Medizinrecht

Keine Beihilfefähigkeit von allgemeinärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leistungen durch einen Heilpraktiker für Psychotherapie

Aktenzeichen  B 5 K 20.34

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51666
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96
BayBhV § 8 S. 1 Nrn. 1 und 2
HeilprG § 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
2. Der Antrag des Klägers ist sachgerecht nach seinem erkennbaren Klageziel dahin auszulegen, dass er nicht nur für die Behandlung seiner Tochter durch den Heilpraktiker für Psychotherapie, sondern auch für die Behandlung seiner Ehefrau Beihilfe begehrt, § 88 VwGO. Zwar stellt der – anwaltlich vertretene – Kläger ausweislich des Klageantrags nur auf die Behandlung der Tochter ab. Auch in der Klagebegründung wird nur die Diagnose der Tochter genannt und angegeben, in den genannten Rechnungen gehe es um die Behandlung derselben. Tatsächlich jedoch führt der Kläger in der Klagebegründung die Rechnungen, die auch der Klage angefügt sind, im Einzelnen mit den darin ausgewiesenen Gesamtbeträgen auf. Darunter sind auch zwei Rechnungen vom 21.08.2018, von denen eine in Höhe von 181,00 EUR die Behandlung der Tochter betrifft, die andere in Höhe von 63,00 EUR die Behandlung der Ehefrau. Auf beide Rechnungen mit den genannten Beträgen nimmt der Kläger in der Klagebegründung Bezug, offensichtlich ohne bemerkt zu haben, dass sich eine davon auf die Ehefrau bezieht. Auf die Klageerwiderung hin, in der das LfF die in Rede stehenden Beträge genau beziffert und nach den Bemessungssätzen von Tochter und Ehefrau getrennt aufgeschlüsselt hat, hat die Klägerbevollmächtigte diese Aufschlüsselung als zutreffend bestätigt. Daher ist davon auszugehen, dass der Kläger sich – entgegen seines anderslautenden Antrags – gegen die Nichtberücksichtigung sämtlicher mit Anträgen vom 06.05. und 14.06.2020 geltend gemachter Heilpraktikerkosten wendet, ohne sich dabei auf die Behandlung der Tochter beschränken zu wollen.
3. Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Beihilfeleistungen. Die streitgegenständlichen Bescheide sind deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 96 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen gewährt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen nach Maßgabe der §§ 8 ff. BayBhV beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
§ 8 Satz 1 BayBhV bestimmt weiter, dass die Aufwendungen für ärztliche Leistungen und Heilpraktikerleistungen (Nr. 1) und ambulante psychotherapeutische Leistungen mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren nach der Anlage Abschnitt B und G der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nach Maßgabe der §§ 9 bis 13 BayBhV (Nr. 2) beihilfefähig sind.
Für die Gewährung von Beihilfe zu psychotherapeutischen Leistungen nach § 8 Satz 1 Nr. 2 BayBhV fordert der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 4 bis 7, § 12 Abs. 4 bis 7 BayBhV in nicht zu beanstandender Weise, dass solche durch einen Facharzt, einen Psychologischen Psychotherapeuten oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie erbracht werden müssen (vgl. dazu VG Würzburg, U.v. 14.1.2015 – W 1 K 14.425 -).
Für sonstige (allgemein-) ärztliche Leistungen vorbehaltlich zahnärztlicher und kieferorthopädischer Leistungen beurteilt sich die Beihilfefähigkeit nach § 8 Satz 1 Nr. 1 BayBhV. Demgemäß sind Leistungen beihilfefähig, die von einem Heilpraktiker vorgenommen werden. Sachgemäß ist die Norm dahingehend zu verstehen, dass der Heilpraktiker für die Vornahme der jeweils in Rede stehenden Maßnahmen die erforderliche Heilpraktikererlaubnis nach § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes – HeilprG – besitzen muss. Nur dann ist er auch berechtigt, die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ zu führen (§ 1 Abs. 3 HeilprG).
