Medizinrecht

Leistungen, Arzt, Versicherungsnehmer, Krankenhaus, Streitwert, Wirksamkeit, Zustimmung, Berechnung, Leistung, Auslegung, Individualvereinbarung, Mahnkosten, Sicherheitsleistung, Zahlungsanspruch, Kosten des Rechtsstreits, rechtliche Einordnung, nicht ausreichend

Aktenzeichen  5 C 2160/20

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54326
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.732,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
Beschluss 
Der Streitwert wird auf 1.732,00 € festgesetzt.  

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Die getroffene Wahlleistungsvereinbarung für den hiervorliegenden Fall der „gewünschten Stellvertretung“ ist nicht mit § 17 KHEntgG vereinbar. Die Leistung des Versicherungsnehmers ist somit rechtsgrundlos erfolgt und es besteht ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB.
1. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist zunächst § 17 Abs. 3 KHEntgG.
Danach kann eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen nur hinsichtlich der Behandlungen getroffen werden, die durch einen Angestellten oder beamteten Arzt des Krankenhauses erfolgen, soweit dieser zur gesonderten Berechnung seiner Leistungen im Rahmen der vollstationären oder teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung berechtigt ist.
Das Gericht geht hierbei davon aus, dass es sich bei … um einen Arzt handelt, der insoweit zur gesonderten Berechnung berechtigt ist und bei … um eine Ärztin handelt, die insoweit nicht zur gesonderten Berechnung berechtigt ist.
Somit wäre nach dem Wortlaut des Gesetzes vorliegend eine unwirksame Wahlleistungsvereinbarung gegeben, da die abgerechnete Leistung nicht von einer zur gesonderten Berechnung berechtigten Ärztin erbracht worden ist.
2. In der Rechtsprechung und Literatur ist jedoch allgemein anerkannt, dass auch in bestimmten Fällen bei einer Stellvertretung des abrechnungsberechtigten Arztes eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliegen kann.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.10.2014 (NJW 2015, 1375) die Möglichkeit eines „gewünschten Stellvertreters“ des Wahlarztes angesprochen (Rn. 18 der eben zitierten Entscheidung), aber keine näheren Ausführungen hierzu gemacht.
In der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2007 (NJW 2008, 987) führt der BGH zutreffend und nachvollziehbar aus, dass der behandelnde Arzt aus einer Wahlleistungsvereinbarung gemäß § 613 BGB grundsätzlich verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.
Im Nachfolgenden unterscheidet der Bundesgerichtshof dann in seiner Entscheidung zwischen Übertragung der Kernleistungen des zum Abschuss einer Wahlleistungsvereinbarung berechtigten Arztes für den Fall der Verhinderung (Rn. 8 der eben angesprochenen Entscheidung) und einer Vereinbarung, aufgrund der zur Abrechnung von Wahlleistungen berechtigte Arzt von seiner Pflicht zur persönlichen Ausführung der Leistungen befreit wurde und statt seiner, ein anderer Arzt tätig werden durfte (Rn. 12 ff der eben genannten Entscheidung).
Der BGH lässt im Fall der unvorhergesehenen Vertretung eine Vertretung nur in sehr engen Grenzen, führt jedoch überzeugend aus, dass sich der Wahlarzt im Rahmen der Vertragsfreiheit durch eine Individualvereinbarung mit dem Patienten von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien und die Ausführung einem Stellvertreter übertragen kann.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs könnten somit für die Zulässigkeit der gegenständlichen Wahlleistungsvereinbarung herangezogen werden.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2007 allein zur Vergütungspflicht im Rahmen der GOÄ ergangen ist, und somit zu der Frage inwieweit das ärztliche Liquidationsrecht erhalten bleibt, wenn die Leistung nicht höchstpersönlich erbracht wird. Die Entscheidung hat sich nicht mit der Frage befasst, inwieweit eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliegt.
3. Näher mit der Zulässigkeit von Wahlleistungsvereinbarungen im Rahmen des § 17 Abs. 3 KHEntgG befasst sich wiederum die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 (NJW 2015, 1375).
