Medizinrecht

Erkrankung, Bescheid, Ermessensentscheidung, Anfechtungsklage, Befreiung, Versammlungsfreiheit, Anordnung, Auflagen, Versammlung, Ausnahmegenehmigung, Widerspruch, Attest, Diagnose, Vollziehbarkeit, aufschiebende Wirkung, einstweiligen Anordnung, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  RN 4 S 21.569

Datum:
26.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6837
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Rechtsstreits sind versammlungsrechtliche Beschränkungen.
Mit Schreiben vom 11.3.2021 zeigte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin für den 28.3.2021 (unter anderem) eine ortsfeste Versammlung mit dem Thema „Lasst uns endlich öffnen! Solidaritätsveranstaltung zu ‚ …‘“ an. Als Ort der Versammlung wurden ein Teil des Klostergartens und die davor befindliche …-Promenade angegeben. Die Versammlung sollte um 13.30 Uhr beginnen und um 18.00 Uhr enden. Als Teilnehmerzahl gab der Antragsteller 1.000 an.
Zwischen den Beteiligten fand am 23.3.2021 ein Kooperationsgespräch statt.
Mit Bescheid vom 25.3.2021 bestätigte die Antragsgegnerin den Eingang der Versammlungsanzeige (Nr. 1) mit dem Antragsteller als Veranstalter und Versammlungsleiter (Nr. 2) und erließ diverse Anordnungen zur Versammlungsdurchführung, u.a.:
10. Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) sowie deren Ausnahmen
10.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 der 12. BayIfSMV gilt für die Teilnehmer (und somit auch für die Versammlungsleitung und Ordner) Maskenpflicht; hiervon ausgenommen sind die Versammlungsleitung während Durchsagen und Redner während Redebeiträgen.
10.2. Kinder sind bis zum sechsten Geburtstag von der Tragepflicht befreit, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 12. BayIfSMV.
10.3. Das Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung ist zulässig, solange es zu Identifikationszwecken oder zur Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung oder aus sonstigen zwingenden Gründen erforderlich ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der 12. BayIfSMV. Anderweitige Tätigkeiten, für die ein Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich ist oder bei denen der korrekte Sitz der Mund-Nasen-Bedeckung beeinträchtigt ist, wie z.B. Essen, Trinken, Rauchen und die Benutzung von Blasinstrumenten oder Trillerpfeifen sind untersagt.
10.4. Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlichmedizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BayIfSMV.
Hinweis:
Mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen soll belegt werden, dass Personen aus gesundheitlichen Gründen von der öffentlichrechtlichen Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind. In derartigen Konstellationen muss die Polizei (und letztlich auch die Verwaltung bzw. das Gericht) aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsgrundes nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BayIfSMV selbstständig zu überprüfen. Eine ärztliche Bescheinigung, die z.B. nur die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 angibt, reicht daher nicht zur Glaubhaftmachung aus. Erforderlich ist gerade auch der Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a.E. der 12. BayIfSMV).
Diejenigen Personen, die sich auf eine Befreiung aus gesundheitlichen Gründen berufen, haben sich vor dem Betreten des Versammlungsortes (und somit vor Beginn der Versammlung) bei der Polizei zu melden und ihre Befreiung durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zusammen mit dem Personalausweis oder einem anderen amtlichen Lichtbildausweis glaubhaft zu machen.
10.5. Entfällt die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf der Grundlage von Ziff. 10.4 dieses Bescheides, wird für die jeweils Betroffenen das Tragen eines Visiers angeordnet. Diese Verpflichtung entfällt wiederum nur dann, wenn die gemäß Ziff. 10.4 vorgelegte ärztliche Bescheinigung konkrete Angaben darüber enthält, weshalb das Tragen eines Visiers aus gesundheitlichen Gründen für den jeweils Betroffenen nicht zumutbar ist.
