Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen die coronabedingte Schließung von Modefachmärkten

Aktenzeichen  20 NE 21.475

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3810
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12, Art. 14
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28, § 28a, § 32

 

Leitsatz

1. Regional differenzierte Öffnungen von Einzelhandelsgeschäften in Landkreisen und kreisfreien Städten mit niedrigeren Infektionszahlen sind bei landes- bzw. bundesweit über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind nicht mit der Regelung in § 28a Abs. 3 IfSG vereinbar. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 6 Satz 3 IfSG den Infektionsschutzbehörden bei bereichsspezifischen Differenzierungen in einem Gesamtkonzept einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragstellerin, die an fünf Standorten in Bayern Modefachmärkte für Textilien und Schuhe betreibt, begehrt mit ihrem Eilantrag die vorläufige Außervollzugsetzung der § 2 Satz 2 Nr. 4, § 12 Abs. 1 Satz 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737), zuletzt geändert am 12. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 112).
2. Zur Begründung ihres Eilantrags vom 16. Februar 2021 führt sie an, infolge der pandemiebedingten Betriebseinschränkungen vom 16. Dezember 2020 bis zum 7. Februar 2021 einen Umsatzeinbruch von 882.565 Euro erlitten zu haben (Umsatzrückgang von 99,8% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019/2020). Die laufenden Kosten lägen derzeit bei täglich 4.690,28 Euro; bis 7. März 2021 fielen damit Fixkosten von mindestens 384.602,57 Euro an. Im ersten Lockdown (18.3 bis 10.5.2020) habe sie bereits eine Umsatzeinbuße von 855.970 Euro erlitten. Staatliche Hilfen seien bislang nicht an sie ausbezahlt worden. Die Antragstellerin habe ein Schutz- und Hygienekonzept etabliert. Im gesamten Zeitraum des ersten und zweiten Lockdowns habe es bei ihr keinen Verdachts- oder Positivfall von SARS-CoV-2 gegeben.
In rechtlicher Hinsicht rügt die Antragstellerin die Verletzung ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), ihrer Eigentumsfreiheit in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG), der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 GG macht sie geltend, durch die Unverkäuflichkeit der Textilwaren für die Wintersaison schwer in ihrem Gewerbebetrieb getroffen zu sein. Die Ermächtigungsgrundlage in §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG verstoße gegen den Parlamentsvorbehalt. Grundrechtseingriffe erfolgten weiterhin ausschließlich durch die Exekutive, die allein entscheide, welche schwerwiegend eingreifenden Schutzmaßnahmen konkret und inzidenzabhängig in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten zu ergreifen seien. Mit § 5 Abs. 1 Satz 4 IfSG habe der Gesetzgeber seine ureigene Kompetenz an die WHO ausgelagert. Die durch die angegriffenen Bestimmungen in Anspruch genommene Allgemeinheit könne auf Grundlage des § 28 Abs. 1 IfSG – auch nicht unter Verweis auf den sog. Nichtstörer – zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Die undifferenzierte Inanspruchnahme aller Textilbetriebe sei nicht vom objektivierten Willen des Gesetzgebers umfasst. Es gebe keine wissenschaftliche Evidenz, dass Textilhandelsunternehmen als „Treiber“ der Pandemie anzusehen seien. Untersuchungen der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hätten keine erhöhte Infektionsgefährdung durch SARS-CoV-2 im Einzelhandel festgestellt.
Die angegriffenen Regelungen verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in der Ausprägungsform des Folgerichtigkeitsgebots. Es liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Textilhandels mit dem Handel von Lebensmitteln, Sanitätshäusern, Reinigungen und Waschsalons, dem Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermitteln sowie – ab 1. März 2021 – mit Friseurbetrieben vor. Dass sog. Vollsortimenter weiterhin Textilien verkaufen dürften, sei ebenfalls gleichheitswidrig. Das Gebot der Folgerichtigkeit bzw. Systemgerechtigkeit sei auf das Gesundheitsgefahrenabwehrrecht übertragbar. Identischen Gefährdungen dürfte bereichsübergreifend nicht unterschiedliches Gewicht beigemessen werden. Das Schutzkonzept des Verordnungsgebers, das die Antragstellerin beschreibt, sei systemwidrig. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Öffnung jeder Art von Ladengeschäften des Lebensmittelhandels unter Einhaltung von Schutz- und Hygieneauflagen als nicht so gefährlich eingestuft werde, sodass ihre Öffnung gestattet und nur unter einen repressiven Sanktionsvorbehalt gestellt werde, im Gegensatz dazu aber Betriebe des Textilhandels unter ein Totalverbot gestellt würden. Für die Öffnung von Friseuren ab 1. März 2021 gebe es keinen nachvollziehbaren Grund. Nicht epidemiologisch zu erklären sei auch die Zulassung des Profisports.