Daran gemessen sind die Leistungen des Heilpraktikers für Psychotherapie …, für die der Kläger Beihilfe begehrt, nicht beihilfefähig.
Denn der behandelnde Heilpraktiker besitzt nur eine eingeschränkte (sektorale) Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Psychotherapie. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz – DVO-HeilprG – zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb nicht gerechtfertigt, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet (BVerwG, U.v. 10.10.2019 – 3 C 8/17 – juris Rn. 22). Für das Gebiet der Psychotherapie ist die Erteilung einer beschränkten Erlaubnis zulässig, weil für die Ausübung der auf dieses Gebiet begrenzten Heilkunde keine Kenntnisse der Allgemeinmedizin erforderlich sind (BVerwG, U.v. 21.1.1993 – 3 C 34/90 – juris Rn. 30 f.; vgl. auch BVerwG, U.v. 10.2.1983 – 3 C 21.82 – BVerwGE 66, 367, 374 f.). Demgemäß ist einem sektoral auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktiker die Ausübung allgemeiner Heilkunde über die Psychotherapie hinaus auch nicht gestattet (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.1993 – 3 CE 34/90 – juris Rn. 31, 35). Diese Berufsgruppe darf auch nicht unter der Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ ohne weiteren Zusatz firmieren, um die Verwechslung mit einem Heilpraktiker, dem die Ausübung der allgemeinen Heilkunde gestattet ist, zu vermeiden (vgl. BVerwG aaO., juris Rn. 31).
Daraus ergibt sich im hiesigen Fall das Folgende: Wurden die abgerechneten Leistungen als Maßnahmen zur gezielten Behandlung einer psychischen Krankheit (bei der Tochter des Klägers wurde eine neurotische Depression diagnostiziert, bei der Ehefrau eine Neurasthenie) eingesetzt, so ist die Behandlung im Rahmen oder zur Vorbereitung der psychosomatischen (Grund-)Versorgung i.S.d. §§ 9 ff. BayBhV erfolgt. Dafür spricht insbesondere die auf Blatt 32 der Verwaltungsakte befindliche Stellungnahme des Heilpraktikers für Psychotherapie …, aus der sich ergibt, dass die Untersuchung und homöopathische Behandlung im Hinblick auf die psychischen Beschwerden vorgenommen werde. Auch der klägerseits vorgelegte Auszug aus einem Gutachten des Verbands freier Psychotherapeuten geht davon aus, dass homöopathische Arzneimittel in die psychotherapeutische Behandlung einbezogen werden können. Dann scheitert die Beihilfefähigkeit jedoch daran, dass der Behandler als Heilpraktiker für Psychotherapie nicht zum Kreis der in diesen Vorschriften genannten Berufe gehört.
Erfolgten die abgerechneten Leistungen – wie der Klägerbevollmächtigte ausgeführt hat – nicht zur gezielten Behandlung einer psychischen Störung mit Krankheitswert, sondern als allgemeine medizinische Untersuchungen und Behandlungen, wie sie auch ein niedergelassener Arzt erbringen würde, so handelt es sich um allgemeinmedizinische Maßnahmen, zu deren Vornahme der Behandler aufgrund seiner nur beschränkt erteilten Heilpraktikererlaubnis nicht befugt ist, er ist also nicht „Heilpraktiker“ im Sinne des § 8 Satz 1 Nr. 1 BayBhV.
Unerheblich ist dabei, ob für diese Behandlung Versicherungsleistungen gewährt werden oder werden müssen. Denn das Beihilferecht ist ein vom Versicherungsschutz unabhängiges, eigenständiges Regelungssystem.
Einer genaueren Auseinandersetzung mit der Art der im Einzelnen abgerechneten Leistungen bedarf es nicht. Denn in keinem Fall ergibt sich ein Anspruch auf Beihilfe nach den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung.
4. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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