Medizinrecht

Familien – Quarantäne

Aktenzeichen  Au 9 S 20.2159

Datum:
3.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31748
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5,§ 123 Abs.1 S.2
GG Art.19 Abs.4
IfSG § 2, § 4,  § 28
Allgemeinverfügung des BayStMGP vom 18. August 2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/572)

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die am 23. Oktober 2020 angeordnete Quarantäne des Antragstellers mit sofortiger Wirkung zu beenden.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die ihm gegenüber angeordnete Quarantäneverpflichtung mit einer Dauer vom 17. Oktober 2020 bis zum 11. November 2020.
Die Allgemeinverfügung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen (Az. GZ6a-8000-2020/572, BayMBl. 2020 Nr. 464), geändert durch Bekanntmachung vom 29. September 2020 (Az. G5ASz-G8000-2020/122-622), enthält insoweit folgende Regelungen:
„Allgemeinverfügung (…)
2.1.1 Kontaktpersonen der Kategorie I müssen sich unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamts gemäß Nr. 1.1 und bis zum Ablauf des 14. Tags nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall, in Isolation begeben, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamts erfolgt.“
(…)
6.1 Bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis auf das Vorhandensein von Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt, endet die häusliche Isolation, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Hierüber entscheidet das Gesundheitsamt.“
Die Ehefrau des Antragstellers wurde am 15. Oktober 2020 mit Hilfe eines Tests auf das Vorliegen des Coronavirus SARS-CoV-2 positiv getestet. Das Ergebnis wurde der Ehefrau des Antragstellers am 17. Oktober 2020 vom zuständigen Gesundheitsamt mitgeteilt und diese in häusliche Isolation verwiesen. Mit Schreiben des Landratsamtes * vom 23. Oktober 2020 wurde der Ehefrau des Antragstellers mitgeteilt, dass sich der Quarantänezeitraum auf die Zeit vom 17. Oktober 2020 bis einschließlich 28. Oktober 2020 belaufe. Die häusliche Isolation der Ehefrau des Antragstellers endete am 28. Oktober 2020.
Unter dem 23. Oktober 2020 wurde dem Antragsteller vom Landratsamt * mitgeteilt, dass er Kontaktperson I mit engem Kontakt zu einem COVID-19-Fall sei. Der Quarantänezeitraum belaufe sich auf die Zeit vom 17. Oktober 2020 bis einschließlich 11. November 2020.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 31. Oktober 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben (Az. Au 9 K 20.2158), über die noch nicht entschieden worden ist.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2020 beantragt der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes,
die vorläufige Aussetzung der Vollziehung der behördlichen Anordnung.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antrag sich gegen die unterschiedliche Länge der jeweiligen Isolation richte. Für seine positiv getestete Ehefrau sei der Ablauf der Isolation auf den 28. Oktober 2020 festgesetzt worden. Für den Antragsteller gelte hingegen der Ablaufzeitpunkt 11. November 2020. Eine Ansteckung mit dem COVID-19-Virus sei zwischenzeitlich nicht erfolgt. Der zusätzlich verfügte 14-tägige Quarantänezeitraum sei nicht mehr vertretbar. Der Antragsteller sei in seinem Grundrecht der Freizügigkeit, der Versammlungsfreiheit und der Freiheit der Berufsausübung hierdurch eingeschränkt. Nach dem positiven Befund seiner Ehefrau sei der übliche und überwiegend wahrscheinliche Infektionszeitraum somit fünf bis zehn Tage vor dem 15. Oktober 2020 gewesen. Die Familie habe zwar die ganze Zeit in einem Haushalt verbracht, mit Kenntnis des Testergebnisses jedoch deutlich in distanzierter Form. Die Anordnung der Isolation über den 30. Oktober 2020 hinaus werde als ein Übermaß an staatlichem Eingriff gewertet.
Auf den weiteren Vortrag im Klage- und Antragsschriftsatz vom 31. Oktober 2020 wird ergänzend verwiesen.
Das Landratsamt ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 3. November 2020 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller in häuslicher Gemeinschaft mit seiner Ehefrau lebt. Die Familie habe die gesamte Quarantänezeit gemeinsam in einem Wohnanwesen verbracht. Eine strikte Separierung sei unterblieben. Damit seien die Regelungen einer Familien-Quarantäne anzuwenden. Der Quarantänezeitraum erstrecke sich daher 14 Tage über das Ende der häuslichen Isolation des infizierten Familienmitglieds. Bei Abwägung zwischen den Freiheitsrechten des Antragstellers und den Infektionsschutzinteressen der Allgemeinheit sei die Anordnung und deren Dauer verhältnismäßig. Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes vom 3. November 2020 wird ergänzend verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt * – Gesundheitsamt, zu richten. Nach Auffassung der Kammer spricht einiges dafür, dass – nach Auslegung des Begehrens des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers – ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft ist. Der Antrag des Antragstellers ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach seinem erkennbaren Rechtsschutzziel auszulegen, §§ 88, 122 VwGO. Zwar hat der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller ausdrücklich die Aussetzung der Vollziehung der behördlichen Anordnung beantragt, was für ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sprechen würde, jedoch ist erkennbares Ziel des Antragstellers sobald wie möglich aus der noch andauernden Quarantäne-Verpflichtung entlassen zu werden. In Bezug auf ein derartiges Begehren ist in einer Hauptsache jedenfalls keine Anfechtungsklage statthaft, so dass der richtige Antrag vorläufigen Rechtsschutzes hier ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO ist.
