Medizinrecht

Keine Außervollzugsetzung der Schließung von Diskotheken

Aktenzeichen  25 NE 21.1719

Datum:
5.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18545
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28, § 28a, § 32
13. BayIfSMV § 13 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Nach dem Prüfungsmaßstab im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist davon auszugehen, dass die Betriebsschließung von Diskotheken durch die 13. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (Fortführung von VGH München BeckRS 2020, 36148). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Betriebsschließung von Diskotheken ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit der Ermächtigungsgrundlage im Einklang steht und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig erweist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch eine Folgenabwägung ergibt, dass die Außervollzugsetzung der Betriebsschließung von Diskotheken nicht dringend geboten ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragstellerin, die in Bayern eine Diskothek betreibt, beantragt sinngemäß, § 13 Abs. 4 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV) vom 5. Juni 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 384) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 467), die mit Ablauf des 28. Juli 2021 außer Kraft tritt (§ 29 13. BayIfSMV), durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit darin der Betrieb von Diskotheken untersagt ist.
2. Die Regelung hat folgenden Wortlaut:
„§ 13 Freizeiteinrichtungen (…)
(4) Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen sind geschlossen.“
3. Zur Begründung ihres Eilantrags führt die Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen an, ihre Diskothek verfüge über eine Fläche von ca. 1.200 m2 mit max. 750 Plätzen. Der eigens erstellte Hygiene- und Maßnahmenplan sehe im Fall der Öffnung maximal 350 Plätze vor. Seit der angeordneten Betriebsschließung am 16. März 2020 summiere sich der gegenwärtige Verlust auf ca. 150.000 Euro. Die Situation sei existenzbedrohend. In den Innenräumen könne problemlos der nötige Mindestabstand eingehalten und das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) beim Verlassen des Platzes lückenlos überwacht werden. Zudem sei eine Raumluftreinigung installiert worden. Damit habe die Antragstellerin die Empfehlungen der am 12. März 2021 von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw) und des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern e.V. vorgestellten Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP umgesetzt. Im Landkreis, in dem die Antragstellerin ihre Diskothek betreibe, betrage die 7-Tages-Inzidenz 1,4 (Stand 17.6.2021). Dort gebe es faktisch kein Infektionsgeschehen mehr. Das Robert-Koch-Institut (RKI) habe unabhängig hiervon in seinen Informationsbulletins bislang an keiner Stelle auf eine mögliche erhöhte Infektionsgefahrenquelle in Diskotheken hingewiesen. Im „Epidemiologischen Bulletin“ 38/20 (v. 17.9.2020, S. 10) sei lediglich von einer verschwindend geringen Beteiligung der Gastronomiebetriebe an den ca. 40.000 gemeldeten Infektionsfällen die Rede. Auch nach dem mit „ControlCovid“ betitelten „Intensitäts-Stufenkonzept“ des RKI vom 18. Februar 2021 bestehe für gastronomische Betriebe nur ein „moderates“ Infektionsrisiko. Gaststätten und Hotels würden als „Setting mit niedrigem Risiko“ bewertet. In Bars und Clubs sei bei einer Inzidenz unter 10 die Öffnung mit Schutzkonzepten sogar empfohlen. Eine Kontaktdatenerfassung wie in der Gastronomie (§ 15 Abs. 1 Nr. 6 13. BayIfSMV) könnte auch in den Diskotheken erfolgen. In Sachsen-Anhalt dürften Diskotheken unter Auflagen wieder öffnen.
