Medizinrecht

Meisterzwang und Ausnahmebewilligung im Zahntechnikerhandwerk

Aktenzeichen  RO 5 K 15.1955

Datum:
30.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 143704
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MPBetreibV § 3
Anl. A Nr. 37 HwO
HwO § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 1a, Abs. 2, § 7b Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Meisterzwang für das Zahntechnikerhandwerk ist verfassungsgemäß, weil damit Gesundheitsgefahren begegnet werden soll (im Anschluss an OVG NRW BeckRS 2017, 131921). (Rn. 18 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Medizinproduktegesetz (MPG) geht den Regelungen der HwO über den Meisterzwang nicht als speziellere Regelung vor. Das MPG regelt die Anforderungen, die an die in den Verkehr zu bringenden Medizinprodukte aus Gründen des Patientenschutzes zu stellen sind. Die HwO regelt, wer unter welchen Voraussetzungen handwerkliche Leistungen erbringen darf. Der Gesetzgeber trennt damit zwischen der Qualität eines bestimmten Produktes und der Qualifikation zum Umgang mit diesem Produkt. (Rn. 20 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Ausnahmebewilligung (§ 8 Abs. 1 HwO) zur Eintragung in die Handwerksrolle, weil die Ablegung der Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, kommt nicht in Betracht, wenn das altersbedingte Ausscheiden des Betriebsleiters bereits seit Gründung des Betriebes bekannt war und damit hinreichend Zeit (14 Jahre) bestand, die Meisterprüfung abzulegen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der Ausnahmebewilligung gemäß § 8 Abs. 1 HwO im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 4.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Die Zuordnung des Zahntechnikerhandwerks zur Anlage A der HwO (Nr. 37) und der daraus resultierende Meisterzwang begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (1.). Ebenso sind die Bestimmungen des MPG und der MPBetrV keine gegenüber den Vorschriften der Handwerksordnung vorrangig anzuwendenden Regelungen (2.). Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte zu Recht die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO abgelehnt, da ein hierfür erforderlicher Ausnahmefall, bei dem die Ablegung einer Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, nicht vorliegt (3.).
1. Das Gericht hält § 1 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 i. V. m. Nr. 37 der Anlage A HwO nicht für verfassungswidrig, weswegen die vom Kläger beantragte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt. Es liegt weder aus grundsätzlichen Erwägungen (1.1), noch aus beachtlichen Besonderheiten des Zahntechnikerhandwerks (1.2) ein Verfassungsverstoß vor.
1.1 Die Regelungen der Handwerksordnung verstoßen, soweit sie den selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks im stehenden Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften gestatten (§ 1 Abs. 1 HwO) und diese Eintragung im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) oder der Erteilung einer Ausübungsberechtigung (§ 7b HwO) abhängig machen, nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 Az. 8 C 9.10, Urteil vom 9.4.2014 Az. 8 C 50.12; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.11.2017 Az. 4 A 1113/13 m.w.N.).
Der Vortrag des Klägers gibt keinen Anlass, diese höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelnen in Frage zu stellen. Der Kläger zieht sie insbesondere in Bezug auf die Regelungen zum Reisegewerbe, zum Minderhandwerk und zur Inländerdiskriminierung lediglich pauschal in Zweifel, ohne sich insoweit mit der hierzu ergangenen gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen (vgl. insoweit auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.11.2017 a.a.O.). Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit in der Möglichkeit der Eintragung von Hochschulabsolventen in die Handwerksrolle nach § 7 Abs. 2 HwO begründet sieht, zeigt er nicht ansatzweise auf, dass die der Regelung zugrundeliegende Einschätzung des Gesetzgebers, eine Eintragung in die Handwerksrolle könne auch aufgrund eines der Meisterprüfung gleichwertigen Abschlusses eines entsprechenden Studienganges erfolgen, den gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum überschreiten könnte (vgl. auch hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.11.2017 a.a.O.).
Soweit der Kläger auf die Unterschiede zwischen industrieller und handwerklicher Fertigung verweist, ist zu sehen, dass die Struktur des Handwerks zwar durch die HwO-Novelle 2004 in durchaus erheblichem Umfang geändert worden ist, jedoch dem industriellen Gewerbe aber nicht derart angenähert wurde, dass der Gesetzgeber wegen Art. 3 Abs. 1 GG gehalten wäre, beide Bereiche nunmehr einheitlichen Regelungen zu unterwerfen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2010 Az. 4 A 284/07).