Die angegriffenen Regelungen seien unverhältnismäßig. Die vom Gesetzgeber normierten Inzidenzwerte von 35 und 50 seien willkürlich. PCR-Tests hätten keine Aussagekraft hinsichtlich der Infektiosität. In ihren Filialen habe sich in der Vergangenheit niemand angesteckt. Jedenfalls sei das Totalverbot nicht erforderlich, weil sich ihr Hygienekonzept bewährt habe. Auch eine Studie der TU Berlin zeige, dass das Infektionsrisiko in Ladengeschäften mit Maske und einer Besuchsdichte von 10 m2/Person nur unwesentlich höher sei als in einem Supermarkt. Die „Breitbandrestriktionen“ seien auch unangemessen, zumal Hochrisikogruppen besser geschützt werden sollten. Die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 18. Februar 2021 (Az. 1 S 398/21) sei verfehlt. „Shopping-Tourismus“ sei nicht notwendig mit flächendeckenden Betriebsschließungen auf Grundlage bundesweiter Inzidenzwerte zu begegnen. Die Öffnung des Lebensmittelhandels sei unter dem Aspekt der Grundversorgung nicht zu rechtfertigen, weil deren Sortimente z.B. auch Textilien und Bürobedarf umfasse.
Auch eine Folgenabwägung falle zu ihren Gunsten aus. Die Antragstellerin habe ein weiteres Mal (zweiter Lockdown) ein Totalverbot ihrer Berufsausübung mit den damit einhergehenden erheblichen wirtschaftlichen Einbußen zu erdulden.
Die Antragstellerin beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung die in §§ 2 [Satz 2] Nr. 4, 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020, zuletzt geändert am 12. Februar 2021, enthaltenen Bestimmungen bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen,
hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung die in §§ 2 [Satz 2] Nr. 4, 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020, zuletzt geändert am 12. Februar 2021, enthaltenen Bestimmungen in Landkreisen und kreisfreien Städte mit einer 7-Tagelnzidenz von unter 50 bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen,
höchst hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung die in §§ 2 [Satz 2] Nr. 4, 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020, zuletzt geändert am 12. Februar 2021, enthaltenen Bestimmungen in Landkreisen und kreisfreien Städte mit einer 7-Tagelnzidenz von unter 35 bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
A.
Der nur zum Teil zulässige Hauptantrag hat keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag ist zulässig, soweit er sich gegen die Betriebsschließung in § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV richtet. Soweit sich die Antragstellerin zudem gegen § 2 Satz 2 Nr. 4 11. BayIfSMV wendet, kann sie als Betreiberin geschlossener Modefachmärkte keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Die Regelung erlaubt der Bevölkerung das Verlassen der Wohnung für Versorgungsgänge, Einkauf und Besuch von Dienstleistungsbetrieben in dem nach §§ 12, 13 11. BayIfSMV zulässigen Ausmaß. Auch wenn die Betriebsschließung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV vorläufig ausgesetzt würde, wäre den Kunden das Verlassen der Wohnung zum Zweck des dortigen Einkaufs durch § 2 Satz 2 Nr. 4 11. BayIfSMV nicht verwehrt.
2. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (a.) bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg (b.). Auch eine Folgenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus (c.).
a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
b) Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung abzulehnen, weil der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
aa) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffene Schutzmaßnahme nach § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV mit § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.). Auf die angeführte Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Die Einwendungen der Antragstellerin zum Parlamentsvorbehalt rechtfertigen keine andere Einschätzung. Nicht erkennbar ist, inwiefern der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und Satz 4 IfSG seine Gesetzgebungskompetenz an die WHO ausgelagert hätte. Die Feststellung, dass eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt, trifft der Bundestag auf Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. auch BT-Drs. 19/24334 S. 70). Die früheren Zweifel des Senats zur Wahrung des Parlamentsvorbehalts hat der Gesetzgeber mit den Änderungen des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) weitgehend ausgeräumt. Dass die Exekutive auf Grundlage der § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a IfSG über die konkreten Schutzmaßnahmen entscheidet, ist grundsätzlich zulässig, solange das Gesetz die Reichweite und Grenzen des exekutiven Handelns vorgibt, was durch § 28a IfSG voraussichtlich der Fall ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 28), und der Verordnungsgeber diese Vorgaben einhält.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ermächtigen die § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a IfSG nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers auch zu Schutzmaßnahmen gegenüber Nichtstörern (vgl. eingehend BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – BayVBl 2020, 707 – juris Rn. 38 zu § 28 Abs. 1 IfSG a.F.). Dem Wortlaut des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht entnommen werden, dass die Schließung bestimmter Bereiche des Einzelhandels vom objektivierten Willen des Gesetzgebers nicht mehr umfasst wäre.
bb) Die angegriffene Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV steht mit der Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14, § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Einklang und erweist sich bei summarischer Prüfung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig.
(1) Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen des Senats in den Beschlüssen vom 5. November 2020 (Az. 20 NE 20.2468 – juris Rn. 14 ff.) und 12. November 2020 (Az. 20 NE 20.2463 – juris Rn. 33 ff.) Bezug genommen. Diese Erwägungen gelten im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Grundsatz fort.
(2) Sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 11. BayIfSMV bis zum 7. März 2021 (vgl. § 1 Nr. 9 der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 112) nochmals zu verlängern, als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor. Nach dem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 24. Februar 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-24-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Alten- und Pflegeheimen. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 24. Februar 2021 bundesweit 59 und in Bayern 55. Wegen der Überschreitung dieses Schwellenwertes sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
(3) Soweit die Antragstellerin regional differenzierte Öffnungen von Einzelhandelsgeschäften in Landkreisen und kreisfreien Städten mit niedrigeren Infektionszahlen für ein gleichwertiges milderes Mittel hält, kann sie nicht durchdringen. Bei einer bundes- bzw. landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundes- bzw. landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 9 und 10 IfSG). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber bei einem Infektionsgeschehen von bundes- bzw. landesweit über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen eine Infektionsbekämpfung nach einer bundes- bzw. landesweit möglichst einheitlichen Strategie erreichen, um mögliche infektiologische Wechselwirkungen und Verstärkungen zwischen einzelnen Regionen auszuschließen und die Akzeptanz der erforderlichen schwerwiegenden Maßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 35).
cc) Die Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV erweist sich zur Erreichung der Ziele des zugrundeliegenden Schutzkonzepts voraussichtlich auch als verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen.
(1) Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Schließung von Einzelhandelsbetrieben mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes eine grundsätzlich zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme ist. Davon ist der Gesetzgeber durch den Erlass des mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügten § 28a IfSG ausgegangen. Zwar sind die dadurch eingeräumten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden und damit vor allem des Verordnungsgebers nach § 32 IfSG, Untersagungs- und Beschränkungsmaßnahmen für ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie allgemeine Verhaltenspflichten für jedermann zur Bekämpfung von COVID-19 zu erlassen, zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Befugnisse allein auf das Ereignis der Corona-Pandemie zugeschnitten sind und jedenfalls flächendeckend nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag erlassen werden können. Dadurch hat der Bundestag eine Gefährdungseinschätzung durch die Corona-Pandemie, welche sowohl Gefahrenabwehr- als auch Gefahrenprognoseelemente (vgl. BVerwG, U. v. 28.6.2004 – 6 C 21.02 – BeckRS 2004, 25030) enthält, zum Ausdruck gebracht, welche grundsätzlich solch einschneidende Maßnahmen voraussichtlich rechtfertigen kann. Dass der Bundestag hier seinen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Bei der Entscheidung über die weitere Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite muss ggf. die Sach- und Interessenlage neu abgewogen werden. Deswegen greifen die Einwendungen der Antragstellerin, die Schließung von Einzelhandelsbetrieben sei nicht geeignet und erforderlich, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, nicht durch.
