Medizinrecht

Kostenfreistellung für einen Test in Gestalt des „G. Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest“ des Genom-Institutes „GAP International G., Inc“

Aktenzeichen  L 5 KR 223/15

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 143, § 151, § 153 Abs. 2
SGB V SGB V § 2 Abs. 1, Abs. 1a, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3, Abs. 3a, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 135 Abs. 1 S. 1
SGB X SGB X § 33 Abs. 1
GG GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1.  Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB V muss so bestimmt gestellt sein, dass die auf Grundlage des Antrags eintretende mögliche Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 SGB V ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (Fortführung BSG BeckRS 2016, 68293). (redaktioneller Leitsatz)
2.  Der Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest zählt nicht zu den Leistungen, die eine gesetzliche Krankenversicherung zu erbringen hat. Zum einen besteht kein Anspruch, wenn es sich um eine Leistung eines Unternehmens mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des SGB V handelt. Zum anderen handelt es sich bei dem Test weder um eine Notfallmaßnahme noch hat der GBA bislang eine positive Empfehlung über den Test herausgegeben. Ein Systemversagen liegt auch nicht vor. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 11 KR 387/14 2015-04-10 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.04.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung (§§ 151, 143 SGG) ist in der Sache nicht erfolgreich. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.04.2015 sowie der allein hinsichtlich eines Kostenfreistellungsanspruchs iHv 3.180,00 EUR streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 03.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nicht Streitgegenstand sind die ärztliche Liquidation des Prof. Dr. D., Universitätsklinik A-Stadt i. H. v. 30,60 EUR (Behandlungsdatum 22.01.2014) und die ärztliche Liquidation des Prof. F., Universitäts-Frauenklinik B-Stadt i. H. v. 77,52 EUR (Behandlungsdatum 27.01.2014), denn wie aus dem erstinstanzlichen Klageantrag ersichtlich hat die Klägerin die ablehnende Entscheidung der Beklagten insoweit nicht angegriffen, so dass hier Bestandskraft eingetreten ist.
1. Ausgangspunkt für den Kostenfreistellungsanspruch ist § 13 Abs. 3 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Danach hätte die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für den streitgegenständlichen Brustkrebstest, wenn entweder die Beklagte vor der Durchführung des Tests einen hierauf gerichteten Antrag zu Unrecht abgelehnt oder ein Notfall vorgelegen hätte (st. Rspr., vgl. BSGE 79, 125, 126 f m. w. N.; BSGE 97, 190 m. w. N. – LITT; BSGE 100, 103 – Lorenzos Öl, BSG, Urteil vom 12. September 2015 – B 1 KR 15/14 R, Rn. 8 – zitiert nach juris).
2. Insoweit beruft sich die Klägerin zu Unrecht darauf, sie habe die gegenständliche Leistung bereits am 16.12.2013 beantragt.
a) In Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten sowie des Vortrages der Klägerin hierzu in beiden Gerichtsinstanzen steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin am 16.12.2013 bei der Beklagten keinen Antrag gestellt, sondern ein vorbereitendes Telefongespräch geführt hat. Gesprächsgegenstand war die mögliche Inanspruchnahme eines Brustkrebstests. Nach dem glaubhaften Telefonvermerk der Beklagten vom 16.12.2013 hat die Klägerin angegeben, diesen würde die Universität M. mit der Beklagten abrechnen; die Untersuchung sollte in der Universitätsklinik A-Stadt erfolgen. Dazu hat die Beklagte keine Entscheidung getroffen, sondern der Klägerin konkretisierend aufgegeben, medizinische Unterlagen einzureichen. Diese festgestellten Erklärungen haben somit nicht den für einen konkreten Antrag zur streitgegenständlichen Leistung erforderlichen Inhalt, – wer die medizinische Behandlung durchführen soll, Prof. D. von der Universitäts-Frauenklinik A-Stadt, Prof. F. von der Universitäts-Frauenklinik B-Stadt oder Dr. J. D. von der Ambulanz der Universitäts-Frauenklinik A-Stadt – ob die Behandlung ambulant oder stationär erfolgt und – dass der Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest weder von einem Vertragsarzt noch von einem sonstigen nach dem SGB V zugelassenen Leistungserbringer erbracht und in Rechnung gestellt wird, sondern von der Firma G., Inc., 301 P. Drive, R. City, CA USA.