1.2 Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Zahntechnikerhandwerks sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht ersichtlich.
In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass gegen das Meisterbrief- und Eintragungserfordernis in die Handwerksrolle im Zahntechnikerhandwerk keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. VGH, Beschluss vom 31.3.2004 Az. 22 ZB 03.2260).
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen legt in einer aktuellen Entscheidung vom 20.11.2017 (Az. 4 A 1113/13) ausführlich dar, weshalb es keinen Verfassungsverstoß erkennen kann. Es führt hierzu aus:
„a) Es liegt keine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vor.
An die Rechtfertigung des mit den vorgenannten Regelungen verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit sind mit Blick auf seine Intensität die für subjektive Berufswahlbeschränkungen geltenden Anforderungen zu stellen. Eingriffe sind daher nur gerechtfertigt, wenn sie auf einer kompetenzmäßig erlassenen Norm beruhen, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit ist höchstrichterlich entschieden, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung des Handwerks aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG folgt und der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Zulassungspflicht für das Handwerk im Wesentlichen zwei Ziele verfolgte: Zum einen bezweckte er die Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter durch unsachgemäße Handwerksausübung. Für derart ‚gefahrgeneigte Tätigkeiten‘ sollte sichergestellt sein, dass sie nur von Personen mit entsprechenden Qualifikationsnachweisen selbständig im stehenden Gewerbe ausgeübt werden. In diesen Bereichen sollte der Kunde besonders geschützt und nicht allein auf Schadensersatz und Mängelbeseitigung verwiesen werden. Daneben hat der Gesetzgeber auch für das neue Recht an dem Ziel der Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks für die gewerbliche Wirtschaft festgehalten. Sowohl die Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter als auch die Sicherung der Ausbildungsleistung sind Gemeinwohlbelange von hohem Gewicht. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 – 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 31 ff., m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 9.4.2014 – 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 38 ff.)
Der Gesetzgeber hat jedenfalls im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums das Zahntechnikerhandwerk als gefahrgeneigtes Handwerk eingestuft. Ob es auch zur Sicherung der Ausbildungsleistung des Handwerks in die Liste der zulassungspflichtigen Handwerke aufgenommen werden durfte, bedarf hier keiner Entscheidung. Gefahrgeneigtheit und Sicherung der Ausbildungsleistung müssen zur Rechtfertigung des Eingriffs nicht kumulativ vorliegen (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 – 4 A 284/07 -, Beschlussabdruck, Seite 11.).
Der Einwand des Klägers, der Gesetzgeber habe bei der Novelle des Handwerksrechts 2004 eine Prüfung der Gefahrgeneigtheit nicht vorgenommen, trifft schon nicht zu. Den zugehörigen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass die Frage der Gefahrgeneigtheit der einzelnen Handwerke der vormaligen Anlage A der HwO im Rahmen der Novellierung 2003/2004 anhand der Meisterprüfungsberufsbilder jeweils geprüft worden ist (…).
Der weitere Einwand des Klägers, dass im Gesetzgebungsverfahren der Gesichtspunkt der Gesundheitsgefahren für die Belassung des Zahntechnikerhandwerks in der Anlage A zur HwO keine Rolle gespielt habe, lässt sich anhand der Gesetzgebungsmaterialien eindeutig widerlegen. Das Zahntechnikerhandwerk war bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.8.2003 in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt (Vgl. BT-Drs. 15/1481, Seite 7, i. V. m. BT-Drs. 15/1206, Seite 14.).
Die Bundesregierung ging hierbei davon aus, dass der Meistervorbehalt als Berufszugangsvoraussetzung auf den Kreis der im Hinblick auf Gesundheit oder Leben Dritter‚ gefahrgeneigten Handwerke‘ zu beschränken sei und insbesondere gegen ein Kriterium der Ausbildungsleistung Bedenken bestünden (Vgl. BT-Drs. 15/1481, Seiten 12 und 14.).
Im Übrigen liegt die Gefahrgeneigtheit des Zahntechnikerhandwerks auf der Hand. Sie ergibt sich schon daraus, dass seine Werkstücke zum Einsatz und dauerhaften Verbleib in den menschlichen Körper bestimmt sind, wo sie notwendigerweise in der Lage sind, ggf. auch negativ auf seine Gesundheit einzuwirken. Jedenfalls ist eine Überschreitung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums insoweit nicht erkennbar (…).
