Medizinrecht

Keine Außervollzugsetzung der Maskenpflicht in Bayern

Aktenzeichen  Vf. 81-VII-20

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29488
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 101, Art. 118 Abs. 1
BayIfSMV § 16 Abs. 2 S. 1
IfSG § 4 Abs. 1 S  1, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Es iat fernliegend, dass der Verordnungsgeber mit seinen Grundannahmen zur Risikoeinschätzung und zur Schutzwirkung und Erforderlichkeit einer Maskenpflicht in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum den Bereich der Rechtsordnung des Bundes verlassen und Landesrecht eindeutig ohne Rechtsetzungsbefugnis geschaffen hätte oder ansonsten in ihm verbleibenden Gestaltungsbereichen den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum öffensichtlich überschritten hätte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
2. Der Antragstellerin wird eine Gebühr von 1.000 € auferlegt.

Gründe

I.
1. Mit ihrer am 25. August 2020 erhobenen Popularklage hat sich die Antragstelle rin zunächst gegen die Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020 gewandt. Ihre nunmehr aktualisierte Popularklage richtet sich gegen verschiedene Vorschriften der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) vom 1. Oktober 2020 (BayMBl Nr. 562, BayRS 2126-1-11-G). Die Antragstellerin beantragt, diese Bestimmungen für verfassungswidrig zu erklären sowie im Weg der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die angegriffenen Regelungen betreffen das allgemeine Gebot zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) in bestimmten Lebensbereichen sowie Verstöße gegen die Maskenpflicht, insbesondere deren Ahndung als Ordnungswidrigkeit.
2. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die angegriffenen Vorschriften verstießen gegen die Menschenwürdegarantie (Art. 100 BV), das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 101 i. V. m. Art. 100 BV), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 BV, Verhältnismäßigkeitsprinzip/Übermaßverbot); die Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr verletze zudem den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV). Sie trägt vor, die Maskenpflicht habe massive negative Auswirkungen auf die psychische Verfasstheit zahlreicher Bürger und sei auch mit psychovegetativen und physiologischen Auswirkungen verbunden. Die Grundrechtseingriffe seien nicht gerechtfertigt, da sie unverhältnismäßig seien; die Maskenpflicht sei schon ungeeignet zur Erreichung des Ziels einer Eindämmung der Zahl der Neuinfektionen mit COVID-19, um so die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten; sie sei nicht erforderlich und auch im engeren Sinn unverhältnismäßig.
Zur Begründung beruft sich die Antragstellerin, Diplom-Psychologin, vor allem auf die Ergebnisse einer von ihr selbst erstellten „Studie über psychische und psychovegetative Beschwerden durch die aktuellen Mund-Nasenschutz-Verordnungen in Deutschland (Stand Juni/Juli 2020)“ (http://dx.doi.org/10.23668/psycharchives.3135). Zentrales Studienergebnis sei, dass ca. 60% der sich deutlich mit den Verordnungen belastet erlebenden Menschen schon jetzt schwere (psychosoziale) Folgen erlebten, was in einer stark reduzierten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund von aversionsbedingtem Mund-Nase-Schutz-Vermeidungsbestreben, in sozialem Rückzug, herabgesetzter gesundheitlicher Selbstfürsorge und der Verstärkung bestehender gesundheitlicher Probleme zum Ausdruck komme.
Demgegenüber sei der Nutzen von Alltagsmasken zur Verhütung einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 wissenschaftlich nicht ausreichend belegt, die Maskenpflicht im öffentlichen Raum sei eher schädlich als nützlich. Es sei nicht erkennbar, dass ohne die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Bereichen, insbesondere in Supermärkten oder im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr, die Fallzahlen deutlich bis unkontrolliert steigen würden. Die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts zur Entwicklung des Infektionsgeschehens und dessen Risikobewertungen seien angesichts der Tatsachengrundlagen kritisch zu hinterfragen. Als milderes Mittel stehe insbesondere die Möglichkeit des freiwilligen Tragens von Masken im Raum.