In rechtlicher Hinsicht rügt die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die angegriffene Regelung halte sich nicht mehr im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage. Angesichts der niedrigen Inzidenzwerte sei die Notwendigkeit der Maßnahme nicht ersichtlich. Die Grenzen des Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers dürfte überschritten sein, wenn – wie hier – das Ziel, die Verbreitung der Pandemie zu verhindern, in der fraglichen Region bereits erreicht sei. Gebe es faktisch keine Neuinfektionen, sei auch die Furcht vor einer schnellen Rückkehr pandemischer Zustände übertrieben und angesichts weiterhin statuierter Berufsverbote schlicht nicht mehr darstellbar. Mildere Mittel seien etwa die in Sachsen-Anhalt beschlossene Regelung (Negativtest und 10 qm pro Person), eine Begrenzung des Alkoholausschanks oder der Zugang nur für Geimpfte und Genesene. Das unkontrollierte Feiern zu Hause im Familien- und Freundeskreis berge eine erhöhte Quelle für Infektionsgefahren. Die Öffnung der oben genannten anderen Bereiche und die Versagung der Unterhaltung mit Bewirtung zu den regulären Öffnungszeiten für vollständig Geimpfte und Genesene verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Antragsgegner habe darüber hinaus das Begründungsgebot des § 28a Abs. 5 IfSG verletzt. In der amtlichen Begründung der 13. BayIfSMV fänden sich keine Erwägungen, weshalb Diskotheken im Gegensatz zu den anderen geöffneten Betrieben, wie Innengastronomie, Badeanstalten, Hotelschwimmbäder, Thermen, Wellnesszentren, Saunen, Solarien, Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen, geschlossen bleiben müssten. Auch eine Folgenabwägung gehe zugunsten der Antragstellerin aus, da ein Schaden für die Gesundheit der Allgemeinheit oder gar eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht zu befürchten sei. Dem stehe ein schwerer und langandauernder Grundrechtseingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die Antragstellerin gegenüber.
4. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
A.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag gegen § 13 Abs. 4 13. BayIfSMV hinsichtlich der Betriebsschließungen von Diskotheken hat unter Anwendung des geltenden Prüfungsmaßstabs (1.) bei summarischer Prüfung keinen Erfolg (2.). Auch eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Betriebsschließung von Diskotheken nach § 13 Abs. 4 13. BayIfSMV mit §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 6 (Freizeiteinrichtungen) und Nr. 13 (gastronomische Einrichtungen), 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Einen formellen Verstoß gegen die Begründungspflicht aus § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG kann der Senat nicht erkennen. Diese Verpflichtung dient dazu, „die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen und damit insbesondere der Verfahrensrationalität wie auch der Legitimationssicherung. Sie gewährleistet als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren“ (BT-Drs. 19/24334, 74). In der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen. Eine empirische und umfassende Erläuterung ist nicht geschuldet (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 74). Dem ist der Verordnungsgeber noch hinreichend nachgekommen, indem er ausführt, dass vor dem Hintergrund der kontinuierlich sinkenden Anzahl der Neuinfektionen, dem Fortschreiten des Impfprogramms und der nunmehr flächendeckenden Verfügbarkeit von PCR-, POC-Antigentests und Selbsttests zwar weitere Öffnungsschritte unter strengen Auflagen vertretbar erscheinen, die Rücknahme von Maßnahmen aus infektionsschutzfachlicher Sicht insbesondere auch im Hinblick auf das Auftreten der besorgniserregenden Varianten (VOC) indes schrittweise und nicht zu schnell erfolgen sollte. Mit besonderer Besorgnis werde derzeit das Vorkommen der Virusvariante Delta beobachtet, die nach bisherigen Erkenntnissen nochmals eine deutlich höhere Übertragungsfähigkeit zu besitzen scheine und vermutlich auch häufiger zu Krankenhausaufenthalten führe (vgl. Begründungen vom 30.6.2021, BayMBl. 2021 Nr. 468, vom 22.6.2021, BayMBl. 2021 Nr. 420, vom 5.6.2021, BayMBl. 2021 Nr. 385, vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 172, vom 24.2.2021, BayMBl 2021 Nr. 150, vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 113, vom 25.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 225 und vom 9.4.2021, BayMBl. 2021 Nr. 262).
c) Die Betriebsschließung von Diskotheken in § 13 Abs. 4 13. BayIfSMV ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit der Ermächtigungsgrundlage in §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 13, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Einklang steht und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig erweist.
aa) Im Zeitpunkt des Erlasses der 13. BayIfSMV am 5. Juni 2021 wie auch der Entscheidung des Senats liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 13, Abs. 3 IfSG immer noch vor.
(1) Der Deutsche Bundestag hat die in § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorgesehene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Blick auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 erstmals am 25. März 2020 getroffen (BT-PlPr 19/154, 19169C). Er hat diese Feststellung seither auch nicht – wie in § 5 Abs. 1 IfSG vorgesehen – aufgehoben und diese Aufhebung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht, sondern am 18. November 2020, am 4. März 2021 und zuletzt am 11. Juni 2021 den Fortbestand einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG jeweils für weitere drei Monate festgestellt (vgl. BT-Drs. 19/24387; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/27196; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/30398).
