Medizinrecht

Normenkontrollantrag, Einstweilige Anordnung, Sog. „3G-Regelung“, Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises als Voraussetzung zum Zugang zu Betrieben, Einrichtungen oder Angeboten mit Publikumsverkehr

Aktenzeichen  25 NE 21.2375

Datum:
14.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28478
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BayIfSMV (gesamte) 14.
BayIfSMV § 3 14.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der in Bayern in einem Landkreis mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 35 wohnhafte Antragsteller beantragt, die (gesamte) 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (14. BayIfSMV vom 1. September 2021, BayMBl. 2021 Nr. 615), die mit Ablauf des 1. Oktober 2021 außer Kraft tritt (§ 20 14. BayIfSMV), insbesondere soweit in § 3 der Verordnung angeordnet wird, dass der Zugang zu den dort genannten Einrichtungen und Veranstaltungen nur durch Personen erfolgen darf, die geimpft, genesen oder getestet sind, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Antragsteller ist weder geimpft noch genesen im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV).
Zur Begründung des Antrags trägt der Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen vor, dass er nach einem Motorradunfall körperlich sowie neurologisch vorgeschädigt sei. Er habe einen Behinderungsgrad von 60% und nehme täglich etliche starke Medikamente ein. Eine Impfung komme daher für ihn nicht in Frage. Er arbeite in einer Behindertenwerkstatt und versuche durch regelmäßiges Training seine physische wie auch psychische Stabilität wiederzuerlangen. Sein spezifisches körperliches Training im Fitnessstudio sei eminent wichtig für seinen Gesundheitszustand. Selbst bei kurzen Pausen (wie dem letzten Lockdown) sei der Antragsteller sogleich in eine tiefe Depression verfallen. Die kostenpflichtige Durchführung von Tests könne er sich wegen anderweitiger Schulden nicht leisten, so dass es unweigerlich zu einer schweren Gesundheitsverschlechterung kommen werde, die allein auf der Einführung der 3G-Regelung beruhe.
In rechtlicher Hinsicht führt der Antragsteller aus, die Regelungen der Verordnung verletzten ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG sowie seiner allgemeinen Bewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). § 3 der 14. BayIfSMV sei unverhältnismäßig und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Es sei eine indirekte (versteckte) diskriminierende Regelung. Es bestehe kein Grund, die Geimpften von der Pflicht zum stets aktualisierten Testnachweis auszunehmen, da auch bei diesen – wie israelische Studien belegen würden – eine Ansteckungsgefahr oberhalb eines Restrisikos vorliege. Der versteckte Impfzwang lasse die Gefahren der Impfung mit den neuartigen m-RNA Impfstoffen völlig außer Betracht. Bei Personen, die bereits gesundheitlich geschwächt sind oder die unter Autoimmunkrankheiten leiden, könne die Impfung zum Tod führen. Der Zweck der Maßnahme, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, habe zu keiner Zeitgedroht. Die Mehrheit der Personen unter 70 Jahren hätten keine schweren Verläufe. Daher sollte das Ziel sein, dass möglichst viele Personen dieser Gruppe eine Immunantwort entwickelten. Die Politik habe die Gefährlichkeit des neuartigen Sars-Cov-2-Virus maßlos überschätzt. Die Bürger seien eigenverantwortlich. Ungeimpfte stellten keine Gefahr für Geimpfte dar. Die sog. 3G-Regel enthalte keinerlei Ausnahmen der Testpflicht für Personen, die etwa auf den regelmäßigen Besuch in essentiellen Einrichtungen wie Fitnessstudios oder Reha-Einrichtungen angewiesen seien und sich die Tests aber nicht leisten könnten. Die (versteckte) Diskriminierung der Ungeimpften werde auch eine schwerwiegende gesellschaftliche und soziale Spaltung bringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nur teilweise zulässig. Soweit er zulässig ist, ist er unbegründet.
A. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist unzulässig, soweit er die vorläufige Außervollzugsetzung der (gesamten) 14. BayIfSMV – mit Ausnahme des § 3 der 14. BayIfSMV – begehrt.
Dem Antragsteller fehlt es insoweit bereits an einer Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese setzt voraus, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt wird (BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027 – juris Rn. 11). Zu beachten ist, dass hinsichtlich der Geltendmachung der Rechtsverletzung zunächst allein der Antragsteller gefordert ist. Ihm obliegt es, die Rechtsverletzung selbst darzutun (vgl. VGH BW, U.v. 17.2.2014 – 5 S 3254/11 – juris; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 41). Ausgehend von diesem Maßstab ist eine Betroffenheit des Antragstellers durch die (gesamte) 14. BayIfSMV, mit Ausnahme des § 3 14. BayIfSMV, nicht ansatzweise erkennbar, weil er nicht vorträgt, inwiefern er durch die einzelnen (sonstigen) Vorschriften der 14. BayIfSMV betroffen sein könnte. Ist die angegriffene Verordnung wie hier eindeutig teilbar, ist die Antragsbefugnis in Bezug auf jeden Teilkomplex geltend zu machen (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 19/9).
