Medizinrecht

Krankenversicherung: Kein Anspruch auf künstliche Befruchtung lesbischer Ehegatten

Aktenzeichen  L 20 KR 412/19

Datum:
19.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43530
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 27a Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Zur Frage der Kostenerstattung für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Form einer heterologen Insemination bei einem gleichgeschlechtlichen Ehepaar.
1. Leistungen der Krankenbehandlung umfasen medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur dann, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und Samenzellen der Ehegatten ist verfassungs- noch europarechtswidrig. Dies gilt auch für lesbische Ehepaare, wenn sie wegen einer Fertiliätsstörung einer Frau nur durch In-vitro-Fertilisation befruchtet werden könnten. (Rn. 35) (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 6 KR 412/18 2019-05-21 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.05.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat kann vorliegend durch den Vorsitzenden anstelle des Senats gemäß § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten dazu mit Schreiben vom 24.06.2020 und vom 10.07.2020 ihr Einverständnis erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann keine Erstattung von Kosten für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung verlangen.
Zwar hat es das SG unterlassen, den Kostenerstattungsanspruch konkret beziffern zu lassen, wie dies nach § 106 Abs. 1 SGG grundsätzlich geboten gewesen wäre. Eine solche Bezifferung ist auch nach Abschluss der Instanz in der Regel noch möglich – und auch prozessual geboten. Bei der – auf Veranlassung des Senats erfolgten – Bezifferung des Kostenerstattungsanspruchs handelt sich um die Klarstellung des Zahlungsbegehrens, die nach § 99 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG nicht als Klageänderung gilt (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 26.01.2006, B 3 KR 4/05 R).
Als eine Änderung der Klage ist es gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG auch nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Sachleistung wegen einer später eingetretenen Veränderung, hier der Durchführung der Behandlung, eine andere Leistung verlangt wird, also von einem Sachleistungsbegehren auf einen Kostenerstattungsanspruch umgestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, B 1 KR 10/17 R).
Der Senat hat nur noch über die Berufung der Klägerin zu entscheiden, nachdem die A mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 08.06.2020 ihre (bereits unzulässige) Klage zurückgenommen hat.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ihren bestandskräftigen Bescheid vom 12.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2018 und ihren bestandskräftigen Bescheid vom 14.06.2018 aufzuheben und der Klägerin Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung zu gewähren. Denn den vorgenannten bestandskräftigen Bescheiden liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde. Ein Kostenerstattungsanspruch – hier gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) – kommt daher nicht in Betracht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Berufungsbegehrens der der Durchführung der Behandlung, also der Selbstbeschaffung, ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R), weil es um einen Kostenerstattungsanspruch geht, oder ob „auf die bei Erlass des Bescheides maßgebliche Sach- und Rechtslage, wobei es nicht auf den Stand der Erkenntnisse bei Erlass des Verwaltungsakts, sondern im Zeitpunkt seiner Überprüfung ankommt und somit eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer eventuell geläuterten Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts geltenden Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist“ (BSG, Urteil vom 26.10.2017, B 2 U 6/16 R), abzustellen ist, weil Streitgegenstand eine Überprüfungsentscheidung nach § 44 SGB X ist. Denn es würde sich keine unterschiedliche rechtliche Bewertung ergeben.