Die Berufsbeschränkung ist geeignet (dazu aa), erforderlich (dazu bb) und verhältnismäßig im engeren Sinn (dazu cc) in Bezug auf den wichtigen Gemeinwohlzweck, Gesundheitsgefahren für Dritte abzuwenden.
aa) Der ‚Meisterzwang‘ für Zahntechniker ist geeignet, von unsachgemäßer Ausübung des Zahntechnikerhandwerks ausgehende Gefahren wirksam zu bekämpfen. Das ist im verfassungsrechtlichen Sinne schon dann der Fall, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist (…).
Die Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung tragen zur Erreichung des Gemeinwohlziels der Gefahrenabwehr bei. Ein Betriebsinhaber bzw. -leiter mit meisterhafter Sachkunde ist – was auch der Kläger nicht in Frage stellt – in der Lage, bei der Ausübung des Handwerks selbst Gefahren zu vermeiden und die im Betrieb Mitarbeitenden dazu anzuleiten, zu beaufsichtigen und im Bedarfsfall einzugreifen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Szenario praktisch irrelevant und die berufseinschränkenden Anforderungen damit mangels Anwendungsbereichs wirkungslos wären. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers dahingehend verstehen und ihn als zutreffend unterstellen wollte, dass 65% der in Deutschland legal auf den Markt gelangenden zahntechnischen Produkte nicht in einem Labor von einem Zahntechnikermeister oder unter seiner Aufsicht hergestellt werden, führte dies nicht zur fehlenden Eignung der betroffenen Vorschriften. Denn selbst dann könnten sie immerhin zumindest noch in 35% der Fälle dazu beitragen, Gesundheitsgefahren abzuwehren (…).
Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen europarechtlich beförderten Verdrängungswettbewerb, in dem sich das mit der Beschränkungsregelung angestrebte Niveau der Gefahrenabwehr im Zahntechnikerhandwerk nicht durchsetzen könnte. Vielmehr zielen schon Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a, 11 Buchstabe c Doppelbuchstabe ii, 13 Abs. 1 und 2, 14 i. V. m. Anhang II Nr. 2 zweiter Spiegelstrich zu den Regelungen für Deutschland der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen gerade darauf, für die Aufnahme und Ausübung des Berufs des Zahntechnikers ein vergleichbares Niveau herzustellen. (Vgl. zu hierzu bereits BT-Drs. 15/1206, Seite 42. (…))
bb) Die streitigen Regelungen sind zur Gefahrenabwehr erforderlich.
Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit kann – anders, als bei den meisten anderen Handwerken -, (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 – 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 36,) keine Berücksichtigung finden, dass nach dem geltenden Recht der ‚Meisterzwang‘ durch zwei alternative, gleichrangige persönliche Eintragungsvoraussetzungen (§ 7 HwO einerseits, § 7b HwO andererseits) abgelöst worden ist, von denen der Gewerbetreibende die ihn am wenigsten belastende wählen kann. Denn diese Wahlmöglichkeit besteht für den Zahntechniker gerade nicht. Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 HwO i. V. m. Ziffer 37 der Anlage A ist der Zahntechniker ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der ‚Altgesellenregelung‘ ausgenommen (Vgl. zu den Gründen BT-Drs. 15/1206, Seite 29.).
An der Erforderlichkeit fehlt es aber nur, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, mit dem das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar eingeschränkt wird, wobei die sachliche Gleichwertigkeit bei Alternativen in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss. (Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. a. -, GewArch 2017, 375 = juris, Rn. 105, m. w. N.)
Derartige Alternativen sind vorliegend nicht ersichtlich. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit der Annahme, niedrigere Qualifikationsanforderungen seien zur Gefahrenabwehr nicht sicher ebenso geeignet, seinen verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.4.2014 – 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 42, m. w. N.; wohl enger Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 248 f., 258.)
Derart fehlsame Erwägungen sind nicht erkennbar. Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht durch, zahntechnische Produkte würden durch einen Zahnarzt weiterverarbeitet, der eine Haftung übernehme sowie eine Qualitätskontrolle vornehmen müsse und dadurch eine Gefährdung des Patienten ausschließe. Der Hinweis auf Sekundärrechtsschutz verfängt von vornherein nicht: Mängelbeseitigung und Schadensersatz sind kein gleich geeignetes Mittel zum beabsichtigten Schutz des Patienten vor Gesundheitsschäden. (Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 – 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 33; siehe ferner Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 174.)