Der Antrag ist zudem unzulässig, soweit er sich gegen § 3 Abs. 3 bis 6 14. BayIfSMV richtet, da diese Absätze keine eigenständige Beschwer, sondern lediglich eine nähere Ausgestaltung sowie Ausnahmen von den Zugangsbeschränkungen in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 14. BayIfSMV enthalten und rechtliche Wirksamkeit nur dann entfalten können, wenn die in den angefochtenen Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 14. BayIfSMV verankerten Zugangsbeschränkungen wirksam sind.
B. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen die in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der 14. BayIfSMV verankerte Zugangsbeschränkung zu Betrieben, Einrichtungen, Veranstaltungen, Angeboten und Dienstleistungen für Personen, die nicht im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 SchAusnahmV geimpft, genesen oder getestet sind, hat unter Anwendung des geltenden Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (I.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Aussichten auf Erfolg (II.). Auch eine Folgenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus (III.).
I. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
II. Nach diesen Maßstäben bleibt der Antrag ohne Erfolg, weil die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben sind.
1. Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die in den angegriffenen Regelungen verankerte Zugangsbeschränkung zu Betrieben, Einrichtungen, Veranstaltungen, Angeboten und Dienstleistungen für Personen, die nicht im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 SchAusnahmV geimpft, genesen oder getestet sind, mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nrn. 4 bis 8, 10 bis 13 und 16 IfSG, welche den Verordnungsgeber ermächtigen, Betretungsverbote oder -bedingungen hinsichtlich bestimmter Orte zu definieren (§ 28 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz IfSG) sowie die Verpflichtung zur Anwendung von Hygienekonzepten für Angebote mit Publikumsverkehr und Beschränkungen für Veranstaltungen, Reisen, Freizeit-, Sport-, Beherbergungs-, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie der Gastronomie vorzusehen (§ 28a Abs. 1 Nrn. 4 bis 8, 10 bis 13 und 16 IfSG), eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 24 ff; B.v. 16.4.2021 – 20 NE 21.1036 – juris Rn. 13; B.v. 15.7.2021 – 25 NE 21.1811 – juris Rn. 33; OVG Saarl, B.v. 1.9.2021 – 2 B 197/21 – juris Rn. 9). Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch sie erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen. Unterstrichen wird dies durch die zum 14. September 2021 in Kraft getretene Regelung des § 28a Abs. 1 Nr. 2a IfSG (vgl. Art. 12 des Gesetzes vom 10.9.2021 – BGBl. I S. 4147), die den Verordnungsgeber nunmehr explizit zur Etablierung der Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises ermächtigt (BT-Drs. 19/32275 v. 3.9.2021, S. 28).
Ob auch die von Antragstellerseite als nicht ausreichend erachtete und vom Verordnungsgeber neben § 28a IfSG zitierte Vorschrift des § 28c Satz 3 IfSG i.V.m. § 11 SchAusnahmV eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Verordnungsbestimmungen darstellen, bedarf vor diesem Hintergrund im gegenständlichen Verfahren keiner Entscheidung.
2. Die angegriffenen Regelungen, die sich nach ihrem Schwerpunkt und Eingriffscharakter im Wesentlichen als „Testpflicht“ für nicht immunisierte Personen darstellen, sind voraussichtlich rechtmäßig, weil sie mit der Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nrn. 4 bis 8, 10 bis 13 und 16 IfSG im Einklang stehen (2.1) und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig (2.2) oder gleichheitswidrig (2.3) erweisen.
2.1 Im Zeitpunkt des Erlasses der 14. BayIfSMV am 1. September 2021 wie auch der Entscheidung des Senats liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nrn. 4 bis 8, 10 bis 13 und 16 i.V.m. Abs. 3 IfSG vor.
2.1.1 Der Deutsche Bundestag hat die in § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorgesehene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Blick auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 erstmals am 25. März 2020 getroffen (BT-PlPr 19/154, 19169C). Er hat diese Feststellung seither auch nicht – wie in § 5 Abs. 1 IfSG vorgesehen – aufgehoben und diese Aufhebung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht, sondern am 18. November 2020, am 4. März 2021, am 11. Juni 2021 und zuletzt am 25. August 2021 den Fortbestand einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG für weitere drei Monate festgestellt (vgl. BT-Drs. 19/24387; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/27196; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/30398; Annahme des Entschließungsantrags BT-Drs. 19/32091, BT-PlPr 19/238 S. 21076C).
2.1.2 Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die „Testpflicht“ für nicht geimpfte oder genesene Personen als Zugangsbeschränkung zu Betrieben, Einrichtungen, Veranstaltungen, Angeboten und Dienstleistungen eine geeignete und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 3 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist auch gegenwärtig nicht zu beanstanden.
