Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Vergabe eines vorrangigen Corona-Impftermins wegen Diabetes

Aktenzeichen  20 CE 21.830

Datum:
29.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6338
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4
CoronaImpfV § 1 Abs. 1, Abs. 2, § 3

 

Leitsatz

1. Die chronische Erkrankung eines 45-Jährigen an Diabetes mellitus begründet keinen Anspruch auf Schutzimpfung mit hoher Priorität nach § 3 Abs. 1 CoronaImpfV. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Eilverfahren muss der Antragsteller vortragen, dass er sich gegenüber den anderen Anspruchsberechtigten innerhalb der Gruppe der Personen mit hoher Priorität in einer atypischen Sondersituation befindet und/oder ihm ein schwerer Nachteil entsteht, wenn er eine erste Schutzimpfung nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen erhält. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 8 E 21.352 2021-03-18 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der 45-jährige Beschwerdeführer, der an Diabetes mellitus leidet, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, ihm innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Termin für eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zu erteilen.
2. Mit Schreiben vom 4. März 2021 stellte der Antragsteller beim Gesundheitsamt Stadt und Landkreis Würzburg einen Antrag auf Erteilung eines Impfangebotes für Impfberechtigte der zweiten Prioritätsstufe mit hoher Priorität bis zum 11. März 2021. Nachdem er keine Antwort erhalten hatte, stellte er beim Verwaltungsgericht Würzburg einen Eilantrag nach § 123 VwGO mit dem Ziel, „die Antragsgegnerin“ im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Termin zum Erhalt einer Schutzimpfung nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV bis spätestens Ende März 2021 zu erteilen.
3. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat den Eilantrag mit Beschluss vom 18. März 2021 abgelehnt, weil der Antragsteller einen solchen Anspruch als Person mit hoher Priorität für eine Schutzimpfung (Priorisierungsstufe 2) im Rahmen der begrenzten Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe nicht glaubhaft gemacht habe.
4. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren weiter. Dass der Antragsteller nicht zur höchsten Prioritätsgruppe gehöre, stehe einem Impfanspruch nicht entgegen, weil Kapazitäten unausgeschöpft vorhanden seien (wird ausgeführt); maßgeblich sei nicht die Situation am Wohnort des Antragstellers, sondern in ganz Bayern. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Infolge seiner Vorerkrankung habe er ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Als Vater zweier Kinder, die den Kindergarten bzw. die Schule besuchten und wegen seiner Berufstätigkeit in Innenräumen sei er einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Bei der Entscheidung, welche Personen(gruppen) geimpft würden, greife der Antragsgegner auf einen technischen Algorithmus zurück, der intransparent sei und rechtlichen Anforderungen nicht genüge. Die Behauptung des Antragstellers, im den Impfzentren in Würzburg würden bisher nur Personen der höchsten Prioritätsstufe geimpft, treffe nicht zu.
Er beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Termin zum Erhalt der Schutzimpfung nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV innerhalb der nächsten zwei Wochen zu erteilen.
5. Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und beantragt deren Zurückweisung. Ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung bestehe nicht, weil im Impfzentrum der Stadt und des Landkreises Würzburg derzeit noch in der Gruppe der höchsten Priorität geimpft werde. Der Antragsteller habe auch keine stichhaltigen Gründe geltend gemacht, weshalb seine Impfung zu priorisieren sei.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
A.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Ablehnung des Eilantrags erweist sich im Ergebnis (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29b m.w.N.) als richtig. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Impfung nach der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung vom 10. März 2021 – CoronaImpfV – BAnz AT 11.03.2021 V1) innerhalb der nächsten zwei Wochen ab der Beschwerdeentscheidung des Senats hat.
1. Der Antragsteller hat zwar im Grundsatz nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV einen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, bei eingeschränkter Verfügbarkeit vorhandener Impfstoffe aber nicht auf eine Impfung mit höchster Priorität (§ 2 Abs. 1 CoronaImpfV). Der Senat kann aufgrund des Vortrags der Beteiligten nicht davon ausgehen, dass bereits sämtliche Impfwillige aus der Impfgruppe mit höchster Priorität ein Impfangebot erhalten haben. Die in der CoronaImpfV vorgenommene Priorisierung ist in der Sache nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – juris Rn. 16; B.v.16.2.2021 – 20 CE 21.442 – juris Rn. 4).
2. Einen Anspruch auf Schutzimpfung mit hoher Priorität (§ 3 Abs. 1 CoronaImpfV) innerhalb der nächsten zwei Wochen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
a) Der Antragsteller stützt einen Impfanspruch mit hoher Priorität aufgrund eines sehr hohen oder hohen Risikos für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 auf seine chronische Erkrankung an Diabetes mellitus. Das vorgelegte ärztlichen Attest vom 24. Februar 2021 bejaht lediglich allgemein eine Vorerkrankung nach „§ 3 Ziffer 2 der Impfverordnung“, ohne dass jedoch die hierunter angeführte Diagnose „Diabetes mellitus mit HbA1c > 7,4%“ angekreuzt ist (vgl. VG-Akte S. 16). Dem Attest lag offenbar § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f CoronaImpfV i.d.F.v. vom 8.2.2021 (gültig bis 23.2.2021) zugrunde; die bei Stellung des gerichtlichen Eilantrags bereits geltende Neufassung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g CoronaImpfV vom 10.3.2021 spricht dagegen ausdrücklich von „Diabetes mellitus mit Komplikationen“. Dass seine Diabetes-mellitus-Erkrankung Komplikationen verursacht hätte – und ggf. welche -, hat der der Antragsteller nicht vorgetragen. Damit ist dem Senat bereits eine zuverlässige Einordnung des Antragstellers in die Gruppe mit hoher Priorität und ggf. innerhalb der Gruppe nicht möglich.
b) Soweit sich der Antragsteller – bei unterstellter Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 CoronaImpfV – auf einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung oder gar Ermessensreduzierung auf Null beruft, hat er nicht vorgetragen, dass er sich gegenüber den anderen Anspruchsberechtigten innerhalb der Gruppe der Personen mit hoher Priorität (§ 3 CoronaImpfV) in einer atypischen Sondersituation befände und/oder ihm ein schwerer Nachteil entstünde, wenn er eine erste Schutzimpfung nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen erhielte (vgl. auch BVerfG, B.v. 22.2.2021 – 1 BvQ 15/21 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 20 CE 21.321 – juris Rn. 19). Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Staat bei Knappheit (von Studienplätzen) nicht willkürlich verteilen dürfe (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 19.12.2017 – 1 BvL 3/14 u.a. – BVerfGE 147, 253 – juris Rn. 108), geht ebenfalls ins Leere, weil hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine willkürliche Verteilung nicht glaubhaft gemacht wurden.
Für die Behauptung des Antragstellers, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen hinreichend Impfstoff verfügbar wäre, um alle Anspruchsberechtigten mit hoher Priorität zu berücksichtigen, hat der Antragsteller weder tragfähige Anhaltspunkte glaubhaft gemacht noch sind sie sonst wie ersichtlich.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; sie orientiert sich an der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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