Der Krankenkassenwechsel der Klägerin zum 01.02.2019 steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Zwar erlischt, unabhängig davon, ob der Kassenwechsel vor oder nach Rechtshängigkeit erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2011, B 3 KR 7/10 R), nach § 19 Abs. 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft, wobei diese Vorschrift auch bei einem Kassenwechsel Anwendung findet. Die Regelung des § 19 Abs. 1 SGB V führt aber nach ihrem Sinn und Zweck nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Krankenkasse, also des Sachleistungsanspruchs, nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie z.B. dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige Krankenkasse zu Unrecht abgelehnte selbstbeschaffte Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 25/11 R). Vorliegend macht die Klägerin keinen Sachleistungsanspruch mehr geltend, sondern begehrt eine Kostenerstattung. Alle von ihr im Rahmen der Kostenerstattung geltend gemachten Rechnungen für Behandlungsmaßnahmen, wie sie mit Schriftsatz vom 08.06.2020 vorgelegt worden sind, betreffen Maßnahmen vor dem Krankenkassenwechsel. Sofern in der Aufstellung der Rechnungen mit Beleg Nr. 8 („Rechnung Kinderwunschzentrum vom 28.08.19“) und Beleg Nr. 10 („dito Rechnung vom 28.09.19“) Rechnungen mit einem vermeintlichen Rechnungsdatum nach dem Krankenkassenwechsel aufgelistet werden, liegen den von den Bevollmächtigten der Klägerin angegebenen Rechnungsdaten Schreibfehler zugrunde; wie sich aus der übersandten Anlage entnehmen lässt, war das Rechnungs- und Leistungsjahr jeweils nicht 2019, sondern tatsächlich 2018.
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.) und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In Betracht kommt vorliegend nur § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V. Danach besteht ein Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Primärleistungs-(Naturalleistungs-)anspruchs – ein solcher Anspruch ist Grundvoraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs, da der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht weiter reicht als ein entsprechender Primäranspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse, den der Erstattungsanspruch ersetzt bzw. an dessen Stelle er tritt – rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.
Ein Primärleistungsanspruch der Klägerin auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung hat aber nicht bestanden.
Die für die Beurteilung der inmitten stehenden Rechtsfrage, ob die Klägerin Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung hat, maßgebliche Rechtsnorm des § 27a Abs. 1 SGB V lautet wie folgt:
„Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
1.diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2.nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3.die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4.ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5.sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.“
Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte die Erbringung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Sinne einer künstlichen Befruchtung mit den Bescheiden vom 12.02.2018 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2018) und 14.06.2018 zu Recht abgelehnt. Denn die Voraussetzung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V ist – unter den Beteiligten unstrittig – nicht erfüllt, da die Befruchtung mit Fremdsperma erfolgen sollte. Die von der Klägerin beantragten und dann selbst beschafften Maßnahmen sind somit Teil einer heterologen Insemination; § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V setzt aber eine homologe Insemination voraus.
Einen Verstoß gegen Verfassungs- und/oder europäisches Gemeinschaftsrecht kann der Senat wie auch das BSG (vgl. BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 33/00 R) in der Beschränkung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und Samenzellen der Ehegatten nicht erkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts über eine besonders weite Gestaltungsfreiheit verfügt, die nur eingeschränkter verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt (ständige Rspr., vgl. z.B. BVerfG, Urteile vom 23.01.1990, 1 BvL 44/86, und vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03, Beschlüsse vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, und vom 03.06.2013, 1 BvR 131/13). Dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Auch aus dem Urteil des BSG vom 18.11.2014, B 1 A 1/14 R, wird wiederum deutlich, dass das BSG keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V mit dem darin enthaltenen Ausschluss der heterologen Insemination aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hat. So hat das BSG in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es „zu den prägenden Merkmalen der Leistung gehört …, dass sie miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination betreffen muss.“ Auch aus dem Umstand, dass in einer gleichgeschlechtlichen Ehe die Voraussetzung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V schon per se nie erfüllt sein kann, ergeben sich für den Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Im Einzelnen ist Folgendes festzuhalten:
* Mit dem Schutz von Ehe und Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG kann eine Verfassungswidrigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht begründet werden. Aus Art. 6 Abs. 1 GG resultiert kein Anspruch auf Ermöglichung einer Schwangerschaft mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, unabhängig davon, ob es sich um eine gemischtgeschlechtliche oder eine gleichgeschlechtliche Ehe handelt.