Nach der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI), dessen Expertise der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht beimisst (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – NJW 2020, 1427 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), vom 8. September 2021 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) wird die Gefährdung für die Gesundheit der nicht vollständig geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch, für vollständig Geimpfte als moderat eingeschätzt. Nach einem Anstieg der Fälle im ersten Quartal 2021 und deutlichem Rückgang der 7-Tage-Inzidenzen und Fallzahlen im Bundesgebiet im zweiten Quartal sind die Fallzahlen zuletzt in allen Altersgruppen wieder rasch angestiegen. Die landesweite 7-Tage-Inzidenz liegt in Bayern aktuell bei 85,8 (Stand: 14.9.2021, https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4). Der 7-Tage-R-Wert in Bayern liegt bei 1,05. In den sieben vergangenen Tagen wurden bayernweit 297 an COVID-19 erkrankte Personen in ein bayerisches Krankenhaus eingewiesen; 238 Intensivbetten sind durch an COVID-19 erkrankte Personen derzeit belegt (Stand 14.9.2021, https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm). Es lassen sich zunehmend weniger Infektionsketten nachvollziehen. Häufungen werden unter anderem in der Freizeit (z.B. im Zusammenhang mit Reisen) und größere Ausbrüche bei Veranstaltungen dokumentiert, z.B. bei Tanz-, Gesangs- und anderen Feiern, besonders auch bei Großveranstaltungen und in Innenräumen, in denen – insbesondere bei schlechter Belüftung – eine Übertragung durch Aerosole allein durch die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln nicht sicher verhindert werden kann. Neben den AHA-Regeln können Tests als ein zusätzliches Element durch frühe Erkennung der Virusausscheidung vor dem Auftreten von Krankheitszeichen die Sicherheit weiter erhöhen (RKI, Risikobewertung, a.a.O.).
Die Zahl der Todesfälle befindet sich aktuell auf niedrigem Niveau mit leicht steigender Tendenz. Die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, steigt derzeit ebenfalls wieder an. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe steigt mit zunehmendem Alter und bei bestehenden Vorerkrankungen; allerdings kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren oder zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. Die Anforderungen an das Gesundheitssystem waren in weiten Teilen Deutschlands vorübergehend sehr hoch, so dass das öffentliche Gesundheitswesen und die Einrichtungen für die stationäre medizinische Versorgung örtlich an die Belastungsgrenze kamen. Da eine vollständige Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen auch bei der in Deutschland nun dominierenden Delta-Variante (VOC B.1.617.2) einen guten Schutz vor der Entwicklung einer COVID-19-Erkrankung (insbesondere vor einem schweren Verlauf) bietet, ist davon auszugehen, dass mit steigenden Impfquoten auch eine Entlastung des Gesundheitssystems einhergeht (RKI, Risikobewertung, a.a.O.; vgl. auch Schuppert/Weber-Carstens/Karagiannidis, Intensivbettenbedarf für COVID-19 im Herbst/Winter 2021, abrufbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-021-00862-9.pdf). In Bayern haben bis zum 13. September 2021 rund 63,3% der Bevölkerung eine Erstimpfung und 60,2% den vollständigen Impfschutz erhalten, wobei letztere Quote in der Altersgruppe der 18 bis 59-Jährigen bei 65,2% und in der Altersgruppe der über 60jährigen bei 81,3% liegt (Impfmonitoring des RKI, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html). Damit liegt die Impfquote noch deutlich von einer sog. Herdenimmunität entfernt (rund 85% vollständig Geimpfte in der Altersgruppe der 12 bis 59-Jährigen sowie von 90% für Personen ab dem Alter von 60 Jahren, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/27_21.pdf? blob=publicationFile).
Internationale Studien weisen darauf hin, dass die Delta-Variante, die in den letzten Wochen die dominierende Variante in Deutschland geworden ist, verglichen mit früher dominierenden Varianten zu schwereren Krankheitsverläufen mit mehr Hospitalisierungen und häufigerer Todesfolge führen kann. Aufgrund der leichteren Übertragbarkeit dieser Variante und der noch nicht ausreichenden Impfquoten muss mit einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen in den nächsten Wochen gerechnet werden. Nur bei einer niedrigen Zahl von neu Infizierten und einem hohen Anteil der vollständig Geimpften in der Bevölkerung können viele Menschen, nicht nur aus den Risikogruppen wie ältere Personen und Menschen mit Grunderkrankungen, gut vor schweren Krankheitsverläufen, intensivmedizinischer Behandlungsnotwendigkeit und Tod geschützt werden. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Vermeidung von Langzeitfolgen, die auch nach milden Krankheitsverläufen auftreten können. Es ist weiterhin von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Nur dadurch kann die Belastung im Gesundheitswesen so niedrig gehalten werden, dass einerseits eine gute medizinische Versorgung aller kranken Personen (auch unabhängig von COVID-19) möglich ist und andererseits das Infektionsgeschehen durch die Gesundheitsämter bearbeitet werden kann (RKI, Risikobewertung, a.a.O.).
Immer noch sind viele europäische Staaten, so auch in direkter Nachbarschaft zu Deutschland nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als Hochrisikogebiete für eine Infektion mit SARS-CoV-2 eingestuft. Die Zahl der Neuinfektionen ist nicht zuletzt auch durch die insgesamt zunehmende Mobilität und insbesondere durch die Reiserückkehr aus den Sommerferien bedingt gestiegen (BT-Drs. 19/32091 S. 2). Zudem ist in einer Phase, in der die Infektionszahlen zwar steigen, insgesamt aber verhältnismäßig niedrig sind und die Impfungen in Deutschland und Europa fortschreiten, weltweit jedoch auf einem regional sehr unterschiedlichen Niveau sind, auch mit sogenannten Escape-Mutationen zu rechnen, das heißt Virusvarianten, die eine verringerte Sensitivität gegenüber den gegenwärtig verfügbaren Impfstoffen haben (BT-Drs. 19/32091 S. 3).