Auch die Beschränkung auf die Kontrolle durch den Zahnarzt ist keine sachlich gleichwertige Alternative. Gesundheitsgefahren für den Patienten können beim Einsatz zahntechnischer Produkte in seinen Körper dadurch entstehen, dass bei ihrer Herstellung ungeeignete Materialien verwendet oder unsachgemäß verarbeitet worden sind. Dass sämtliche Fehler in diesem Bereich bei der zahnärztlichen Kontrolle vor dem Einsetzen in den Körper des Patienten hinreichend sicher auffallen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sind Fehler im zahntechnischen Herstellungsprozess im fertigen Endprodukt häufig nicht mehr erkennbar (Vgl. Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 172.).
In Übereinstimmung hiermit wird bei den Gesundheitshandwerken, bei denen eine unzureichende Handwerkstätigkeit weitreichende Folgen haben kann, von ganz engen Ausnahmefällen abgesehen, für jede Betriebsstätte eine ständige Meisterpräsenz verlangt (Vgl. BGH, Urteil vom 17.7.2013 – I ZR 222/11 -, NJW-RR 2014, 108 = juris, Rn. 16 ff.).
Ferner muss (auch außerhalb der Gesundheitshandwerke) der Betriebsleiter den Arbeitsablauf steuern, betreuen und überwachen und darf sich nicht etwa auf eine bloße Kontrolle des Arbeitsergebnisses beschränken. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.4.1991 – 1 C 50.88 -, BVerwGE 88, 122 = juris, Rn. 12; siehe auch Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 164 f.)
Im Übrigen ist gegen die Einschätzung des Gesetzgebers, bei der Erreichung des Ziels der Abwehr von Gesundheitsgefahren der Patienten sei die Beschränkung der Kontrolle auf den einsetzenden Zahnarzt keine sachlich gleichwertige Alternative zur gleichsam ‚doppelbödigen‘ Kontrolle durch einen Meister im Herstellungsprozess und einen Zahnarzt bei der Einbringung in den menschlichen Körper, nichts zu erinnern (…).
Der Gesetzgeber musste es auch nicht als milderes Mittel erachten, angesichts der Regelungen des Medizinproduktegesetzes auf die hier in Rede stehenden Regelungen der Handwerksordnung zu verzichten. Jedenfalls ist diese gesetzgeberische Entscheidung nicht so fehlsam, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für diese Maßnahmen abgeben könnte. Zweck des Medizinproduktegesetzes ist es ausweislich seines § 1, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch u. a. die Patienten zu schützen. Die Regelungen der Handwerksordnung vermitteln diesen Schutz – daneben – dadurch, dass sie eine qualifizierte Aufsicht während des Herstellungsprozesses gewährleisten, indem sie eine ausreichende persönliche Qualifikation des Leistungserbringers bei handwerklicher Fertigung regeln. (…) Nach § 3 MPBetreibV hat der Verpflichtete die ihm nach dieser Verordnung obliegenden Pflichten wahrzunehmen, um ein sicheres und ordnungsgemäßes Anwenden der in seiner Gesundheitseinrichtung am Patienten eingesetzten Medizinprodukte zu gewährleisten. Damit treten auch diese Regelungen neben und nicht an Stelle der auf den Herstellungsprozess bezogenen Gefahrenabwehr durch die Handwerksordnung (…).
cc) Die Verhältnismäßigkeit der Beschränkungsregelung im engeren Sinne ist ebenfalls zu bejahen. Um diesem Erfordernis zu entsprechen, muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits die gesetzliche Regelung insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit noch wahren; die Maßnahme darf also die Betroffenen nicht übermäßig belasten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010 – 1 BvR 2011/07 u. a. -, BVerfGE 126, 112 = juris, Rn. 119 f.).
Zwar haben infolge § 7b Abs. 1 Satz 1 HwO i. V. m. Ziffer 37 der Anlage A Gesellen nicht die Wahl, entweder den zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand für die Meisterprüfung auf sich zu nehmen oder eine mehrjährige praktische Berufstätigkeit mit Leitungsfunktion zu absolvieren (…).
