Medizinrecht

Fahrerlaubnisentzug wegen Nichtvorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens Konsum sogenannter harter Drogen

Aktenzeichen  AN 10 E 21.00985, AN 10 S 21.00987

Datum:
7.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41406
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 und 3
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 14 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten der Verfahren.
3. Der Streitwert wird für beide Verfahren jeweils auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der 1996 geborene Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B mit Einschlussklassen.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 17. Mai 2018, rechtskräftig seit 25. Juli 2018, wurde der Antragsteller wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm lag zur Last, dass er als Fahrer eines PKW am 21. Dezember 2017 mit einem Wildschwein kollidierte und dieses ungesichert auf der Fahrbahn liegen ließ, was zu zwei weiteren Kollisionen mit dem Tier führte. Eine dem Antragsteller am 22. Dezember 2017 um 0:28 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine THC-Konzentration von 1,2 ng/ml. Zur Abklärung, ob es sich um einen einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen Cannabiskonsum handelte, forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung auf. Das vorgelegte Gutachten vom 12. Oktober 2018 kam zu dem Ergebnis, dass das Konsumverhalten als einmalige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen sei. Das Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung wurde eingestellt.
Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle des Antragstellers am 28. März 2019 um 16:45 Uhr wurde aufgrund drogentypischer Auffälligkeiten eine Blutuntersuchung durchgeführt mit dem Ergebnis einer THC-Konzentration von 1,1 µg/l, 11-Hydroxy-THC von 0,9 µg/l und THC-Carbonsäure von 86 µg/l (ärztlicher Befundbericht v. 23.4.2019). Diesen weiteren Vorfall nahm der Antragsgegner zum Anlass (Schreiben v. 15.5.2019), den Antragsteller zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens bis 10. Juli 2019 aufzufordern, um die Frage der Fähigkeit zur Trennung von Cannabiskonsum und einer Verkehrsteilnahme zu klären. Die Bevollmächtigte teilte hierauf mit Schreiben vom 29. Mai 2019 mit, dass sich der Antragsteller in stationärer Behandlung befinde, die noch andauere. Der Antragsgegner bat um Vorlage eines ärztlichen Attestes bzw. Entlassungsberichts der Klinik, aus dem hervorgehe, wie lange bzw. aus welchem Grund sich der Antragsteller in stationärer Behandlung befunden hat (Schreiben v. 10.7.2019).
Mit Schreiben vom 1. August 2019 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zum beabsichtigten Fahrerlaubnisentzug wegen Nichtvorlage des medizinischpsychologischen Gutachtens an, da der erbetene Entlassungsbericht nicht vorgelegt wurde. Die Bevollmächtigte erwiderte mit Schreiben vom 15. August 2019, dass gegen den Bußgeldbescheid vom 31. Juli 2019 im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 28. März 2019 Einspruch erhoben worden sei. Aufgrund der Umstände stehe nicht fest, dass der Antragsteller an besagtem Tag unter Betäubungsmitteleinfluss ein Fahrzeug geführt habe. Die gesetzte Frist habe aufgrund des Klinikaufenthalts nicht eingehalten werden können. Der Antragsteller habe sich aufgrund eigener Initiative aufgrund seiner psychischen und physischen Gesamtsituation in stationärer ärztlicher Behandlung in der … Klinik und im Klinikum … befunden. Im Zuge seiner Behandlung seien diverse Drogenscreenings durchgeführt worden, die negativ gewesen seien und keine Cannabisrückstände aufgewiesen hätten. Der Rückschluss eines feststehenden dauerhaften Konsums von Cannabis und einer damit einhergehenden Unfähigkeit der Trennung von der Verkehrsteilnahme lasse sich nicht mehr halten. Für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens könne der Antragsteller kurzfristig zu Drogenscreenings einbestellt werden.
Mit Schreiben vom 19. August 2019 teilte der Antragsgegner mit, dass das Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens bezüglich des Vorfalls am 28. März 2019 ausgesetzt werde. Laut Auszug aus dem Fahreignungsregister erwuchs der Bußgeldbescheid vom 25. November 2019 in Rechtskraft am 11. März 2020.
