimmung, dass die in seinem landwirtschaftlichen Betrieb unter häusliche Quarantäne gestellten negativ auf SARS-CoV-2 getesteten Erntehelfer das Anwesen ab sofort zum Zwecke der Erbringung der Gurkenernte und Feldpflege auf den vom Antragsteller bewirtschafteten Flächen verlassen dürfen.
Der Antragsteller führt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schwerpunkt im Anbau von Obst und Gemüse, insbesondere Erdbeeren und Gurken. Der Antragsteller bewirtschaftet eine landwirtschaftliche Fläche von ca. 350 ha, auf welcher derzeit in einem Umfang von rund 145 ha Einlegegurken angebaut und zur Aberntung reif sind. Zur Erbringung der Ernte beschäftigt der Antragsteller jährlich bis zu 1000 Saisonarbeitskräfte als Erntehelfer. Seit dem 26.6.2020 befinden sich 470 Personen als Erntehelfer auf seinen Anwesen in der A…straße … und dem B.weg … in C. Die vorwiegend aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien und anderen Drittstaaten stammenden Erntehelfer werden in Wohncontainern von 2-5 Personen – abhängig davon, ob es sich um einen Familienverbund oder Hausstand handelt – als Selbstversorger untergebracht. Die Erntehelfer sind für die Verrichtung ihrer Arbeit in 18 Gruppen eingeteilt. Die bewirtschafteten Felder befinden sich in einer Entfernung von zwischen 24 km und 31 km zu den Anwesen, in denen die Erntehelfer untergebracht sind.
Auf dem Betrieb des Antragstellers wurde am 24.7.2020 bei 7 Saisonarbeitskräften eine Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) nachgewiesen. Am gleichen Tag wurde für die Kontaktpersonen der Kategorie 1 (die Saisonarbeitskräfte, die in den Gruppen 9, 10, 17 und 18 eingeteilt waren) im Wege einer Allgemeinverfügung eine häusliche Quarantäne angeordnet. Für die restlichen im Betrieb tätigen Saisonarbeiter (die Saisonarbeitskräfte aus den anderen Gruppen) wurde eine häusliche Quarantäne angeordnet, wobei diese die Unterkunft zur Ausübung ihrer Tätigkeit verlassen durften.
Nach Durchführung weiterer Tests wurde am 25.7.2020 bekannt, dass sich die Anzahl der infizierten Saisonarbeitskräfte auf mindestens 174 Personen erhöht hatte, einzelne Testergebnisse standen zu diesem Zeitpunkt noch aus. Bei 294 Personen ergaben die Testergebnisse zu diesem Zeitpunkt negative Befunde.
Am Abend des 25.7.2020 wurde dem Antragsteller durch den Antragsgegner mündlich mitgeteilt, dass die sich auf den Anwesen in C., A.straße #0 und B.weg … befindlichen Personen ab sofort unter häuslicher Quarantäne stehen und niemand die Anwesen unbefugt verlassen oder betreten darf.
Mit Bescheid des Landratsamtes D. vom 27.7.2020 wurde die am 25.7.2020 getroffene mündliche Anordnung schriftlich bestätigt. Der Bescheid enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„1. Die bisher am 25.7.2020 durch das Gesundheitsamt D. getroffenen Anordnungen werden hiermit schriftlich bestätigt:
1.1. Mit sofortiger Wirkung wird für die Anwesen und die dazugehörigen Unterkünfte des Herrn E. und den dort befindlichen Personen in der A.straße … und im B.weg … in C. eine häusliche Quarantäne angeordnet. Die Anordnung gilt bis auf weiteres. Der Zeitpunkt der Beendigung wird in Absprache mit dem Gesundheitsamt D. noch festgelegt.
1.1. Allen auf den Anwesen befindlichen Personen ist in dieser Zeit untersagt, die Anwesen ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Ferner ist es untersagt, dass andere Personen ohne Zustimmung des Landratsamtes D. die Anwesen betreten.
(…)“
Aufgrund der hohen Zahl der Infizierten und der Tatsache, dass eine einzelne Unterscheidung hinsichtlich der Enge des Kontaktes nicht mehr möglich sei, sei in Abstimmung mit der Regierung von Niederbayern und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege beschlossen worden, den gesamten Betrieb mit allen Mitarbeitern sowie der Betriebsleitung einer häuslichen Quarantäne zu unterstellen. Gemäß §§ 28 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 2 IfSG könne bei Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern angeordnet werden, dass sie in geeigneter Weise abgesondert werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit notwendig sei. Die Absonderung (= häusliche Quarantäne) sei ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der weiteren Verbreitung der Krankheit. Für die Betroffenen weniger einschneidende gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. Eine weniger einschneidende Maßnahme sei aufgrund der hohen Infektionszahlen und der Tatsache, dass ein Kontakt der negativ getesteten Personen mit den Infizierten nicht vollständig ausgeschlossen hätte werden können, nicht möglich. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Der Antragsteller gibt an, er habe unmittelbar nach Kenntniserlangung der zunächst mündlich angeordneten Isolation am 25.7.2020 ebenfalls mündlich beim Antragsgegner die Erteilung der Zustimmung für das Verlassen der Unterkünfte und des Anwesens für die negativ getesteten Personen zum Zwecke der Einbringung der Gurkenernte beantragt. Die Aberntung der Gurken sei dringend erforderlich und nicht aufschiebbar. Der Antragsteller habe ein Konzept dargestellt, welches die Unterbindung von Kontakten zu nicht im Zusammenhang mit der Gurkenernte stehenden Dritten durch eine genaue Planung der Belegung der Gurkenflieger, die Verbringung der Saisonarbeitskräfte auf die Felder, die Überwachung der Einhaltung der Hygienevorschriften sowie der Unterbindung von unmittelbaren Kontakten zur Dritten vorsehe. Mit einem solchen Konzept könne sichergestellt werden, dass sich eine Infektion nicht auf dritte Personen erstrecke. Dieses Konzept sei mehrfach mündlich vorgestellt worden. Trotz dieses Konzepts sei eine Genehmigung zum Verlassen des Anwesens von Seiten der Antragsgegner jedenfalls zweimal abgelehnt worden, zuletzt mündlich am 27.7.2020.
