Medizinrecht

Keine Gewährung von Prozesskostenhilfe – Keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage auf Leistung aus gesetzlicher Unfallversicherung

Aktenzeichen  S 12 U 36/17

Datum:
4.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152762
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 S. 1
SGB VII § 2, § 3, § 6, § 8 Abs. 1 S. 1, § 63

 

Leitsatz

Drängen sich in Anbetracht der umfangreichen und ausführlichen Ermittlungen des Unfallversicherungsträgers sowie der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen auf, die ggf. zu einer veränderten Sachlage zugunsten des Klägers führen könnten, ist Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag der Klägerinnen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen und Antragstellerinnen begehren vor dem Sozialgericht Bayreuth in Aufhebung der angegriffenen Bescheide die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nach dem Tod des versicherten Vaters bzw. Ehemanns vom 10.05.2016. Der Tod des Versicherten sei nach dem Vortrag im Klageverfahren Folge eines Arbeitsunfalls vom 09.05.2016. Dieser sei im Rahmen seiner Tätigkeit als Beschäftigter bei der Firma B. von zwei übereinander gestapelten, sogenannten E2 Kisten gestürzt, auf denen er während seiner Tätigkeit saß. Dabei habe der Verstorbene eine Schädelfraktur erlitten sowie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Hirnödem bei Kontusionsblutungen. An diesen Verletzungen sei der Versicherte nach Transport ins Klinikum A. am 10.05.2016 verstorben.
Die Beklagte lehnte mit den angegriffenen Bescheiden vom 28.10.2016 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 26.01.2017 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zugunsten der Klägerinnen ab, da ein Arbeitsunfall des Verstorbenen am 09.05.2016 nicht zu objektivieren war. Nach umfangreichen Ermittlungen im Verwaltungsverfahren in Form der Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zum Vorfall vom 09.05.2016, diversen ärztliche Unterlagen zur Behandlung des Verstorbenen sowie eigenen Ermittlungen der Beklagten beim Arbeitgeber des Verstorbenen lasse sich ein Sturz des Versicherten an der Arbeitsstätte nicht nachweisen. Die Kollegen des Verstorbenen hätten diesen nachweislich stehend angetroffen und diesen erst dann aufgrund seiner Standunsicherheit auf den Boden gelegt. Doch selbst wenn man einen Sturz des Verstorbenen unterstellen würde, sei dieser letztendlich nicht auf die versicherte Tätigkeit des Verstorbenen zurückzuführen. Vielmehr sei in Anbetracht des aktenkundigen Obduktionsberichtes, der Todesbescheinigung sowie des Notarzteinsatzprotokolls von einer kardiogenen Ursache des ggf. vorgelegenen Sturzes auszugehen. Vor diesem Hintergrund sei weder ein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung noch ein Zusammenhang zwischen einem Unfallereignis und einer versicherten Tätigkeit zu objektivieren und ein Arbeitsunfall nicht anzuerkennen.
Die Beklagte stützt ihre Entscheidungen auf die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Ermittlungen. Es wurden Stellungnahmen des Arbeitgebers zum entsprechenden Vorgang eingeholt, weiterhin, wie angeführt, die Akte der Staatsanwaltschaft A. zu den durchgeführten Ermittlungen beigezogen. Darin enthalten sind Vernehmungsprotokolle zu Zeugenvernehmungen der Kollegen des Verstorbenen, ärztliche Unterlagen des Klinikums A., auch zu Vorbehandlungen des Verstorbenen. Weiter der Obduktionsbericht der Rechtsmedizin der Klinik U. und der abschließende Ermittlungsbericht der Kriminalpolizei A..
II.
Der Antrag der Klägerinnen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin C. ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Rechtsschutzsuchende mit ihrem Begehren wenigstens teilweise obsiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13.03.1990, 1 BvR 94/88 u. a.). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg im Hauptsacheverfahren zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist. Zur Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist dabei keine abschließende Prüfung derselben notwendig oder auch nur zulässig. Das Gericht darf und muss sich vielmehr mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen.
Gemessen daran bietet das Hauptsacheverfahren der Klägerinnen und Antragstellerinnen keine hinreichend Aussicht auf Erfolg.
Der von den Klägerinnen geltend gemacht Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 63 SGB VII setzt voraus, dass der Tod des Verstorbenen infolge eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 SGB VII, eingetreten ist.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis geführt hat und dass Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang ergeben. Für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (zum Ganzen etwa BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 29/07 R, zitiert nach juris). Vollbeweis in jenem Sinne bedeutet, dass die entsprechenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Dies ist der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze und nach Auswertung und Würdigung der Ermittlungsergebnisse im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und hier insbesondere des in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthaltenen Ermittlungsergebnisse lässt sich der Nachweis eines Unfallereignisses des Verstorbenen am 09.05.2016 nicht führen. Der Verstorbene saß am Unfalltag auf zwei arretierten Kisten und sortierte Produkte. Kollegen des Verstorbenen trafen diesen dann stehend und taumelnd an und stützten diesen, gerade um einen Sturz zu vermeiden. Aufgrund der von den Kollegen festgestellten Standunsicherheit wurde er dann auf den Boden gelegt und durch herbeigerufene Ersthelfer und letztendlich durch den Notarzt reanimiert und per Rettungshubschrauber in das Klinikum A. verbracht. Ein plötzliches von außen auf den Körper des Verstorbenen einwirkendes Ereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung lässt sich aus dem Ermittlungsergebnis nicht ableiten. Darüber hinaus wäre in dem Falle, in dem man hier einen Sturz des Verstorbenen annehmen wollte, auch ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Verstorbenen und dem Unfallereignis höchst zweifelhaft. Zum einen ist nach Würdigung des Ermittlungsergebnisses im Rahmen des Verwaltungsverfahrens keine betriebsbedingte Gefahr oder auch kein betriebsbedingter Umstand ersichtlich, weshalb der Verstorbene am 09.05.3016 gestürzt sein sollte. Zum anderen wurde im Rahmen der Obduktion des Verstorbenen in der Rechtsmedizin Erlangen festgestellt, dass ein solcher Sturz am ehesten infolge einer schweren Herzvorschädigung erfolgt sei.
Dem Gericht erscheint es daher unter Beachtung der bisherigen Ermittlungen fernliegend zu sein, dass die Klägerinnen mit ihrem Klagebegehren durchdringen. In Anbetracht der umfangreichen und ausführlichen Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und hier insbesondere auch der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft A. drängen sich dem Gericht auch keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen auf, die ggf. zu einer veränderten Sachlage führten könnten. Der Antrag der Klägerinnen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist damit mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klageverfahren abzulehnen.


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