Der Antragsteller geht fehl in der Annahme, es bestünde „nur noch“ eine individuelle eigenverantwortliche Selbstgefährdung – aber keine Gefahr für Geimpfte oder der Volksgesundheit mehr, die kollektive Einschränkungen rechtfertigen könnte. Diese Ansicht verkennt, dass Impfungen nicht 100% schützen, Personen gefährdet werden können, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, für die noch kein Impfstoff zugelassen wurde (Kinder unter 12 Jahren) oder für die eine Impfung derzeit noch nicht von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird. Zudem kann eine Überlastung des Gesundheitssystems auch dazu führen, dass die lebensnotwendige intensiv-medizinische Versorgung von nicht an COVID-19 erkrankten Patienten nicht gewährleistet werden kann. Daraus, dass selbst eine partielle Überforderung des Gesundheitswesens bisher abgewendet werden konnte, kann im Übrigen nicht geschlossen werden, es habe keine solche Gefahr bestanden und könne auch im weiteren Pandemieverlauf nicht mehr eintreten. Diese Einschätzung des Antragstellers steht vielmehr im Widerspruch zur Beurteilung durch das RKI. Auch der Deutsche Bundestag geht unter Hinweis auf dessen Stellungnahmen davon aus, dass eine Überlastung nicht ausgeschlossen werden, sondern weiterhin drohen kann (vgl. den Antrag zur Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 20.8.2021, BT-Drs. 19/32040 S. 2 m.w.N.).
Vor dem Hintergrund der dargestellten Lage, namentlich der Ausbreitung von leichter übertragbaren und wohl schwerere Krankheitsverläufe verursachenden Varianten (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 IfSG), einer steigenden 7-Tage-Inzidenz, der begonnenen vierten Welle und des noch nicht hinreichenden Impffortschritts, erweist sich die Pflicht zur Vorlage eines negativen Tests für noch nicht immunisierte Personen als Zugangsvoraussetzung für den Besuch der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 der 14. BayIfSMV genannten Veranstaltungen und Einrichtungen sowie die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 14. BayIfSMV) als im Sinne des § 28a Abs. 3 IfSG notwendiges Mittel, um Personen vor einem schweren Krankheitsverlauf und Langzeitfolgen zu schützen, die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen und einer Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen.
2.2 Die Regelung in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der 14. BayIfSMV hinsichtlich der Beschränkung des Zugangs zu Veranstaltungen und Dienstleistungen, insbesondere in geschlossenen Räumen, für Personen, die nicht im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 SchAusnahmV geimpft, genesen oder getestet sind, erweist sich bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach derzeit nicht als offensichtlich unverhältnismäßig. Es liegt nicht eindeutig und unzweifelhaft auf der Hand, dass die entsprechende Zugangsbeschränkung zur Bekämpfung der Pandemie unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums des demokratischen Verordnungsgebers offensichtlich nicht geeignet (2.2.1), nicht erforderlich (2.2.2) oder unangemessen (2.2.3) wäre.
2.2.1 Die sog. 3G-Regel, die für Kunden, Gäste und Besucher, die weder geimpft noch genesen sind, den Zugang zu den in § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 14. BayIfSMV genannten Veranstaltungen und Einrichtungen von einem negativen Test nach Maßgabe des § 3 Abs. 4 14. BayIfSMV i.V.m. § 2 Nrn. 6 und 7 SchAusnahmV abhängig macht, ist geeignet, das Risiko der Virusverbreitung bei den besuchten Veranstaltungen bzw. in den Einrichtungen deutlich zu reduzieren. Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen – vor allem in geschlossenen Räumen – sind geeignet, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Risikobericht v. 8.9.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 14.7.2021). Laut Robert-Koch-Institut ist Testen zudem essenzieller Bestandteil einer umfassenden Pandemie-Bekämpfungs-Strategie: Es ist Grundlage für die zeitnahe Erkennung und Behandlung von Infektionen, für die Unterbrechung von Infektionsketten und für einen Schutz vor Überlastung unseres Gesundheitssystems. Testen dient zudem der Erfassung der Zahl und Verteilung von infizierten Personen in Deutschland und trägt damit zu einem aktuelleren und besseren Lagebild bei (vgl. RKI zur Nationalen Teststrategie unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Nat-Teststrat.html; jsessionid=B90AD3585EE43F9B534A6FC29C104E9A.internet081?nn=2444038).