Am 29.7.2020 wurden 3 weitere Testergebnisse bekannt. Eines war negativ, 2 positiv. Eine positiv getestete Person war bereits bei den Infizierten untergebracht, die andere jedoch bei den negativ Getesteten. Ob zwischen den Personen Kontakt bestanden habe, könne bis jetzt nicht ermittelt werden.
Der Antragsteller hat sich am 30.7.2020 schriftlich an den Antragsgegner gewandt und bei dieser unter Darstellung der wesentlichen Eckpunkte seines Hygienekonzeptes einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zum Verlassen der negativ getesteten Erntehelfer zum Zwecke der Ernte gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die E-Mail von Herrn Rechtsanwalt E. vom 30.7.2020, 7:47 Uhr an Frau F. vom Landratsamt D. verwiesen.
Nach dem Ergebnis der zweiten Reihentestung, das dem Antragsgegner seit dem Abend des 31.7.2020 bekannt ist, sind von 285 getesteten Personen 52 Personen positiv getestet worden. Diese Personen, die bisher bei den ursprünglich insgesamt 285 negativ getesteten Personen untergebracht waren, wurden umgehend nach Bekanntwerden des Testergebnisses von den restlichen 233 (negativ) getesteten Personen separiert.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 3.8.2020, der Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt am gleichen Tage, wurde der Antrag des Antragstellers, die negativ getesteten Erntehelfer für Erntearbeiten auf den Feldern während der angeordneten häuslichen Quarantäne dieser Personen einzusetzen, abgelehnt. Zweck des Infektionsschutzes sei es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG). Gemäß §§ 28 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 2 IfSG könne bei Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheider angeordnet werden, dass sie in geeigneter Weise abgesondert werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit notwendig sei. Die Absonderung (= häusliche Quarantäne) sei ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der weiteren Verbreitung der Krankheit. Für die Betroffenen weniger einschneidende gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. Da nicht nur schon Erkrankte bzw. Personen mit charakteristischen Symptomen, sondern auch infizierte Personen, die noch keine Krankheitszeichen zeigen, das Virus übertragen können, sei eine häusliche Isolation in jedem Fall erforderlich. Nur so könne die Weitergabe von SARS-CoV-2 an Dritte wirksam verhindert und Infektionsketten unterbrochen werden. Aufgrund der inzwischen vorliegenden Testergebnisse der zweiten Reihentestung der bisher negativ getesteten Personen sei bestätigt worden, dass trotz der stattgefundenen Separierung ein Kontakt der negativ Getesteten mit den Infizierten nicht auszuschließen sei. Aus der Gruppe der ursprünglich negativ Getesteten seien zwischenzeitlich 52 Personen positiv getestet worden (Testergebnisse vom 31.7.2020). Die Kontaktermittlung zu den neuen Infektionsfällen sei noch nicht abgeschlossen. Am 31.7.2020 seien bei einem umliegenden Betrieb mit ca. 500 Saisonarbeitern ebenfalls 43 Infektionen durch Labortest bestätigt worden. Es sei nicht auszuschließen, dass es einen Austausch bzw. Kontakte zwischen den Saisonarbeitern beider Betriebe gegeben habe. Die Entscheidung, die negativ getesteten Erntehelfer während der Quarantänezeit keine Erntearbeiten ausführen zu lassen, diene vor allem dem gesundheitlichen Schutz der Erntehelfer sowie dem Schutz der Bevölkerung. Eine Genehmigung des Antrages würde dazu führen, dass die Infektionsgefahr für die derzeit isolierten Mitarbeiter untereinander steige. Da dort noch unerkannte Infektionen nicht fernliegend seien, könnten sich diese etwa bei Begegnungen im Bus wie auch auf den Feldern deutlich weiterverbreiten als bei einer häuslichen Quarantäne ohne Ausnahme. Ein negativer Test belege nicht, dass keine Ansteckung vorliege. Negativ getestete Erntehelfer könnten die Infektion dennoch in sich tragen und damit durch einen Arbeitseinsatz nicht nur andere, sondern auch sich selbst massiv gefährden und schädigen. Dass eine Belegung der Gurkenflieger mit 18 bzw. 20 Personen zu den infektiologisch notwendigen Abständen führen würde, könne durch das vorgelegte Konzept in keiner Weise glaubhaft gemacht werden. Außerdem handele es sich bei der Ausübung der Erntearbeiten fast ausschließlich um schwere körperliche Arbeiten, die laut LGL bei Kontaktpersonen Kategorie 1 zu vermeiden seien. Die Quarantäne verfolge den legitimen Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und des Gesundheitssystems vor einer Überforderung. Wie die Erfahrungen der Entwicklung in Europa und weltweit gezeigt hätten, stelle das Corona Virus eine massive Bedrohung für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen sowie für das weitere Funktionieren der Gesundheitsversorgung dar. Aus Gründen des Infektionsschutzes sowie der Vorrangigkeit der Gesunderhaltung der Erntehelfer hätten die wirtschaftlichen Belange des Betriebes zurückzutreten. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Betriebes sei berücksichtigt worden, wiege allerdings weniger schwer als die bedrohten Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Für die 169 bereits eingangs positiv getesteten Erntehelfer ende die Quarantäne am 3.8.2020. Diese stünden also ab 4.8.2020 wieder als Erntehelfer zur Verfügung, so dass der wirtschaftliche Schaden durch den Einsatz dieser Erntehelfer gemindert werden könne.
Bereits am 29.7.2020 reichte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ein. Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Antragsgegners, wonach es allen auf den Anwesen befindlichen Personen während der Zeit der häuslichen Quarantäne untersagt sei, die Anwesen zu verlassen und will die Zustimmung erreichen, dass die bisher negativ getesteten Personen die Anwesen beschränkt auf die Erbringung der Erntetätigkeit ab sofort verlassen dürfen.