Zur Begründung nahm die Antragsgegnerin Bezug auf die Regelungen des § 7 12. BayIfSMV i.V.m. Art. 15 BayVersG. Die gemachten Auflagen dienten dem Schutz von Leben und Gesundheit von Versammlungsteilnehmern und Dritten und sollten eine damit verbundene Überlastung der medizinischen Behandlungskapazitäten verhindern. Sie seien mit der Beschränkung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG, und entsprechend ihrer besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung abzuwägen. Hierbei sei die aktuelle Situation der Infektionszahlen berücksichtigt worden. Die Infektionszahlen seien in … in den letzten Wochen wieder gestiegen und lägen über dem deutschland- und bayernweiten Durchschnitt. In der Zeit von 11.3.2021 bis 25.3.2021 sei die 7-Tages-Inzidenz in der Stadt … von 119,30 auf 174,20 gestiegen und liege über den deutschland- (113,30) und bayernweiten (114,50) Inzidenzzahlen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung seien die verfügten Auflagen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um der konkreten Gefahr einer weiteren und nicht nachvollziehbaren Ausbreitung des Virus, die insbesondere zu einer Überlastung der medizinischen Behandlungskapazitäten führen würde, zu begegnen. Ziffer 10 weise im Wesentlichen auf die ohnehin auf Grundlage der 12. BayIfSMV geltenden Regelungen zur Maskenpflicht bei Versammlungen hin. Hinsichtlich Ziffer 10.4 sei der Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV eindeutig. Ein vorgelegtes Attest müsse die darin genannten Anforderungen erfüllen. Die Verpflichtung zur Vorlage eines Lichtbildausweises diene der Sicherstellung der Zuordnung des vorgelegten Attests zu der bestimmten Person. Zum effektiven Gesundheitsschutz der Bevölkerung, zur Eindämmung des Infektionsgeschehens sowie zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens werde in Ziffer 10.5 für solche Personen, die aufgrund eines ausreichenden ärztlichen Attests von der Pflicht zum Tragen einer Mund-NaseBedeckung befreit seien, das Tragen eines Visiers angeordnet. Die vorgenannten öffentlichen Interessen überwögen dem Einzelinteresse des Betroffenen, zumal ein Visier ausreichend Frischluftzufuhr ermögliche. Die Verpflichtung zum Tragen eines Visiers gelte nur dann nicht, wenn die vorgelegte ärztliche Bescheinigung konkrete Angaben darüber enthalte, weshalb das Tragen eines Visiers aus gesundheitlichen Gründen für den jeweils Betroffenen nicht zumutbar sei.
Am 26.3.2021 suchte der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nach. Er ließ im Wesentlichen vortragen: Der Bescheid stelle einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und 8 Abs. 1 GG dar. Die Regelung in Nr. 10.5 des Bescheids führe dazu, dass für maskenbefreite Versammlungsteilnehmer das Recht zur Versammlungsteilnahme „auf Null reduziert“ werde. Es handele sich dabei um eine reine Schikane, da ein „Face Shield“ nach der bekannten Argumentation nicht geeignet sei, ein Übertragungsrisiko zu verhindern. Kein potentieller Versammlungsteilnehmer rechne mit einer solchen Pflicht. Die Regelung verstoße auch gegen Art. 1 GG. § 28a IfSG sehe eine entsprechende Anordnung nicht vor. Dieser sei außerdem verfassungswidrig, da unbestimmt. Der Gesetzestext werfe unbeantwortete Fragen auf. Unabhängig davon ziele die Tragepflicht offenbar darauf ab, kranke Versammlungsteilnehmer in einen „performativen Widerspruch zu drängen“. Sie dürften nur demonstrieren, wenn sie das Gegenteil von ihrem Anliegen „performen“. Dass es nicht um Infektionsschutz gehen könne, ergebe sich jedenfalls aus der fehlenden Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme. Das Risiko einer Übertragung bei Versammlungen im Außenbereich sei vollkommen zu vernachlässigen, es liege bei null. Insofern werde auf ein Interview mit Herrn … sowie das Papier der Gesellschaft für Aerosolforschung Bezug genommen. Selbst wenn man die Geeignetheit der Anordnung bejahen sollte, wäre sie jedenfalls nicht erforderlich und auch nicht angemessen. Gleichermaßen geeignete, mildere Mittel hätten bedacht werden müssen, dabei hätten auch die Nachteile der Maßnahmen für die Allgemeinheit berücksichtigt werden müssen. Für Personen, die kein „Faceshield“ hätten oder sich erst spontan zu einer Versammlungsteilnahme entschlössen, handele es sich faktisch um ein Versammlungsverbot, das an den hohen Hürden des § 15 Abs. 1 VersG, die hier nicht genommen werden könnten, zu messen sei. Es liege ein schwerer Abwägungsfehler vor. Auch gegenüber Personen, die nicht die erforderliche Einsichtsfähigkeit zum Tragen eines „Faceshields“ hätten, sei die Anordnung evident unverhältnismäßig. Dies sei auch aus einer Analogie des Arbeitsschutzrechts abzuleiten. Die SARSCoV-2-Arbeitsschutzverordnung sehe für den Fall einer Befreiung von der MNB-Pflicht keine Pflicht zum Tragen eines „Faceshields“ vor.