(2) Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die Schließung von Diskotheken weiterhin eine notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist auch gegenwärtig nicht zu beanstanden.
Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (v. 25.6.2021, https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html), dessen Expertise der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht beimessen darf (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – NJW 2020, 1427 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), wird die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt insbesondere aufgrund der Verbreitung einiger besorgniserregender SARS-CoV-2 Varianten sowie der noch nicht ausreichend hohen Impfquote weiterhin als hoch eingeschätzt (vgl. auch den aktuellen täglichen Situationsbericht v. 2.7.2021, https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jul_2021/2021-07-02-de.pdf? blob=publicationFile). Nach einem Anstieg der Fälle im ersten Quartal 2021 gehen die 7-Tage-Inzidenzen und Fallzahlen sowohl im Bundesgebiet als auch in Bayern seit Ende April deutlich zurück; die landesweite 7-Tage-Inzidenz liegt in Bayern aktuell bei 5,6 (Stand: 5.7.2021); https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_0/). Der 7-Tage-R-Wert liegt um 1. Der Rückgang betrifft alle Altersgruppen, wobei die Inzidenz in der Altersgruppe der Jugendlichen von 15 bis 19 Jahren und jungen Erwachsenen von 20 bis 34 Jahren, die einen wesentlichen Anteil der Zielgruppe von Diskotheken bilden, erheblich über dem Durchschnitt liegt (https://www…de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/#inzidenz_alter). Auch die COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen sind seit Ende April wieder rückläufig. Schwere Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, betreffen aber inzwischen zunehmend Menschen unter 60 Jahren, wobei die Therapie schwerer Krankheitsverläufe komplex ist und sich erst wenige Therapieansätze in klinischen Studien als wirksam erwiesen haben (RKI, Risikobewertung v. 25.6.2021, a.a.O.). In Bayern haben bis zum 2. Juli 2021 rund 53,3% der Bevölkerung eine Erstimpfung und 37,5% den vollständigen Impfschutz erhalten, wobei letztere Quote in der Altersgruppe der 18-59 Jährigen bei 35,1% liegt (Impfmonitoring des RKI, https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/ Impfquoten-Tab.html). Damit liegt die Impfquote noch deutlich von einer sog. Herdenimmunität entfernt (mehr als 80% vollständig Geimpfte, vgl. https://www…de/nachrichten/politik/corona-rki-geimpfte-spahn-100.html).
Soweit die Antragstellerin auf das sinkende Infektionsrisiko verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung des § 28a IfSG (BGBl. 2021 I S. 370) bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen sind (§ 28a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG). Die Dynamik der Verbreitung einiger Varianten von SARS-CoV-2 (aktuell B.1.1.7 (Alpha), B.1.351 (Beta), P.1 (Gamma) und B.1.617.2 (Delta)), die als besorgniserregende Varianten bezeichnet werden, wird in Deutschland systematisch analysiert. Die Variante Delta wird inzwischen in 37% der Stichproben nachgewiesen, ihr Anteil stieg in den letzten Wochen stark an und es ist damit zu rechnen, dass sie sich gegenüber den anderen Varianten durchsetzen und bereits ab der KW 26 mindestens die Hälfte aller Neuinfektionen ausmachen werde (vgl. hierzu den 16. Bericht des RKI zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland v. 30.6.2021, https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/DESH/Bericht_VOC_2021-06-30.pdf? blob=publicationFile). Es liegen Daten vor, die auf eine erhöhte Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwerere Krankheitsverläufe hinweisen. Demzufolge kann die Verbreitung neuer Varianten zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage beitragen. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende Variante B.1.1.7 (Alpha). Die besorgniserregende Variante B.1.617.2 (Delta) ist im Vergleich zu B.1.1.7 (Alpha) besser übertragbar und es gibt Hinweise auf eine erhöhte Krankheitsschwere (RKI, Risikobewertung v. 25.6.2021, a.a.O.). Eine Verschlechterung der Lage bei einer Ausbreitung der Delta-Mutation hat sich seit Mai 2021 in England gezeigt, wo zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ca. 30% der Bevölkerung den vollständigen Impfschutz erhalten hatten und wo der Anteil der Delta-Variante an den Gesamtinfektionen rund 90% beträgt. Dort ist die 7-Tage-Inzidenz nunmehr wieder auf 70 angestiegen (bei einer Quote vollständig geimpfter Personen von nunmehr über 40%), wobei auch die Zahl der Hospitalisierungen wieder zugenommen hat und wegen der Priorisierung älterer Bevölkerungsgruppen bei der Impfung vor allem Personen unter 50 Jahren betroffen sind. Das RKI empfiehlt daher auch in der derzeitigen Lage niedriger Inzidenzen, die Abstands- und Hygienemaßnahmen beizubehalten und insbesondere in geschlossenen Räumen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, bis alle, für die ein Impfschutz zugelassen ist, ein Impfangebot erhalten konnten (RKI, Pressekonferenz am 18.6.2021, abrufbar unter https://www…com/watch?v=guPlPAMVmgk).