Es bestehe die Möglichkeit zur Einbringung der Ernte ohne Risiko einer Weiterverbreitung der Infektion. Dies könne durch folgende Maßnahmen sichergestellt werden:
– Einsatz ausschließlich negativ getesteter Mitarbeiter, welche sich derzeit in häuslicher Quarantäne auf den Anwesen des Antragstellers befänden,
– Belegung der Gurkenflieger mit 18 bzw. 20 Personen zzgl. Fahrer (anstelle der sonst üblichen 24 Personen zgl. Fahrer) um Abstände zu schaffen; sollten die Anzahl der negativ getesteten Mitarbeiter nicht ausreichen, um alle Flieger zu besetzen (derzeit etwa 14-15 Flieger besetzt), so blieben Gurkenflieger unbesetzt,
– Belegpläne für jeden Gurkenflieger, welche sicherstellten, dass die Mannschaft und deren Belegung täglich gleich bleibe und im Falle einer Erkrankung die Nachvollziehbarkeit der Kontaktpersonen sichergestellt sei,
– Einsatz jedes Gurkenfliegers mit der festgelegten Besetzung nur auf einem Feld, die Gurkenflieger verblieben am jeweiligen Einsatzort; im näheren Umkreis der Grundstücke befinde sich keine Wohnbebauung. Diese sei an der nahegelegensten Stelle ungefähr 2 km entfernt,
– Besetzung der Gurkenflieger mit Personen, welche in den Unterkünften gemeinsam oder in unmittelbarer Umgebung untergebracht seien,
– Durchführung regelmäßiger Tests auf die Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus,
– regelmäßige Desinfektion der Gurkenflieger und der Besatzung sowie Arbeiten mit Handschuhen,
– Verbringung der Besatzungen der Gurkenflieger jeweils gesondert zu dem jeweiligen Feld mit Bussen, welche sich bereits auf dem Anwesen des Antragstellers befänden,
– Busse würden von bereits auf den Anwesen des Antragstellers befindlichen Mitarbeitern gesteuert,
– Busse würden regelmäßig desinfiziert, die Mitarbeiter trügen während der Fahrt Schutzmasken,
– Überwachung des Verbots des Kontakts mit Dritten und des Verlassens der Felder, Fahrzeuge und Grundstücke durch vom Antragsteller privat beauftragtes Sicherheitspersonal,
– Einsatz von Dolmetschern vor Ort um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die Anweisungen verstünden,
– Kontaktlose Abladung der Gurken bei der Annahmestelle der Firma G. GmbH in H. Die Durchführung der Ernte der Gurken sei absolut dringlich und unaufschiebbar, ein Zuwarten mit einem daraus folgenden Totalausfall der Haupternte sei für den Antragsteller existenzbedrohend. Die Haupternte der Einlegegurken erfolge ca. im Zeitraum von Mitte Juli bis Mitte August. Die Biologie bzw. Ökologie der Gurkenpflanze erfordere eine Abernte der reifen Einlegegurken alle 3-4 Tage. Werde das vorgenannte Ernteintervall überschritten, erfolge für den Erzeuger bei Erreichen der sogenannten „Salatgurkengröße“ (größer 15 cm) keinerlei Vergütung mehr. Die sogenannten Salatgurken seien für den Antragsteller nicht vermarktungsfähig. Außerdem bedeute die Nichteinhaltung des Ernteintervalls für die Mutterpflanze enormen Stress. Nach ca. 2 Wochen ohne Ernte könnten die übergroßen Gurken nur noch beseitigt werden. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass sich die Mutterpflanze nach der zwischenzeitlichen Nichternte wieder erhole, dies benötige allerdings einen Zeitraum von etwa 2 Wochen, ehe diese überhaupt wieder kleine Früchte ansetzen könne. Zudem müssten, um den Gurkenpflanzenbestand gesund zu erhalten, im wöchentlichen Abstand Krankheiten bekämpft werden. Geschehe dies nicht oder nicht in dem vorgesehenen Turnus, drohe ein Befall des Bestandes mit sogenanntem falschen Mehltau. Dies könne nicht nur die Pflanzen bzw. deren Ertrag schädigen, sondern sogar zu deren Vernichtung oder Absterben führen. Mit der Beschränkung der häuslichen Quarantäne ohne die Möglichkeit, die vorgenannten Maßnahmen durchführen zu dürfen, drohe dem Antragsteller ein Totalausfall der Haupternte seiner Einlegegurken. Mit dem Ausfall der Haupternte, welche etwa 85% des jährlichen Umsatzes des Betriebs des Antragstellers ausmache, trete eine existenzgefährdende Situation ein. Der Gewinn des Betriebs im Jahr 2019 habe sich auf etwa 180.000 EUR belaufen. Daher werde von einem entgangenen Gewinn von zumindest 150.000 EUR ausgegangen. Hierbei unberücksichtigt sei noch der Schaden, der dem Antragsteller entstehe infolge der „nutzlos“ aufgewendeten Kosten einerseits und dem entgangenen Umsatz andererseits, der auf mindestens 3 Millionen EUR geschätzt werde.
Die im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens durchzuführende Interessenabwägung falle zugunsten des Antragstellers aus, da überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden.
Bereits der angegriffene Bescheid des Antragsgegners vom 27.7.2020 sei rechtswidrig. Der Antragsteller werde durch die Anordnung der häuslichen Quarantäne für alle auf den Anwesen befindlichen Personen ohne jede Unterscheidung und ohne Gestattung des Verlassens der Unterbringung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit in seinen Grundrechten auf Berufsausübung und Gewerbefreiheit nach Art. 12 GG und seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 2 BGB verletzt. Der Eingriff müsse daher notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig sein, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Es bestünden Möglichkeiten für weniger einschneidende Maßnahmen in Form der Gestattung des Verlassens der häuslichen Quarantäne zum Zwecke der Ausübung der Arbeitstätigkeit unter Einhaltung der Hygieneschutzvorschriften und des dargestellten Konzepts.
Die hinter der Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen stehende Zweckbestimmung bestehe nach der Begründung zur Allgemeinverfügung „Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7.5.2020, G54e-G8390-2020/1277-1“ darin, dass durch geeignete Maßnahmen eine Ausbreitung der Infektion mit dem SARS-CoV-2 soweit wie möglich zeitlich verlangsamt werde, um insbesondere mögliche Infektionsketten zu unterbrechen. Auch unter Beachtung dieser Zielsetzung sehe die Allgemeinverfügung selbst jedoch in Ziffer 4.4 die Möglichkeit zu einem Abweichen von der Isolation vor. Der Antragsteller unterfalle dieser Regelung, da er als Anbauer von Lebensmitteln ein Unternehmen der kritischen Infrastruktur darstelle.