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
bezüglich der für dem 28.03.2021 von 13:30 Uhr bis 18:00 Uhr in angemeldeten Versammlung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Auflage in Ziffer 10.5 des Bescheides der Antragsgegenseite vom 25.03.2021 herzustellen, soweit darin angeordnet wird: „Versammlungsteilnehmer, für die eine Verpflichtung zum Tagen einer MNB nicht besteht, haben ein Plexiglas-Gesichtsschild (sog. „Face Shield“) zu tragen, welches das Gesicht vollständig abdeckt und mindestens bis unterhalb des Kinnes reicht“, ferner auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffer 10.4 des Bescheides herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt wörtlich,
den Antrag abzuweisen.
Vorgetragen wird, das Tragen eines Visiers sei den Teilnehmern zumutbar und zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erforderlich. Es sei ein milderes Mittel zur Beschränkung von Teilnehmern mit Mund-Nasen-Bedeckung. Es sei nicht ersichtlich, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ungeeignet wäre, zur Eindämmung des Virus beizutragen. Das RKI empfehle das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen Baustein neben anderen Maßnahmen, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Visiere seien bereits nach dem Wortlaut keine MundnasenBedeckungen, weil sie lediglich vor dem Gesicht getragen würden und weder Mund noch Nase bedeckten. Das Visier sei nach Einschätzung des RKI die deutlich schlechtere Variante, vor Ansteckungsgefahren zu schützen, jedoch nicht völlig ungeeignet. Vor allem sei davon auszugehen, dass das Tragen eines Visiers das Atmen weniger behindere als eine klassische MundNasen-Bedeckung. Es handle sich insoweit um ein milderes Mittel zur Eindämmung des Infektionsschutzes für solche Teilnehmer, die vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Übrigen befreit seien.
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig, teilweise unbegründet.
1. Der Antrag ist hinsichtlich Nr. 10.4 des Bescheids bereits unzulässig, soweit er sich auf die Glaubhaftmachung bei gesundheitlichen Gründen mittels einer ärztlichen Bescheinigung, die die fachlichmedizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, bezieht. Dies gilt sowohl, soweit man ihn – entsprechend seinem Wortlaut – als Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) interpretiert (dazu a)) als auch für den Fall, dass man ihn als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO auffasst (dazu b)). Im Übrigen ist der Antrag jedoch zulässig (dazu c)).
a) Das Gericht legt den Antrag, „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffer 10.4 des Bescheids herzustellen“ aufgrund Art. 25 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sinngemäß als solchen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO aus. Dieser – auch in der Überschrift ausdrücklich als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betitelte – Antrag ist unzulässig, weil ihm die Statthaftigkeit fehlt (dazu aa)). Selbst wenn man diesen ersten Teil der Nr. 10.4 als eigenständige Regelung auslegen würde, wäre der Antrag jedoch mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig (dazu bb)).
aa) Statthaft ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn sich der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache mit einem Anfechtungsbegehren an das Gericht wenden würde. Dies ist für den gegen den ersten Teil der Nr. 10.4 des Bescheids vom 25.03.2021 gerichteten Rechtsbehelf nicht der Fall.
