Medizinrecht

Fahrerlaubnis, Bescheid, Vollziehung, Diagnose, Gutachten, Verwaltungsakt, Fahreignung, Arzt, Erkrankung, Anfechtungsklage, Antragsteller, Nachweis, Anordnung, Zwangsgeldandrohung, aufschiebende Wirkung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Anordnung der sofortigen Vollziehung

Aktenzeichen  RN 8 S 21.187

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24890
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
III. Der Streitwert wird auf 6250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt R* … (LRA).
Der Antragsteller war zuletzt Inhaber eines Führerscheins der Klassen 1b und 3.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 übersandte das Landratsamt D* … an das LRA R* …die Unterlagen über einen stationären Aufenthalt des Antragstellers im Bezirksklinikum M* … und teilte mit, dass der Antragsteller am 27. Januar 2020 wegen erheblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung infolge von Alkoholabhängigkeit in das Bezirksklinikum M* … aufgenommen und am 28. Januar 2020 wieder entlassen worden sei. Aus amtsärztlicher Sicht bestünden jedoch weiterhin Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es werde eine Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie für erforderlich gehalten. In dem mitversandten Bericht über die Unterbringung des Antragstellers gemäß Art. 12 BayPsychKHG wird ausgeführt, dass gegen den Antragsteller durch die Polizei die sofortige vorläufige Unterbringung angeordnet worden sei, weil er aufgrund einer psychischen Störung sich selbst (Selbstgefährdung) erheblich gefährde. Es wird erläutert, dass der Antragsteller am 27. Januar 2020 seiner Mutter per whats-app ein Bild geschickt habe mit dem Zusatz, das darin Enthaltene solle auf seinem Grabstein stehen. Zudem habe er der Mutter gegenüber ausgesagt, er habe Morphium eingenommen, um sich umzubringen. Weiter ist ausgeführt, dass sich die Mutter daher zur Wohnung ihres Sohnes begeben und die Rettungsleitstelle verständigt habe. Der Antragsteller sei in der Folge in seiner Wohnung angetroffen worden. Er habe augenscheinlich unter dem Einfluss von Alkohol gestanden. Sein hinzugerufener Hausarzt, Herr Dr. R1* …, habe eine Selbstgefährdung nicht ausschließen können. Die Übergabe des Apothekennotdienstes des Antragstellers sei in die Wege geleitet worden. Nach mehrmaligen Versuchen um freiwillige Mitwirkung habe der Antragsteller mittels unmittelbaren Zwanges zum Rettungswagen verbracht werden müssen.
In zwei im Nachgang angefertigten Schreiben, einmal seines Bevollmächtigten sowie einmal seines Hausarztes Dr. R1* …, wird jeweils abweichend vom Unterbringungsbericht erklärt, der Antragsteller habe die Polizei nach Absprache seines Bevollmächtigten mit den Beamten völlig freiwillig und im Ergebnis aus Fürsorge und zur pragmatischen Lösung der Situation, nicht jedoch weil es indiziert gewesen wäre, ins Bezirksklinikum begleitet. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.
Im Bericht über den stationären Aufenthalt des Antragstellers im Bezirksklinikum M* … vom 27. Januar 2020 bis zum 28. Januar 2020 wurde die Diagnose „akute Intoxikation und Entzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.0, F10.3, F10.2)“ gestellt. Unter dem Punkt „Aufnahmeanlass und aktuelles Beschwerdebild“ ist ausgeführt, dass beim Antragsteller bei Aufnahme eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 2,46 Promille festgestellt habe werden können. Der Antragsteller habe darunter nur mäßig intoxikiert gewirkt. Auf die Aussage hin, dass er lalle, habe er wütend reagiert. Er habe erklärt, dass er seit seiner Kindheit einen Sprachfehler habe. Er habe 2-3 Bier getrunken und nach einer Familienfeier im affektiven Ausnahmezustand schlecht reagiert. Er sei nicht suizidal. Er habe auch nicht gesagt, dass er suizidal sei und habe auch nie Morphium eingenommen. Zudem ist im Bericht vermerkt, dass die Mutter des Antragstellers später angegeben habe, auch sie gehe nicht davon aus, dass der Antragsteller Morphium eingenommen habe. Auch laut dem Notarzt habe es keine Hinweise für eine Morphiumeinnahme gegeben. Zudem habe der Antragsteller bei Aufnahme nicht morphinintoxikiert gewirkt. Die Pupillen seien unauffällig gewesen. Nach telefonischer Anweisung von Herrn Oberarzt Dr. E* … habe der Antragsteller in jedem Fall freiwillig bis zum nächsten Tag verbleiben sollen. Der Antragsteller habe zudem laut seiner Mutter Existenzängste, da die Apotheke, die er führe, nicht mehr laufe. Bei Aufnahme habe er selbst hingegen mehrfach betont, dass dies nicht der Fall sei und er keine finanziellen Probleme habe. Es ist vermerkt, dass der Antragsteller bislang noch nicht in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Laut Notarztprotokoll sei er 2019 im Bezirksklinikum R2* … wegen Burnout (Zittern, Depression, Kraftlosigkeit) in Behandlung gewesen. Der Antragsteller habe angegeben, er trinke gelegentlich Alkohol. Es wird außerdem angegeben, der Antragsteller sei bewusstseinsklar, vollständig zu allen Qualitäten orientiert, weitschweifig und gedanklich auf seine Entlassung eingeengt gewesen. Er habe gereizt, erschöpft und aufgebracht gewirkt. Es sei keine akute Suizidalität vorhanden gewesen. Unter dem Punkt körperlicher Befund ist angegeben, der Antragsteller sei alkoholisiert gewesen mit einer Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille. Es sei ein erschöpfter Allgemeinzustand festgestellt worden. Es ist vermerkt, dass der Antragsteller sich am 28. Januar 2020 glaubhaft von Suizidalität distanziert habe. Eine Blutabnahme sei von ihm abgelehnt worden. Er habe eine deutliche vegetative Entzugssymptomatik in Form von Tremor, erhöhten Vitalwerten und hypertensiven Krisen gezeigt. Der Antragsteller habe die Klinik auf eigenen Wunsch gegen den ärztlichen Rat verlassen.