Vor diesem Hintergrund, namentlich der drohenden weiteren Ausbreitung von leichter übertragbaren und wohl schwerere Krankheitsverläufe verursachenden Varianten und des insbesondere in der Gruppe der Jugendlichen, aber auch unter den jungen Erwachsenen mit Vorerkrankungen noch nicht hinreichenden Impffortschritts, spricht aus ex-ante-Sicht vieles dafür, dass das Betriebsverbot von Diskotheken auch bei der derzeit niedrigen landesweiten Inzidenz eine weiterhin notwendige Schutzmaßnahme zur Kontrolle des Infektionsgeschehens im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG darstellt. Die Wiederaufnahme des Betriebs von Diskotheken geht epidemiologisch mit einer gesteigerten Gefahrensituation einher. Die Betriebsuntersagung soll dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den jungen Erwachsenen sowie deren Familien zumindest zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung in der Bevölkerung insgesamt (bis zu einer hinreichenden Immunisierung der Bevölkerung durch Impfung) einzudämmen. Damit wiederum soll die mit einer unkontrollierten Infektionsausbreitung einhergehende Gefahr einer Erkrankung vieler Menschen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen vermieden werden. Angesichts der Risikobewertung des RKI lässt weder der Umstand, dass die Infektionszahlen regional unterschiedlich hoch sind noch der Hinweis darauf, dass gegenwärtig Intensivbetten in einem erheblichen Umfang frei sind, auf eine Verminderung oder gar einen Wegfall der Gefährdungssituation schließen (vgl. OVG NW, B.v. 20.8.2020 – 13 B 1197/20.NE – juris Rn 47; B.v. 27.8.2020 – 13 B 1220/20.NE – juris). Davon, dass das Ziel, die Verbreitung der Pandemie (in Bayern) zu verhindern, bereits erreicht sei, kann unter den dargestellten Gesichtspunkten (Anstieg des Anteils an besorgniserregenden Virusvarianten und noch nicht ausreichend hohe Impfquote) derzeit nicht die Rede sein, auch wenn in dem Landkreis, in dem die Antragstellerin ihre Diskothek betreibt, die 7-Tages-Inzidenz derzeit 0,0 beträgt (Stand 1.7.2021).
Auch der mit Studien und Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts begründete Vorhalt der Antragstellerin, die Infektionsgefahr in Gastronomiebetrieben und Diskotheken sei nachgewiesen gering, greift nicht durch. Aussagen zur Beteiligung der Gastronomiebetriebe am Infektionsgeschehen sind auf Diskotheken, in denen intensivere Kontaktmöglichkeiten bestehen (siehe dazu Rn. 25), schon nicht übertragbar. Im Übrigen handelt es sich in den meisten Kreisen immer noch um ein diffuses Geschehen, so dass oft keine konkrete Infektionsquelle ermittelt werden kann und nach Einschätzung des RKI weiterhin von einer anhaltenden Zirkulation in der Bevölkerung (Community Transmission) ausgegangen werden muss. Zwar können auch Schutz- und Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen pandemischen Situation mit einem starken Anstieg der besorgniserregenden Delta-Variante begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, den Betrieb von Diskotheken zu untersagen und damit (auch) in diesem Bereich physische Kontakte gänzlich zu unterbinden, aber derzeit (noch) keinen durchgreifenden Bedenken. Auf die Frage, ob es in Diskotheken bislang nachweislich zu Infektionen mit SARS-CoV-2 gekommen ist, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Eignung möglicher – auch von der Antragstellerin vorgetragener – Hygienekonzepte.