Eine vorläufige Außerkraftsetzung zumindest der Vorschriften bezüglich der Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr, in der Schülerbeförderung und im Rahmen touristischer Busreisen (§ 8 Sätze 1 bis 3 7. BayIfSMV), in bestimmten Situationen des Einkaufens und des Inanspruchnehmens von Dienstleistungen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Nr. 1, Abs. 2, 4 Satz 3 7. BayIfSMV) sowie in Schulen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 7. BayIfSMV, zuvor § 16 Abs. 2 Satz 1 6. BayIfSMV), zu deren behaupteter Grundrechtswidrigkeit die Antragstellerin je näher ausführt, sei dringend geboten, da diese Bestimmungen bereits jetzt und fortwährend zu unverhältnismäßigen Verletzungen der Grundrechte einer Vielzahl von Menschen führten.
3. Die Staatsregierung hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für unbegründet. Der Vortrag der Antragstellerin rechtfertige es nicht, von der bisherigen Bewertung des Verfassungsgerichtshofs in anderen Eilverfahren, in denen er sich auch zur hier ausschließlich thematisierten Maskenpflicht geäußert und entsprechende Eilanträge abgelehnt habe, abzuweichen.
Die Staatsregierung verweist insbesondere auf verschiedene wissenschaftliche Studien und Aussagen, die direkt oder indirekt die Eignung einer allgemeinen Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen als Schutz vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 belegten, und auf die Einschätzung des nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besonders zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufenen Robert-Koch-Instituts, das ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum empfehle, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck zu reduzieren. Auch wenn diese Sicht fachwissenschaftlich nicht völlig unumstritten sein möge und daneben auch andere tatsächliche Ungewissheiten im Umgang mit der pandemischen Entwicklung (weiter-)bestünden, sei es wegen des dem Verordnungsgeber insofern zustehenden Einschätzungsspielraums nicht zu beanstanden, wenn er seiner Entscheidung die Position des Robert-Koch-Instituts und die aufgeführten Studien und Aussagen namhafter Wissenschaftler zugrunde lege.
Die in den angegriffenen Bestimmungen normierte Maskenpflicht sei auch nicht unter dem Aspekt der von der Antragstellerin geltend gemachten Belastungen, Beschwerden und Folgeschäden unverhältnismäßig. Es gebe derzeit keine wissenschaftlichen Hinweise auf einen schädlichen körperlichen Einfluss des ordnungsgemäßen Tragens von Masken bzw. Mund-Nasen-Bedeckungen bei gesunden Personen. Bezüglich der Frage psychischer Folgen gebe es inzwischen zwar eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen und Forschungsprojekten, welche die psychischen Folgen und Auswirkungen im Zuge der Corona-Pandemie untersuchten, speziell zu den Folgen des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung existiere aber noch keine belastbare Evidenzlage. Es liege auf der Hand, dass Gefahren durch das Virus, Trauer nach Todesfällen, finanzielle und existenzielle Bedrohungen sowie allgemein notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – wozu auch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gehöre – psychische Belastungen nach sich ziehen und bei psychisch vorerkrankten Menschen im Zuge der Corona-Pandemie Symptome wie etwa Ängste, Trauma-Folgestörungen oder depressive Beschwerden noch zunehmen könnten. Hinsichtlich kausaler Zusammenhänge sei dabei gegenwärtig jedoch eine Differenzierung zwischen den vorgenannten zeitgleich auftretenden und gegebenenfalls interagierenden psychosozial belastenden Phänomenen kaum realisierbar. Die Ergebnisse der seitens der Antragstellerin vorgelegten, selbst erstellten Studie seien aufgrund schwerwiegender methodischer Mängel sowohl im Bereich Stichprobe/Feldzugang/Erhebungsinstrument als auch im Bereich der Auswertung kaum verwertbar. Im Ergebnis könne diese Studie bestenfalls Einblicke in das subjektive Erleben von Menschen geben, die das Maskentragen mehrheitlich ablehnten.
4. Der Bayerische Landtag hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich nach Antragsumstellung mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 nur mehr gegen Vorschriften der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung richtet, ist unbegründet.
Der Verfassungsgerichtshof, der sich bereits mehrfach in Eilverfahren mit Regelungen zur Maskenpflicht in Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmengesetzen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie befasst hat (vgl. VerfGH vom 8.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 109; vom 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 11 ff.; vom 8.6.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 21; vom 12.8.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 20), kann auch in Ansehung des Vorbringens der Antragstellerin keine Gründe erkennen, die im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen und eine vollständige oder teilweise Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen der derzeit geltenden Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung rechtfertigen würden (vgl. zu den allgemeinen Voraussetzungen z. B. VerfGH vom 8.6.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 11).