Zudem ergibt sich aus einem mitversandten Schreiben des Gesundheitsamtes am Landratsamt D* …, dass nach dortiger Auffassung Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit bestünden.
Mit Schreiben vom 4. August 2020 forderte das LRA den Antragsteller auf, bis zum 4. November 2020 ein ärztliches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV zu folgender Fragestellung beizubringen:
„Lässt sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller bestätigen? Wenn ja, welche 3 Kriterien nach ICD-10 sind im vorliegenden Einzelfall erfüllt, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen? Falls Abhängigkeit festgestellt wurde: fand eine erfolgreiche Entwöhnung statt?
Nach erfolgreiche Entwöhnung: liegt ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden 12 Monate vor?“
Auf die Begründung der Gutachtensanordnung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller reichte in der Folge seine Einverständniserklärung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens mit Begutachtung beim TÜV Nord, D* …, ein.
Am 29. Oktober 2020 erfolgte dort die Begutachtung des Antragstellers.
Aus dem am 12. November 2020 versendeten ärztlichen Gutachten zur Überprüfung der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 13 FeV des TÜV Nord, D* …, ergibt sich Folgendes:
Es ist festgehalten, dass der Antragsteller angegeben habe, er habe früher fast keinen Alkohol getrunken, als Student ebenso wenig. Später habe er lediglich am Wochenende eine Flasche Bier zum Essen oder ein Glas Wein getrunken. Er habe am 27. Januar 2020 Streit mit seinem Lebensgefährten gehabt. Weiter habe er an dem Tag erfahren, dass sein Neffe erneut operiert werden müsse. Als weitere Belastung sei die Bestätigung einer Kündigung eines Angestellten hinzugekommen. Zusätzlich habe es Streit gegeben mit seiner Mutter, da er ein Bild geschickt habe mit dem Hinweis, dass dies auf seinem Grabstein erscheinen solle. Diese Gründe hätten ihn veranlasst, an dem Abend Bier zu trinken. Er habe dann zu Abend gegessen, wobei er zu dieser Gelegenheit schon Bier getrunken habe. Über die Menge könne er keine Angaben mehr machen, es müsse sich um einen Konsumzeitraum von 2-3 Stunden gehandelt haben. Es sei dann seine Mutter gekommen. Diese habe wegen seines Zustandes den Rettungsdienst gerufen. Auch zwei Polizisten seien gekommen. Man sei sich nicht sicher gewesen, ob man ihn mit nach M* … habe nehmen sollen. Er sei sodann freiwillig mit den Sanitätern nach M* … gekommen. Seit diesem Vorfall habe er keinen Alkohol mehr getrunken. Unter dem Punkt „Bewertung der Befunde“ wird festgehalten, dass die körperliche Untersuchung des Antragstellers keine erheblich von der Norm abweichenden Befunde ergeben habe. Es hätten keine alkoholspezifischen körperlichen Symptome als Folge eines übermäßigen Alkoholkonsums festgestellt werden können. Die am Tag der Untersuchung durchgeführte ETG-Haaranalyse habe keinen Nachweis von Alkoholkonsum in den letzten 3 Monaten ergeben. Von einer Alkoholabhängigkeit könne nur dann ausgegangen werden, wenn sie bereits fremddiagnostisch festgestellt worden sei (vgl. Kriterium A1.1 N Beurteilungskriterien) oder innerhalb der letzten 12 Monate mindestens drei der Kriterien nach ICD-10 nachweisbar seien. Eine fremd diagnostizierte Alkoholabhängigkeit könne hier belegt werden. Dies ergebe sich aus dem Entlassungsbericht des Bezirksklinikums M* … vom 6. Februar 2020. Die Diagnose der Alkoholabhängigkeit des Bezirkskrankenhauses richte sich nach den ICD-10 Kriterien und den Kriterien der Alkohol-Hypothesen der Beurteilungskriterien. Dies werde wie folgt begründet: ein „Craving“ (starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren) habe beim Antragsteller festgestellt werden können. Er habe sein über die Norm hinausgehendes Alkoholtrinken trotz anderslautender eindeutiger Hinweise aus der Vorgeschichte oder anderer Befunde nachdrücklich und mit nicht nachvollziehbaren Argumenten in Abrede gestellt („regressive Abwehr“). Zudem sei aufgrund der akuten Intoxikation am 20. Januar 2020 mit der AAK von 2,46 Promille bei Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus, nicht bei Beendigung des Trinkvorganges, eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums vorhanden gewesen. Ebenso sei ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums festgestellt worden, nämlich Entzugserscheinungen (Tremor, erhöhte Vitalwerte, hypertensive Krise). Dies ergebe sich aus dem Entlassungsbericht. Es sei auch der Nachweis einer Toleranz gegeben. Um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichte Wirkung der psychotropen Substanz hervorzurufen, seien zunehmend höhere Dosen erforderlich. Der Antragsteller habe auch nach Genuss von Höchstmengen, sofern sie zu einer BAK von mehr als 1,5 Promille oder mehr führten, keine unangenehmen Folgen erlebt. Dies sei im Entlassungsbericht beschrieben, somit liege Toleranzentwicklung vor. Somit ergäben sich nach ICD-10 und den Alkoholhypothesen der Beurteilungskriterien vier der oben genannten Kriterien innerhalb der letzten 12 Monate, die eine Alkoholabhängigkeit begründen würden. Somit könne eine Alkoholabhängigkeit eindeutig diagnostiziert werden. Eine Entwöhnungstherapie sei bislang nicht durchgeführt worden. Es liege auch kein längerfristiger Alkohol-Abstinenzeitraum vor. Die Fahreignung nach Nummer 8.3 der Anlage 4 zur FeV sei derzeit nicht gegeben. Es seien die gestellten Fragen somit folgendermaßen zu beantworten: Es lasse sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller bestätigen. Vier Kriterien nach ICD-10 seien im vorliegenden Einzelfall erfüllt, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigten, nämlich Trinkzwang, verminderte Kontrollfähigkeit, Entzugssyndrom und Toleranzentwicklung. Es liege keine erfolgreiche Entwöhnung vor und es liege kein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden 12 Monate vor.