Die Eignung wird weder dadurch infrage gestellt, dass jeder Corona-Test immer nur eine Momentaufnahme ist oder dass der auch zur Anwendung zugelassene Antigen-Schnelltest keine hinreichende Testgenauigkeit aufweist, noch dadurch, dass Geimpfte und Genesene Zugang zu den Einrichtungen und Veranstaltungen gewährt wird, ohne der Testobliegenheit unterworfen zu sein. Nach den Erkenntnissen des nach § 4 Abs. 1 Satz 2 IfSG auch zur Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten berufenen RKI belegen Daten aus Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung (sog. Beobachtungsstudien), dass die in Deutschland zur Anwendung kommenden COVID-19-Impfstoffe SARS-CoV-2-Infektionen (symptomatisch und asymptomatisch) in einem erheblichen Maße verhindern und so das Risiko einer Virusübertragung stark vermindern (vgl. im Einzelnen: RKI, COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ), Gesamtstand 9.9.2021, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html). Gleiches gilt für Personen, die eine gesicherte SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, die weniger als sechs Monate zurückliegt (vgl. RKI, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Klinische Aspekte, Stand 13.8.2021, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html). Eine andere Bewertung gebieten derzeit auch die sog. Impfdurchbrüche nicht. Diese zeigen lediglich, dass (ebenso wie andere Schutzmaßnahmen auch) eine Impfung keinen vollständigen, einhundertprozentigen Schutz bietet. Gemessen an der Zahl der insgesamt geimpften Personen und der insgesamt neu infizierten Personen ist der Anteil der sog. Impfdurchbrüche aber gering und stellt die Effektivität der Corona-Schutzimpfung nicht grundlegend infrage (vgl. im Einzelnen: Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) v. 2.9.2021, S. 18 ff, www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-09-02.pdf? blob=publicationFile). Ob das fraglos verbleibende (Rest-)Risiko einer Virusverbreitung durch Geimpfte und Genesene jedenfalls in bestimmten Einrichtungen und Konstellationen durch eine Testobliegenheit auch für diese Personengruppen noch weiter reduziert werden könnte und abhängig von der epidemischen Lage auch weiter reduziert werden müsste, ist keine Frage der Geeignetheit der hier zu beurteilenden „Testpflicht“ für nicht geimpfte und nicht genesene Personen (NdsOVG, B.v. 7.9.2021 – 13 MN 378/21 – juris Rn. 43).
2.2.2 Der sog. 3G-Regelung in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 der 14. BayIfSMV fehlt es auch nicht offensichtlich an der Erforderlichkeit zur Erreichung der legitimen Ziele. Dass dem Normgeber mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Solche gleich wirksamen, aber weniger einschränkenden Mittel hat der Antragsteller nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
Dem Antragsteller kann insbesondere nicht darin gefolgt werden, die „Testpflicht“ sei angesichts des gegenwärtigen Infektionsgeschehens, des Impffortschritts und der Tatsache, dass jedem ein Impfangebot gemacht werden könne, nicht mehr erforderlich. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass es Personen gibt, für die noch kein Impfstoff zugelassen ist und die stark gefährdet sind (Kinder unter 12 Jahren mit Vorerkrankungen), Personen, für die die Ständige Impfkommission keine generelle Impfempfehlung gibt, sowie solche, die sich aus (individuellen) medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Zum anderen erscheint es aus ex-ante-Sicht mit Blick auf die gegenwärtige Lage der Pandemie, die durch eine zwar fortschreitende, aber noch nicht ausreichende Impfdichte sowie durch die Verbreitung der wohl schwerere Krankheitsverläufe verursachenden und insbesondere deutlich infektiöseren Delta-Variante mit steigenden Fallzahlen gekennzeichnet ist, auch bei den derzeit (noch) relativ niedrigen Inzidenzen und Hospitalisierungen notwendig, niederschwellige Maßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens wie die AHA-Regeln und Tests einzuführen und beizubehalten, um die Ausbreitung des Virus in der noch nicht immunisierten Bevölkerung zu verlangsamen und so die Belastung des Gesundheitssystems zu begrenzen, damit sämtliche erforderlichen Behandlungen – nicht nur von COVID-19, sondern aller Erkrankungen – zu jeder Zeit gewährleistet werden können. Dass die vom Verordnungsgeber dabei hinsichtlich der angegriffenen „Testpflicht“ zugrunde gelegte 7-Tage-Inzidenz von 35 vor dem Hintergrund des bislang erreichten Impffortschritts offensichtlich ungeeignet wäre, kann aus ex-ante-Sicht nicht festgestellt werden, da sich die Inzidenz angesichts des in der Vergangenheit zu beobachtenden exponentiellen Anstiegs der Fallzahlen als geeignetes Frühwarnsystem erwiesen hat (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 6 und 7 IfSG in der im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Regelungen und bis zum 14.9.2021 geltenden Fassung). Dass auf die 7-Tage-Inzidenz auch in der derzeitigen pandemischen Lage bei der Entscheidung über präventive Maßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens noch nicht verzichtet werden kann, wird durch die zum 14. September 2021 in Kraft getretene Neufassung des § 28a Abs. 3 Satz 2 und 3 IfSG unterstrichen. Danach können zum präventiven Infektionsschutz insbesondere die in Abs. 1 Nrn. 1, 2, 2a, 4 und 17 genannten Schutzmaßnahmen, mithin auch die angegriffene Vorlagepflicht eines Test-, Genesenen- oder Impfnachweises, ergriffen werden; weitergehende Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen regionalen und überregionalen Infektionsgeschehens mit dem Ziel getroffen werden, eine drohende Überlastung der regionalen und überregionalen stationären Versorgung zu vermeiden. Zwar tritt die Bedeutung der Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland verstärkt in den Hintergrund und es erscheint deshalb nicht mehr angemessen, die 7-Tage-Inzidenz weiterhin als maßgeblichen Indikator für weitergehende Schutzmaßnahmen anzusehen, weil immer mehr Menschen geimpft und damit vor schweren Verläufen der Krankheit im hohen Maße geschützt sind (BT-Drs. 19/32275 S. 28). Jedoch kann nach wie vor – zumindest für die Beurteilung von Maßnahmen für den präventiven Infektionsschutz – aus einer zunehmenden Zahl von Neuinfektionen, die die Inzidenz abbildet, geschlossen werden, dass mit dem auf den spezifischen Umständen der vorliegenden Pandemie beruhenden erheblichen zeitlichen Abstand die Belastung des Gesundheitssystems und die Zahl der Todesfälle steigen würden (vgl. BT-Drs. 19/28444, S. 9; vgl. auch Schuppert/Weber-Carstens/Karagiannidis, Intensivbettenbedarf für COVID-19 im Herbst/Winter 2021, abrufbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-021-00862-9.pdf), was sodann nur schwer und verbunden mit weitergehenden Grundrechtseingriffen einzudämmen wäre und teils irreversible Folgen zeitigen würde.