Letztlich kann diese Entscheidung aber offenbleiben, da selbst wenn man als Anknüpfungspunkt unmittelbar die Allgemeinverfügung „Isolation“ vom 18. August 2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/572), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 29. September 2020 (Az. G5ASz-G8000-2020/122-622) bzw. das Schreiben des Landratsamtes * vom 23. Oktober 2020 (Gerichtsakte Blatt 7) für maßgeblich hält und letzterem nicht nur informatorischen, sondern Regelungscharakter im Sinne des Art. 35 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) zusprechen will, bleibt der Maßstab für die gerichtliche Entscheidung im Wesentlichen derselbe: Der Antrag ist in beiden Fällen nur dann begründet, wenn sich bei der in Eilrechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache Erfolg hätte. Dabei steht materiell die Frage im Raum, ob die Quarantänezeit des Antragstellers unter Zugrundelegung der Allgemeinverfügung „Isolation“ vom 18. August 2020 noch andauert oder zwischenzeitlich bereits abgelaufen ist.
2. Der Antrag ist in der Sache begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare, Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris).
a) Der Anordnungsgrund folgt vorliegend daraus, dass die häusliche Quarantäne, in der sich der Antragsteller bereits seit dem 17. Oktober 2020 befindet, eine massive Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit darstellt und die alltägliche Lebensführung sowie die Erwerbstätigkeit des Antragstellers in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt.
b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
aa) Bei summarischer Prüfung begegnet die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage und ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARS-CoV-2, der zur Lungenkrankheit Covid-19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, sodass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.
Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. § 28 Abs. 1 Satz 1 1. HS IfSG n.F. enthält insoweit eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet. Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, das sie entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuüben hat.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen ist der im allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine wirksame Therapie gegen eine COVID-19- Erkrankung vorhanden sind und insbesondere bei älteren Menschen und bei Menschen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs der Erkrankung mit erheblichen Folgen für Leben und Gesundheit der Bevölkerung und einer Überforderung des Gesundheitssystems besteht. Nach der Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) handelt es sich weltweit und in Deutschland nach wie vor um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland ist nach wie vor insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen. Angesichts teilweise schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe ist es Ziel, durch geeignete Maßnahmen eine Ausbreitung der Infektion mit SARS-CoV-2 einzudämmen und so weit wie möglich zeitlich zu verlangsamen. Nur so können die vorgenannten Risikogruppen ausreichend geschützt werden. Die häusliche Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I ist dabei aus infektionsmedizinischer Sicht eine entscheidende Maßnahme zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten, sodass diese Maßnahme daher nicht zu beanstanden ist.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Allgemeinverfügung keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Quarantäne z.B. wegen eines negativen Testergebnisses vorsieht. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen. Nach den Erkenntnissen des RKI, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 IfSG), ist davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem letzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine Infektion besteht. Auch eine Person, die in den Tagen davor noch negativ auf das Virus getestet wurde, kann also bis zum 14. Tag noch eine Infektion entwickeln, so dass ein Test erst zu einem späteren Zeitpunkt positiv anschlägt (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/In-fAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText10). Daher müssen sich alle Personen, die in den letzten 14 Tagen einen engen Kontakt im Sinne der Empfehlungen des RKI mit einem COVID-19-Fall hatten, in Quarantäne befinden. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen ist sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv getesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Quarantäne daher zwingend.