Aufgrund des Umzugs des Antragstellers zum 20. Januar 2020 in den Landkreis … … wurde der Vorgang am 15. Juni 2020 an die dortige Fahrerlaubnisbehörde übergeben.
Die nun zuständige Fahrerlaubnisbehörde forderte den Antragsteller unter Bezugnahme auf die beiden Fahrten unter Cannabiseinfluss mit Schreiben vom 22. Juni 2020 auf, den ärztlichen Entlassungsbericht der … Klinik und der Klinik am … (und/oder ggf. auch andere ärztliche Befunde oder Arztbriefe) vorzulegen.
Dem mit Schreiben vom 2. Juli 2020 vorgelegten vorläufigen Entlassungsbericht der … Klinik vom 28. Mai 2019 ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller vom 18. April 2019 bis 28. Mai 2019 dort in stationärer Behandlung befand. Diagnostiziert wurde eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Gegenüber der Klinik gab der Antragsteller an, dass er Cannabis für zwei Jahre bis vor vier Wochen regelmäßig drei- bis viermal pro Woche konsumiert habe. Amphetamine (Speed) habe er bis vor vier Monaten am Wochenende, Ecstasy vor zwei Jahren sowie Tramadol für einen Monat auch vor zwei Jahren konsumiert. Weiter heißt es in dem Entlassungsbericht, dass sich die depressive Symptomatik während des stationären Aufenthalts gebessert habe. Zum Entlasszeitpunkt bestünden noch Stimmungsschwankungen, eine geminderte Belastbarkeit, Zukunftsängste sowie ein gelegentlicher Rückfall in alte Verhaltensmuster. Eine ambulante Psychotherapie sowie eine Fortführung der Medikation wurde empfohlen.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller unter Bezugnahme auf den Entlassungsbericht der … Klinik (Schreiben v. 22.6.2020) zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation auf. Das Gutachten solle im Hinblick auf die Diagnose schwere depressive Episode insbesondere klären, ob eine psychische Störung vorliege, die die Fahreignung in Frage stelle. Es wurde darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls noch ein medizinischpsychologisches Gutachten bezüglich des Konsums von Amphetamin und Ecstasy angefordert werde. Das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation vom 4. September 2020 wurde vorgelegt (Schreiben v. 14.9.2020). Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Untersuchung keine psychische (geistige) Störung (Nr. 7 nach Anlage 4 FeV) vorgelegen habe, die die Fahreignung in Frage stellen würde. Der Untersuchte sei nach wie vor in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen AM, B, L (Gruppe 1) gerecht zu werden. Bezüglich der Vorfälle liege eine absolut ausreichende Compliance (Krankheitseinsicht) vor. Eine Medikation finde nicht mehr statt, der Proband sei psychisch absolut stabil. Auflagen zum Führen von Kraftfahrzeugen seien nicht erforderlich. Ebenso wenig erforderlich sei eine Kontrolluntersuchung oder Nachbegutachtung.
Der Antragsgegner ordnete mit Schreiben vom 23. September 2020 die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens an. Mit dem ärztlichen Gutachten vom 4. September 2020 hätten die Eignungsbedenken bezüglich der Depression beseitigt werden können. Es bestünden noch weitere Zweifel an der Eignung. Aus dem vorläufigen Entlassungsbericht über den Aufenthalt in der … Klinik ergebe sich, dass der Antragsteller im Jahr 2019 Speed sowie zwei Jahre zuvor Ecstasy zu sich genommen habe. Auch in dem ärztlichen Gutachten räume der Antragsteller den Konsum von Betäubungsmitteln in der Vergangenheit ein. So habe er angegeben, im Jahr 2017 gelegentlich Speed und Ecstasy konsumiert zu haben. Das Gutachten sei bis 8. Dezember 2020 beizubringen und solle folgende Fragestellung klären:
Liegen körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit der Einnahme von Betäubungsmitteln in Zusammenhang gebracht werden können? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt?