Vor diesem Hintergrund kommt der Antragsgegner mit dem angegriffenen Testerfordernis, das sich im Wesentlichen auf Angebote für eine größere Zahl wechselnder Personen und körpernahe Tätigkeiten im besonders infektionsträchtigen „Innenbereich“ bezieht, weiterhin der ihm zukommenden Schutzpflicht für Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nach, zu deren Erfüllung sich die Maßnahme als weiterhin notwendig bzw. erforderlich erweist.
2.2.3 Die Maßnahmen sind auch angemessen.
2.2.3.1 Testnachweispflichten sind grundsätzlich ein wenig belastendes Mittel, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus bei Betrieben, Einrichtungen, Veranstaltungen, Angeboten und körpernahen Dienstleistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und § 11 14. BayIfSMV einzudämmen (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.6.2021 – Vf. 73-VII-20 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 20 NE 21.369 – juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 11.6.2021 – 1 S 1533/21 – juris Rn. 92; NdsOVG, B.v. 10.6.2021 – 13 MN 281/21 – juris Rn. 19).
Die Zugangsbeschränkung des § 3 Abs. 1 Satz 1 14. BayIfSMV gilt nur im Hinblick auf geschlossene Räume. Der Verordnungsgeber hat die Nachweispflicht auch auf bestimmte räumliche, zeitliche und soziale Situationen beschränkt, in denen typischerweise viele Personen aus verschiedenen Haushalten aufeinandertreffen. Ausgenommen sind die zum Betrieb oder zur Durchführung nötigen beruflichen oder gemeinwohldienlichen ehrenamtlichen Tätigkeiten. Damit gilt beispielsweise am Arbeitsplatz kein 3G-Grundsatz. Auch unterfallen regelmäßig die Anbieter und Beschäftigten der genannten Bereiche, für die es sich insoweit um eine berufliche Tätigkeit handelt, nicht der 3G-Regelung (vgl. Begründung der 14. BayIfSMV v. 1.9.2021 – BayMBl. 2021 Nr. 616). Zudem bestehen gemäß § 3 Abs. 3 14. BayIfSMV für im Sinne des § 2 Nr. 2, 4, 6 SchAusnahmV nicht geimpfte, genesene oder getestete Personen keine Zugangsbeschränkungen zum Handel und zu den nicht von § 3 Abs. 1 und 2 14. BayIfSMV erfassten Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben, zum öffentlichen Personennah- und -fernverkehr, zur Schülerbeförderung, zu Prüfungen, zu Wahllokalen und Eintragungsräumen, zu Gottesdiensten, zu Versammlungen im Sinne des Art. 8 des Grundgesetzes sowie zu Veranstaltungen von Parteien und Wählervereinigungen.
Die angegriffene Regelung tangiert die Besucher und Kunden in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit, wobei die Eingriffe im unteren Bereich der Eingriffsintensität liegen. Gleiches gilt, soweit – wie im Bereich der Hochschulen und beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung – das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen ist und mangels „Freiwilligkeit“ durch die Testpflicht in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eingegriffen wird. Der bei den verwendeten Tests in der Regel durchzuführende Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum dürfte zwar als Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zu werten sein, welche indes nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität ist (BayVerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 m.w.N.). Dass die „Testpflicht“ für die Betroffenen unzumutbar wäre, vermag der Senat angesichts der flächendeckenden Verfügbarkeit von Schnelltests und des Umstands, dass diese gegenwärtig (noch) mit keinen bzw. nur geringen Kosten verbunden sind, nicht zu erkennen. Zudem können im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist (§ 18 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV). Für die Veranstalter und Betreiber der betreffenden Einrichtungen, denen lediglich abverlangt wird, einen entsprechenden Nachweis über die Impfung, Genesung oder Testung zur Kenntnis zu nehmen und den Besucher bzw. Kunden gegebenenfalls zurückzuweisen, erweist sich die angegriffene Regelung erst recht als zumutbar. Auch der Bundesgesetzgeber sieht die allgemeine Vorlagepflicht hinsichtlich eines Impf-, Genesenen oder Testnachweises als Voraussetzung zum Zugang zu Betrieben, Einrichtungen oder Angebotenen mit Publikumsverkehr als niederschwellige Schutzmaßnahme zum präventiven Infektionsschutz an (BT-Drs. 19/32275 S. 28).
2.2.3.2 Die Testnachweispflichten dienen dem Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter (vgl. oben 2.1.1) und stehen daher nicht außer Verhältnis zu den Eingriffen in die Rechte der Betroffenen.