(3) Die angegriffene Regelung wird vor allem den besonderen Anforderungen nach § 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG (noch) gerecht. Danach können nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, dass das Tanzen mit daraus resultierenden Körperkontakten und erhöhter Ausscheidung von Tröpfchen und Aerosolen, die aufgrund der Musik laute Kommunikation, der (mögliche) Alkoholkonsum und die relativ lange Aufenthaltsdauer in Diskotheken zu erhöhten Infektionsgefahren führen können. Die Menge an ausgestoßenem Aerosol nimmt beim Sprechen, insbesondere beim lauten Sprechen, das in Diskotheken zur Verständigung erforderlich ist, erheblich zu. Das infektiologische Ansteckungsrisiko liegt damit im Vergleich zu Gaststätten, in denen in der Regel die bloße Essensaufnahme an fest vorgegebenen Sitzplätzen gegebenenfalls verbunden mit einer Unterhaltung in Tischlautstärke stattfindet, durch den erhöhten Aerosolausstoß bedeutend höher. Erschwerend hinzu kommt, dass Feiernde zu den üblichen Betriebszeiten einer Diskothek und typischerweise jedenfalls durch gemeinsames Feiern innewohnende gruppendynamische Prozesse, in vielen Fällen aber auch durch Alkoholisierung, enthemmt sowie ggf. in ihrer Urteilsfähigkeit beeinträchtigt und dadurch eher geneigt sind, Abstands- und Hygieneregeln zu missachten oder zu deren Einhaltung individuell auch gar nicht mehr in der Lage sind. Unter diesen Umständen durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass weniger belastende Schutzmaßnahmen wie Abstandsgebote oder Maskenpflichten unter diesen, einen Diskothekenbetrieb typischerweise prägenden Umständen kaum durchsetzbar und damit nicht gleichermaßen geeignet wären (vgl. zu diesen Erwägungen im Hinblick auf Bars BayVGH, B.v. 14.7.2020 – 20 NE 20.1572 – juris Rn. 31, 33; B.v, 14.7.2020 – 20 NE 20.1574 – juris Rn. 31, 33; zu Clubs und Diskotheken BayVGH, B.v. 20.7.2020 – 20 NE 20.1606 – juris; OVG NW, B.v. 8.7.2020 – 13 B 870/20.NE – juris Rn. 53 f. u. Rn. 59). Die Auffassung der Antragstellerin, in den Innenräumen könne problemlos der nötige Mindestabstand eingehalten und das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen beim Verlassen des Platzes lückenlos überwacht (und sichergestellt) werden, vermag der Senat in dieser Pauschalität nicht zu teilen. Denn die Effektivität von Abstandsvorschriften und einem Maskengebot hängen maßgeblich vom Verhalten der Beteiligten ab. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich ein gewisser Anteil von Personen bereits in alltäglichen Situationen, sei es absichtlich oder unabsichtlich, nicht an solche Schutzmaßnahmen hält (BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – juris Rn. 22). Angesichts dessen durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass dies bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Diskothekenbesuchern unter den dargestellten spezifischen Bedingungen eines Diskothekenbetriebs auch der Fall wäre.
bb) Die angegriffenen Maßnahmen sind bei summarischer Prüfung gegenwärtig auch verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen.
(1) Die getroffenen Anordnungen dienen dem legitimen, der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit entsprechenden Ziel, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus entgegenzuwirken (vgl. VerfGH, E.v. 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 24). Die Schließung von Diskotheken ist auch geeignet, menschliche Kontakte zu reduzieren und damit zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens beizutragen. Der Besuch von Diskotheken dient in besonderer Weise dem Austausch und der Kommunikation zwischen den Besuchern, aber auch dem Tanzen und Feiern der Gäste. Hierbei kommt es in der Regel zu Menschenansammlungen. Immer dann, wenn Menschen – vor allem in geschlossenen Räumen – aufeinandertreffen und sich austauschen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders groß (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 31 zu Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen).