Es könne weder Personal aus anderen Bereichen umgesetzt noch mit der Ernte zugewartet werden. Der Betrieb des Antragstellers sei bis dato Europas größter Erzeuger von Einlegegurken, allein aufgrund der Betriebsgröße sei eine Übertragung der erforderlichen Tätigkeiten auf außenstehende Dritte nicht möglich. Um die dringlichsten Arbeiten in Form einer zunächst einmaligen Beerntung der Felder durchzuführen, seien etwa 145 Arbeitsstunden pro Hektar erforderlich. Bei 145 ha Gurkenanbauflächen ergebe dies insgesamt rund 21.000 sofort erforderliche Arbeitsstunden. Bei einer Arbeitsleistung von durchschnittlich 9,5 Stunden pro Tag und pro Mitarbeiter sei bei voller Besetzung des Betriebs mit 480 Mitarbeitern die Durchführung einer einmaligen Beerntung der Flächen des Antragstellers in etwa 4,6 Tagen möglich. Bei den ursprünglich 294 negativ getesteten Personen auf den Anwesen des Antragstellers könnten etwa 2/3 der aktuellen Gurkenbestände abgeerntet werden, wodurch zumindest der derzeit drohende Totalausfall verhindert werden könne. Eine Vermischung von anderweitigen Arbeitskräften mit den Arbeitskräften des Antragstellers solle und müsse vermieden werden, um jegliches Risiko einer Verbreitung des Virus entgegenzutreten. Außerdem sei so kurzfristig nicht eine so hohe Anzahl an anderweitigen Arbeitskräften zu bekommen. Der Antragsteller sei auf den Einsatz der auf seinem Anwesen befindlichen Personen als Arbeitskräfte angewiesen, die Beerntung der Felder könne auch nicht durch Maschinen oder auf sonstige Weise bewerkstelligt werden.
Das Auftreten von 52 Neuinfektionen bedeute angesichts einer 14-tägigen Inkubationszeit nicht zwangsläufig, dass diese Infektionen unter den negativ getesteten Personen weitergetragen worden seien. Es sei nicht auszuschließen, dass die Infektion bereits zuvor durch die positiv getesteten Personen übertragen worden sei. Außerdem gehe es bei der beantragten Gestattung um die negativ getesteten Personen in der jeweils nach Durchführung eines Tests aktuellen Anzahl, hinsichtlich derer sogar eine Kontaktreduzierung auf die Gruppe der Gurkenfliegerbelegung geschaffen werden könnte und so der Kontakt zu anderen in Quarantäne befindlichen Personen weiter reduziert werde.
Auch die aus der Quarantäne entlassenen ursprünglich positiv getesteten Personen seien nicht ausreichend, um die dringend erforderlichen Feldarbeiten des Antragstellers allein durchzuführen. Zum einen sei nicht sichergestellt, dass diese tatsächlich weiter im Betrieb des Antragstellers verblieben und nicht nach Entlassung umgehend in die Heimat zurückkehrten, zum anderen sei selbst bei Verbleib dieser Personen nur ein Teil der erforderlichen Erntearbeiten möglich. Angesichts der Betriebsgröße des Antragstellers würden an sich alle Arbeiter benötigt.
Die Quarantäne habe für den Antragsteller existenzgefährdende Auswirkungen, da selbst bei frühestmöglicher Beendigung der Quarantäne ein Totalverlust sowohl der Ernte als auch der Gurkenpflanzen eintreten werde. Es sei völlig ungewiss, ob überhaupt und gegebenenfalls inwieweit ein Ersatz durch staatliche Leistungen erfolgen werde.
Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die angeordnete häusliche Quarantäne für die ursprünglich 294 negativ auf das SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen.
Die Entscheidung sei dringlich, weil der Totalverlust der Haupternte bei einem weiteren Zuwarten unausweichlich bevorstehe. Das Abwarten der Aufhebung der häuslichen Quarantäne bis zum Ablauf des Isolationszeitraums – welcher zudem völlig unklar sei – sei unzumutbar, da bis dahin die gesamte Gurkenernte der Saison 2020 realisiert sein werde. Der Betrieb des Antragstellers erbringe eine Ernteleistung von ca. 350 t pro Tag, der wirtschaftliche Umsatz liege bei ca. 5 Millionen EUR. Sollte beim Antragsteller die Gurkensaison 2020 ausfallen, so sei er weder in der Lage seine laufenden Darlehen weiter zu bedienen, noch Rückzahlungen für geleistete Vorschüsse auf die Gurken zu erbringen. Der Betrieb stehe damit im schlimmsten Fall vor der Existenzvernichtung.
Die Annahme, dass sich eine erhöhte Unfallgefahr durch die Arbeit auf den Feldern gegenüber der Isolation auf den Anwesen ergebe, sei durch nichts begründet und „aus der Luft gegriffen“.
Sowohl die eingesetzten bzw. einzusetzenden Dolmetscher als auch die Fahrer der Busse würden aus den bereits vor Ort befindlichen negativ getesteten Mitarbeitern ausgewählt werden. Die einzigen Dritten, welche eingesetzt werden würden, seien die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Diese könnten jedoch Abstände einhalten. Im Übrigen würden auch jetzt Überwachungsleistungen vor Ort erbracht, um die Anwesen des Antragstellers zu überwachen.