Die Belastung der Betroffenen besteht im Wesentlichen in einem erheblichen zeitlichen, fachlichen und finanziellem Aufwand für das Absolvieren der Meisterprüfung. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 – 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 37. Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 246, m. w. N., quantifiziert die finanzielle Belastung einschließlich des fiktiv entgangenen Gewinns und des Unterhaltsbedarfs mit ca. 50.000,00 Euro.)
Jedoch wird den Betroffenen weitgehend nur etwas zugemutet, wozu sie sich bei verständiger Würdigung ohnehin aus eigenem Entschluss veranlasst sehen müssten. Eine Regelung, die von ihnen verlangt, dass sie den Besitz eben dieser Fertigkeiten und Kenntnisse nachweisen, ist so sehr der besonderen Situation gerade dieses Berufs angepasst, dass die darin liegende Freiheitsbeschränkung gegenüber dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsinteressen jedenfalls vergleichsweise nur geringes Gewicht hat (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 – 1 BvL 44/55 -, BVerfGE 13, 97 = juris, Rn. 45.).
102 Den verbleibenden Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit steht das überragend wichtige und in der Gesamtabwägung demnach überwiegende Gemeinwohlziel des Schutzes von Leben und Gesundheit gegenüber (…).
b) Es liegt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor (…).
1. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die zahnärztlichen Praxislabore verweist, dringt er nicht durch. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Herstellung von Zahnersatz neben den Zahntechnikermeistern im Rahmen ihres Handwerksbetriebs auch den Zahnärzten für deren eigene Patienten in praxiseigenen Labors gestattet ist. Die Aufnahme zahntechnischer Arbeiten für die eigene Praxis ist nicht von der Eintragung des Zahnarztes in die Handwerksrolle abhängig, ohne dass dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt. Denn auch der Zahnarzt, dem die zahntechnischen Leistungen seines Labors zuzurechnen sind, darf diese, ähnlich wie der Zahntechnikermeister nur aufgrund seiner mehrjährigen Fachausbildung erbringen. Der Gesetzgeber darf zwar, muss aber nicht zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter subjektive Zulassungsvoraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf, wie sie die Handwerksordnung enthält, einführen. Noch weniger ist er gehalten, von seiner Regelungsbefugnis erschöpfend oder in einheitlich bestimmender Weise Gebrauch zu machen. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.5.1979 – 5 C 16.79 -, BVerwGE 58, 93 = juris, Rn. 19 f.; Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 159 ff.)
In Bezug auf das Zahntechnikerhandwerk liegt auch keine relevante Schlechterstellung deutscher Handwerker im Vergleich zu solchen aus dem europäischen Ausland vor. Auf die Ausführungen oben unter 2. a) aa) wird Bezug genommen. (Vgl. auch bereits BayVGH, Beschluss vom 31.3.2004 – 22 ZB 03.2260 -, GewArch 2004, 259 = juris, Rn. 1 (zur EU/EWR-HwV a. F.).)
Jenseits dessen liegt ein verbleibende Ungleichbehandlungen rechtfertigender gewichtiger sachlicher Grund darin, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit durch Europarecht gebunden war (Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 – 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 44.).
Die Beibehaltung des ‚Meisterzwangs‘ für den Bereich der Gesundheitshandwerke zielte im Übrigen geradezu darauf, Sorge zu tragen, dass Inländer über die Befähigung verfügen, die im EU/EWR-Raum die Anerkennung ermöglicht (Vgl. BT-Drs. 15/1206, Seite 42.).
Es kann auch keine rechtlich erhebliche, Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Inländerdiskriminierung festgestellt werden, weil vom Ausland aus zulassungsfrei nach Deutschland hinein gearbeitet werden darf – also jenseits der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit etwa durch Lieferung im Ausland hergestellter zahntechnischer Produkte an einen Zahnarzt in Deutschland – und nur der Inländer dem benachteiligenden Meisterzwang unterliegt. Der Gesetzgeber ist nämlich nur verpflichtet, in seinem Herrschaftsbereich den Gleichheitssatz zu wahren. (…)“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen Ausführungen, mit denen auf alle wesentlichen Erwägungen des Klägers zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs im Zahntechnikerhandwerk eingegangen wird, vollumfänglich an. Insbesondere teilt das Gericht die Auffassung, dass kein ungerechtfertigter Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Klägers vorliegt, weil es sich bei der Abwehr von Gesundheitsgefahren um einen legitimen Grund für den Meisterzwang handelt und der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten ist. Die gegenteiligen Argumente des Klägers mögen zwar in rechtspolitischer Hinsicht nicht ganz von der Hand zu weisen sein, bei verfassungsrechtlicher Beurteilung können sie jedoch, wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen überzeugend herausarbeitet, nicht durchgreifen. Ebenso sieht das erkennende Gericht keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, da die unterschiedliche Behandlung von Zahnärzten beim Betreiben eines Zahnlabors ohne Meisterzwang einerseits und Zahntechnikern mit Meisterzwang andererseits aus den vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen herausgearbeiteten Gründen gerechtfertigt ist.