Mit Schreiben vom 17. November 2020 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Einwände gegen das erstellten Gutachten. Auf die Einzelheiten des Schreibens wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26. November 2020 antwortete der TÜV Nord auf das Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers und erklärte, die Diagnose der Alkoholabhängigkeit des Antragstellers sei von der zertifizierten suchtmedizinischen Abteilung des Bezirksklinikums M* … nach den strengen Kriterien der Begutachtungsleitlinien und den Kriterien nach ICD-10 gestellt worden. Aufgabe des Gutachters sei es nicht, eine eindeutig diagnostizierte Alkoholabhängigkeit zu widerlegen. Zudem habe man im Gutachten die Kriterien, die zu der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit geführt hätten, eindeutig benannt. Eine Nachbesserung des Gutachtens werde folglich abgelehnt.
Am 30. November 2020 erstattete der Neurologe und Psychiater mit verkehrsmedizinischer Qualifikation Dr. med. K1* … K2* … ein Fahreignungsgutachten über den Antragsteller in dessen Auftrag zu folgender Fragestellung:
„Ist zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 bzw. von Kleinkrafträdern der Gruppen 1b, 3,4 und 5 infrage stellen?“
Unter dem Punkt „Bewertung der Befunde“ ist festgehalten, dass die verkehrsmedizinische Befragung beim Antragsteller keine Hinweise auf einen chronischen Alkoholkonsum ergeben habe. Es seien auch bei der körperlichen Untersuchung keine Hinweise für bedeutsame Nebenwirkungen eines chronischen Alkoholkonsums festgestellt worden. Die Laborwerte lägen im Normalbereich. Sowohl die Werte für CDT als auch die Ergebnisse der Haaranalyse ließen auf eine mehrmonatige Abstinenz von Alkohol schließen. Zur Diagnose der Alkoholabhängigkeit durch das Bezirksklinik führt das Gutachten aus, dass eindeutig festzuhalten sei, dass die Diagnose eines chronischen Alkoholkonsums beim Antragsteller zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme am 27. Januar 2020 nicht der Definition entspreche, wie sie in den Begutachtungsleitlinien dargelegt sei. Dies bedeute, dass beim Antragsteller kein Hinweis für chronischen Alkoholismus bestehe. Es sei anzunehmen, dass eine akute Alkohol-Intoxikation bestanden habe, mit einem Atemalkoholgehalt von 2,46 Promille, wobei jedoch aufgrund der bekannten erhöhten Fehlerquote die Messung des Atemalkoholgehalts nur einen annähernden Anhalt gebe, jedoch keinen forensisch begründenden Tatsachen entspreche. Glaubhaft sei, dass es im Rahmen einer familiären Auseinandersetzung zu Alkoholkonsum beim Antragsteller gekommen sei mit dem Zeichen einer akuten Intoxikation und entsprechender emotionaler Exacerbation. Seinen Gesprächsbeiträgen zufolge liege beim Antragsteller jedoch keine Alkoholgefährdung vor. Hinweise darauf, dass sich bereits eine schwerwiegende Alkoholproblematik verfestigt hatte, hätten sich nicht gefunden. Für weitere Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2020 erklärte das LRA gegenüber dem Antragsteller, die zuvor an die Begutachtungsstelle übersandten Unterlagen seien am 12. November 2020 ohne weitere Bemerkungen an das LRA zurückgesandt worden. Eine Vorlage des Gutachtens sei bisher nicht erfolgt. Man gehe daher davon aus, dass der Antragsteller derzeit nicht in der Lage sei, die Begutachtung mit einem positiven Ergebnis abzuschließen. Es wurde Gelegenheit gegeben, bis spätestens 18. Dezember 2020 freiwillig auf die Fahrerlaubnis zu verzichten. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist werde man ohne weitere Benachrichtigung die Fahrerlaubnis kostenpflichtig entziehen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 erklärte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem LRA, dass das Gutachten bislang nicht abgeschlossen worden sei. Der Gutachter sei von ihrer Seite zur Nachbesserung aufgefordert worden. Es wurde beantragt die gesetzte Frist bis 31. Januar 2021 zu verlängern. Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 erklärte das LRA gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers, aus Sicht der Fahrerlaubnisbehörde sei das Gutachten des TÜV Nord, welches zwischenzeitlich beim LRA eingegangen sei, schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde Gelegenheit gegeben, bis spätestens 19. Januar 2021 auf die Fahrerlaubnis zu verzichten. Andernfalls werde die Fahrerlaubnisbehörde diese mittels rechtsmittelfähigen Bescheid entziehen.