Die Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 13. November 2020 mit, dass kein weiterer Aufklärungsbedarf bestehe. Die Anordnung der medizinischpsychologischen Fahreignungsuntersuchung sei unverhältnismäßig. Der Vorfall, der dem ursprünglichen Bußgeldbescheid zugrunde gelegen habe, datiere auf den 28. März 2019 und liege nahezu 20 Monate zurück. Der vorläufige Entlassungsbericht datiere auf den 28. Mai 2019 und beziehe sich auf den Aufenthalt des Antragstellers vom 18. April 2019 bis 28. Mai 2019. Das ärztliche Gutachten datiere auf den 4. September 2020 und habe eine Exploration des Antragstellers vom 26. August 2020 zur Grundlage. Aus den Angaben im Entlassungsbericht sei davon auszugehen, dass ein letzter Konsum von Amphetamin Ende 2018 – und nicht im Jahre 2019 – erfolgt sei. Ausweislich des Drogenbefundes habe am 18./23. April 2019 festgestanden, dass der Antragsteller über einen langen Zeitraum vor dem Screening hinweg keinerlei Betäubungsmittel konsumiert habe. Auch die während des Krankenhausaufenthalts erfolgte Blutuntersuchung habe dieses Ergebnis bestätigt. Im Zuge der Exploration am 26. August 2020 sei ein Urinscreening durchgeführt worden, welches ebenfalls negativ gewesen sei und die dauerhafte Betäubungsmittelabstinenz bestätige. Auch wenn das Gutachten vom 4. September 2020 die Ausgangsthese einer fälschlicherweise in den Entlassungsbericht der … Klinik behaupteten schweren Depression zur Grundlage gehabt habe, habe der Gutachter in Kenntnis des gesamten Akteninhalts und damit auch des Betäubungsmittelkonsums in der Vergangenheit eindeutig ausgeführt, dass der Antragsteller uneingeschränkt in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen AM, B, L (Gruppe 1) gerecht zu werden. Des Weiteren habe er festgestellt, dass bezüglich der Vorfälle – gemeint sein könne nur der Betäubungsmittelkonsum – eine absolut ausreichende Compliance vorliege. In Zusammenschau mit der seit über eineinhalb Jahre andauernden (nachgewiesenen) Betäubungsmittelabstinenz ließen diese Ausführungen den Schluss zu, dass für die Annahme einer fehlenden Fahreignung keine Anknüpfungstatsachen (mehr) vorlägen.
Mit Schreiben vom 24. November 2020 erwiderte der Antragsgegner, dass nach dem vorläufigen Entlassungsbericht der … Klinik der Antragsteller Amphetamine bis zu vier Monate am Wochenende und Ecstasy vor zwei Jahren vor seinem Klinikaufenthalt eingenommen habe. Ein Konsum von sogenannten harten Drogen habe in der Vergangenheit somit nicht nur einmalig stattgefunden. Der letzte Konsum liege nicht so lange zurück, dass ohne weitere Überprüfung davon ausgegangen werden könne, der Antragsteller sei wieder fahrgeeignet. Unter Einbeziehung aller relevanten Umstände sei im vorliegenden Einzelfall von Tatsachen auszugehen, die nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet seien, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen.