Für den Antragsteller wird sinngemäß beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass unter Bezugnahme auf Ziffer 1.2 des Bescheids des Antragsgegners vom 25.7. 2020, schriftlich übergeben am 27.7.2020, Aktenzeichen …, dem Verlassen der Anwesen A.straße #0 und B.weg # in C. für die dort befindlichen 294 am 24.7.2020 negativ auf das SARS-CoV-2 getesteten Personen ausschließlich zum Zwecke der Einbringung der Gurkenernte und Feldpflege auf den von dem Antragsteller bewirtschafteten Feldern unter Beachtung der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung der Infektionshygiene und des vom Antragsteller erstellten und dem Gericht mit der Antragsschrift vom 29.7.2020 auf den Seiten 5 und 6 beschriebenen Konzepts ausdrücklich zugestimmt wird,
hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, die Ziffern 1.1 und 1.2 des Bescheids des Antragsgegners vom 25.7.2020, schriftlich übergeben am 27.7.2020, Aktenzeichen
…, dahingehend abzuändern, dass den 294 auf den Anwesen A.straße … und B.weg … in C. befindlichen am 24.7.2020 negativ auf das SARS-CoV-2 getesteten Personen trotz der angeordneten häuslichen Quarantäne ausschließlich zum Zwecke der Einbringung der Gurkenernte und Feldpflege auf den von dem Antragsteller bewirtschafteten Flächen unter Beachtung der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung der Infektionshygiene und des vom Antragsteller erstellten und dem Gericht mit der Antragsschrift vom 29.7.2020 auf den Seiten 5 und 6 beschriebenen Konzepts gestattet wird, wiederum hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, über den Antrag auf Erteilung einer Zustimmung zum Verlassen der negativ getesteten Erntehelfer zum Zwecke der Gurkenernte und der Feldpflege erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller hätten erst am 30.7.2020 sein Konzept zur Beurteilung vorgelegt. Am 30.7.2020 um 9:00 Uhr habe die zweite Reihentestung der bisher einmal negativ getesteten Personen stattgefunden. Erst nach Vorliegen der Ergebnisse dieser Testungen am 31.7.2020 habe eine Entscheidung über die Ausnahme getroffen werden können.
Im Bescheid vom 27.7.2020 habe aufgrund der hohen Anzahl von Infizierten und der Tatsache, dass ein Kontakt der negativ getesteten Personen mit den Infizierten nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte, keine Unterscheidung zwischen Kontaktpersonen der Kategorie 1 und Verdachtspersonen vorgenommen werden können.
Die Quarantäneanordnungen seien jedem Infizierten am 30.7.2020 ausgehändigt worden. Bei einigen Personen sei aufgrund des zweiten negativen Testergebnisses am 29.7.2020 und einer eingehenden Befragung zu den Kontakten die Quarantäne am 29.7.2020 abends aufgehoben worden.
Bisher sei gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.7.2020 keine Klage erhoben worden.
Es handele sich bei dem Betrieb des Antragstellers nicht um ein Unternehmen der kritischen Infrastruktur im Sinne der Allgemeinverfügung zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen vom 7.5.2020. Als Auslegungshilfe könne zur Begriffsbestimmung auf die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-Kritisverordnung – BSI-KritisV) zurückgegriffen werden.
Aus dem vorgelegten Konzept des Antragstellers ergebe sich, dass es jedenfalls zu Kontakten der derzeit Isolierten mit Dritten käme. Auch wenn die Gurkenfelder abseits von Wohngebieten lägen, sei nicht ausgeschlossen, dass im Freien Begegnungen mit Dritten wie etwa Spaziergängern stattfänden. Zudem bestehe bei den Arbeiten eine erhöhte Unfallgefahr gegenüber der Isolation im Haus, sodass Kontakte etwa mit Rettungsdiensten oder medizinischen Personal wahrscheinlicher würden. Zuletzt sei nach dem Konzept der Einsatz von Dolmetschern und Sicherheitsdiensten geplant, die offenbar nicht zu dem Kreis der Isolierten gehörten. Wie hier ein Kontakt verhindert werden solle, ergebe sich nicht aus dem Konzept.
Die angegriffenen Maßnahmen würden den legitimen Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und des Gesundheitssystems vor einer Überforderung verfolgen. Würde die gerichtliche Anordnung wie seitens des Antragstellers gewünscht ergehen, wäre die Infektion außenstehender Dritter sowie derzeit noch nicht infizierter Mitarbeiter mit „COVID-19“ wahrscheinlicher. Die Inkubationszeit betrage bis zu 14 Tage. Daher könne trotz derzeit negativer Testung nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen Erntehelfer sich nicht doch infiziert haben. Aus infektionshygienischer Sicht sei insoweit ein derzeitiger Einsatz (vor Ablauf der Quarantänezeit) der negativ getesteten Erntehelfer nicht möglich. Die Infektionsgefahr der derzeit isolierten Mitarbeiter untereinander steige. Da bisher noch unerkannte Infektionen nicht fernliegend seien, könnten sich diese etwa bei Begegnungen im Bus wie auch auf den Feldern deutlich leichter weiterverbreiten, als wenn eine Quarantäne stattfinde. Gegenüber den somit bedrohten Rechtsgütern von Leben und Gesundheit wögen die Interessen des Antragstellers weniger schwer, auch wenn erhebliche finanzielle Einbußen vorlägen, die plausibel erschienen. Es sei keine substantiierte Darlegung dahingehend erfolgt, dass die Existenz des Betriebes gefährdet wäre. Bloße Umsatz- und Gewinnchancen seien nicht geschützt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
Die Anträge waren abzuweisen. Sie sind zum Zeitpunkt der Entscheidung zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Nach der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.
1. Der Antrag ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zulässig. Insbesondere steht ihm nicht § 123 Abs. 5 VwGO entgegen. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Ist damit in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu erheben und somit vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, so kann keine einstweilige Anordnung erlassen werden.
Hier kann das von dem Antragsteller begehrte Ziel in der Hauptsache allerdings nur mit einer Verpflichtungsklage erreicht werden. Dem Antragsteller geht es um die Erteilung einer Zustimmung zum Verlassen der unter häusliche Quarantäne gestellten negativ getesteten Erntehelfer zum Zwecke der Arbeit. Dieses Ziel ist mit einer Anfechtungsklage nicht zu erreichen. Allein mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer (bisher nicht erhobenen) Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners 27.7.2020 bzw. vom 3.8.2020 ist das Rechtsschutzziel des Antragstellers nicht zu erreichen. Dies kann nur im Wege einer Verpflichtungsklage bzw. im einstweiligen Rechtsschutz durch eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreicht werden.
Der Hauptantrag auf einstweilige Anordnung ist ausnahmsweise zulässig, obwohl er eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache besteht dann nicht, wenn die Entscheidung sowie deren Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten und wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlicht notwendig ist.
Ohne die Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung in diesem Fall würde dem Antragsteller kein effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG zuteil. Es entstünden erhebliche Nachteile, die in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden können und unzumutbar sind (Kopp-Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 14), wenn das Begehren des Antragstellers begründet wäre.
