Medizinrecht

Leistungen, Anordnungsgrund, Bedarfsgemeinschaft, Bescheid, Unterkunft, Anordnung, Widerspruch, Verletzung, Rechtsmittel, Haushaltsgemeinschaft, Antragsteller, Mutter, Sicherung, Antragsgegner, Sicherung des Lebensunterhalts, einstweilige Anordnung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

Aktenzeichen  S 7 AS 75/21 ER

Datum:
5.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17660
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1966 geborene Antragsteller lebt seit dem 01.12.2020 gemeinsam mit seiner Mutter in einer Mietwohnung in A-Stadt. Am 26.10.2020 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 04.12.2020 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 01.12.2020 bis 31.05.2021 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 318,99 EUR für Dezember 2020 bzw. 530,95 EUR für Januar bis Mai 2021. Die Zahlung der Regelleistung sowie die Erbringung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und die Meldung an die Rentenversicherung sei bis einschließlich Dezember 2020 durch das Jobcenter München erfolgt; dementsprechend würden diese Leistungen durch den Antragsgegner erst ab Januar 2021 erbracht. Der Antragsteller lebe zusammen mit seiner Mutter in einer Haushaltsgemeinschaft. Anhand der eingereichten Einkommensverhältnisse seiner Mutter errechne sich ein Unterstützungsbetrag in Höhe von insgesamt 264,04 Euro. Dieser werde bei der Berechnung der Leistungen ab Januar 2021 berücksichtigt.
Gegen den Bescheid vom 04.12.2020 erhob der Antragsteller am 28.12.2020 Widerspruch. Er berief sich sinngemäß darauf, dass Unterstützungsleistungen seiner Mutter nicht anzurechnen und die Kosten der Unterkunft nicht zu teilen seien, da mit seiner Mutter keine Bedarfsgemeinschaft, sondern lediglich eine Haushaltsgemeinschaft bestehe. Außerdem habe seine Mutter in der Vergangenheit erhebliche finanzielle Schäden erlitten.
Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2021 als unbegründet zurück. Der Antragsteller bilde mit seiner Mutter eine Haushaltsgemeinschaft. Die Kosten der Unterkunft und Heizung würden deshalb hälftig berücksichtigt. Nach § 5 Abs. 5 SGB II werde vermutet, dass der Antragsteller Leistungen von seiner Mutter erhalte.
Mit Schreiben vom 11.02.2021, bei Gericht eingegangen am 17.02.2021, hat der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner meint, ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben und ein Anordnungsgrund sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Er ist insbesondere statthaft, weil der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen und damit eine Erweiterung seiner Rechtsposition anstrebt.
Der Antrag ist nicht begründet, weil ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft ist.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Glaubhaftmachen bedeutet, dass für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit ausreicht als die volle richterliche Überzeugung. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich an dem Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.08.2019 – L 16 AS 450/19 B ER -, Rn. 25, juris).
Eine einstweilige Anordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit voraus. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Aufgabe, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, wenn das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führen würde (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 -, Rn. 8, juris). Eine einstweilige Anordnung ist zu erlassen, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, Rn. 23, juris). Dagegen fehlt ein Anordnungsgrund, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller aus einer späteren Realisierung seines Rechts keine schweren und unzumutbaren Nachteile erwachsen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. März 2016 – L 4 AS 65/16 B ER -, Rn. 36, juris).
Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft, weil weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile drohen, wenn er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird.
Entgegen der Aufforderung des Gerichts hat der Antragsteller keine Kontoauszüge vorgelegt und seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht dargelegt. Damit ist nicht glaubhaft, dass eine besondere Eilbedürftigkeit wegen fehlender finanzieller Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs gegeben wäre.
Zudem hat der Antragsteller die besondere Eilbedürftigkeit seines Anliegens widerlegt, indem er mit seinem Schreiben an das Gericht vom 23.02.2021 beantragt hat, das Verfahren auszusetzen. Der Antragsteller hat seinen Aussetzungsantrag damit begründet, dass er bei der Bundesagentur für Arbeit einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingereicht habe und dass zudem ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig sei, das auch die Frage der Haushaltsgemeinschaft klären solle. Hieraus ist zu schließen, dass der Antragsteller selbst nicht von einer besonderen Eilbedürftigkeit ausgeht, sondern es für zumutbar und sogar geboten erachtet, den Ausgang der genannten Verfahren abzuwarten. Damit kann eine besondere Eilbedürftigkeit nicht angenommen werden. Der Antragsteller kann auf das Hauptsachverfahren verwiesen werden.
Da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft ist, kommt es auf das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht an.
Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass in dieser Angelegenheit (vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 7 AS 79/21 anhängig ist. Dieses Klageverfahren wird von der Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz wegen fehlender Eilbedürftigkeit nicht berührt und bleibt weiter anhängig.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.


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