Das Maß, in dem die in Rede stehende Verpflichtung noch nicht immunisierter Personen zur Vorlage eines negativen „Corona-Tests“ beim Besuch bzw. der Inanspruchnahme der in § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und § 11 der 14. BayIfSMV genannten Veranstaltungen und Einrichtungen voraussichtlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beiträgt, steht zu dem Gewicht der sich für diese ergebenden Beeinträchtigungen in einem angemessenen, die Grundrechtseingriffe rechtfertigenden Verhältnis. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere auch, dass die angefochtene Regelung nicht isoliert steht, sondern einen Ausgleich für „Lockerungen“ zuvor deutlich eingriffsintensiverer Grundrechtsbeschränkungen darstellt und in diesem Sinne – als milderes Mittel gegenüber einer vollständigen Schließung oder stärkeren Beschränkung – auch der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten Dritter dient, die insbesondere in ihrer Berufsfreiheit betroffen sind (so auch OVG Saarl, B.v. 1.9.2021 – 2 B 197/21 – juris Rn. 11).
Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Obliegenheit der Vorlage eines Testnachweises trotz des ansteigenden Infektionsgeschehens angesichts der bisher erzielten Impfquote eine der letzten verordneten Schutzmaßnahmen ist. Mit dem Anstieg der Impfquote haben weitgehende Öffnungen und Lockerungen in allen gesellschaftlichen Bereichen stattgefunden, die Anzahl der Kontakte und die Mobilität der Menschen haben sich wieder signifikant erhöht, was auf der anderen Seite ein wachsendes Infektionsrisiko birgt. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass diese Lockerungen durch Maßnahmen zu Hygiene- und Abstandsregelungen, aber auch der Obliegenheit zur Vorlage von Impf-, Genesenenoder Testnachweis begleitet werden müssen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2.2.3.3 Die Einwendungen der Antragstellerseite überzeugen demgegenüber nicht.
Dass die angegriffenen Vorschriften, wie der Antragsteller meint, zu einer faktischen Impfpflicht „durch die Hintertür“ führten und daher unverhältnismäßig seien, überzeugt nicht, zumal der Antragsgegner negativ Getestete und immunisierte Personen in ihren Möglichkeiten zur Teilhabe am Wirtschafts- und Sozialleben gerade gleichstellt und hiervon nicht ausschließt (vgl. OVG Saarl, B.v. 1.9.2021 – 2 B 197/21 – juris Rn. 11). Die Vorlage eines negativen Testnachweises bei Inanspruchnahme bestimmter Angebote in Innenbereichen ist zwar eine gewisse Unannehmlichkeit, hindert jedoch gerade nicht daran, alle gewünschten Aktivitäten auch ohne Impfung auszuüben und Einrichtungen zu besuchen. Im Übrigen verlangt die Verfassungsordnung nicht, dass mit der eigenverantwortlichen Ausübung grundrechtlicher Freiheiten stets und ausnahmslos positive Konsequenzen verbunden sind, insbesondere wenn, wie im Falle von COVID-19, Impfstoffe ausreichend vorhanden sind (vgl. Ernst, Privilegierung Geimpfter und faktischer Impfzwang v. 1.9.2021 unter https://verfassungsblog.de/privilegierung-geimpfter-und-faktischer-impfzwang/).
Weitergehende Ausnahmen von der „Testpflicht“, als der Verordnungsgeber sie bislang vorsieht, sind von Verfassungs wegen nicht geboten. Die Gruppe der Kinder unter 12 Jahren unterfällt der angegriffenen Regelung bereits nicht (§ 3 Abs. 5 14. BayIfSMV), und für die verbleibende (kleine) Gruppe der Personen, die sich (noch) nicht impfen lassen können, gewährleistet die flächendeckende Möglichkeit der risiko- und nach den staatlichen Verlautbarungen insoweit auch weiterhin kostenfreien Testung die uneingeschränkte Möglichkeit der Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben. Da die Testdurchführung jedenfalls bis zum Außerkrafttreten der 14. BayIfSMV (§ 20 Abs. 1 14. BayIfSMV) kostenfrei ist, braucht an dieser Stelle nicht auf eine vermeintliche künftige finanzielle Belastung des Antragstellers eingegangen zu werden (zumal angekündigt wurde, in bestimmten Ausnahmefällen auch weiterhin kostenfreie Tests anzubieten). Zudem ist eine Ausnahme von der Testobliegenheit für Personen, die sich (noch) nicht impfen lassen können, aus infektiologischer Sicht nicht gerechtfertigt, da von ihnen die gleiche Infektionsgefahr wie von allen anderen, nicht immunisierten Personen ausgeht.
2.3 Eine von dem Antragsteller geltend gemachte Verletzung des mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) korrespondierenden Grundrechts auf Gleichbehandlung liegt ebenfalls nicht vor.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; B.v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. – BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 – BVerfGE 132, 179, 188 – juris Rn. 30; B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 – juris Rn. 65; B.v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a. – BVerfGE 126, 400, 416 – juris Rn. 79). Im Bereich des Infektionsschutzes – als besonderem Gefahrenabwehrrecht (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 32) – darf der Verordnungsgeber im Hinblick auf Massenerscheinungen, die sich (wie das gegenwärtige weltweite Infektionsgeschehen) auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. In diesem Zusammenhang kommt daher neben der Entwicklung des Pandemiegeschehens dem Gesamtkonzept bzw. Maßnahmenbündel, mit dem der Verordnungsgeber dem Infektionsgeschehen begegnet, eine maßgebliche Bedeutung zu, wobei dem Normgeber nicht zuletzt im Falle komplexer und wissenschaftlich nicht abschließend geklärter Zusammenhänge (wie hier) ein weiter Einschätzungsspielraum zuzubilligen ist (OVG Saarl, B.v. 26.5.2021 – 2 B 136/21 – juris Rn. 15).