Die Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 mit, dass sich der Antragsteller aufgrund behördlicher Anordnung vom 3. Dezember 2020 in Quarantäne befinde. Der Coronatest werde am 8. Dezember 2020 vorgenommen. Vor Beendigung der Quarantäne sei das Testergebnis abzuwarten. Der für die Fahreignungsbegutachtung ursprünglich auf den 11. Dezember 2020 angesetzte Termin sei auf Januar 2021 verschoben worden. Es werde beantragt, die Frist zur Gutachtensvorlage angemessen zu verlängern. Nach weiterer Korrespondenz wurde mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung angehört, dann – nach weiterem Schriftwechsel – mit Schreiben vom 8. Januar 2021 die Frist zur Vorlage des Gutachtens aufgrund der angeordneten Quarantäne bis zum 15. Februar 2021 verlängert und mitgeteilt, dass das Schreiben vom 21. Dezember 2020 als hinfällig betrachtet werden könne. Die Bevollmächtigte erklärte mit Schreiben vom 25. Januar 2021, dass diese Mitteilung nicht ausreichend sei. Angesichts des gesamten bisherigen Verfahrensverlaufs sei eine ausdrückliche Verfahrenseinstellung – gegebenenfalls wegen Erledigung – auszusprechen. Trotz der grundsätzlich bestehenden Bereitschaft des Antragstellers zu Exploration sehe sich dieser angesichts des gesamten Verlaufs der Angelegenheit gezwungen, von einer Teilnahme an der Begutachtung so lange Abstand zu nehmen, bis der Vorgang gerichtlich beurteilt worden sei. Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 27. Januar 2021, dass die Fristversäumnis des Antragstellers nicht selbst verschuldet gewesen sei, weshalb das eingeleitete Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des Gutachtens zunächst eingestellt werde. Von der Anordnung des medizinischpsychologischen Gutachtens könne nicht abgesehen werden. Dieses sei bis 15. Februar 2021 vorzulegen.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2021 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung an. Hierzu äußerte sich die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 9. März 2021. Sie führte u.a. aus, dass der Antragsteller seit dem Vorfall vom 28. März 2019 keinerlei Betäubungsmittel konsumiert habe. Auch wenn die Exploration am 26. August 2020 und die Gutachtenerstellung zu einer anderen Ausgangsfrage erfolgt sei, seien die Inhalte – insbesondere zur Compliance – maßgeblich. Das auf den Betäubungsmittelkonsum, der Einfluss in die Gutachtenerstattung gefunden habe, Bezug genommen werde, sei evident. Der Gutachter stelle klar, dass keine Störung im Sinne des § 7 Anlage 4 FeV vorliege. Die Krankheitseinsicht könne sich nur auf den Betäubungsmittelkonsum beziehen. Der im Zuge des Klinikaufenthalts mitgeteilte, weit in der Vergangenheit liegende, seltene und vor allem nicht zu quantifizierende (Party) Konsum von Amphetamin zeichne kein anderes Bild. Tatsachen, die zum Zeitpunkt des Vorfalls im März 2019 Bedenken hätten begründen können, seien nicht (mehr) gegeben.
Mit Bescheid vom 19. März 2021 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge aller Klassen (Ziffer 1) und verpflichtete ihn, unter Androhung eines Zwangsgeldes (Ziffer 4), den Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzuliefern (Ziffer 2). Der Sofortvollzug der Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 3). Im Wesentlichen wurde der Bescheid damit begründet, dass der Antragsteller mit der Einnahme von Amphetamin bis Ende 2018 und Ecstasy im Jahr 2017 seine Fahreignung verloren habe. Da der angegebene Konsum mehr als ein Jahr zurückliege und in Anwendung der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV durch Einhaltung einer einjährigen Abstinenz sowie eines grundlegenden Einstellungs- und Verhaltenswandels die Fahreignung wiedergegeben sein könne, sei die Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens gemäß § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV erfolgt. Zwischen dem letzten Konsum und der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung seien noch nicht einmal zwei Jahre vergangen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Einnahme von Amphetamin ein hohes Suchtpotenzial und Rückfallrisiko in sich berge, habe weiterhin ein Gefahrenverdacht bestanden, der durch den bisherigen Zeitablauf nicht habe ausgeräumt werden können. Die vorgelegten Drogenscreenings billigten ausschließlich, dass an den entsprechenden Tagen kein Amphetamin konsumiert worden sei. Eine dauerhafte Abstinenz könne durch die vorgelegten Screenings nicht belegt werden. Ob und wie umfangreich sich der Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation mit der Aufarbeitung der Drogenproblematik und damit über den Begutachtungsauftrag hinaus auseinandergesetzt habe, könne dahinstehen. Selbst wenn diese zur Schlussfolgerung gelangt sei, dass eine Compliance bezüglich der Vorfälle „und damit Fahreignung trotz vorangegangenen Drogenkonsums bestehe“, sei dies kein Beleg für die wiedererlangte Fahreignung, da die Einschätzung nicht auf aktuell anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen beruhe. Zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nach vorangegangenen Betäubungsmittelkonsum (außer Cannabis) seien mindestens sechs (eher 12) Monate Abstinenzzeitraum nachzuweisen. Nachdem das Gutachten nicht fristgerecht beigebracht worden sei, habe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung schließen müssen (§ 11 Abs. 8 FeV).