Der Antrag war im Interesse des Antragstellers nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO auszulegen. Das Gericht ist an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf allerdings über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Das Gericht hat das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt (BVerwG, U. v. 23.2.1993 – 1 C 16/87 – juris, Rn. 13). Der Antragsteller hat auf den Hinweis des Gerichts hin, dass der ursprünglich gestellte Antrag wegen der neuen Testergebnisse nicht mehr aktuell sein dürfte, explizit seinen Antrag aufrechterhalten und keinen neuen Antrag formuliert. Daher war der ursprünglich gestellte Antrag dieser Entscheidung zugrunde zu legen.
2. Die Anträge sind allerdings unbegründet.
Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, nicht aber einen Anordnungsanspruch.
Die Eilbedürftigkeit folgt schon aus den finanziellen Einbußen, die der Antragsteller zu erwarten hat, wenn er die reifen Gurken nicht ernten und vermarkten kann.
Der Antragsteller hat aber keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der häuslichen Quarantäne für die Erntehelfer für die Erledigung von Erntearbeiten und sonstigen dringenden Feldarbeiten.
a) Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, oder wenn sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Diese Ermächtigungsgrundlage knüpft demnach unter anderem daran an, dass Kranke konkret festgestellt worden sind.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG liegen hier vor. Auf dem Betrieb des Antragstellers wurden sowohl Kranke, als auch Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider festgestellt. Insgesamt wurden zum aktuellen Zeitpunkt in dem Betrieb des Antragstellers mittlerweile 226 Personen positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet. Die WHO hat am 11.3.2020 die weltweite Ausbreitung von Covid-19 zu einer Pandemie erklärt. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit als hoch ein, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Demnach sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm erfüllt, was seitens des Antragstellers auch nicht bestritten wird.
Unzweifelhaft können Schutzmaßnahmen nicht nur gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern (sog. „Störer“) erlassen werden, sondern auch gegenüber der Allgemeinheit oder (sonstigen) Dritten (sog. „Nichtstörer“), wenn ein Tätigwerden allein gegenüber „Störern“ eine effektive Gefahrenabwehr nicht gewährleistet, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 6.4.2020 – 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70, sowie B. v. 15.4. 2020 – 13 B 440/20.NE -, juris, Rn. 82 ff.; OVG Berlin-Bbg., B. v. 23.3.2020 – OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8; Nds. OVG, B. v. 29.5.2020 – 13 MN 185/20 -, juris, Rn. 24). So verhält es sich hier schon deshalb, weil aus tatsächlichen Gründen vielfach gar nicht klar ist, ob eine Person „Störer“ oder „Nichtstörer“ ist. Nach aktuellem Erkenntnisstand kann nämlich eine Übertragung des Virus durch eine infizierte Person schon bis zu drei Tage vor Symptombeginn oder auch bei einem asymptomatischen Verlauf der Erkrankung, den der Betroffene selbst gar nicht wahrgenommen hat, stattfinden. Es reicht mithin nicht aus, im Zusammenhang mit bevölkerungsbezogenen Maßnahmen, die darauf abzielen, infektionsrelevante soziale Kontakte zu unterbinden oder zumindest zu beschränken, allein „Störer“ in die Pflicht zu nehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 30.4.2020 – 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 30 f.; Rixen, Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, in: NJW 2020, 1097 (1101)). Dies zeigt schon die Tatsache, dass von den zum Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht negativ getesteten Erntehelfern mittlerweile 52 weitere Personen positiv getestet wurden und sogar Infektionen bei einem weiteren Anbaubetrieb in der Umgebung des Betriebs des Antragstellers nachgewiesen wurden.
Als Rechtsfolge sieht § 28 Abs. 1 IfSG vor, dass die zuständige Behörde die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ zu treffen hat, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Bei § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handelt es sich um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – „wie“ des Eingreifens – ist der Behörde jedoch ein Ermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-) Verbreitung der Krankheit geboten sind. Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen, welche durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird (BayVGH, B. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris). Schutzmaßnahmen sind nur erlaubt, soweit dies inhaltlich („soweit“) und zeitlich („solange“) erforderlich ist. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.
Ob die Schutzmaßnahme, konkret die häusliche Quarantäne sämtlicher Erntehelfer des Betriebs des Antragstellers ohne Unterscheidung, inhaltlich und zeitlich erforderlich und damit verhältnismäßig ist, beurteilt sich nach dem Infektionsgeschehen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat eine Güterabwägung zu erfolgen zwischen den Grundrechtseinschränkungen durch die getroffenen Maßnahmen einerseits und dem Schutz der Bevölkerung, insbesondere vulnerablen Personengruppen vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 und dem Ziel, eine Überforderung der Kapazitäten des Gesundheitssystems zu verhindern, andererseits.
Im Ergebnis wird hier deutlich, dass auf der Rechtsfolgenseite bei der Frage der Erteilung einer Ausnahme von der strikten Isolation für die Ernte der Gurken ein Ermessen auszuüben ist, im Rahmen dessen die Behörde den Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hatte (vgl. Art. 40 BayVwVfG).
Dem Gericht steht insoweit gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich die Befugnis zu, zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Derartige Ermessensfehler vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Im streitgegenständlichen Fall ist die vollständige häusliche Quarantäne auch der (aktuell) negativ getesteten Erntehelfer und die Verweigerung der Zustimmung zum Einsatz dieser (aktuell) negativ getesteten Personen zur Verrichtung der unbedingt erforderlichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf dem Betrieb des Antragstellers auch unter diesem Gesichtspunkt zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts als Schutzmaßnahme inhaltlich erforderlich und angemessen. Insofern ist dem im öffentlichen Interesse verfolgten Schutz des Lebens und der Gesundheit der Einzelnen sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems der Vorrang vor den auf Seiten des Antragstellers tangierten Grundrechten einzuräumen.
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, ist anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids zu ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). In dem streitgegenständlichen Bescheid finden sich ausreichende Erwägungen zur Ausübung des der Behörde zustehenden Ermessens. Die Behörde hat erkannt, dass ihr diesbezüglich ein Ermessen zusteht und hat dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise gebraucht.
Die vom Landratsamt gewählte Maßnahme, eine Isolation der Erntehelfer auf den Anwesen des Antragstellers, ist geeignet, das Ziel – die Ausbreitung der Corona-Infektion einzudämmen – zu erreichen. Es liegt auf der Hand, dass die Isolation geeignet ist, andere noch nicht infizierte Personen vor einer Infektion zu schützen.