bb) Die Verpflichtung des Antragstellers, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, folgt aus Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung „Isolation“ vom 18. August 2020, da die Ehefrau des Antragstellers am 15. Oktober 2020 positiv auf das neuartige Virus SARS-CoV-2 (COVID-19) getestet wurde. Damit ist der Antragsteller als Kontaktperson der Kategorie I nach Nr. 1.1 der Allgemeinverfügung „Isolation“ zu qualifizieren. Der Antragsteller hatte engen Kontakt zu seiner Ehefrau, einem bestätigten Fall von COVID-19 nach den jeweils geltenden Kriterien des RKI. Die aktuellen Empfehlungen des RKI, dass bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 Infektionsschutzgesetz – IfSG) definiert in seiner Empfehlung „Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 19.10.2020 – die Kontaktpersonen der Kategorie I (Personen mit engem Kontakt, „höheres“ Infektionsrisiko). Danach gehören auch Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts-(„face-to-face“)kontakt, zum Beispiel im Rahmen eines Gesprächs, zu den Kontaktpersonen der Kategorie I. Das RKI benennt als dazu gehörig zum Beispiel auch Personen aus Lebensgemeinschaften im selben Haushalt. Danach bestehen keine Zweifel daran, dass der Antragsteller Kontaktperson der Kategorie I nach den Kriterien des RKI ist.
cc) Nach Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung „Isolation“ hat sich der Antragsteller als Kontaktperson der Kategorie I bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Landratsamt – Gesundheitsamt – mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall in Quarantäne zu begeben. Gemäß Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung „Isolation“ endet die häusliche Isolation bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis auf das Vorhandensein des Virus SARS-CoV-2 vorliegt, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Quarantäne keine COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Ein negatives Testergebnis kann die Frist hierbei grundsätzlich nicht verkürzen, weil sie sich an der Inkubationszeit des SARS-CoV-2-Virus orientiert (vgl. VG Regensburg, B.v. 3.9.2020 – RN 14 S 20.1916 – juris; VG Regensburg, B.v. 18.9.2020 – RO 14 S 20.2260 – juris).
Zeitlicher Anknüpfungspunkt für das Ende der Quarantäne des Antragstellers ist damit der letzte enge Kontakt zu seiner Ehefrau als COVID-19 Kontaktperson, weil nur aus einem solchen Kontakt eine tatsächliche Ansteckungsgefahr resultieren kann. Hierbei hat im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Folgendes zu gelten: Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller, seine Ehefrau und das weitere zum Hausstand gehörende minderjährige Kind die vom Bayerischen Staatministerium für Gesundheit und Pflege in den „Ergänzenden Informationen“ zur Allgemeinverfügung „Isolation“ vom 18. August 2020 vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen für eine wohnungsinterne Isolation beachtet haben, woran doch erhebliche Zweifel bestehen, ergibt sich ein Quarantäneende für den Antragsteller nach dem Epidemiologischen Bulletin Nr. 43/2020 des RKI vom 22. Oktober 2020 bereits zum 29. Oktober 2020. Das RKI empfiehlt insoweit betreffend die Quarantäne von Haushaltsmitgliedern, die – wie hier – nicht erkranken oder mit Atemwegssymptomen erkranken, aber negativ auf SARS-CoV-2 getestet werden, eine Quarantäne lediglich noch für die Dauer von 14 Tagen nach Symptombeginn des Primärfalls (Indexfall) (hier Testung am 15. Oktober 2020). Nach der bisher geltenden Empfehlung des RKI verhielt es sich noch so, dass in einem Drei-Personen-Haushalt mit einem COVID-19-Fall die Zahl der Absonderungstage (Tage in Isolation oder Quarantäne) bei dem Indexfall und den beiden nicht infizierten Haushaltsmitgliedern jeweils 10+24+24 Tage, d.h. insgesamt 58 Tage betrug. Dies ist mit dem hier maßgeblichen Epidemiologischen Bulletin des RKI vom 22. Oktober 2020 dahingehend korrigiert worden, dass sich die Zahl auf nur mehr 10 Tage der Isolation für den Indexfall und jeweils 14 Tage für die nicht erkrankten Haushaltsmitglieder, d.h. insgesamt 38 Tage reduziert und beschränkt. Diesen Vorgaben trägt die Quarantäneanordnung des Landratsamtes * vom 23. Oktober 2020 jedoch keine Rechnung, sodass im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend der Antragsteller unverzüglich aus der für ihn noch geltenden Quarantänepflicht zu entlassen ist. Da nach den neuesten Empfehlungen des RKI vom 22. Oktober 2020 in Bezug auf die Berechnung der Quarantänedauer auf den Symptombeginn des Primärfalls – hier die Ehefrau des Antragstellers – abzustellen ist, endete die diesbezügliche Quarantäne bereits mit Ablauf des 29. Oktober 2020.
c) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist vorliegend schon wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gerechtfertigt. Bis zum Ablauf der vom Landratsamt * – Gesundheitsamt – vorgesehenen Quarantänefrist am 11. November 2020 ist Rechtsschutz in der Hauptsache nicht zu erlangen. Aufgrund der erheblichen, fortbestehenden grundrechtlich relevanten Einschränkungen durch die häusliche Quarantäne muss die Fortdauer seitens des Antragstellers auch nicht hingenommen werden, zumal davon auszugehen ist, dass auch die in der Hauptsache erhobene Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird.
3. Dem Antrag war im Rahmen der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl Sonderbeilage Januar 2014).


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