Der angegriffene erste Teil der Nr. 10.4 enthält nach summarischer Prüfung keine eigenständige Regelung, sondern stellt vielmehr einen Hinweis auf die Rechtslage dar. Insoweit ist anerkannt, dass bloße Hinweise, unabhängig davon, ob sie sich auf Tatsachen oder auf eine Rechtslage beziehen, keine Verwaltungsakte darstellen (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 83 m.w.N.). Entscheidend für die Abgrenzung ist dabei, ob die Behörde einem Betroffenen nur ihre Auffassung zu Rechts- oder Tatsachenfragen mitteilen oder sie gegenüber dem Betroffenen verbindlich festsetzen will (Stelkens a.a.O., Rn. 82).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs bestehen nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin eine neue verbindliche Festsetzung treffen wollte. Dies zeigt sich zum einen daran, dass sie am Ende des ersten Absatzes von Nr. 10.4 des Bescheids darauf verweist, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) diese Regelung enthält, zum anderen daran, dass der vom Antragsteller angegriffene erste Teil der Nr. 10.4 inhaltlich nichts Neues bestimmt, sondern sich im Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV erschöpft. Darüber hinaus werden die Regelungen in Nr. 10 des Tenors unter Nr. 12 der Hinweise des Bescheids (S. 11) antragsgegnerseits gerade als „Hinweise“ betitelt.
bb) Sofern man den ersten Teil der Nr. 10.4 des Bescheids jedoch als eigenständige Regelung der Antragsgegnerin verstehen sollte, weil im Tenor selbst die Bezeichnung als „Hinweis“ fehlt, fehlt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis. Die Glaubhaftmachung mittels ärztlicher Bescheinigung, die die fachlichmedizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, ergäbe sich selbst im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV. Insofern fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Mit diesem Zulässigkeitskriterium soll dem prozessökonomischen Gedanken Rechnung getragen werden, dass nur derjenige Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat, der ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 335). Der Grundsatz soll die Gerichte vor überflüssigen, nutzlosen und mutwilligen Prozessen bewahren (OVG SH, B.v. 9.2.1993 – 4 M 146/92 – NVwZ-RR 1993, 437/438).
b) Legt man den Antrag des Antragstellers dahingehend aus, (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass er begehrt, die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, ihm gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV eine Ausnahmegenehmigung von dieser Verpflichtung im beantragten Umfang zu erteilen, ist die Zulässigkeit ebenfalls zu verneinen. Es fehlt insoweit ebenfalls am Rechtsschutzbedürfnis. Im Bereich von Leistungs- und Verpflichtungsbegehren wird vor diesem Hintergrund gefordert, dass sich der Rechtsschutzsuchende mit seinem Begehren zuerst an die Behörde wenden muss (Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 42 Abs. 1 Rn. 96). Denn wenn diese bereit ist, dem Antrag stattzugeben, dann erübrigt sich gerichtlicher Rechtsschutz. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht daher nur, wenn die Behörde auf den Antrag hin untätig geblieben ist oder nicht bereit war, dem Antragsteller das Begehrte zu gewähren.
Der Antragsteller hat nach Aktenlage keinen solchen Antrag gestellt. Insbesondere aus dem Nachtrag zur Versammlung am 28.03.2021 vom 24.03.2021 ergibt sich ein solcher Antrag nicht. Vielmehr wurde darin gerade noch einmal auf die Teilnehmer, die durch Attest vom Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sind, Bezug genommen.
c) Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu er hebenden Klage hinsichtlich Nr. 10.4, soweit darin angeordnet wurde, dass sich die sich auf eine Befreiung aus gesundheitlichen Gründen berufenden Personen vor dem Betreten des Versammlungsortes bei der Polizei zu melden und ihre Befreiung durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zusammen mit dem Personalausweis oder einem anderen amtlichen Lichtbildausweis glaubhaft zu machen haben, und Nr. 10.5 des Bescheids begehrt, ist der Antrag hingegen zulässig. Insbesondere ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, da in der Hauptsache aufgrund des Vorliegens von Verwaltungsakten die Anfechtungsklage der zu erhebende Rechtsbehelf wäre.
2. Soweit der Antrag zulässig ist, bleibt er jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Gem. Art. 25 BayVersG entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage kraft Gesetzes. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen. Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen.
Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da sich die angegriffenen Auflagen bei der gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werden.