Am 13. Januar 2021 erstattete der Neurologe mit verkehrsmedizinischer Qualifikation Dr. med. M1* … G* … ein verkehrsmedizinisch-nervenärztliches Gutachten über den Antragsteller in dessen Auftrag zu folgender Fragestellung:
„Ist der Antragsteller weiterhin in der Lage, Fahrzeuge der Gruppe 1 sicher zu führen? Ist beim Antragsteller eine Alkoholabhängigkeit zu diagnostizieren?“
Im Gutachten wird unter anderem festgehalten, im Rahmen des Vorfalles am 27. Januar 2020 sei zwar ein Kontrollverlust bezüglich des Alkoholkonsums offensichtlich gewesen und es müsse auch von einer Toleranzentwicklung ausgegangen werden. Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit, wie im Gutachten des TÜV Nord gestellt, könne bei der heutigen Begutachtung aber nicht aufrechterhalten werden. Das vom TÜV Nord beim Antragsteller festgestellte „Craving“ könne nicht belegt werden. Eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich der Beendigung und der Menge des Konsums sei aufgrund der offensichtlich stattgehabten Intoxikation nicht bestreitbar. Unklar bleibe aber aus gutachterlicher Sicht die konsumierte Alkoholmenge. Die Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille, die gemessen worden sei, entspreche formal einer Blutalkoholkonzentration von 4,92 Promille. Dies sei eine Menge, die niemals mit dem Trinken von wenigen Bieren zu erreichen sei und voraussetzen würde, dass sich der Antragsteller eine massive Gifttoleranz antrainiert hätte. Sei der Antragsteller tatsächlich in der Lage gewesen, eine Blutalkoholkonzentration von 4,92 Promille zu erreichen, müsse die vom Bezirkskrankenhaus angegebene (angebliche) Entzugssymptomatik am nächsten Tag angezweifelt werden. Setze man eine Alkoholabbaurate von 0,15 Promille pro Stunde voraus, so müsse der Antragsteller bei einem Entlassungszeitpunkt gegen 16:00 Uhr am Folgetag, also 18 Stunden nach der Atemalkoholmessung um 22:03 Uhr, noch eine Blutalkoholkonzentration von 2,7 Promille gehabt haben. Eine angebliche massive Entzugssymptomatik wäre unter dieser hohen Alkoholisierung nur zu erwarten, wenn der Antragsteller ein langjähriger, schwerster Alkoholiker und Spiegeltrinker sei. Hiergegen spreche die Darstellung des Bezirkskrankenhauses R2* … über die stationäre Behandlung im September/Oktober 2018 wegen schwerer depressiver Episode. Während dieses Aufenthaltes sei Alkohol überhaupt kein Thema gewesen. Die Laborwerte seien beim Antragsteller, bis auf einen Vitamin-D-Mangel, unauffällig gewesen. Gegen eine schwere Alkoholabhängigkeit, die eine Gifttoleranz bis 2,46 Promille AAK voraussetzen würde, sprächen auch die fehlenden körperlichen alkoholbedingten Stigmata. Die Begutachtungsleitlinien forderten die sichere Diagnose einer Abhängigkeit, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr Kriterien nach ICD-10 vorhanden gewesen sein. Wie bereits dargestellt, könne eine gewisse Toleranzentwicklung sowie ein Kontrollverlust nicht abgestritten werden. Bezüglich der angeblichen Entzugssymptomatik bestünden, wie oben dargestellt, erhebliche Zweifel. „Craving“, also fortgeschrittene Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, sowie anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis eindeutiger schädlicher Folgen, lasse sich nicht feststellen. Insgesamt könne daher aus gutachterlicher Sicht, rückblickend zum Januar 2020, eine Alkoholabhängigkeit, wie sie von den Begutachtungsleitlinien skizziert werde, nicht sicher diagnostiziert werden.
Am 23. Januar 2021 erstattete Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. J* … R3* …, Arzt für Psychatrie und Psychotherapie, nach eigener Aussage mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, ein fachpsychiatrisches Gutachten über den Antragsteller auf dessen Anfrage. Unter dem Punkt Bewertung der Befunde ist festgehalten, dass beim Antragsteller keine alkoholspezifischen körperlichen Symptome als Folge eines übermäßigen Alkoholkonsums hätten festgestellt werden können. Die am Tag der Untersuchung durchgeführte ETG-Haaranalyse habe keinen Nachweis von Alkoholkonsum in den letzten drei Monaten ergeben. Hinsichtlich der Diagnosestellung des Bezirkskrankenhauses wird im Gutachten festgehalten, die festgestellte Atemalkoholkonzentration sei mit 2,46 Promille vermeintlich eher hoch gewesen, der Patient habe allerdings nach den Akten nicht hochgradig intoxikiert gewirkt, was bei an hohe Mengen gewöhnten Alkoholikern nicht unwahrscheinlich sei. Die Angabe der Atemalkoholkonzentration sei in diesem Zusammenhang allerdings nicht brauchbar. Aus den Akten sei zu erfahren gewesen, dass der Antragsteller im Jahr 2018 in stationärer Behandlung in R2* … gewesen sei. Damals sei ein Burnout diagnostiziert worden. Zu den Symptomen habe damals ein Zittern gezählt. Es sei nicht auszuschließen, dass das damalige Zittern als heutiges atypisches „Körperzittern“ im Arztbrief benannt worden sei und fälschlicherweise einer Entzugssymptomatik zugeordnet worden sei. Wahrscheinlicher sei jedoch noch, dass der Antragsteller schlicht ängstlich auf die Zustände im Klinikum reagiert habe. Laborparameter, die für oder gegen eine chronische Alkoholabhängigkeit sprechen würden, seien nicht verfügbar. Allerdings seien später eingeholte Laborwerte für CDT (0,8%) und eine Haaranalyse (weniger als 0,7 pg/mg) unauffällig und auch die Transaminasen (bei Funktionsstörungen der Leber) nicht ansatzweise erhöht. Laborchemisch liege sicher keine Alkoholerkrankung vor. Ein Hinweis auf eine Alkoholabhängigkeit oder gar eine Folgeerkrankung hierdurch liege deswegen nicht ansatzweise vor. Zusammenfassend stütze sich die Diagnose einer akuten Intoxikation auf einen gemessenen (unzuverlässigen) Atemalkoholwert von 2,46 Promille und eine verwaschene Sprache, bei mäßiger Intoxikation und psychopathologisch unkooperativem und renitentem Verhalten. Das Abhängigkeitssyndrom bzw. das Entzugssyndrom stütze sich neben den gering ausgeprägten Symptomen bei 2,46 Promille (fehlinterpretiert als Toleranzentwicklung) auf eine vegetative Entgleisung (RR, HF nicht bekannt) und Körpertremor (typisch sei eher Hände-Tremor). Man könne sagen, die vergebenen Diagnosen stünden auf sehr wackeligen Beinen. Das ICD-10-Kriterium des Kontrollverlustes könne trotz der sehr gering ausgeprägten klinischen Symptomatik und dem sehr zweifelhaften Messergebnis der Atemalkoholkonzentration gegebenenfalls als zutreffend angesehen werden. Gegen das Annehmen des Kriteriums eines Entzugssyndroms bestünden Bedenken. Sollte eine pharmakologische Intervention (BZD oder Clomethiazol) notwendig gewesen sein, würde sich das Bild ändern. Die Annahme des Kriteriums der Toleranzentwicklung sei sicher falsch. Im Entlassungsbrief sei hiervon an keiner Stelle die Rede. Auch dieses Kriterium sei damit nicht erfüllt. Schließlich wird festgestellt, dass die infrage stehende Diagnose eines manifesten Abhängigkeitssyndroms nach gutachterlicher Meinung nicht gerechtfertigt sei. Es wurden ferner folgende Befunde erhoben:
12.08.2020 – CDT negativ 0,5 (Norm 2,5% bis 10%)
29.10.2020 – Ethylglucucronid negativ (weniger als 7 pg/mg)
30.10.2020 – CDT negativ 0,8% (Norm 2,5% bis 10%)
13.01.2021 – Ethylglucucronid negativ (weniger als 7 pg/mg)
15.01.2021 – CDT negativ 0,8% (Norm 2,5% bis 10%)
Für weitere Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2021 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim LRA den Antrag, das Verfahren auf Entziehung der Fahrerlaubnis einzustellen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller wegen Alkoholabhängigkeit ungeeignet und nicht in der Lage sei, das Führen von Fahrzeugen und einen fahrsicherheitsbeeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher zu trennen. Es werde von genannten Zeugen bestätigt, dass der Antragsteller bis zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Vorfalls am 27. Januar 2020 nur äußerst selten und allenfalls in geringen Mengen Alkohol konsumiert habe. Seit dem Vorfall habe er überhaupt keinen Alkohol mehr getrunken. Die Richtigkeit dieser Angaben werde durch weiträumige und auf Anraten des Bevollmächtigten präventiv schon lange erhobene Laborbefunde unterstrichen. Die am 27. Januar 2021 durchgeführte Messung der Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille sehe sich erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass aus dem unauffälligen Verhalten des Antragstellers zum Untersuchungszeitpunkt in der Klinik auf eine Entwicklung einer Alkoholtoleranz geschlossen worden sei. Auch sei unverständlich, dass aus dem Bestreiten erheblichen Alkoholkonsums auf ein starkes Verlangen nach Alkohol geschlossen worden sei. Es sei auch bei der Diagnose des Bezirksklinikums keine umfangreiche Diagnostik vorgenommen worden. Die Annahme einer deutlichen Alkoholgewöhnung des Antragstellers, wie sie bei einem Wert wie der festgestellten AAK von 2,46 Promille vorliegen müsse, sei mit den Gesamtumständen nicht vereinbar. Es sei angebracht gewesen, zumindest die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration durchzuführen, wobei es nicht darauf ankomme, weswegen diese unterblieben sei. Gegen die Annahme einer Alkoholgewöhnung sprächen alle Ergebnisse der verschiedenen medizinischen Untersuchungen des Antragstellers, denen sich dieser präventiv unterzogen habe. Sowohl das Gutachten des TÜV Nord als auch weitere vom Antragsteller veranlasste Gutachten, beispielsweise von Professor R3* … sowie die beigebrachten Laborergebnisse, wiesen keinen für einen Alkoholmissbrauch oder gar eine Alkoholabhängigkeit sprechenden Befund aus. Vielmehr lägen alle Werte im Normbereich und belegten sogar positiv eine vollkommene Alkoholabstinenz. Dieses Ergebnis könne von einem Probanden, der zuvor alkoholabhängig gewesen sein soll, kaum zu erreichen sein. Im Gutachten des TÜV seien die Kriterien nach ICD-10 in einer nicht nachvollziehbaren Weise gedeutet worden. Auf die weiteren Ausführungen im Schreiben wird Bezug genommen.
In der Anlage zum Schreiben finden sich diverse Erklärungen von Angehörigen und Bekannten des Antragstellers, in denen diese dem Antragsteller eine Alkoholabstinenz auch für die Zeit vor dem 27. Januar 2020 bescheinigen. Auf diese wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 entzog das LRA dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Ziffer 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens bis 5 Tage nach Zustellung des Bescheides, beim LRA abzugeben (Ziffer 2). In Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides angeordnet. In Ziffer 4 wurde für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung unter Ziffer 2 nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Fahrerlaubnisbehörde könne gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen. Durch das Gutachten des TÜV Nord sei der Verdacht auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit bestätigt worden. Bei Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit bestehe gemäß Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich keine Fahreignung. Dabei sei es unerheblich, ob ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt worden sei. Sofern Alkoholabhängigkeit gegeben sei, könne Fahreignung nur dann wieder angenommen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt werde, dass dauerhafte Abstinenz bestehe. Als solche Tatsache zu werten sei in der Regel eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung sowie eine einjährige Abstinenz. Es dürften zudem keine sonstigen eignungsrelevanten Mängel vorliegen. Eine einjährige Abstinenz liege jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht vor. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend geboten. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Antragsteller hat seinen Führerschein am 4. Februar 2021 beim LRA abgegeben.
Mit am 4. Februar 2021 beim LRA eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. Februar 2021 einlegen lassen.
Mit am 5. Februar 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die oben angeführten Gutachten vorgebracht, dass das Gutachten des TÜV Nord als Grundlage für die angefochtene Entscheidung entgegen der Ansicht des Antragsgegners weder schlüssig noch nachvollziehbar sei. Das LRA gehe von falschen Anknüpfungstatsachen aus und ziehe angreifbare oder sogar offensichtlich fehlerhafte Schlüsse. Das Beharren des Gutachters und der Behörde auf ihren Annahmen sei verfehlt. Die Würdigung der Diagnosekriterien durch den TÜV Nord könne zum Teil nicht nachvollzogen werden. Von einer möglichst zuverlässigen Tatsachenprüfung könne keine Rede sein. Zweifel am Gutachten des TÜV Nord seien absolut berechtigt. Das Gutachten von Professor R3* …, welches die Behörde vor der Entscheidung erhalten habe, hätte jedenfalls bei der Überprüfung des Gutachtens des TÜV Nord inhaltlich berücksichtigt werden müssen und die pauschale Ablehnung als „Privatgutachten“ gehe fehl. Der Arztbericht des Bezirksklinikums habe nicht die Qualität eines Gutachtens. Dies sei weder seine Aufgabe gewesen noch sei so etwas von einem nach einer kursorischen Untersuchung zum Ausschluss von Suizidalität angefertigten abschließenden Bericht zu erwarten. Vielmehr sei nicht mehr als eine Verdachtsdiagnose erfolgt. Von einer eingehend gesicherten Diagnose könne nicht gesprochen werden. Das Gutachten des TÜV Nord und der angefochtene Bescheid gingen aber von einer gesicherten Diagnose aus. Dies sei verfehlt. Das Bezirksklinikum habe den Antragsteller nur über Nacht aufgenommen, weil es darum ging, eine vermeintliche Gefahr des Suizids abzuwehren. Keineswegs sei es um eine präzise Diagnosestellung für verkehrsmedizinische Zwecke oder aber für eine weitere Therapie gegangen. Der Bescheid beruhe auf falschen Tatsachenannahmen und ziehe falsche Schlüsse. Das Ergebnis der einmaligen Messung des Atemalkoholgehalts habe weder dem Gutachten des TÜV noch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt werden dürfen. Die Messung sei nicht von der Polizei für verkehrsrechtliche Zwecke erhoben worden, sondern von der Klinik für deren Zwecke. Die Messung sei durch eine nicht genannte Person und in einer nicht dokumentierten Weise erfolgt. Sie sei zudem nicht zu dem hier in Rede stehenden Zweck einer Prüfung der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr erhoben worden. Die Messung sei darüber hinaus methodisch fehlerhaft erfolgt. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des LRA vom 1. Februar 2021 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, aus dem Gutachten des TÜV Nord ergebe sich, dass eine Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller vorliege. Die Alkoholabhängigkeit sei auch bereits extern durch das Bezirksklinikum diagnostiziert worden. Die Kriterien nach ICD-10, die zur Diagnose der Alkoholabhängigkeit führten, seien im Gutachten dargelegt. Eine Entwöhnungsbehandlung habe nicht stattgefunden, ein ausreichender nachgewiesener Abstinenzzeitraum liege nicht vor. Das Gutachten des TÜV Nord sei nachvollziehbar und in sich schlüssig und könne daher von der Fahrerlaubnisbehörde verwertet werden. Das LRA ziehe die fachärztliche Qualifikation des Professor R3* … auf dem Gebiet der Psychiatrie keinesfalls in Zweifel, das von dem Antragsteller ohne Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde in Auftrag gegebene Gutachten sei jedoch nicht nach den Grundsätzen des §§ 11 Abs. 2 FEV erstellt worden. Es handele sich insbesondere nicht um einen Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Auch sei das Privatgutachten ohne Berücksichtigung des § 11 Abs. 6 FEV erstellt worden. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dem Gutachter weder Unterlagen übersandt noch eine Fragestellung mitgeteilt. Das Gutachten sei schon deshalb nicht für die Fahrerlaubnisbehörde verwertbar. Das Gutachten des Dr. K2* … liege der Fahrerlaubnisbehörde nicht vor. Dieses Gutachten sei jedoch ebenfalls nicht nach den Grundsätzen der §§ 11 Abs. 2 und Abs. 6 FeV erstellt worden. Das Gutachten des Dr. U* … vom 28. Januar 2021 sei dem LRA zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht bekannt gewesen. Auch dieses Gutachten entspreche jedoch nicht den Grundsätzen des § 11 Abs. 6 FEV. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass eine früher vorgelegene Alkoholabhängigkeit auch durch dieses Gutachten nicht ausgeschlossen werden könne. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers müsse die Fahrerlaubnisbehörde davon ausgehen, dass die Diagnose des Bezirksklinikums zutreffend gestellt worden sei. Auch gehe die Fahrerlaubnisbehörde davon aus, dass das medizinische Personal des Bezirksklinikums ohne weiteres eine Atemalkoholkonzentration mit entsprechendem Messgerät zutreffend ermitteln könne. Es sei bei Einlieferung eine Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille festgestellt worden. Auch wenn bei Atemalkohol eine gewisse Toleranz vorliegen könne, sei der festgestellte Wert noch so hoch, dass von einer erheblichen Alkoholisierung ausgegangen werden müsse. Auch wenn von einem hohen Promillewert allein noch nicht auf eine Alkoholabhängigkeit geschlossen werden könne, sei gemäß den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung bei Werten ab 1,5 Promille die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung anzunehmen. Die beim Antragsteller festgestellte Konzentration spreche jedenfalls für eine erhebliche Alkoholgewöhnung und verminderte Kontrollfähigkeit. Vor diesem Hintergrund komme der Schilderung des Bezirksklinikums, dass der Antragsteller trotz der festgestellten Atemalkoholkonzentration nur mäßig intoxikiert gewirkt habe, weitere Bedeutung zu. Dies spreche nämlich für eine erhebliche Alkoholgewöhnung. Auch der Auffassung des Antragstellers, dass bei einer Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille eine Blutalkoholkonzentration von 4,92 Promille vorgelegen haben müsse, könne nicht gefolgt werden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der ermittelte Wert von 2,46 Promille zutreffend sei. Die gängigen Atemalkohol-Messgeräte ermittelten üblicherweise entweder die Atemalkoholkonzentration in mg/ml, wobei dieser Wert in der Praxis verdoppelt werde, um den Promille-Wert zu erhalten, oder das Gerät zeige bereits den entsprechenden Promille-Wert an. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass ein Verfahren auf Ruhen der Approbation des Antragstellers, welches die Regierung von Oberbayern eingeleitet hatte, mit Bescheid vom 11. Februar 2021 eingestellt worden sei. Das Verfahren sei aufgrund derselben Tatsachen eingeleitet worden, welche auch dem Verfahren auf Entziehung der Fahrerlaubnis zugrunde liegen würden. Die Einstellung des Approbationsverfahrens beruhe auf einem Gutachten des Sachverständigen Dr. U* … Das Gutachten sowie der Einstellungsbescheid der Regierung von Oberbayern wurden als Anlage beigefügt. Im Gutachten wird unter anderem ausgeführt, eine Diagnose wie Alkoholabhängigkeit lasse sich zum Untersuchungszeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit stellen. Auf die Einzelheiten des Gutachtens wird Bezug genommen.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit er zulässig ist, ist er unbegründet.
1. Soweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides vom 1. Februar 2021 gerichtet ist, ist er bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat seinen Führerschein am 4. Februar 2021 beim LRA abgegeben. Durch die Erfüllung der Verpflichtung hat sich die Androhung des Zwangsgeldes erledigt. Nachdem auch sonst nicht ersichtlich ist, dass das LRA insoweit weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen möchte, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr ersichtlich.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 1. Februar 2021 hat das LRA die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht bei einem bereits vollzogenen Verwaltungsakt die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das LRA, das die sofortige Vollziehung angeordnet hat, das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichend begründet.