(2) Soweit die Antragstellerin die Inzidenzwerte von 35 bzw. 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tage für willkürlich erachtet, ist deren Anwendung als Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen inzwischen durch den Gesetzgeber vorgegeben (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG). Auch das Vorbringen der Antragstellerin, PCR-Tests könnten keine Infektiosität nachweisen, greift nicht durch. PCR-Tests sind grundsätzlich nicht ungeeignet, um die Infektionsgefahr von SARS-CoV-2 abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; OVG NW – B.v. 30.11.2020 – 13 B 1658/20.NE – juris Rn. 32 f.).
(3) Bei summarischer Beurteilung ist vorliegend auch kein gleich wirksames, die Normbetroffenen weniger belastendes (milderes) Mittel erkennbar. Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem starken diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. auch Begründung vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 113, S. 2), ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass vordringlich auf Einhaltung von Abstand und Hygiene ausgerichtete Maßnahmen weiterhin nicht genügen, sondern die Kontakte der Bevölkerung insgesamt stärker unterbunden werden müssten, um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen, voraussichtlich nicht fehlerhaft. Die von der Antragstellerin angeführten Studien zu den Infektionsrisiken mit SARS-CoV-2 in Einzelhandelsgeschäften rechtfertigen deshalb kein anderes Ergebnis.
(4) Erfolglos bleibt auch der Vortrag der Antragstellerin, an Stelle von „Breitbandrestriktionen“ sollten in erster Linie Hochrisikogruppen bestmöglich geschützt werden. Der Staat ist verfassungsrechtlich keineswegs darauf beschränkt, den Schutz gesundheits- und lebensgefährdeter Menschen allein durch Beschränkungen ihrer eigenen Freiheit zu bewerkstelligen. Vielmehr darf er Regelungen treffen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 20 NE 20.1065 – juris Rn. 33).
(5) Auch gegen die Angemessenheit der weitreichenden Betriebsschließungen im Einzelhandel bestehen derzeit keine durchgreifenden Bedenken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese nicht zuletzt wegen ihrer Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen der Betreiber führen und damit deren Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schwer beeinträchtigen und ggf. im Einzelfall – mit zunehmender Dauer – auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreifen können.
Ob Betriebsschließungen in der konkreten Situation im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine angemessene Schutzmaßnahme darstellen, hat der Verordnungsgeber nach § 32 IfSG zu entscheiden. Dieser hat in einer dokumentierten Entscheidung die besonders gewichtigen infektiologischen Erfordernisse mit sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit nach § 28a Abs. 6 IfSG abzuwägen. Dabei dürfte es sich um eine prognostische Abwägungsentscheidung handeln, welche dem Verordnungsgeber einen Beurteilungsspielraum eröffnet, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BayVGH, B. v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 25). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist. Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu. Insoweit enthält die Begründung der 11. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 5) lediglich Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber angesichts der dramatischen Situation der Reduzierung der Kontakte einen unbedingten Vorrang einräumen wollte. Bei der Verlängerung der Maßnahmen, zuletzt mit Verordnung vom 12. Februar 2021, ging der Verordnungsgeber davon aus, dass die Schließung u.a. der (nicht privilegierten) Einzelhandelsbetriebe mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen fortgeführt werden muss (vgl. Begründung, BayMBl. 2021 Nr. 113 S. 1).
Diese Einschätzung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht rechtlich zu beanstanden (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20). Angesichts des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die wirtschaftlichen Folgen für die Betreiber derzeit nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe. Die verbesserte epidemische Lage seit dem Verordnungserlass der 11. BayIfSMV am 15. Dezember 2010 bietet gegenwärtig noch keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung, zumal die Auswirkungen der sich rasch verbreitenden mutierten, wohl ansteckenderen Virusvarianten (VOC) auf die Gefährdungslage in Deutschland (vgl. oben Rn. 24) gegenwärtig noch nicht sicher abgeschätzt werden können.
dd) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich ebenfalls nicht vor.
(1) Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 – juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 – juris Rn. 40 ff.).
Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 6 Satz 3 IfSG den Infektionsschutzbehörden bei bereichsspezifischen Differenzierungen in einem Gesamtkonzept einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist. Wichtige Gründe des Gemeinwohls können solche Ausnahmen rechtfertigen; insbesondere können die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten berücksichtigt werden (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 74).