2. Den Regelungen der Handwerksordnung über den Meisterzwang gehen nicht spezialgesetzliche Regelungen des Medizinprodukterechts vor.
Das im August 1994 verabschiedete Medizinproduktegesetz stellt sich als nationaler Transformationsakt der Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte vom 14.6.1993 dar. Diese bezweckt die Harmonisierung von einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse im Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Richtlinie regelt ausdrücklich nicht die berufliche Ausbildung und Qualifikation der Hersteller und Anwender von Medizinprodukten, und zwar weder auf den Gebieten der schulischen Ausbildung oder Hochschulausbildung noch der handwerklichen Ausbildung. Zu Regelungen im Bereich des Bildungsrechtes besäße die Europäische Union zudem auch keine Rechtsetzungskompetenz. Vor diesem Hintergrund ist es zweifelsfrei richtlinienkonformes Ziel des Medizinproduktgesetzes, dass „(…) in allen EG-Mitgliedsstaaten die aktiven implantierbaren medizinischen Geräte sowie die anderen Medizinprodukte einschließlich der In-vitro-Diagnostika, die zur Anwendung bzw. für den Menschen bestimmt sind, nach den gleichen Anforderungen mit dem gleichen medizinischen und technischen Niveau EG-weit in den Verkehr gebracht und in den Betrieb genommen werden (…)“ (BTDrucks. 928/93, S. 68; VG Ansbach, Urteil vom 1.7.2003 Az. AN 4 K 02.1779; VGH, Beschluss vom 31.3.2004 a.a.O.).
Die Handwerksordnung hingegen beruht auf der Grundanschauung der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und an der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft. Im Interesse dieses wichtigen Gemeinschaftsgutes macht sie, wie ausgeführt, verfassungskonform die Zulassung zur selbständigen Berufsausübung unverändert auch in den Gesundheitshandwerken vom Nachweis fachlichen Könnens durch eine bestimmte Ausbildung und die Ablegung bestimmter Prüfungen abhängig. Im Gesundheitshandwerk und damit gerade auch im Zahntechnikerhandwerk dient der Meisterzwang zwar gerade uns insbesondere auch der Abwehr von gesundheitlichen Gefahren, gleichwohl gibt es keinen Anhalt, aufgrund der sich teilweise überschneidenden Zweckrichtung dieser Bestimmungen von einem Anwendungsvorrang des Medizinprodukterechts auszugehen. Das MPG regelt die Anforderungen, die an die in den Verkehr zu bringenden oder gebrachten Medizinprodukte aus Gründen des Patientenschutzes zu stellen sind. Die Handwerksordnung regelt, wer unter welchen Voraussetzungen handwerkliche Leistungen selbständig erbringen darf. Der Gesetzgeber trennt zwischen der Qualität eines bestimmten Produktes und der Qualifikation zum Umgang mit diesem Produkt (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 1.7.2003 a.a.O).