(2) Der Einwand der Antragstellerin, bei ordnungsgemäßem Betrieb einer Raumluftreinigung (hier mittels S-Plasma-Ionen-Technologie) sei die Regelung nicht (mehr) erforderlich, überzeugt ebenfalls nicht. So betont das RKI bei der Frage, ob Lüftungs- und Luftreinigungsanlagen andere Maßnahmen ersetzen können, dass selbst eine effiziente Abreicherung (Reduzierung) von Aerosolen in der Raumluft das Risiko einer Übertragung im Nahfeld, etwa bei face-to-face Kontakt, bei einem Abstand von weniger als 1,5 m nicht effektiv verringern kann. Darüber hinaus sind einige wichtige Fragen noch ungelöst, wie etwa die tatsächliche Wirksamkeit im gesamten Raum (vgl. RKI, FAQ „Können Luftreinigungsgeräte bzw. mobile Luftdesinfektionsgeräte andere Hygienemaßnahmen ersetzen?“, abrufbar unter https://www…de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html).
(3) Andere Mittel, die eine effektive Kontrolle vorhandener Kontaktbeschränkungen in Diskotheken und darüber eine Reduktion der Ansteckungsrate ebenso wirksam gewährleisteten, liegen nicht derart auf der Hand, dass bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren von offensichtlich fehlender Erforderlichkeit auszugehen wäre. So dürfte etwa die die in Sachsen-Anhalt beschlossene Regelung (Negativtest und 10 qm pro Person) oder eine Begrenzung des Alkoholausschanks das Infektionsrisiko nicht in gleicher Weise reduzieren. Denn die Effektivität dieser „Auflagen“ hängt zuletzt von dem Verhalten der Diskothekenbesucher ab. Insbesondere erscheint die Annahme, die Teilnehmer einer geschlossenen Veranstaltung würden sich für die gesamte Dauer der Veranstaltung gleichmäßig über die zur Verfügung stehende Fläche verteilen, realitätsfern, sodass die von der Antragstellerin geforderte Teilnehmerbegrenzung anhand der zur Verfügung stehenden Fläche nicht gleichermaßen geeignet wäre, Infektionsgefahren zu verhüten.
(4) Als milderes Mittel kommt auch die Öffnung der Diskotheken nur für asymptomatische Personen mit einem Impf- oder Genesenennachweis nicht in Betracht. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften ließe sich von den dafür verantwortlichen Inhabern oder Veranstaltern nur schwer kontrollieren, wenn es dabei maßgebend auf den Status als Geimpfter oder Genesener ankäme (vgl. die Begründung zur COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, BR-Drs. 347/21 S. 7). Schon diese Praktikabilitätserwägungen dürften angesichts der dem Normgeber bei Massenerscheinungen zustehenden Befugnis zum Erlass generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen (vgl. VerfGH vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 39 m. w. N.) ausreichen, um die Einbeziehung der Geimpften und Genesenen als ein zur Erreichung des Normzwecks geeignetes und erforderliches Mittel anzusehen (VerfGH, B.v. 28.6.2021 – Vf. 73-VII-20 – Rn. 22 – veröffentlicht unter https://www…de/media/images/bayverfgh/73-vii-20-e.a-entscheidung.pdf).
(5) Auch gegen die Angemessenheit der Betriebsschließung von Diskotheken bestehen derzeit (noch) keine durchgreifenden Bedenken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dies faktisch zu einer Totalschließung des Betriebs der Antragstellerin führt, die zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen führt. Der Antragstellerin ist zuzugestehen, dass Diskothekenbetriebe aufgrund der Corona-Pandemie seit längerem einschneidenden Maßnahmen unterworfen waren und weiterhin Einschränkungen hinnehmen müssen. Die damit verbundenen Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) wiegen schwer, stehen aber nach summarischer Prüfung nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zwecken. Auch bei niedrigen Fallzahlen kommt den individuellen infektionshygienischen Schutzmaßnahmen derzeit weiterhin eine nicht unerhebliche Bedeutung zu (vgl. die Risikobewertung des RKI v. 25.6.2021, a.a.O.). Es überzeugt dagegen nicht, wenn die Antragstellerin unter Bezugnahme auf das als „ControlCovid“ betitelten „Intensitäts-Stufenkonzept“ des RKI vom 18. Februar 2021 (Stand 1.6.2021) meint, für gastronomische Betriebe bestehe nur ein „moderates“ Infektionsrisiko, ohne aufzuzeigen oder näher belegen zu können, dass dies auch für Diskotheken gelten würde. Zumal ausweislich des Stufenkonzepts des RKI bei Bars und Clubs ein moderates bis hohes Infektionsrisiko bestehe. Angesichts des Zwecks, einer durch eine schnelle Ausbreitung ansteckenderer Mutationen möglicherweise drohenden erneuten Beschleunigung des Infektionsgeschehens, einer Zunahme schwerer, auch tödlicher Krankheitsverläufe bei Menschen, die bislang noch nicht vollständig geimpft werden konnten, und letztlich einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken, sowie im Hinblick auf den hohen Rang der betroffenen Schutzgüter und der weiterhin hohen Gefährdung überwiegen die Gemeinwohlbelange im Verhältnis zu den Beeinträchtigungen für die Betroffenen. Gegen die Angemessenheit der Regelung bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
cc) Auch eine sachlich nicht gerechtfertigte oder gar willkürliche Ungleichhandlung von Diskotheken gegenüber Zusammenkünften von Menschen in anderen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen ist nicht ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2020 – 20 NE 20.1606 – juris).
Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 – juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 – juris Rn. 40 ff.).
Ausgehend davon durfte sich der Normgeber vorliegend von der Erwägung leiten lassen, dass vom Betrieb einer Diskothek typischerweise einhergehenden Infektionsgefahren betreffend SARS-CoV-2 höher sind als in anderen Lebensbereichen. Die Antragstellerin hat nicht aufgezeigt, dass und inwieweit die von ihr angeführten Lebensbereiche (insbesondere Innengastronomie, Badeanstalten, Hotelschwimmbäder, Thermen, Wellnesszentren, Saunen, Solarien, Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen) mit dem Betrieb von Diskotheken vergleichbar sind. Auf die hinsichtlich Diskotheken aufgezeigten Besonderheiten (siehe oben Rn. 25) wird hingewiesen.
Dass die Antragstellerin ein Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt hat, das bei strikter Einhaltung vielen der potenziell infektionserhöhenden Faktoren begegnet, ändert daran – wie bereits ausgeführt – nichts. Der Normgeber darf besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen; Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (VerfGH, E.v. 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 19; E.v. 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 12; E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 u.a. – NJW 2014, 3215 – juris Rn. 103). Deshalb ist die Annahme des Verordnungsgebers, beim Aufenthalt in einer Diskothek komme es bei typisierender Betrachtung zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren und deshalb eher zu unterbindenden Kontakten nicht von der Hand zu weisen, auch wenn sich das Infektionsrisiko in einzelnen Diskotheken aufgrund besonderer Umstände effektiv verringern lassen mag.
Ob in anderen Bundesländern Diskotheken unter besonderen Voraussetzungen wieder öffnen dürfen, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht von Bedeutung, da sich der Gleichheitssatz immer nur an den jeweiligen Normgeber richten kann.
3. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung nicht dringend geboten ist.
a) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte ein Normenkontrollantrag Erfolg, wäre die Schließung des Betriebs von Diskotheken zu Unrecht erfolgt. Durch den weiteren Vollzug der angegriffenen Regelung käme es zu einem schwerwiegenden und teilweise irreversiblen Eingriff insbesondere in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit mit erheblich nachteiligen wirtschaftlichen Folgen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Schließung nunmehr schon seit etwa fünfzehn Monaten andauert und der Antragstellerin nach eigenen Angaben erhebliche Einnahmeausfälle entstanden sind. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass während der Betriebsschließung verlorene Umsätze nicht nachholbar und damit irreversibel sind.
b) Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und bliebe ein Normenkontrollantrag erfolglos, hätte die einstweilige Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 4 der 13. BayIfSMV in Bezug auf Diskotheken zur Folge, dass diese ausnahmslos ab sofort und – vor einem Tätigwerden des Verordnungsgebers – ohne infektionsrechtliche Beschränkungen öffnen könnten. Dadurch wäre mit vermehrten Infektionen mit SARS-CoV-2 zu rechnen.
c) Bei der Beurteilung und Abwägung dieser Umstände müssen die mit den Betriebsschließungen beeinträchtigten Interessen insbesondere wirtschaftlicher Art weiterhin zurücktreten. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 – juris Rn. 13), sind sie derzeit noch nachrangig, auch wenn Betriebsschließungen von derart langer Dauer einer besonderen Rechtfertigung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bedürfen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsschließung der Innenräume durch die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen etwas abgemildert werden können.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 28. Juli 2021 außer Kraft tritt (§ 29 13. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
C.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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