1. Das Vorbringen der Antragstellerin ist nicht geeignet, die bisherige Bewertung in Zweifel zu ziehen, dass bei überschlägiger Prüfung – und unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bei auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhenden Vorschriften des Landesrechts (vgl. VerfGH vom 12.8.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 16) – jedenfalls nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten des Hauptantrags im Popularklageverfahren ausgegangen werden kann. Für einen offensichtlichen Verstoß der hier in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen gegen die Bayerische Verfassung ist weiterhin nichts ersichtlich.
a) Soweit die Antragstellerin maßgeblich auf die ihrer Auffassung nach bereits fehlende Eignung einer Mund-Nasen-Bedeckung zur Verhütung einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 abstellt, hat der Verfassungsgerichtshof schon in seiner Entscheidung vom 8. Mai 2020 (Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 109) ausgeführt, dass das vom Robert-Koch-Institut wegen der angenommenen Schutzwirkung empfohlene generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum fachlich umstritten sein möge. Das Tragen einer solchen Bedeckung sei aber jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet, um den Zweck zu erfüllen, Infektionen zu verringern. Es liege zudem auf der Hand, dass die bloße Empfehlung in deutlich geringerem Maß dazu führen würde, dass bei den in der Verordnung bezeichneten Aufenthalten im öffentlichen Raum eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werde. Dem Zweck, das Ansteckungsrisiko zu senken, werde daher durch eine Maskenpflicht gegenüber einer bloßen Empfehlung in deutlich höherem Maß Rechnung getragen.
b) Die zwischenzeitliche Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auch in der neueren Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Normenkontrollverfahren berücksichtigt werden, gibt bei der im Rahmen eines Eilverfahrens gebotenen überschlägigen Prüfung keinen Anlass zu einer Änderung dieser Beurteilung.
Das Robert-Koch-Institut, dem der Bundesgesetzgeber in § 4 IfSG eine besondere Rolle eingeräumt hat und dessen Einschätzung im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht beizumessen ist (vgl. VerfGH vom 26.3.2020 NVwZ 2020, 624 Rn. 16; vom 12.8.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 19), empfiehlt unter Verweis auf vorangegangene Veröffentlichungen nach wie vor das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren und somit Risikogruppen zu schützen. Diese Empfehlung beruhe auf Untersuchungen, die belegten, dass ein relevanter Anteil von Übertragungen von SARS-CoV-2 unbemerkt erfolge, d. h. zu einem Zeitpunkt vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen; das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum könne vor allem dann im Sinn einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn möglichst viele Personen eine Mund-Nasen-Bedeckung trügen. Für einen Fremdschutz durch Mund-Nasen-Bedeckungen gebe es inzwischen erste wissenschaftliche Hinweise, der Eigenschutz durch Mund-Nasen-Bedeckungen sei hingegen bisher wissenschaftlich nicht belegt; der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen könne andere zentrale Schutzmaßnahmen wie die (Selbst-)Isolation von Infizierten die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 m und von Hustenregeln und Händehygiene, sowie die Notwendigkeit des Lüftens nicht ersetzen, sondern ergänze diese; das situationsbedingte generelle Tragen von Mund-NasenBedeckungen in der Bevölkerung sei ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/ FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html, Stand: 20.10.2020).
Die jüngere Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte neigt in Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz in Normenkontrollverfahren (§ 47 Abs. 6 VwGO) inzwischen bei summarischer Prüfung der Auffassung zu, die Rechtmäßigkeit der in den Verordnungen der jeweiligen Bundesländer enthaltenen Verpflichtungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Geschäften und in bestimmten weiteren Bereichen nicht mehr als lediglich offen anzusehen, sondern zu bejahen, insbesondere die objektive Notwendigkeit derartiger Maßnahmen im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG anzunehmen. Dabei wird der Bewertung und Risikoeinschätzung durch das Robert-Koch-Institut maßgebliches Gewicht zugemessen und unter teils eingehender Auseinandersetzung mit auch von dortigen Antragstellern geäußerter Kritik dessen Einschätzung im Ergebnis als den aktuellen Erkenntnis- und Forschungsstand berücksichtigend und nachvollziehbar erachtet (vgl. z. B. BayVGH vom 19.6.2020 – 20 NE 20.1337 – juris Rn. 13 ff.; VGH BW vom 13.5.2020 – 1 S 1314/20 – juris Rn. 36 ff.; ThürOVG vom 3.7.2020 – 3 EN 391/20 – juris Rn. 55 ff., 66 ff. und vom 26.8.2020 – 3 EN 531/20 – juris Rn. 34 ff.; OVG SH vom 14.8.2020 – 13 MN 300/20 – juris Rn. 11 ff.; jeweils m. w. N.).