Letztlich lässt sich unzweifelhaft aus Nr. 37 der Anlage A zur Handwerksordnung erkennen, dass der Gesetzgeber am Meisterzwang für das Zahntechnikerhandwerk unverändert festhält. Wäre es dem Gesetzgeber ein Anliegen gewesen, einem etwaigen Anwendungsvorrang des MPG Geltung zu verschaffen, so hätte er seit Einführung des MPG im Jahr 1994 eine Herausnahme aus dem Katalog der zulassungspflichtigen Handwerke vornehmen können. Bei der letzten Änderung der Anlage A mit Gesetz vom 30.6.2017 wurde einzig in Nr. 34 eine Änderung der Bezeichnung von „Hörgeräteakustiker“ zu „Hörakustiker“ vorgenommen, im Übrigen blieb der gesamte Katalog der Anlage A unverändert. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber sogar eine Veranlassung dafür sah, lediglich begrifflich, aber ohne inhaltliche Änderung, den Katalog der Anlage A zu überarbeiten, gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber von einem Anwendungsvorrang der Bestimmungen des Medizinprodukterechts ausgeht. Aus dem Verbleib des Zahntechnikerhandwerks in der Anlage A zur Handwerksordnung im Rahmen der HwO-Novelle 2004 – und damit in Kenntnis der Geltung des 1994 in Kraft getretenen Medizinproduktegesetzes – ergibt sich vielmehr das Gegenteil (so auch OVG Nordrhein Westfalen, Urteil vom 20.11.2017 a.a.O.). Wie dargelegt, kann ferner der Auffassung des Klägers, das Medizinprodukterecht sei gegenüber dem Meisterzwang ein milderes Mittel zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit, nicht gefolgt werden, sodass auch unter diesem Aspekt kein Anwendungsvorrang besteht.
3. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO sind nicht erfüllt.
Grundsätzlich ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbes gemäß § 1 Abs. 1 HwO nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen und Personengesellschaften gestattet. Da hier gemäß § 1 Abs. 2 HwO i.V.m. Nr. 37 der Anlage A eine Zulassungspflicht besteht, wird der Kläger gemäß § 7 Abs. 1a HwO in die Handwerksrolle eingetragen, wenn er die Meisterprüfung bestanden hat.
Nach Art. 8 Abs. 1 HwO ist jedoch in Ausnahmefällen eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle (Ausnahmebewilligung) zu erteilen, wenn die zur selbständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind; dabei sind auch seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen (Abs. 1 Satz 1). Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn die Ablegung einer Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde (Abs. 1 Satz 2).
An einem solchen Ausnamefall fehlt es hier. Die Auslegung des § 8 Abs. 1 HwO erfordert eine Gegenüberstellung der Voraussetzungen des Normalfalles der Meisterprüfung und des Sonderfalles einer durch eine solche Prüfung eintretenden unzumutbaren Belastung. Ein Ausnahmefall liegt nur dann vor, wenn der als Regel vorgeschriebene Weg zur Erzielung und zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für einen Bewerber zu einer im Verhältnis zu der Vielzahl anderer Bewerber übermäßigen Belastung führt. Diese Belastung kann angesichts der Möglichkeit der Förderung der beruflichen Ausbildung durch öffentliche Mittel im allgemeinen nicht in der Tragung der für den Erwerb des Meistertitels aufzubringenden Kosten liegen. Es kommen deshalb regelmäßig nur Fälle in Betracht, in denen die mehrjährige Ausbildung als solche und dabei namentlich die unmittelbare Vorbereitung auf die Meisterprüfung oder die Förmlichkeit der Prüfungssituation den Antragsteller mehr als die anderen Bewerber belastet. Diese Belastung muss von einigem Gewicht und damit signifikant höher sein, damit nicht die Ausnahmebewilligung als gleichwertige Alternative zum Meisterbrief erscheint, was sie nicht ist. Dabei sind alle Umstände des jeweiligen Falles zu berücksichtigen, namentlich die persönlichen und familiären Verhältnisse des Bewerbers. Grundsätzlich bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der besondere Ausbildungsgang und die Prüfung, die das Gesetz als Regelfall der Erzielung der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vorgeschrieben hat, trotz der erheblichen zeitlichen und sonstigen Belastungen die Berufsbewerber im typischen Fall nicht übermäßig beschweren (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.4.2013 Az. 4 A 764/12 m.w.N.).
Dass diese Voraussetzungen vorliegen könnten, macht der Kläger nicht substantiiert geltend. Letztlich weiß der Kläger seit Gründung seines Betriebes im Jahr 2003 und der damals erfolgten Anstellung seines Vaters als Betriebsleiter, dass er bei dessen altersbedingtem Ausscheiden in handwerksrechtlicher Hinsicht Vorsorge treffen muss, entweder durch Ablegen der Meisterprüfung oder durch Einstellung eines externen Betriebsleiters. Seit inzwischen 14 Jahren ist die grundsätzliche Problemstellung dem Kläger daher bekannt. Es ist trotz seiner hohen Arbeitsbelastung, die das Gericht nicht anzweifelt, letztlich nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb sich der Kläger über so einen langen Zeitraum nicht auf die Meisterprüfung vorbereiten konnte. Zwar darf für die Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt, nicht auf das Vertretenmüssen des Antragstellers abgestellt werden, gleichwohl kann ein Antragsteller die Ausnahmebewilligung auch nicht dadurch erzwingen, dass er ohne Weiteres wartet, bis sich die äußeren Umstände so verdichten, dass ein Ausnahmefall angenommen werden muss, was gegenwärtig nicht der Fall ist.