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die Ungleichbehandlung der geschlossenen Einzelhandelsbetrieben mit den von der Antragstellerin angeführten Vergleichsgruppen bei summarischer Prüfung nicht als sachwidrig.
(a) Soweit der Einzelhandel der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs dient, unterscheidet er sich von Einzelhandelsbetrieben, deren Sortiment schwerpunktmäßig nicht auf solche Güter ausgerichtet ist. Dass in Supermärkten teilweise auch Textilwaren angeboten werden, ändert daran nichts. Das Abstellen auf den Schwerpunkt des jeweiligen Sortiments ist als generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung (vgl. nur BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 32) voraussichtlich nicht sachwidrig, zumal der Verordnungsgeber eine Ausweitung solcher „Nebensortimente“ in § 12 Abs. 1 Satz 3 11. BayIfSMV untersagt hat.
(b) Soweit sich die Antragstellerin auf eine Ungleichbehandlung mit den ab 1. März 2021 geöffneten Friseuren beruft, ist diese Regelung noch nicht wirksam. Hinzu kommt, dass es sich bei einem Friseurbetrieb wohl um keinen im wesentlichen gleichen Sachverhalt mit dem Betrieb eines Modehauses handelt. Letzteres gilt auch für die von der Antragstellerin benannte Vergleichsgruppe des Profisports.
(c) Auch soweit sich die Antragstellerin auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Folgerichtigkeitsgebot beruft, hat sie keinen Erfolg. Hiernach ist der Normgeber gehalten, einmal getroffene Systementscheidungen folgerichtig umzusetzen (vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Stand August 2020, Art. 3 Abs. 1 Rn. 408 ff.; Wollenschläger in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 199). Zwar sind Gefahreinschätzungen nicht schlüssig, wenn identische Gefährdungen in denselben oder in anderen, aber dieselbe Materie betreffenden Gesetzen unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (vgl. BVerfG, U.v. 30.7.2008 1 BvR 3262/07 u.a. – BVerfGE 121, 317 – juris Rn. 135; B.v. 11.2.2003 – 1 BvR 1972/00 u.a. – BVerfGE 107, 186 – juris Rn. 43). Die Antragstellerin verkennt indessen, dass der Verordnungsgeber seiner Differenzierung nach geöffneten und geschlossenen Betrieben in § 12 Abs. 1 11. BayIfSMV nicht den infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrad, sondern die Bedeutung des Angebots für die tägliche Grundversorgung der Allgemeinheit zugrunde gelegt hat (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 4; vgl. auch BT-Drs. 19/24334 S. 74).
c) Aber auch wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgeht, ergibt die dann vorzunehmende Folgenabwägung, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen der Antragstellerin an einer Öffnung ihrer Einzelhandelsbetriebe (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und ggf. Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) überwiegen.
Das pandemische Geschehen ist weiterhin auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 24. Februar 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-24-de.pdf? blob=publicationFile) ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 12.2.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Es ist noch unklar, wie sich deren Zirkulation auf die Situation in Deutschland auswirken wird. Aufgrund der vorliegenden Daten zu einer erhöhten Übertragbarkeit der VOC besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Verschlimmerung der Lage. Ob und in welchem Maße die VOC die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen, ist derzeit noch nicht sicher abzuschätzen. Das individuelle Risiko, schwer zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen bzw. statistischen Daten nicht abgeleitet werden. Auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen kann es zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Grundrechte der Antragstellerin.
B.
Die Hilfsanträge, die angegriffene Norm in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tagelnzidenz von unter 50 (1. Hilfsantrag) bzw. unter 35 (2. Hilfsantrag) vorläufig auszusetzen, sind unzulässig. Beide Hilfsanträge zielen auf eine Normergänzung, die nicht Gegenstand eines (vorläufigen) Normenkontrollverfahrens sein kann (BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – BeckRS 2020, 12008 – Rn. 14 m.w.N.). Im Übrigen blieben sie auch in der Sache erfolglos, weil der Verordnungsgeber wegen der landesweiten Überschreitung des Schwellenwerts von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen voraussichtlich landesweite Betriebsschließungen treffen durfte (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG; vgl. oben Rn. 25).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft tritt (vgl. § 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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