a) Der Bundesgerichtshof führt hier (Rn. 23 der eben zitierten Entscheidung) nachvollziehbar aus, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlege. Es handle sich um eine dem Schutz des Privatpatienten dienende zwingende preisrechtliche Norm, von der auch nicht im Wege einer unmittelbar zwischen dem behandelnden (nichtliquidationsberechtigen) Honorararzt und dem Patienten zustande gekommen individuellen Vergütungsabrede abgewichen werden könne. Der Bundesgerichtshof stellt hierbei ausdrücklich auch auf die Entstehungsgeschichte des § 17 KHEentgG ab.
Der hier zu entscheidende Fall entscheidet sich vom Fall des Bundesgerichtshofs dadurch, dass im Fall des Bundesgerichtshofs die Individualvereinbarung von einem nicht abrechnungsberechtigten Honorar-Arzt getroffen worden ist, während im hier zu entscheidenden Fall die Wahlleistungsvereinbarung mit einem grundsätzlich abrechnungsberechtigten Chefarzt getroffen worden ist.
Von daher wäre eine Auslegung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 dahin möglich, dass abrechnungsberechtigte Chefärzte sehr wohl Wahlleistungsvereinbarungen hinsichtlich einer gewünschten Stellvertretung treffen könnten.
b) Nach Auffassung des erkennenden Gerichts würde jedoch eine solche Auslegung nicht dem vom BGH selbst herangezogenen Schutz des Privatpatienten dienen und auch den Gesichtspunkt unberücksichtigt lassen, dass es sich bei § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEentgG um eine zwingende preisrechtliche Norm handle. Es ist noch nachvollziehbar, dass in Fällen einer überraschenden Verhinderung der an sich abrechnungsberechtigte Arzt, mit dem die Wahlleistungsvereinbarung getroffen worden ist, durch einen qualifizierten Kollegen oder eine Kollegin vertreten werden kann. Wenn jedoch wie hier, von vorneherein feststeht, dass der an sich abrechnungsberechtigte Arzt die Operation nicht durchführen wird, sondern eine nicht abrechnungsberechtigte Kollegin, wird der gesetzliche Rahmen des § 17 Abs. 3 KHEentgG eindeutig verlassen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Patient zumindest im vorliegenden Fall seinen Anspruch auf Erstattungsfähigkeit von Wahlleistungen durch erhöhte Versicherungsprämien mehr oder weniger erkauft hat. Wenn ein Krankenhaus eine krankenhauswahlärztliche Leistungen anbietet, muss es auch sicher stellen, dass diese wahlärztlichen Leistungen dann auch von den abrechnungsberechtigten Ärzten in der Regel zur Verfügung gestellt werden können, und diese nicht von vornherein auf nicht abrechungsberechtigte Ärzte und Ärztinnen delegieren. Ansonsten bestünde für den Patienten und Versicherungsnehmer die Befürchtung bei Nichtunterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung, dann möglicherweise von einem nicht ausreichend qualifizierten Arzt oder Ärztin operiert zu werden.
c) Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Amtsgerichts und Landgerichts Regensburg führen auch zu keiner anderen Beurteilung.
Diese Entscheidungen befassen sich vor allem mit der Zulässigkeit eines Liquidationsrechts bei einer gewünschten Stellvertretung befassen, aber nicht mit der Problematik des § 17 Abs. 3 KHEntgG und der gewünschten Stellvertretung.
4. Die streitgegenständliche Wahlleistungsvereinbarung ist daher wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG gemäß § 143 BGB unwirksam und die geleistete Zahlung somit rechtsgrundlos erbracht und gemäß § 812 BGB zurückzuerstatten.
5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB; die Beklagte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 30.10.2019 (Anlage K 6) zur Zahlung bis 20.11.2019 aufgefordert.
Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen anwaltschaftlichen Kosten besteht nicht. Insoweit war die vorgerichtliche Einschaltung von Rechtsanwälten nicht erforderlich, sodass insoweit keine Erstattungsfähigkeit besteht. Vor Einschaltung der Rechtsanwälte der Klägerin fand zwischen der Klägerin bereits umfangreicher und auch inhaltlich substantiierter Schriftverkehr statt. Wie die Weiterentwicklung des Falls dann auch tatsächlich gezeigt hat, stand in keinster Weise zu erwarten, dass die Beklagte allein durch die Einschaltung von Rechtsanwälten sich von ihrer Rechtsauffassung wird abbringen lassen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11, 709 ZPO und für die Streitwertfestsetzung waren § 3 ZPO, 48 GKG maßgeblich.


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