Das Gericht zieht zwar nicht in Zweifel, dass der jetzige Betriebsleiter nur für eine geringe Jahresentschädigung von 3.430 € tätig ist und es zu diesen Konditionen freilich ausgeschlossen ist, einen externen Betriebsleiter zu finden. Doch darauf, ob sich der Betrieb einen externen Betriebsleiter leisten kann und ob ausreichend Bemühungen vorlagen, einen solchen zu finden, kommt es letztlich nicht an.
Denn es ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Kläger sich bisher – nachdem sein Vater noch als Betriebsleiter fungiert und sich noch um die Kontrolle der Endprodukte kümmert – der Meisterprüfung und der Vorbereitung hierauf unterziehen könnte. Es mag zwar sein, dass er, wie in der mündlichen Verhandlung geschildert, derzeit 50 bis 60 Stunden die Woche arbeitet. Es wäre ihm aber jedenfalls zumutbar, falls erforderlich, seine Arbeitsleistungen für die Vorbereitung auf die Meisterprüfung zeitlich ganz oder teilweise für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren und im Betrieb erforderlichenfalls einen externen Mitarbeiter zu den nötigen Gehaltskonditionen zu beschäftigen. Nach den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung sind derzeit 3 ½ Zahntechnikerstellen im Betrieb besetzt. Einer der Zahntechniker habe eine 2/3-Stelle und sei flexibel, er werde nach Arbeitsaufwand eingesetzt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Betrieb für einen überschaubaren Zeitraum wirtschaftlich nicht verkraften würde, dass sich der Kläger auf die Meisterprüfung vorbereitet und dies nicht durch betriebliche Organisationsmaßnahmen kompensiert werden kann. Soweit sich der Betrieb insgesamt in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet, ist dem durch betriebswirtschaftlich angezeigte Maßnahmen Rechnung zu tragen. Eine solche grundsätzliche betriebliche Schieflage begründet aber nicht automatisch einen Ausnahmefall. Allenfalls wenn gerade das Ablegen der Meisterprüfung ursächlich zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führt, kann ein Ausnahmefall in Betracht kommen. Dass vor diesem Hintergrund gerade der temporäre Ausfall des Klägers den Betrieb in Existenzschwierigkeiten bringen würde, ist nicht substantiiert geltend gemacht. Stellt der Kläger während der Vorbereitung seine Arbeitskraft nicht zur Verfügung, so hat er keinen Lohnanspruch. Wird seine Arbeitskraft in der Zeit ersetzt, fallen allenfalls temporär höhere Lohnkosten für eine andere Person an. Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung gerade durch das Ablegen der Meisterprüfung ist nach alledem weder für den Betrieb, noch für den Kläger persönlich anzunehmen. In der Regel beantragen Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub oder kündigen für die Zeit der Meisterkurse, sodass bei ihm gegenüber diesem Regelfall keine unzumutbare Ausnahmesituation vorliegt, wenn er in der Zeit seiner Vorbereitung von der Gesellschaft keine Vergütung erhält.
Abgesehen davon stellt es ohnehin keine zwingende Voraussetzung für die Meisterprüfung dar, die Vorbereitungskurse zu besuchen. Die pauschale Einlassung, ohne solche Kurse bestünde keine Chance, die Prüfung zu bestehen, kann nicht das Erfordernis einer Meisterprüfung generell in Frage stellen. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger zur Ablegung der Meisterprüfung einen Vorbereitungsaufwand betreiben müsste, der eine Anwesenheit im Betrieb für längere Zeit gar nicht mehr erlaubte. Träfe dies zu, könnte jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, er verfüge tatsächlich bereits über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zum selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.4.2013 a.a.O.).
Auf die Frage, ob der Kläger die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 1 HwO besitzt und die damit zusammenhängende Streitfrage, ob insoweit meistergleiche Kenntnisse gefordert werden dürfen, kommt es mangels Vorliegens eines Ausnahmefalls nicht an.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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