Am 29. März 2021 lieferte der Antragsteller seinen Führerschein beim Antragsgegner ab.
Gegen den Entzugsbescheid ließ der Antragsteller mit Schreiben vom 20. April 2021 Widerspruch einlegen, dem nicht abgeholfen wurde und der mit Schreiben vom 30. Juni 2021 der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 ließ der Antragsteller im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
1. Die sofortige Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners vom 19. März 2021 wird aufgehoben (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ) und die aufschiebende Wirkung des gegen den zum Aktenzeichen …erlassenen Bescheids vom 19. März 2021 zur Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragsgegners erhobenen Widerspruchs des Antragstellers wird wiederhergestellt.
2. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die vom Antragsteller am 27. März 2021 an den Antragsgegner abgelieferte Fahrerlaubnis unverzüglich wieder an den Antragsteller [herauszugeben].
Zur Begründung wurde auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen, in der im Wesentlichen der bereits vorgebrachte Vortrag wiederholt wurde. Ergänzend wurde ausgeführt, es gebe ausreichend Nachweise, die eine positive Verhaltensprognose des Antragstellers begründen könnten. Im Zuge des Gutachtens des Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation sei sowohl das Blut als auch der Urin mit negativem Ergebnis untersucht worden. Dies in Zusammenschau mit den Ergebnissen der Blut- und Urinuntersuchungen während des Aufenthalts in der … Klinik ergäben ein Bild über einen Zeitraum von nahezu 19 Monaten. Das Bestehen auf einen gesondert nachzuweisenden sechs- bis zwölfmonatigen Abstinenzzeitraum sei unangebrachte Förmelei. Der Antragsteller habe die Einholung und Vorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens auch nicht verweigert. Im Gegenteil, er habe sowohl die Begutachtungsstelle benannt und die Kosten vollständig ausgeglichen. Eine Weigerung im Sinne von § 11 Abs. 8 FeV sei nicht anzunehmen. Angesichts der Besonderheiten der Angelegenheit unter teils nicht nachvollziehbaren Entscheidungen über das mehrere Jahre andauernde Verfahren, habe der Antragsteller die Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung vorab gerichtlich klären lassen wollen. Warum gleichwohl die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Der pauschalen Einschätzung des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Anordnung der Sofortvollzug könne nicht gefolgt werden. Der Antragsteller habe über zwei Jahre am Straßenverkehr ohne Beanstandungen und Gefährdung der Allgemeinheit teilgenommen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021
Antragsablehnung.
Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner auf den angefochtenen Bescheid und das Schreiben zur Vorlage des Widerspruchs bei der Widerspruchsbehörde vom 30. Juni 2021. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass die vorgelegten Drogenscreenings nicht den CTU-Kriterien entsprächen und ausschließlich eine Drogenfreiheit an den entsprechenden Tagen und gegebenenfalls 1 bis 2 Tage vorher nachweisen würden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Eilanträge bleiben ohne Erfolg.
A.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
1. Der in Ziffer 1 der Antragsschrift, zweiter Halbsatz, gestellte Antrag wird sachgerecht nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ausgelegt. Dieser ist aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) statthaft.
Der Antrag in Ziffer 1 der Antragsschrift, erster Halbsatz, wird sachgerecht als Antrag auf Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung der Ablieferungspflicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ausgelegt (s. auch unter B.).
Weiter wird der Antrag dahingehend ausgelegt (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass er sich nicht auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids bezieht. Der Antragsteller hat den Führerschein bei der Behörde bereits abgegeben. Die Verpflichtung aus Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist erfüllt und hat sich damit erledigt, sodass insoweit im Übrigen das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde.
2. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung Hauptsacherechtsbehelfs im Falle der Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ganz oder teilweise wiederherstellen.