Die vollständige Isolation der Erntehelfer ist nach den Ausführungen des Antragsgegners auch erforderlich. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass andere weniger einschneidende Maßnahmen, wie die Erlaubnis der bisher negativ getesteten Personen zum Verlassen der Quarantäne zur Ausführung von Erntearbeiten zur Erreichung des angestrebten Ziels, genauso geeignet wären. Der Antragsteller hat zwar ein Konzept vorgelegt, dass nach seiner Auffassung dazu geeignet ist, die unkontrollierte Weiterverbreitung des Virus zu stoppen. Auch bei Einhaltung der Vorgaben aus diesem Konzepts ist aber die Weiterverbreitung des Virus unter den bisher negativ getesteten Erntehelfern nicht ausgeschlossen. Es können nicht nur schon erkrankte bzw. Personen mit charakteristischen Symptomen das Virus übertragen, sondern auch infizierte Personen, die noch keine Krankheitszeichen zeigen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass unter den nach den aktuellen Ergebnissen negativ getesteten Personen sich weitere Personen befinden, die sich bereits infiziert haben. Diese Befürchtung ist insbesondere deshalb realistisch, weil unter den anfänglich negativ getesteten Personen 52 zwischenzeitlich positiv getestete Personen sind. Diese mittlerweile positiv getesteten Erntehelfer waren allerdings bis zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Testergebnisse am 31.7.2020 abends gemeinsam mit den übrigen 233 negativ getesteten Personen untergebracht. Es ist daher naheliegend, dass eine Weiterverbreitung des Virus während der gemeinsamen Unterbringung stattgefunden haben kann. Die Zustimmung zum Einsatz von Erntehelfern mit bisher noch unerkannten Infektionen führt aber dazu, dass die Infektionsketten nicht unterbrochen werden können und die Infektion weiter verbreitet wird. Diese Gefahr besteht sowohl durch die Belegung der Gurkenflieger mit gegebenenfalls unerkannt infizierten Personen als auch durch die notwendigen gemeinsamen Busfahrten, um überhaupt auf die Felder zu gelangen. Auch eine Belegung der Gurkenflieger mit 18 bzw. 20 Personen führt nicht dazu, dass die infektiologisch notwendigen Abstände gesichert eingehalten werden können. Der Antragsteller hat hierzu in dem von ihm vorgelegten Konzept keine näheren Angaben gemacht. Weder ist aus dem Konzept die Größe der eingesetzten Gurkenflieger zu erkennen, noch der tatsächlich zwischen den einzelnen Erntehelfern bestehende Abstand, noch nähere Ausführungen zum tatsächlich geplanten Besatz der Gurkenflieger. Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei der Gurkenernte um eine körperlich anstrengende Arbeit handelt und insbesondere bei höheren Temperaturen wie sie im Hochsommer typischerweise auftreten können, die vermehrte Ausströmung von Aerosolen, die die Verbreitung des Virus begünstigen können, zu befürchten steht. Auch eine Weiterverbreitung des Virus durch den gemeinsamen Einsatz von Arbeitsgeräten ist nicht vollständig ausgeschlossen.
Die vom Antragsgegner getroffene Maßnahme ist auch angemessen. Die sich aus der Quarantäne für den Antragsteller ergebenden Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen, die sie bewirken sollen. Auch wenn die Quarantäne gravierende wirtschaftliche Auswirkungen für den Antragsteller haben mag, so ist diesen Auswirkungen jedoch gegenüberzustellen, dass die Maßnahme einen Beitrag zur Eindämmung der Corona-Infektion leistet. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch COVID-19 wird derzeit insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch. Schwere Krankheitsverläufe treten in allen Bevölkerungsgruppen auf, auch junge Personen ohne Vorerkrankungen können von dem Virus schwer betroffen sein. Deshalb verfolgen die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitsdienstes das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern (vgl. dazu die Homepage des Robert Koch-Instituts: https:// www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirsu/Risikobewertung.html). Insbesondere aufgrund der Gefahr schwerer Verläufe und der dadurch entstehenden Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems ist es von dem Antragsteller hinzunehmen, dass auch die derzeit negativ getesteten Erntehelfer vollumfänglich in Quarantäne bleiben müssen und nicht die Quarantäne zur Erntehilfe verlassen können. Nur so ist eine Weiterverbreitung des Virus zu unterbinden.
Dass der Antragsgegner die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen. Die streitgegenständlichen Regelungen beruhen im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten über zum Beispiel Sprechen, Husten oder Niesen im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Bei der Übertragung spielen zudem Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, eine Rolle. Die dadurch entstehenden Ansteckungsgefahren sind zwar noch nicht abschließend untersucht. Das Robert Koch-Institut geht unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Studien aber davon aus, dass SARS-CoV-2-Viren über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang übertragen werden können. Schließlich sind nach gegenwärtigen Erkenntnissen auch Schmierinfektionen durch das Berühren derselben Gegenstände nicht auszuschließen, die zu neuen Infektionsketten führen können (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html#doc13776792bodyText1, Stand: 26. Juni 2020, und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, Welchen Vorteil bringt Abstand halten bzw. die Beschränkung sozialer Konta…, Welche Rolle spielen Aerosole bei der Übertragung von SARS-Co…, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 15. Juni 2020).
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner eine vollständige häusliche Quarantäne der Erntehelfer angeordnet hat und es abgelehnt hat, dem Einsatz der negativ getesteten Erntehelfer während der angeordneten häuslichen Quarantäne als Erntehelfer für Erntearbeiten auf den Feldern zuzustimmen. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Anordnungsanspruch besteht daher weder für den geltend gemachten Hauptantrag noch für die beiden gestellten Hilfsanträge.
b) Ein Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung ergibt sich auch nicht aus Nummer 4.4 der Allgemeinverfügung „Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen, Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7.5.2020, Aktenzeichen G54e-G8390-2020/1277-1“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.7.2020, Aktenzeichen G7VZ-G8000-2020/122-487, nachdem die darin genannten Voraussetzungen nach vorläufiger Bewertung des Gerichts nicht vorliegen.