Angesichts dieser Entwicklung liegt es fern, entgegen der bisherigen Bewertung nunmehr anzunehmen, dass der Verordnungsgeber mit seinen Grundannahmen zur Risikoeinschätzung und zur Schutzwirkung und Erforderlichkeit einer Maskenpflicht in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum den Bereich der Rechtsordnung des Bundes verlassen und Landesrecht eindeutig ohne Rechtsetzungsbefugnis geschaffen hätte oder ansonsten in ihm verbleibenden Gestaltungsbereichen den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum offensichtlich überschritten hätte.
c) Es liegt ebenfalls fern, aufgrund des Vortrags der Antragstellerin zu angeblich massiven Belastungen, Beschwerden und Folgeschäden bei einer Vielzahl von Menschen durch die normierte Maskenpflicht darauf zu schließen, dass die angegriffenen Regelungen zwingend unverhältnismäßig wären.
Die Antragstellerin beruft sich zum Beleg ihrer Behauptung nicht etwa auf (zumindest ansatzweise) gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern im Wesentlichen auf eine von ihr selbst erstellte Studie, in der nach ihrer Beschreibung mit einem vorwiegend in den sozialen Netzwerken publik gemachten Fragebogen das subjektive Erleben einer Stichprobe von „sich mit den Mund-Nasenschutz-Verordnungen deutlich belastet erlebenden Menschen“ erfragt und ausgewertet wurde. Eine solche Einzelstudie ist unabhängig davon, dass sich schon bei kursorischer Betrachtung der Methodik erhebliche Zweifel an der Aussagekraft aufdrängen, ungeeignet, die getroffene Abwägung des Normgebers – der in § 1 Abs. 2 Nr. 2 7. BayIfSMV ausdrücklich Ausnahmen von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen geregelt hat – ernsthaft infrage zu stellen.
2. Entsprechend überwiegen bei der demnach gebotenen Folgenabwägung nach wie vor (vgl. zuletzt VerfGH vom 12.8.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 23 ff.) die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.
Die fortgeschriebenen Grundrechtsbeschränkungen durch die in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen müssen trotz ihrer andauernden nachteiligen Folgen gegenüber der fortbestehenden Gefahr für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen zurücktreten. Eine vorläufige Außerkraftsetzung einzelner Verordnungsbestimmungen würde die praktische Wirksamkeit des Schutzkonzepts in einem Ausmaß beeinträchtigen, das dem Gebot zuwiderliefe, von der Befugnis, den Vollzug einer in Kraft getretenen Norm auszusetzen, wegen des erheblichen Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit des Normgebers nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch zu machen.
Dies gilt besonders angesichts der derzeitigen Entwicklung des Pandemiegeschehens im Hinblick darauf, dass die Maskenpflicht ein zentrales Element des Schutzkonzepts des Normgebers darstellt. Das Infektionsgeschehen hat sich seit der letzten Eilentscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Maskenpflicht vom 12. August 2020 (Vf. 34-VII-20) verschärft. Das Robert-Koch-Institut teilt in seiner aktuellen Risikobewertung und den letzten Situationsberichten mit, dass es sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation handle. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau Ende August und Anfang September sei aktuell in fast allen Bundesländern ein weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten, wobei der Anteil der COVID-19-Fälle in der älteren Bevölkerung aktuell zunehme. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung bewertet das RobertKoch-Institut die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch (www.rki.de/DE/ Content/ InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Mittlerweile hat sich nach dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin die Zahl der wegen einer COVID-19-Erkrankung intensivmedizinisch behandelten Personen in Deutschland binnen 10 Tagen auf inzwischen 1569 Personen (Stand: 28.10.2020) mehr als verdoppelt.
III.
Es ist angemessen, der Antragstellerin eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


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