Dies zugrunde gelegt vermag der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen, dass die personengruppenbezogene Differenzierung zwischen vollständig geimpften und noch nicht vollständig geimpften Personen hinsichtlich der Vorlage eines negativen Coronatests als Voraussetzung für den Besuch der inmitten stehenden Veranstaltungen und Einrichtungen willkürlich sein oder mit einer unverhältnismäßigen Belastung für die Personengruppe der nicht vollständig Geimpften verbunden sein könnte.
Nach den Erkenntnissen des RKI erscheint aus Public-Health-Sicht durch die Impfung das Risiko einer Virusübertragung in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung eine im Verhältnis zu Ungeimpften deutlich reduzierte Rolle spielen. Wenngleich bei der Delta-Variante von einer etwas reduzierten Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2-Infektionen auszugehen ist und einzelne Studien darauf hindeuten, dass vollständig geimpfte Personen, die sich dennoch mit der Delta-Variante infizieren, möglicherweise dieselbe Viruslast tragen können wie Ungeimpfte (vgl. https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7031e2.htm?s_cid=mm7031e2_x; vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126034/US-Gesundheitsbehoerde-Delta-Variante-so-ansteckend-wie-Windpocken-trotz-Impfung), ist nach Einschätzung des RKI bei allen derzeit dominierenden Virusvarianten das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert. Daten aus Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung (sog. Beobachtungsstudien) belegen, dass die in Deutschland zur Anwendung kommenden COVID-19-Impfstoffe SARS-CoV-2-Infektionen (symptomatisch und asymptomatisch) in einem erheblichen Maße verhindern (Schutzwirkung etwa 80-90% nach der zweiten Impfstoffdosis). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCRpositiv wird und dabei auch infektiöse Viren ausscheidet, ist zwar nicht Null, aber im Verhältnis zu ungeimpften Personen deutlich vermindert. Dieses Risiko muss durch das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen (AHA- +L-Regeln) zusätzlich reduziert werden. In welchem Maß die Impfung darüber hinaus die Übertragung des Virus weiter reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden (RKI, FAQ „Covid-19 und Impfen“, „Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?“, Gesamtstand 9.9.2021, a.a.O.).
Bei dieser Sachlage besteht aber für die Ungleichbehandlung von immunisierten und nicht geimpften Personen im hier zu prüfenden Zusammenhang derzeit voraussichtlich ein sachlicher Grund und erweist sich der hiermit verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützten Interessen nicht geimpfter Personen nicht als unverhältnismäßig (s.o.).
III. Auch bei „offenen“ Erfolgsaussichten in der Hauptsache und einer Folgenabwägung in Anlehnung an § 32 BVerfGG hätte das Interesse des Antragstellers, von der Notwendigkeit der Vorlage eines negativen SARS-CoV-2-Tests als Voraussetzung für das Aufsuchen von in § 3 Abs. 1 Satz 1 14. BayIfSMV genannten Veranstaltungen, Betrieben und Einrichtungen sowie Dienstleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 14. BayIfSMV sofort verschont zu bleiben, hinter den schwerwiegenden öffentlichen und privaten Interessen an einer Eindämmung des Infektionsgeschehens zurückzutreten. Dass die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Interessen des Antragstellers die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen und deshalb die nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommende „vorläufige“ Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO rechtfertigen, kann jedenfalls nicht angenommen werden. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme Bezug genommen.
Würde der Senat die angegriffenen Regelungen außer Vollzug setzen, bliebe ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte der Antragsteller zwar vorübergehend die geltend gemachten Beeinträchtigungen durch die Vorlage eines negativen Tests vermeiden. Ein durchaus wesentlicher Baustein der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde jedoch in seiner Wirkung reduziert, und zwar in einem Zeitpunkt eines immer noch dynamischen Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine solche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang, effektiver zu verhindern, bliebe zumindest zeitweise – irreversibel – ungenutzt. Dadurch könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der erneuten Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöhen.
Würden hingegen die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen nicht vorläufig teilweise außer Vollzug gesetzt, hätte ein Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre dem Antragsteller für eine gewisse Zeit zu Unrecht die Möglichkeit des Zugangs unter anderem zu Einrichtungen der Kultur, der Freizeit und der Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen ohne Test verwehrt. Der dadurch bewirkte Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit würde verfestigt. Das Interesse des Antragstellers hat aber hinter dem überragenden öffentlichen Interesse an Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen zurückzustehen, zumal ein „Coronatest“ niedrigschwellig verfügbar ist. In die Folgenabwägung ist auch einzustellen, dass die Verordnung mit Ablauf des 1. Oktober 2021 außer Kraft tritt. Damit ist sichergestellt, dass sie unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Pandemie und wissenschaftlicher Erkenntnisse fortgeschrieben werden muss (vgl. auch OVG Saarl, B.v. 1.9.2021 – 2 B 197/21 – juris Rn. 16).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerpartei angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 1. Oktober 2021 außer Kraft tritt (§ 20 Abs. 1 14. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht erscheint.
D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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