In den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Begründung darf nicht lediglich formelhaft sein, sondern muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist nämlich das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. z. B. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher in solchen Fällen nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört (vgl. BayVGH, B. v. 8.9.2015 – CS 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 1. Februar 2021 genügt noch diesen Anforderungen. Die sofortige Vollziehbarkeit wird damit begründet, dass bei den heutigen Verkehrsverhältnissen der sofortige Ausschluss von ungeeigneten Personen aus dem Kraftfahrzeugverkehr erforderlich sei. Dieses im öffentlichen Interesse liegende Ziel könne nur durch Herbeiführung der sofortigen Wirksamkeit einer solchen Anordnung erreicht werden. Es liege im öffentlichen Interesse, mit der Vollstreckung nicht bis zur Rechtskraft des Bescheides zu warten. Die als ungeeignet geltenden Kraftfahrer sollten schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden, um Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Dies sei Ausdruck der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Damit hat das LRA seine maßgeblichen Erwägungen im konkreten Einzelfall ausreichend dargelegt. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es erfolgt eine eigene Interessenabwägung des Gerichts.
b) Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273, m.w.N.). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung.
aa) Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung viel dafür, dass die Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 1. Februar 2021 erfolglos bleiben wird, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Danach ist (kein Ermessensspielraum) die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist jemand insbesondere ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt. Im Hinblick auf Alkohol wird in Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Von Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist auszugehen, wenn ein Bewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits abhängig zu sein. Alkoholabhängig im Sinne von Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV ist in der Regel, wer die Kriterien der diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 erfüllt. Nach Nr. 3.13.2 der Beurteilungskriterien zur Kraftfahreignung sollte die sichere Diagnose Alkoholabhängigkeit nur dann gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der dort genannten Kriterien (starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; Nachweis einer Toleranz; fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums; anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen, die dem Betroffenen bewusst sind) gleichzeitig vorhanden waren.
Im Falle des Antragstellers spricht bei der gebotenen summarischen Prüfung viel dafür, dass die Fahrerlaubnisbehörde im streitentscheidenden Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 1. Februar 2021 zu Recht vom Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit des Antragstellers im Sinne der Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen ist.
Das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten des TÜV Nord kommt zum Ergebnis, dass sich beim Antragsteller die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit, wie sie schon im Entlassbrief des Bezirksklinikums M* … über den stationären Aufenthalt des Antragstellers im Januar 2020 gestellt wurde, bestätigen lässt.
Das Gutachten vom 27. Oktober 2020 weist keine Mängel auf, die dazu führen würden, dass dieses nicht verwertbar ist. Nach den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 4a zur FeV muss das Gutachten in allgemeinverständlicher Sprache verfasst, nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden. Das Gutachten muss in allen wesentlichen Punkten, insbesondere im Hinblick auf die gestellten Fragen (§ 11 Abs. 6 FeV), vollständig sein. Im Gutachten muss dargestellt und unterschieden werden zwischen der Vorgeschichte und dem gegenwärtigen Befund.
Die skizzierten Anforderungen werden vom Gutachten des TÜV Nord eingehalten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ausführungen im Gutachten auf unzutreffenden Voraussetzungen basieren oder das Gutachten grobe, auch nicht Sachkundigen erkennbare, die Entscheidung beeinflussende Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist. Das Gutachten folgt einem stringenten Aufbau und beantwortet unter Wiedergabe aller relevanten Befunde die von der Fahrerlaubnisbehörde gestellten Fragen. Insbesondere ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Gutachten die Diagnose des Bezirksklinikums M* … aus dem Entlassbericht vom Januar 2020 in Bezug nimmt und die eigene Abhängigkeitsdiagnose zentral auf eine eingehende Auseinandersetzung mit der Diagnose des Bezirksklinikums stützt. Bei den bayerischen Bezirkskliniken handelt es sich um Einrichtungen, die nach Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 Bayer. Bezirksordnung u. a. der Betreuung von Suchtkranken sowie solcher Personen dienen, die einer psychiatrischen Behandlung oder Obsorge bedürfen. Diese Fachkrankenhäuser verfügen deshalb über einen hohen Grad an Spezialisierung auf die vorgenannten Gebiete. Die Feststellung, ob eine Person an einer Suchterkrankung leidet, gehört zu den Aufgaben, die in diesen Einrichtungen täglich in nicht geringer Zahl zu bewältigen sind (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 11 ZB 15.2200 – juris Rn. 20). Trotz der Tatsache, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bezirksklinikum von geringer Dauer war, lässt sich festhalten, dass einer Abhängigkeitsdiagnose einer derart spezialisierten Fachklinik Gewicht beizumessen ist. Nach den für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien ist die Tatsache, dass eine Alkoholabhängigkeit bereits extern diagnostiziert wurde, zudem ein Kriterium für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit, insbesondere wenn die Diagnose von einer suchttherapeutischen Einrichtung gestellt oder eine Entgiftung durchgeführt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 10.7.2017 – 11 CS 17.1057 – BeckRS 2017, 117026 Rn. 12, 13; vgl. VG Würzburg, B. v. 19.8.2019 – 6 K 19.104 – BeckRS 2019, 30838 Rn. 25). Insofern war die Begutachtungsstelle in jedem Fall gehalten, sich mit dem Entlassbericht des Bezirksklinikums und der darin enthaltenen Diagnose auseinanderzusetzen.