b) Weil diese Angaben aber essentiell für die tatsächliche und rechtliche Qualifizierung der begehrten Leistung und zugleich für eine Leistungsentscheidung sind, fehlt es an einem Antrag, welcher die Rechtswirkung des § 13 Abs. 3 SGB V auslösen kann. Zu verlangen ist auch insoweit, dass der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags eintretende mögliche Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 SGB V ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R, Rn. 23 – zitiert nach juris m. w. N. zu § 13 SGB V; ergangen zu § 13 Abs. 3a SGB V). Daran aber fehlt es, wenn unterschiedliche zugelassene Leistungserbringer (mit unterschiedlich abzurechenden DRG oder Vergütungssätzen wie die Universitätskliniken A-Stadt und B-Stadt), sowohl eine stationäre als auch ambulante (Dr. D. „Ambulanz“) und schließlich nicht zugelassene, nichtärztliche Leistungserbringer außerhalb des Geltungsbereiches des SGB V in Frage kommen. Entscheidungsklares hierzu hat die Klägerin am 16.12.2013 nicht angegeben.
c) Darüber hinaus ist am 16.12.2013 nicht ein einziger Ansatz eines Hinweises dafür zu finden gewesen, dass die Klägerin angedeutet hätte, es könnte ein Leistungserbringungsbezug zur Firma G. Inc. mit Sitz in 301 P. Drive, R. City, CA USA, also einem genomtechnischen Unternehmen außerhalb des Geltungsbereiches des SGB V bestehen. Dies wäre aber für einen Antrag in Bezug auf den strittigen Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest unerlässlich gewesen.
d) Fest steht darüber hinaus, dass die Fa. G. Inc. den Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest am 17.01.2014 durchgeführt hat. Dies belegen die an Dr. D. übermittelten, zum verschlüsselten Online-Abruf freigegebenen und von der Klägerin der Beklagten später übersandten Dokumente der Firma G. Inc. mit Sitz in 301 P. Drive, R. City, CA USA; insoweit wird auf Bl. 23 bis Bl. 26 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Das Erbringungsdatum 17.01.2014 belegt zudem die Rechnung der Firma G. Inc. vom 21.01.2014.
e) Damit ist festzustellen, dass die Klägerin – wie schon vom Sozialgericht umfassend ausgeführt – den gesetzlich vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Denn es fand lediglich eine erste Kontaktaufnahme mit der Beklagten bezüglich des streitgegenständlichen Brustkrebstests am 16.12.2013 statt, nicht aber eine Antragstellung. Gleichwohl hat die Klägerin bereits am 17.01.2014 den Brustkrebstest durchführen lassen. Damit fehlt es an der Kausalität („dadurch“) der Ablehnungsentscheidung der Beklagten. Die Klägerin hätte der Beklagten die Prüfung des Leistungsanspruches ermöglichen müssen noch bevor sie die Leistung schließlich in Anspruch nimmt. Dies hat sie nicht getan. So hatte die Beklagte keine ausreichende Möglichkeit, zu prüfen, ob der streitgegenständliche Test zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Es fehlt damit der kausale Zusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung durch die Krankenversicherung und der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R). Ein Abwarten der Entscheidung der Krankenversicherung wäre selbst dann nicht entbehrlich, wenn schon im Vorhinein mit einer ablehnenden Entscheidung zu rechnen ist (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, § 13 SGB V, Rdn. 55). Nach der Telefonnotiz der Beklagten vom 16.12.2013 ist gerade keine ablehnende Entscheidung der Beklagten ergangen. Damit scheidet ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V bereits aus diesem Grund aus.
Zugleich ist mangels Antrags der tatbestandliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfüllt.
3. Ein Anspruch auf Kostenfreistellung scheitert weiterhin daran, dass der Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest der Firma G. Inc. nicht zu den Leistungen zählt, die die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse nach dem SGB V zu erbringen hat.
Der Anspruch auf Kostenfreistellung reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch und setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu dem gehört, was die Beklagte allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (st. Rspr., BSG, Urteil vom 06. März 2012 – B 1 KR 24/10 R, Rn. 13 – zitiert nach juris). Einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit dem der Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest hat die Klägerin jedoch nicht. Wie die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Abrechnungsunterlagen belegen, haben die zur Leistungserbringung zugelassenen Ärzte Prof. D., Prof. F. und Dr. D. ebenso wenig den Test durchgeführt wie die Universitätskliniken B-Stadt und A-Stadt. Durchführende und leistungserbringende Stelle war vielmehr die im Aktienindex Nasdaq unter der Kennung GHDX gelistete Firma G. Inc. mit Sitz in 301 P. Drive, R. City, CA USA. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten, verschlüsselt online abgerufenen Testresultaten mit Datum 17.01.2014 („Date: 01/17/2014“ – Blatt 23 – 26 Beklagtenakte). Dort ist in den Kopfzeilen- und Fußzeilenangaben der vollständig in Englisch gehaltenen Schreiben stets die Adresse in Kalifornien angegeben, die email-Adresse sowie die Abrufhomepage bezeichnet ebenso wie die Telefon- und Faxnummern den in Kalifornien belegen Firmensitz. Zudem ist als Leiter des Labors der Medizinische Direktor P. J. benannt („Laboratory Director: P. J., MD“).