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Anordnungen ist Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2. BayIfSMV. Gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Gefährdungen der Gesundheit und des Lebens, wie sie die Antragsgegnerin hier anführt, können daher prinzipiell Beschränkungen von Versammlungen rechtfertigen, zumal Leben und körperliche Unversehrtheit ihrerseits verfassungsrechtlich geschützt sind (BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 – juris Rn. 23). Allerdings ist mit dem Merkmal der unmittelbaren Gefährdung ein hoher Gefahrenmaßstab angesprochen, den nicht schlechterdings jede zu erwartende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit erreicht. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 12. BayIfSMV führt vor diesem Hintergrund aus, dass die Versammlungsbehörden, soweit im Einzelfall erforderlich, durch Beschränkungen sicherzustellen haben, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon sei in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer habe und ortsfest stattfinde.
Dabei darf die Behörde keine völlige Risikofreiheit im Sinne einer absoluten infektionsschutzrechtlichen „Unbedenklichkeit“ fordern (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 – juris Rn. 24 zur Vorgängervorschrift aus der 2. BayIfSMV). Sie hat vielmehr eigene Überlegungen zur Minimierung von Infektionsrisiken anzustellen (BVerfG, B.v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20 – juris Rn. 25) und ist daher verpflichtet, sich um eine kooperative, einvernehmliche Lösung mit dem Versammlungsveranstalter zu bemühen (BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 – juris Rn. 24). Bei ihrer Entscheidung hat die Behörde auch zu würdigen, dass Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur das Recht zur Teilnahme an öffentlichen Versammlungen gewährleistet, sondern dem Veranstalter zugleich ein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Modalitäten der Versammlung gewährt, also namentlich zu der Frage, ob sie als Aufzug durchgeführt wird und an welchen Orten sie stattfinden soll (BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16).
Nach dem täglichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI), dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2064, juris Rn. 25), zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 25.03.2021 nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland deutlich zu, sodass das Robert-Koch-Institut die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland als „sehr hoch“ einschätzt. Die Inzidenz der letzten sieben Tage ist deutschlandweit auf 113 Fälle pro 100.000 Einwohner angestiegen, wobei diese in Bayern mit 114 Fällen pro 100.000 Einwohner in etwa der bundeweiten Gesamtinzidenz entspricht (vgl. hierzu: RKI, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 25.03.2021, abrufbar unter 2021-03-25-de.pdf (rki.de), zuletzt aufgerufen am 26.3.2021) . Die Stadt … erfuhr in den letzten Tagen einen deutlichen Anstieg der Inzidenz auf mittlerweile 151,5 Fälle pro 100.000 Einwohner (vgl. hierzu RKI: COVID-19-Dashboard, Stand 26.03.2021, 03:08 Uhr, abrufbar unter RKI COVID-19 Germany (arcgis.com), zuletzt aufgerufen am 26.3.2021).
Die entscheidende Kammer hat vor diesem Hintergrund keinen Zweifel daran, dass Veranstaltungen der streitgegenständlichen Art Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben können und mit entsprechenden Infektionsgefahren einhergehen. Die hierzu getroffenen, angegriffenen Beschränkungen stellen sich angesichts dessen als voraussichtlich rechtmäßig dar. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Pflicht in Nr. 10.4 der sich auf eine Befreiung von der Maskenpflicht berufenden Personen, sich vor dem Betreten des Versammlungsortes bei der Polizei zu melden und ihre Befreiung durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zusammen mit dem Personalausweis oder einem anderen amtlichen Lichtbildausweis glaubhaft zu machen (dazu a)), als auch für die Verpflichtung zum Tragen eines Visiers in Nr. 10.5 des Bescheids (dazu b)).
a) Die Anordnung für Personen, die sich auf eine Befreiung aus gesundheitlichen Grün den berufen, sich vor dem Betreten des Versammlungsortes (und somit vor Beginn der Versammlung) bei der Polizei zu melden und die Befreiung durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zusammen mit dem Personalausweis oder einem anderen amtlichen Lichtbildausweis glaubhaft zu machen, begegnet bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.
Insbesondere ist diese verhältnismäßig. Sie dient der Sicherstellung der Zuordnung des vorgelegten Attests zu der sich auf dieses berufenden Person und damit letztlich § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayifSMV und darüber hinaus dem Schutz der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter vor einer Infektion mit dem Coronavirus. Sie ist insbesondere notwendig, da ohne diese Anordnung die Überprüfung der strengen Ausnahmen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung ins Leere ginge. Die Vorlage des amtlichen Lichtbildausweises soll gerade die Legitimierung der auf der ärztlichen Bescheinigung genannten Person sicherstellen. Nach summarischer Prüfung ist nicht erkennbar, auf welche andere Weise die Einhaltung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV gewährleistet würde.