Nach der Allgemeinverfügung „Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7.5.2020 in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.7.2020 gelten die Regelungen der Allgemeinverfügung für sogenannte Kontaktpersonen der Kategorie 1 und für sogenannte Verdachtspersonen. Um Kontaktpersonen der Kategorie 1 handelt es sich bei Personen, denen vom Gesundheitsamt mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund eines engen Kontakts zu einem bestätigten Fall von Covid-19 nach den jeweils geltenden Kriterien des Robert Koch-Instituts Kontaktpersonen der Kategorie 1 sind.
Kontaktpersonen der Kategorie 1 müssen sich unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamtes gemäß Nummer 1.1 und bis zum Ablauf des 14. Tags nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19- Fall in Isolation begeben, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamtes erfolgt. Die Isolation hat nach Nummer 2.2 in einer Wohnung oder einem anderweitig räumlich abgrenzbaren Teil eines Gebäudes zu erfolgen. Kontaktpersonen der Kategorie 1 dürfen gemäß Nummer 2.3 Satz 1 während der Zeit der Isolation die Wohnung nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes verlassen.
Der Antragsgegner hat in Umsetzung dieser Allgemeinverfügung am 25.7.2020 mündlich eine Anordnung zur Isolation erlassen, die am 27.7.2020 schriftlich bestätigt wurde. Auch wenn der Bescheid des Antragsgegners als Rechtsgrundlage §§ 28 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG zitiert und die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7.5.2020 nicht erwähnt, handelt es sich nach dem Inhalt des vorliegenden Bescheids dennoch um eine Umsetzung der in der Allgemeinverfügung getroffenen Regelungen.
Nach Nummer 4.4 der Allgemeinverfügung kann bei Kontaktpersonen der Kategorie 1 im Einzelfall unter Beachtung von Auflagen zur Einhaltung der Infektionshygiene zum Schutz anderer Mitarbeiter von der Anordnung der Isolation abgewichen werden, sollte die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes in einem Unternehmen der kritischen Infrastruktur trotz Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten, wie der Umsetzung von Personal aus anderen Bereichen, durch die Isolation gefährdet sein.
Diese Entscheidung hat das zuständige Gesundheitsamt mit dem Bescheid vom 3.8.2020 getroffen. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Diese ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Antragsteller erfüllt schon nicht sämtliche in Nummer 4.4 der Allgemeinverfügung genannte Voraussetzungen. Es handelt sich entgegen der Annahme des Antragsgegners zwar um ein Unternehmen der kritischen Infrastruktur. Ausweislich der Begründung zu Nummer 4 handelt es sich bei allen Einrichtungen, die der Lebensmittelversorgung dienen um Bereiche der kritischen Infrastruktur. Dies ist bei dem Antragsteller im Hinblick auf den Gurkenanbau zweifellos der Fall. Nachdem in der Allgemeinverfügung selbst eine Definition für den Begriff „Unternehmen der kritischen Infrastruktur“ gegeben wurde, kann nach Auffassung des Gerichts nicht ohne weiteres auf eine davon abweichende Definition in einer anderen Regelung zurückgegriffen werden.
Die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs in dem Unternehmen des Antragstellers ist allerdings nach Auffassung der zur Entscheidung berufenen Kammer schon nicht trotz Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten gefährdet. Zwar müssten nach dem Vortrag des Antragstellers die Gurken mitten in der Erntehauptsaison innerhalb weniger Tage geerntet werden. Aufgrund der Größe des Betriebs genügen nicht nur einige wenige Arbeitskräfte, sondern ist eine hohe Zahl von Arbeitskräften erforderlich. Zur zeitnahen Erledigung der Erntearbeiten können aber ebenso die 169 ursprünglich positiv getesteten Erntehelfer herangezogen werden, für die am 3.8.2020 um 24:00 Uhr die Quarantäneverpflichtung endet. Es liegt an dem Antragsteller durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Erntehelfer dafür zu sorgen, dass ihm diese weiterhin für die Ernte zur Verfügung stehen. Von den ursprünglich 294 auf den Anwesen negativ getesteten Erntehelfer stünden zum momentanen Zeitpunkt auch nur noch 233 Personen zur Verfügung und es ist davon auszugehen, dass diese Zahl bei der nächsten Reihentestung wiederum erheblich nach unten gehen wird. Nach den Berechnungen des Antragstellers wäre aber eine so große Anzahl an Erntehelfern kurzfristig erforderlich, wie sie auch durch eine Erteilung der Zustimmung nicht geriert werden könnte. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass mittlerweile jedenfalls 10 Tage ohne Ernte verstrichen sind, so dass die in dieser Zeit herangereiften Gurken ohnehin nach Angaben des Antragstellers nicht mehr zu vermarkten sind, sondern zu entsorgen wären.
Außerdem kann auch unter Zugrundelegung des vom Antragsteller vorgelegten Konzepts eine weitere Verbreitung des Virus beim Einsatz der bisher negativ getesteten Erntehelfer nicht zuverlässig verhindert werden. Selbst wenn der Schutz anderer dem Betrieb nicht angehörender Personen durch die strikte Einhaltung des Konzepts gewährleistet sein mag, so gilt dies nicht für die Gefahr der Weiterverbreitung des Virus unter den eingesetzten Erntehelfern. Die von dem Antragsteller vorgeschlagenen Auflagen zur Einhaltung der Infektionshygiene sind zum Schutz anderer Mitarbeiter nicht ausreichend (vgl. dazu die Ausführungen unter 2 a)).
Auch aus Nummer 4.4 der Allgemeinverfügung „Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen“ vom 7.5.2020 in der Fassung vom 29.7.2020 ergibt sich daher kein Anspruch auf die Zustimmung zum Einsatz der negativ getesteten Personen als Erntehelfer auf den Feldern des Antragstellers.
c) Nachdem die Anordnung der häuslichen Quarantäne ohne Ausnahme für die negativ getesteten Erntehelfer durch den Antragsgegner nicht zu beanstanden ist, kann auch den Hilfsanträgen nicht stattgegeben werden.
Die Anträge waren nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt. Nach den Angaben des Antragstellers ist der durch den fehlenden Einsatz der Erntehelfer zur Ernte zu beziffernde Schaden bei mindestens 150.000 € anzusetzen. Dieser war daher auch bei der Streitwertfestsetzung zu Grunde zu legen.


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