Das Gericht überprüft dabei, ob die Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt und nimmt sodann eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Bescheids vor. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Ergibt die summarische Prüfung, dass der zugrunde liegende Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist, ein Hauptsacherechtsbehelf also voraussichtlich erfolglos wäre, so überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Ergibt die Prüfung umgekehrt, dass der angefochtene Bescheid offensichtliche Rechtsmängel aufweist und der Hauptsacherechtsbehelf damit voraussichtlich Erfolgsaussichten hätte, so überwiegt regelmäßig das private Interesse des Betroffenen, vom Sofortvollzug bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben. Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
a) Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. März 2021 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entspricht – entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten – den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug ausreichend begründet wurde.
An den Inhalt der schriftlichen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 20). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16; B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2013 – 11 CS 13.785 – juris Rn. 7; B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem hat der Antragsgegner genügt, indem er – ausgehend von einer nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV anzunehmenden fehlenden Fahreignung – den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärt hat.
Die behördliche Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 a.a.O. m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00 u.a. – juris Rn. 17).
Auch bezüglich der Abgabe des Führerscheins wurde der Sofortvollzug ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet, indem ausgeführt wird, dass bei Nichtabgabe des Führerscheins die nicht auszuschließende Gefahr des Missbrauchs durch das Vorzeigen bei möglichen Verkehrskontrollen bestehe.
b) Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Fahrerlaubnisentziehung (s. aa)) und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins (s. bb)) sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig und verletzen den Antragsteller damit nicht in seinen Rechten, sodass der einlegte Widerspruch voraussichtlich erfolglos sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Die Entziehung der Fahrerlaubnis war rechtmäßig und konnte auf § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützt werden. Der Antragsgegner hat zu Recht ein medizinischpsychologisches Gutachten gefordert. Nachdem der Antragsteller das angeforderte Gutachten innerhalb der gesetzten Frist nicht vorgelegt hat, durfte der Antragsgegner auf seine Nichteignung schließen.
(1) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis) die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn. 16 m.w.N.). Im Regelfall muss für die Wiedererlangung der Fahreignung nach einem Konsum harter Drogen eine einjährige Abstinenz nachgewiesen werden. Für eine positive Verkehrsprognose muss ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutreten, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält (vgl. Nr. 9.5 Anlage 4 zur FeV i.V.m. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Bundesanstalt für Verkehrswesen, Stand: 31.12.2019; stRspr vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn. 19 m.w.N.). Wird von dem Betroffenen eine Verhaltensänderung geltend gemacht und liegt zwischen dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, mindestens ein Jahr – sogenannte „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ – so hat die Fahrerlaubnisbehörde die Möglichkeit einer Wiedererlangung der Fahreignung im Rahmen des Entziehungsverfahrens grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2421 – juris Rn. 14).
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ist die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahmen begründen, dass eine Einnahme von Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt und zu klären ist, ob der Betroffene – ohne abhängig zu sein – weiterhin Betäubungsmittel einnimmt. Die Vorschrift stellt eine gebundene Entscheidung dar, d.h. für die Fahrerlaubnisbehörde ist kein Ermessen eröffnet. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung des Gutachtens ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung formell und materiell rechtmäßig erfolgte. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 11 CS 20.1061 – juris Rn. 16).
(2) Die Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe keinen rechtlichen Bedenken.
(aa) Der Antragsgegner hat – entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten – vorliegend zu Recht die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV angeordnet.