Darüber hinaus ist die Anordnung auch angemessen. Insbesondere handelt es sich hierbei entgegen der Ansicht des Antragstellers weder um eine „Kontaktdatenerfassung“ noch um eine „Aufbewahrung der Kontaktdaten“. Vielmehr sind die betroffenen Personen lediglich verpflichtet, ihren Personalausweis bzw. einen anderen amtlichen Lichtbildausweis vorzulegen. Ohne diese Anordnung bestünde die Gefahr eines Missbrauchs der ärztlichen Bescheinigung zur Befreiung von der Maskenpflicht.
b) Die Anordnung zum Tragen eines Visiers für Personen, die von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sind (Nr. 10.5 des angegriffenen Bescheids vom 25.3.2021), erweist sich bei summarischer Prüfung als ebenfalls recht-, insbesondere verhältnismäßig.
Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung ist Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV (s.o). Die BayIfSMV stützt sich ihrerseits auf § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das Gericht geht dabei entgegen der Ansicht des Antragstellers von der Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG aus und schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 10.12.2020 – 20 NE 20.2482 – juris) an.
Die Anordnung erweist sich zudem als verhältnismäßig.
Das Gericht erachtet die Anordnung zum Tragen eines Visiers in Nr. 10.5 des angegriffenen Bescheids insbesondere als zum Infektionsschutz geeignet. Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der verfolgte Zweck gefördert werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.1997 – 2 BvL 45/92 – NVwZ 1997, 1109, 1111). Zwar ist es zutreffend, dass nach derzeitigem Kenntnisstand ein Visier keinen der Mund-Nase-Bedeckung vergleichbaren Schutz bietet. Das RKI führt hierzu aus, dass die Verwendung von Visieren nicht als Alternative zur Mund-Nase-Bedeckung angesehen werden könne; die Rückhaltewirkung von Visieren auf ausgestoßene respiratorische Flüssigkeitspartikel sei deutlich schlechter. Es könnten in der Regel maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen aufgefangen werden (vgl. hierzu: RKI, Infektionsschutzmaßnahmen (Stand 9.3.2021), Unterpunkt 7, abrufbar unter RKI – Navigation – Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 9.3.2021), zuletzt aufgerufen am 26.3.2021). Damit spricht das RKI Visieren aber gerade nicht jede Eignung ab. Der Infektionsschutz kann – wenn auch in gegenüber Mund-Nase-Bedeckungen nur herabgesetzter Form – durch das Tragen eines Visiers mithin gefördert werden.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin vermag das Gericht auch kein anderes gleich geeignetes Mittel, das weniger grundrechtsintensiv wäre, zu erkennen. Insbesondere können die von der Antragstellerin erwogenen milderen Mittel (Stärkung des Immunsystems, ausgedehnte Aufenthalte in der Sonne, Bewerbung und Verbreitung von UV-B und UV-C LEDs, Förderung sozialer Kontakte zur Verbesserung der Psychoneuroimmunologie) in der konkreten Versammlungssituation einen entsprechenden Infektionsschutz nicht bewirken. Milderes Mittel als das Tragen eines Visiers wäre letztlich, ganz von dem Tragen entsprechender Schutzvorrichtungen abzusehen, wodurch dem Infektionsschutz aber nicht gleichermaßen wirksam Rechnung getragen werden könnte. Auch die Einhaltung sonstiger Hygiene- und Verhaltensregeln, z.B. Einhaltung von Mindestabständen, ist für sich allein für den Infektionsschutz nicht gleichermaßen förderlich.