Auch die von der Klägerin selbst vorgelegte Rechnung vom 20.01.2014 (Bl. 32 Sozialgerichtsakte) führt in der Fußzeile auf „Leistungen durchgeführt von G., Inc., 301 P. Drive, R. City, CA USA“. Zwar ist als Absender angegeben G., Inc., C/O GAP TEAM, Postfach 100308, B-Stadt“. Die Ortsangabe B-Stadt bezieht sich damit aber auf eine Postboxadresse eines nicht näher bezeichneten Teams, was belegt, dass dort nicht der Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest mit seinen genomtechnischen Anforderungen durchgeführt wurde.
Damit ist überzeugend belegt, dass die Klägerin Kostenerstattung begehrt für die Leistung eines Unternehmens mit Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des SGB V, welches nicht als ärztlicher oder nichtärztlicher Leistungserbringer zugelassen ist. Damit darf die Beklagte deren Leistung weder als Naturalleistung zulasten der Beitragszahler erbringen lassen, noch Kosten erstatten. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Ausnahmefalles (qualitatives oder quantitatives Versorgungsdefizit in Bezug auf eine zu erbringende Leistung, vgl. BSG, Urteil vom 06. März 2012 – B 1 KR 17/11 R) sind nicht erfüllt.
4. Ein Anspruch auf Kostenfreistellung ergibt sich auch nicht aufgrund einer Notfallmaßnahme. Bei dem hier streitgegenständlichen Brustkrebstest handelt es sich nicht um eine Diagnostik, die unaufschiebbar gewesen wäre im Sinne einer Notfallbehandlung. Dies ist von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Im Gegenteil beweist der einmonatige Zeitraum zwischen dem Telefonat vom 16.12.2013 und der Testung am 17.01.2014, dass eine planbare Maßnahme im Streite steht.
5. Außerdem scheitert ein Anspruch der Klägerin – unterstellt, dass die strittige Leistung eine medizinische und keinen rein genomtechnische Leistung wäre – auch aus anderen Gründen.
Denn ein Anspruch der Klägerin auf Behandlung und Erkennung einer Krankheit nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt § 2 Abs. 1 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V und umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich – wie vorliegend – gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. An dieser fehlt es vorliegend.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt und ausgeführt, dass die Voraussetzung einer Ausnahme von diesem Grundsatz wegen Systemversagens (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R sowie vom 19.03.2002 – B 1 KR 36/00 R) nicht vorliegen. Dem schließt sich der Senat an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Darlegungen in der Urteilsbegründung des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG. Insoweit ist in Bezug auf den Berufungsantrag allenfalls ergänzend auszuführen, dass der von der anwaltlich vertretenen Klägerin hilfsweise gestellte beweisbezogene Antrag kein streitgegenstandbezogenes Beweisthema benennt; auch anderweitig besteht keine Veranlassung dazu, nach Anhaltspunkten zu ermitteln, dass die erbguttechnische Untersuchung durch den Oncotype-DX(r)-Brustkrebstest der Firma der G., Inc., 301 P. Drive, R. City, CA USA infolge Systemversagens nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung zählt.
Schließlich hat das Sozialgericht in gleicher Weise festgestellt und ausgeführt, dass ein Fall des § 2 Abs. 1a SGB V nicht vorliegt, weil bei der Klägerin nach zunächst erfolgreicher Behandlung eines Mammakarzinoms im Dezember 2013/Januar 2014 keine akut lebensbedrohliche Situation vorlag, für welche keine zugelassenen Behandlungsalternative (hier aber in Gestalt der zumutbaren Chemotherapie) vorhanden war. Das Nämliche gilt für den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch insoweit schließt sich der Senat dem erstinstanzlichen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Feststellungen und Darlegungen in der Urteilsbegründung des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG.
Die Berufung der Klägerin bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt.


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