Der Antragsteller gab im Rahmen seines stationären Aufenthalts in der … Klinik im April 2019/Mai 2019 an, Amphetamine bis vor vier Monaten am Wochenende und vor zwei Jahren Ecstasy konsumiert zu haben und bestätigte diese Angaben im Rahmen der ärztlichen Begutachten im August 2020. Ein Konsum von Betäubungsmittel gemäß § 1 Abs. 1 BtMG Anlage III und I ist damit gegeben.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat unter Berücksichtigung der oben dargestellten Maßstäbe aufgrund des verstrichenen Zeitraums zwischen der vorgetragenen Abstinenz betreffend den Konsum harter Drogen Ende des Jahres 2018 und der dem Fahrerlaubnisentzug zugrunde liegenden Gutachtensanforderung im September 2020 die Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht unmittelbar aufgrund des § 11 Abs. 7 FeV entzogen, sondern zu Recht ein medizinischpsychologisches Gutachten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV angefordert, um abzuklären, ob der Antragsteller noch ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Hiergegen greift auch der Einwand der Bevollmächtigten nicht durch, dass der ärztliche Gutachter in dem Gutachten vom 4. September 2020 in Kenntnis des gesamten Akteninhalts und damit auch des Betäubungsmittelkonsums in der Vergangenheit ausgeführt habe, dass der Antragsteller in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden. Wie die Bevollmächtigte selbst feststellte, bezog sich die durch den ärztlichen Gutachter zu klärende Fragestellung ausschließlich auf die Fahreignung des Antragstellers im Hinblick auf die im Entlassungsbericht der … Klinik enthaltene Diagnose der schweren depressiven Episode und damit nicht auf die durch das medizinischpsychologische Gutachten zu klärende Fragestellung, ob – neben der notwendigen Abstinenz – ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel beim Antragsteller eingetreten ist. Selbst wenn der ärztliche Gutachter – wie die Bevollmächtigte annimmt – seine Feststellungen auch auf die Fahrgeeignetheit bezüglich des Konsums harter Drogen hätte erstrecken wollen, würde dies kein anderes Ergebnis begründen. Denn ein solches Vorgehen eines Gutachters würde den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchung und Erstellung von Gutachten widersprechen (vgl. Anlage 4a zur FeV), wonach sich ein Gutachter an die durch die Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung zu halten hat, was einer diesbezüglichen Verwertbarkeit des Gutachtens entgegenstünde.
Überdies ist ein medizinischpsychologisches Gutachten nach § 14 Abs. 2 FeV anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene weiterhin Betäubungsmittel einnimmt. Bei der Frage, ob eine Einnahme nicht mehr erfolgt, ist außer den ärztlichen Fragen (z.B. erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung) für eine positive Beurteilung auch entscheidend, ob ein stabiler Einstellungswandel eingetreten ist. Hierzu ist auch eine psychologische Bewertung erforderlich (vgl. BR-Drs. 443/98, Begr. S. 263; BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671 – juris Rn. 14), die eine medizinischpsychologische Begutachtung voraussetzt und nicht im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung erfolgen kann.
Auch der Zeitablauf zwischen dem vorgetragenen letzten Konsum harter Drogen Ende 2018 und der Aufforderung zur Beibringung des medizinischpsychologischen Gutachtens im September 2020 führt zu keiner anderen Bewertung. Dem Wortlaut nach reicht es für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV aus, dass in der Vergangenheit ein Konsum harter Drogen erfolgt ist. Allerdings kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens herangezogen werden. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch muss nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Es muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann. Insoweit gilt keine feste zeitliche Grenze. Die Frage ist nicht aufgrund einer generalisierenden, sondern eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände zu beurteilen. Entscheidend ist, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3C25. 04 – juris 21 ff.; BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn. 18).
Der eingeräumte letzte Konsum harter Drogen durch den Antragsteller liegt nicht so weit zurück, dass er im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung im September 2020, d.h. gut 20 Monate nach dem vorgetragenen Ende des Konsums harter Drogen, nicht mehr zu Zweifeln an der Kraftfahreignung des Antragstellers berechtigt hätte. Insbesondere ist der Drogenkonsum nicht so weit zurückliegend, dass sich die Annahme aufdrängt, der Antragsteller habe den erforderlichen Einstellungswandel vollzogen und ausreichende Verhaltensmechanismen entwickelt, um auch in der Zukunft die notwendige Abstinenz einzuhalten. Hinzu kommt, dass der Antragsteller über einen längeren Zeitraum harte Drogen in Form von Amphetamin und Ecstasy konsumiert hat, die ein hohes Suchtpotenzial aufweisen. Die Art und das zeitliche Ausmaß der konsumierten harten Drogen geben Hinweise auf ein Drogenproblem des Antragstellers, wofür im Übrigen auch der eingeräumte regelmäßige Cannabiskonsum spricht. Angesichts dessen hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass der Antragsteller jedenfalls rückfallgefährdet ist und die Frage, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat, im Rahmen eines medizinischpsychologischen Gutachtens zu aufzuklären ist.