Daran ändert auch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 (BGBl. I, S. 2787) nichts. Zwar ist mit diesem Gesetz eine weitergehende Angleichung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften an die gemischtgeschlechtliche Ehe erfolgt, als dies zuvor nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz der Fall war, insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts. Eine absolute, rechtsbereichsübergreifende Gleichstellung ist aber nicht erfolgt, verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten und auch nicht aus der Gleichstellung in anderen Rechtsbereichen ableitbar. Sollte der Gesetzgeber eine Angleichung auch auf dem Gebiet des SGB V gewollt haben, was der klägerische Vortrag suggeriert, was sich aber aus den Gesetzesmaterialien nicht ableiten lässt, hätte dies der Gesetzgeber durch den Erlass entsprechender Vorschriften zum Ausdruck bringen müssen.
* Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist nicht ersichtlich, weder unter dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere unter dem daraus abgeleiteten Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung.
– Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (keine Benachteiligung wegen des Geschlechts) kann § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht begründen, da der Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorenthalten werden. Sofern die Klägerin der Ansicht ist, ihr würden Leistungen wegen des Geschlechts ihrer Ehegattin verweigert, kann dies einen Verstoß gegen ein Grundrecht der Klägerin nicht begründen, da kein eigenes Grundrecht der Klägerin betroffen ist.
– Einen Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung kann die Klägerin nicht geltend machen. Denn die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V knüpft nicht an einer sexuellen Orientierung an, sondern daran, dass „Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden“. Diese Voraussetzung trifft gleichgeschlechtliche Ehepaare in gleicher Weise wie gemischtgeschlechtliche und kann auch bei gemischtgeschlechtlichen Ehepaaren bei absoluter Unfruchtbarkeit eines Ehegatten einer Realisierung einer Kinderwunschbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenstehen. § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V beinhaltet daher keine Diskriminierung wegen des Geschlechts, sondern eine geschlechterunabhängige Privilegierung der homologen Insemination gegenüber der heterologen Insemination.
– Schließlich beinhaltet § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei könnte ein solcher Verstoß nur darin gesehen werden, dass eine Gleichbehandlung der heterologen künstlichen Befruchtung, die durch § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen wird, mit der homologen Insemination, die durch § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen wird, geboten wäre. Denn die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebende Klägerin wird nach dem derzeit geltenden Recht zur künstlichen Befruchtung im SGB V im Übrigen gleichbehandelt mit Ehegatten in einer gemischtgeschlechtlichen Ehe, bei denen Ei- und Samenzellen eines oder beider Ehegatten nicht für eine künstliche Befruchtung verwendet werden können, und auch mit männlichen Ehegatten einer gleichgeschlechtlichen Ehe.
Eine rechtliche Gleichbehandlung der heterologen mit der homologen Insemination ist aber, gerade auch mit Blick auf die besonders weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (s.o.) verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die dem Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung gestatten, wie dies das BSG bereits mit Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 33/00 R, erläutert hat.
Dass der Gesetzgeber im Übrigen auch selbst nicht davon ausgeht, dass im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgeschlechtliche Ehepaare mit gemischtgeschlechtlichen gleichgestellt sind oder aus verfassungsrechtlichen Gründen gleichzustellen wären, lässt sich dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und lesbischer Paare bei der Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vom 24.04.2018 (Bundestags-Drucksache 19/1832) entnehmen, wenn dort ausgeführt wird:
„Nach § 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben lediglich verheiratete Paare einen Anspruch, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Teil der Kosten für künstliche Befruchtungen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen wird. Dies gilt zudem nur für eine homologe künstliche Befruchtung, d. h. wenn Samen und Eizellen der jeweiligen Partner dabei verwendet werden. Damit schließt die Regelung unverheiratete Paare ebenso aus wie alle lesbischen Paare, unabhängig davon, ob diese verheiratet sind oder nicht. Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 18. November 2014 (Az. B 1 A 1/14 R) festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen selbst auf freiwilliger Basis die Kosten einer künstlichen Befruchtung bei nicht verheirateten Paaren nicht übernehmen dürfen, da die Voraussetzungen der Kostenübernahme nur vom Gesetzgeber selbst erweitert werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hatte allerdings bereits in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (BVerfGE 117, 316) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Ermessen des Gesetzgebers stehe, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch näher zu bestimmen.“
Gesetz geworden ist dieser Gesetzesentwurf bislang nicht.
Ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die bisher geltende Regelung, wonach sich aus § 27a Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB V ergibt, dass künstliche Befruchtungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann in Betracht kommen, wenn sowohl eine Ehe vorliegt als auch ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden, seine Rechtfertigung auch im Kindeswohl findet (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.2007,1 BvL 5/03: „Der Gesetzgeber durfte auch in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft, und deshalb den Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorsehen.“). Dem Kindeswohl wäre aber bei einer heterologen künstlichen Befruchtung in einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht in gleicher Weise Rechnung getragen wie bei einer homologen künstlichen Befruchtung (in einer gemischtgeschlechtlichen Ehe). Bei ersterer hätte das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind kraft Geburt mit der Mutter im Sinne des § 1591 BGB lediglich einen Elternteil, der ihm zum Unterhalt verpflichtet wäre, nicht aber mit Mutter im Sinne des § 1591 BSG und Vater im Sinne des § 1592 BGB deren zwei. Erst durch Annahme des Kindes durch den gleichgeschlechtlichen Ehepartner gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB würde das Kind die Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes der Ehegatten nach § 1754 Abs. 1 BGB erhalten. Solange dieser Akt der Annahme, der nicht rechtlich erzwingbar ist, nicht erfolgt ist, würde sich das durch heterologe künstliche Befruchtung gezeugte Kind in einer unter Unterhaltsgesichtspunkten schlechteren Stellung befinden als ein durch homologe künstliche Befruchtung gezeugtes Kind. Dies ist jedenfalls auch ein weiterer gewichtiger Rechtfertigungsgesichtspunkt für eine Ungleichbehandlung.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat abschließend auf Folgendes hin:
* Sofern die Bevollmächtigten der Klägerin der Ansicht zu sein scheinen, aus dem Urteil des BFH vom 05.10.2017, VI R 47/15, für die Klägerin positive Rückschlüsse ziehen zu können, haben sie zweierlei übersehen: Zum einen enthalten die Entscheidungsgründe des BFH keinerlei Ausführungen verfassungsrechtlicher Art, die einen Rückschluss auf das Verfahren der Klägerin zulassen würden. Zum anderen verkennen die Bevollmächtigten, dass aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Beurteilung sozialrechtlicher Sachverhalte möglich sind.
* Wenn die Bevollmächtigten der Klägerin zum Urteil des BVerfG vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03, auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 20.09.2018 darauf hinweisen, dass sich das BVerfG in dieser Entscheidung mit der Frage beschäftigt habe, ob die Vorschrift des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V verfassungsgemäß sei, das BVerfG aber ausschließlich geprüft habe, ob eine Ungleichbehandlung von Personen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber Ehegatten vorliege, und die Ungleichbehandlung von heterosexuellen Ehegatten zu homosexuellen Ehegatten ausdrücklich nicht geprüft habe, verkennen die Bevollmächtigten die Entscheidung des BVerfG. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung inhaltlich ausschließlich mit der Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V beschäftigt; § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V war explizit nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung („Die Vorlage ist zulässig, die Vorlagefrage ist jedoch einzuschränken. Sie kann § 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht umfassen. Soweit diese Vorschrift von Ehegatten spricht, knüpft sie damit lediglich – wie im Übrigen ebenso § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V – an den in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V geregelten Ehegattenvorbehalt an. Regelungszweck ist vor allem, die so genannte heterologe Insemination als Methode der künstlichen Befruchtung von der Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 – B 1 KR 33/00 R, SozR 3-​2500 § 27 a Nr. 4). Diese Frage ist jedoch für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 58, 300 ; stRspr), da ausschließlich Samenzellen des Lebenspartners der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet werden sollen und daher eine so genannte homologe Insemination beabsichtigt ist (vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rn. 544).“).
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht vor.


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