Das Gericht erachtet die Pflicht zum Tragen eines Visiers zudem als angemessen. Ein faktisches Versammlungsverbot vermag das Gericht darin nicht zu erkennen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Behörde auch insoweit eine Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen (bei Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung) zugelassen hat. Auch die antragstellerseits vorgebrachte Möglichkeit, dass manche Versammlungsteilnehmer eventuell kein Visier hätten bzw. sich der Versammlung spontan anschließen wollten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist dem Versammlungsleiter unbenommen, für derartige Fälle Visiere bereitzuhalten und somit die Teilnahme dieser Personen zu ermöglichen. Soweit der Antragsteller ein faktisches Versammlungsverbot deshalb annimmt, weil es Personen gebe, denen die Einsichtsfähigkeit zum Tragen eines Visiers fehle, ist auf die Befreiung durch eine ärztliche Bescheinigung zu verweisen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sieht das Gericht in der angeordneten Tragepflicht auch keinen „performativen Widerspruch“, in den kranke Versammlungsteilnehmer gedrängt werden würden. Eine öffentliche Meinungskundgabe für – wie antragstellerseits vorgetragen – u. a. Selbstbestimmung wird nicht dadurch widersprüchlich, dass Visiere getragen werden müssen. Durch das bloße Tragen einer Maske oder eines Visiers, mithin das Befolgen der gesetzlichen bzw. behördlichen Anordnungen, ist nicht automatisch eine Zustimmung dazu verbunden. Die Ansicht der Antragstellerin würde letztlich dazu führen, dass bei jeder Demonstration, die sich gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie richtet, die geltenden Bestimmungen dazu nicht eingehalten werden müssten.
Die mit der Anordnung verbundene Belastung steht vor dem Hintergrund der aktuellen Infektionslage auch nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck. Nach der Einschätzung des RKI, dem sich das Gericht hier anschließt, ist auch im Freien ein Übertragungsrisiko nicht ausgeschlossen (zum Ganzen: RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 15.3.2021, abrufbar unter RKI – Coronavirus SARS-CoV-2 – Risikobewertung zu COVID-19, zuletzt aufgerufen am 26.3.2021). Die gegenteilige Ansicht der Antragstellerin, dass ein Übertragungsrisiko bei Versammlungen im Außenbereich bei null liege, wird im Übrigen auch durch die von ihr benannten Quellen nicht in dieser Form gestützt. Nach dem von der Antragstellerin angeführten Zitat des Herrn G. S. ist eine Übertragung ebenfalls nicht ausgeschlossen. Auch in dem von der Antragstellerin angeführten Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) wird nach der antragstellerseits zitierten Stelle noch im selben Absatz weiter ausgeführt, dass vor allem in größeren Menschenmengen mit geringen Abständen auch im Freien eine Ansteckung nicht ausgeschlossen ist (GAeF, Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung, Stand 7. 12.2020, abrufbar unter: Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen (filesusr.com), zuletzt aufgerufen am 26.3.2021). Versammlungen, bei denen kraft Natur der Sache über längeren Zeitraum Menschen auf begrenztem Raum zur gemeinsamen Meinungskundgabe zusammenkommen, sind nicht mit sonstigen Alltagssituationen im Freien gleichzusetzen. Hinzu kommt, dass seit Dezember 2020 auch in Deutschland mehrfach neuartige SARS-CoV-2-Virusvarianten (B.1.17, B.1.351 und P1) bekannt geworden sind, die nach den derzeitigen Untersuchungen noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar sind (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, zuletzt aufgerufen am 26.3.2021) . Das RKI erachtet die Dynamik der Verbreitung dieser neuen Varianten (B.1.1.7, B.1.351 und P1) als besorgniserregend und schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (RKI, Risikobewertung zu COVID- 19, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, zuletzt aufgerufen am 26.3.2021). Die Virusvariante B.1.1.7 ist aktuell die dominierende SARS-CoV-2-Variante in Deutschland. Das RKI rechnet daher insgesamt weiter mit einer stark steigenden Inzidenz von COVID-19-Fällen in Deutschland (zum Ganzen: RKI, Aktualisierter Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, insbesondere zur Variant of Concern (VOC) B.I.I.1, Stand 24.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021- 03-24.pdf? _blob=publicationFile, zuletzt aufgerufen am 26.3.2021). Auch die regionale Infektionsgeschehen in der Stadt … lässt aufgrund der dortigen Inzidenzwerte keine andere Beurteilung zu.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Die Kammer hat Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, aber den vorgesehenen Streitwert nicht auf die Hälfte vermindert (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs), weil die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird.


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