Dass der Antragsgegner zunächst im Hinblick auf die Diagnose schwere depressive Episode zur Aufklärung der Fahreignung des Antragstellers ein ärztliches Gutachten nach § 11 Abs. 2 FeV angefordert hat, ist nicht zu beanstanden. Dieses gestufte Vorgehen ist vielmehr Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach zunächst die weniger einschneidenden Aufklärungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen sind (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 24b). Die Anforderung des ärztlichen Gutachtens im Zusammenhang mit oben genannter Diagnose stellt gegenüber dem einzuholenden medizinischpsychologischen Gutachten betreffend den Konsum harter Drogen den weniger schwerwiegenden Eingriff dar. Im Fall eines negativen ärztlichen Gutachtens wäre zudem die Notwendigkeit einer medizinischpsychologischen Begutachtung des Antragstellers entfallen. Der Antragsgegner hat dieses gestufte Vorgehen auch gegenüber dem Antragsteller transparent gemacht, indem er im Anforderungsschreiben zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens ausdrücklich darauf hinwies, dass im Fall eines positiven Gutachtens im Hinblick auf den Konsum harter Drogen zusätzlich ein medizinischpsychologisches Gutachten vorzulegen ist.
Die Gutachtensanforderung ist auch darüber hinaus materiell rechtmäßig, insbesondere ist die Fragestellung anlassbezogen und verhältnismäßig. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Diese gesetzliche Forderung ist Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und verbietet es grundsätzlich, nicht anlassbezogene und somit zu weit gefasste Fragestellungen zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Vorliegend wurde bei der Formulierung der Gutachtensfragestellung nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen.
(bb) Darüber hinaus entspricht die Gutachtensanforderung den formellen Anforderungen gemäß § 11 Abs. 6 FeV. Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch wurde es von Seiten des Antragstellers vorgetragen. Insbesondere war die Frist zur Beibringung des Gutachtens von rund zehn Wochen grundsätzlich ausreichend bemessen. Auch hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 8. Januar 2021 die Frist aufgrund der vorgelegten Quarantäneanordnung um weitere neun Wochen bis 15. Februar 2021 und damit ausreichend verlängert. Dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 zunächst zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung anhörte ist insoweit unschädlich, zumal er im Schreiben vom 8. Januar 2021 ausdrücklich darauf hinwies, dass das Anhörungsschreiben hinfällig ist. Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten bedurfte es keiner ausdrücklichen Verfahrenseinstellung, die mit Schreiben vom 25. Januar 2021 zudem zunächst auch ausgesprochen wurde. Ferner wurde der Antragsteller über die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens informiert (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Entgegen dem Vorbringen der Bevollmächtigten ist die Nichtvorlage des Gutachtens ohne zureichenden Grund erfolgt, weshalb eine Weigerung im Sinne von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV vorliegt. Ein etwaiges Zuwarten des Antragsgegners mit weiteren fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen war nicht veranlasst.
Im Übrigen wird auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen, der das Gericht folgt.
bb) Aufgrund der mit dem streitgegenständlichen Bescheid rechtmäßig angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch die unter Ziffer 2 des Bescheids verfügte Abgabeverpflichtung bezüglich des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Da der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf demnach voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Aufschubinteresse des Antragstellers. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs war daher abzulehnen.
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO wird dahingehend ausgelegt (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass er sich auf die Herausgabe des abgelieferten Führerscheins bezieht. Insoweit wurde offensichtlich versehentlich in Ziffer 2 der Antragsschrift ein Wort vergessen. Der Antrag, den Antragsgegner zur einstweiligen Herausgabe des Führerscheins zu verpflichten, ist jedoch mangels Statthaftigkeit unzulässig. Gegenstand in der Hauptsache ist ein Anfechtungswiderspruch, sodass sich der Eilrechtsschutz ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet (§ 123 Abs. 5 VwGO). Im Übrigen fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, da das begehrte Antragsziel bereits mit dem gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO erreicht werden kann.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO war daher ebenfalls abzulehnen.
C.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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