Das Gericht hält die gutachtlichen Darlegungen und Ausführungen zudem für klar und schlüssig. Das Gutachten erläutert nachvollziehbar unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 27. Januar 2020 und den darauf folgenden Klinikaufenthalt, von welchen gleichzeitig vorgelegenen Kriterien nach ICD-10 es beim Antragsteller ausgeht. Die getroffenen Feststellungen sehen sich bei summarischer Prüfung – auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgelegten weiteren Gutachten – keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Im Entlassbericht des Bezirksklinikums M* … wurde festgestellt, dass beim Antragsteller bei der stationären Aufnahme festgestellt worden sei, dass eine Atemalkoholkonzentration von 2,46 Promille vorliege. Ungeachtet der Notwendigkeit der genaueren Abklärung dieser Frage im Hauptsacheverfahren spricht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung aufgrund der Tatsache, dass der genannte Wert ausdrücklich in der Maßeinheit Promille angegeben wurde, viel dafür, dass von ärztlicher Seite bei dieser Angabe der schon in die entsprechende Höhe der Blutalkoholkonzentration umgerechnete Wert gemeint war. Das Gericht geht dabei davon aus, dass bei einer umgerechneten Blutalkoholkonzentration von fast 5 Promille akute Lebensgefahr bestehen würde, da schon bei Werten von über 3 Promille Bewusstlosigkeit eintreten und sich ein lebensgefährlicher Atemstillstand ergeben kann (vgl. https://www.drugcom.de/drogenlexikon/buchstabe-a/alkohol/). Es erscheint in diesem Zusammenhang kaum nachvollziehbar, dass der Betroffene nur mäßig intoxikiert wirkte, wie im Entlassbericht des Bezirksklinikums M* … beschrieben. Auch im Gutachten des TÜV Nord wird bei der Bezugnahme auf den festgestellten Wert dieser stets in Promille angegeben, was darauf schließen lässt, dass auch der Gutachter von einem Wert der Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille ausgegangen ist. Bei Vorliegen einer Blutalkoholkonzentration in dieser Höhe erscheint es aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar, dass im Gutachten unter anderem die Kriterien einer verminderten Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums sowie einer Toleranzentwicklung angenommen wurden. Die genannten Kriterien des Kontrollverlustes und der Toleranzentwicklung werden im Übrigen auch im Gutachten des Dr. G* …, welches der Kläger selbst vorgelegt hat, als gegeben angesehen, da dieser in seinen Ausführungen erklärt, dass ein Kontrollverlust bezüglich des Alkoholkonsums offensichtlich gewesen sei und eine Toleranzentwicklung angenommen werden müsse. Auch im Gutachten des Prof. R3* … wird festgehalten, man könne „trotz der gering ausgeprägten klinischen Symptomatik und dem sehr zweifelhaften AAK Messergebnis“ das Kriterium des Kontrollverlustes gegebenenfalls als zutreffend ansehen. Der vorgebrachte Einwand, die Entzugssymptomatik, die das Bezirksklinikum beim Antragsteller festgestellt hatte, könne ebenso auf ein durch den Stationsaufenthalt ausgelöstes Panikverhalten zurückzuführen sein, stellt letztlich eine Vermutung dar, die durch nichts sicher belegt wird. Geht man, wie oben dargelegt, davon aus, dass beim Antragsteller zum Zeitpunkt der Aufnahme auf die Station umgerechnet eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,46 Promille vorlag, erscheint es vielmehr plausibel, dass zum Untersuchungszeitpunkt am Tag nach der Aufnahme eine Entzugssymptomatik, wie sie im Entlassbericht des Klinikums beschrieben ist, auftrat. Es ist nach dem Gesagten festzuhalten, dass die genannten Kriterien des Kontrollverlustes, der Toleranzentwicklung und der Entzugssymptomatik aus Sicht des Gerichts im Gutachten auf nachvollziehbare Art und Weise hergeleitet wurden. Auch die vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die durchgeführte Messung der Atemalkoholkonzentration können dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Aus den Akten sind keine konkreten Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei der Erhebung des Atemalkoholwertes ersichtlich. Es spricht bei der gebotenen summarischen Prüfung daher viel dafür, dass das Messverfahren im Bezirksklinikum, zu dessen zentralen Aufgabenstellungen, wie oben dargelegt, die Feststellung von Suchterkrankungen zählt (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 11 ZB 15.2200 – juris Rn. 20), ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die Bestätigung der Abhängigkeitsdiagnose aus dem Entlassbericht des Bezirksklinikums im Gutachten des TÜV Nord erscheint mithin schlüssig und nachvollziehbar.
Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung und Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist die Fahreignung erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Außerdem müssen der Einstellungswandel und die Verhaltensänderung als hinreichend gefestigt und stabil einzuschätzen sein (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 13 FeV Rn. 28). Der Nachweis, dass die Verhaltensänderung stabil und motivational gefestigt ist, ist mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu führen (§ 13 Satz 1 Nr. 2 e) FeV). Diese Voraussetzungen lagen beim Antragsteller nicht vor, denn die aus den Akten ersichtlichen Untersuchungsergebnisse, unter anderem von Haaranalysen, belegen allesamt schon keine zum streitentscheidenden Zeitpunkt des Bescheidserlasses schon mindestens ein Jahr andauernde Abstinenz. Auch im vom Antragsteller vorgelegten Gutachten des Prof. R3* … wird festgehalten, dass ein lückenloser Abstinenznachweis erst seit dem 29. Juli 2020 vorliege.
Nach dem Gesagten spricht folglich viel dafür, dass nicht zu beanstanden ist, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Bescheidserlass von einer feststehenden Alkoholabhängigkeit des Antragstellers ausgegangen ist (§ 11 Abs. 7 FeV).
Verbleibende Zweifel bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage führen zu keiner anderen Entscheidung, da auch eine allgemeine Interessenabwägung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert; dieses Risiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (vgl. BayVGH B.v. 28.11.2011 – 11 CS 11.2393 – BeckRS 2011, 34438). Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall. Wie ausgeführt spricht nach der Aktenlage zumindest Überwiegendes dafür, dass beim Antragsteller von einer (früheren) Alkoholabhängigkeit auszugehen ist. Es ist festzustellen, dass das daraus resultierende Gefahrenpotential für die Sicherheit des Straßenverkehrs vor diesem Hintergrund das Interesse des Antragstellers, trotz der bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung bis zur Entscheidung in der Hauptsache am Straßenverkehr teilzunehmen, überwiegt. Zwar hat der Antragsteller Nachweise über seine Alkoholabstinenz vorgelegt. Diese reichen jedoch, wie vom Antragsteller selbst ausgeführt wird, nur zurück bis zum 29. Juli 2020. Ausgehend von der Wertung der Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien, dass nach Diagnose einer Alkoholabhängigkeit jedoch zumindest eine einjährige Abstinenz nachgewiesen sein muss, fällt die Interessenabwägung daher im konkreten Fall zu Ungunsten des Antragstellers aus.
bb) Nach summarischer Prüfung wird auch die Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 1. Februar 2021 – Anordnung der Rückgabe des Führerscheins – keinen Erfolg haben, da der Bescheid auch in dieser Hinsicht rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV zu finden. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.
Nach allem war daher der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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