Medizinrecht

Normenkontrolleilrechtsschutz gegen coronabedingte Ausgangsbeschränkungen und Alkoholverbot

Aktenzeichen  20 NE 21.458

Datum:
7.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3811
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1, § 32
11. BayIfSMV § 2, § 24 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen und eines Alkoholverbots mit §§ 2, 24 Abs. 1 S. 1 der 11. BayIfSMV beruht auf einer verfassungsmäßigen Ermächtigungsgrundlage. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Begründungspflicht aus § 28a Abs. 5 S. 1 IfSG verlangt keine detaillierte Auseinandersetzung, weshalb die allgemeine Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten bleibt, obwohl Friseure, Schulen und Kindergärten (teilweise) öffnen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller, der in Bayern lebt, beantragt die vorläufige Außervollzugsetzung der § 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV vom 15.12.2020, BayMBl. 2020 Nr. 737), die zuletzt mit Verordnung vom 12. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 112) geändert wurde und mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV).
2. Die angegriffenen Regelungen der 11. BayIfSMV haben folgenden Wortlaut:
„§ 2 Allgemeine Ausgangsbeschränkung
Das Verlassen der Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Triftige Gründe im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere:
1. die Ausübung beruflicher oder dienstlicher Tätigkeiten,
2. der Besuch von Einrichtungen und die Wahrnehmung von Angeboten nach §§ 18 bis 22, soweit sie zulässig sind, und die Teilnahme an Prüfungen nach § 17,
3. die Inanspruchnahme medizinischer, pflegerischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen, der Besuch bei Angehörigen therapeutischer Berufe sowie Blutspenden,
4. Versorgungsgänge, Einkauf und der Besuch von Dienstleistungsbetrieben in dem nach §§ 12, 13 zulässigen Ausmaß,
5. der Besuch eines anderen Hausstands unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
6. der Besuch bei Ehegatten, Lebenspartnern, Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
7. die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts,
8. die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
9. die Begleitung Sterbender sowie die Teilnahme an Beerdigungen im engsten Familien- und Freundeskreis,
10. Sport und Bewegung an der frischen Luft unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
11. die Versorgung von Tieren,
12. Behördengänge,
13. die Teilnahme an Gottesdiensten und an Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften unter den Voraussetzungen des § 6 sowie an Versammlungen unter den Voraussetzungen des § 7.
§ 24 Weitergehende Maskenpflicht, Alkoholverbot, Nachverfolgung von Infektionsketten 

(2) Der Konsum von Alkohol ist auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, untersagt. Die konkret betroffenen Örtlichkeiten sind jeweils von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde festzulegen.“
3. Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, das Festhalten an der Ausgangsbeschränkung anstelle der bloßen Kontaktbeschränkung trotz der niedrigen bayernweiten Inzidenzwerte sei vom Tatbestand des § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG nicht mehr gedeckt. Ausgangsbeschränkungen seien überhaupt nur denkbar in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen der Inzidenzwert über 50 liege. Nicht erkennbar sei, inwiefern der Übergang zu reinen Kontaktbeschränkungen anstelle von Ausgangsbeschränkungen die Eindämmung des neuartigen Coronavirus erheblich gefährde. Auch der VGH Baden-Württemberg habe mit Beschluss vom 5. Februar 2021 (Az. 1 S 321/21) festgestellt, dass pauschale, undifferenzierte Regelungen bei allgemein sinkenden Zahlen gerade nicht mehr vom Tatbestand des § 28a Abs. 3 IfSG gedeckt seien. Zudem liege ein Begründungsmangel nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG vor; hiernach müsse konkret dargelegt werden, wieso einzelne Maßnahmen erforderlich seien. Die Ausgangsbeschränkungen seien auch unverhältnismäßig; wenn Friseure öffnen dürften, könne nicht jedes Verlassen der Wohnung einen Rechtfertigungsdruck auslösen. Auch eine Folgenabwägung falle zugunsten des Antragstellers aus, weil es sich bei der Ausgangsbeschränkung um einen besonders grundrechtsintensiven Eingriff handle. Das Alkoholverbot in Innenstädten sei unverhältnismäßig. Die Geltung in der gesamten Innenstadt werde dem Willen des Gesetzgebers, den spontanen gemeinschaftlichen Alkoholkonsum (nur) an bestimmten öffentlichen Plätzen zu verhindern, nicht gerecht. Bei der Innenstadt handle es sich nicht um einen bestimmten Platz, sondern um einen Ortsteil. Spontane Menschenansammlungen seien zur Winterzeit nicht zu erwarten. Die Unverhältnismäßigkeit des Gesamtkonzepts der 11. BayIfSMV entfalle auch nicht deshalb, weil gemäß § 26 11. BayIfSMV in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 Lockerungen möglich seien.
4. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt dessen Ablehnung.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
A. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein in der Hauptsache noch zu erhebenden Normenkontrollantrag gegen § 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg (2.). Auch eine Folgenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese bereits absehen lassen. Zur weiteren Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom 12. Januar 2021 (Az. 20 NE 20.2933), der zwischen den Beteiligten ergangen ist, verwiesen (vgl. dort Rn. 33 f.).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffenen Maßnahmen nach § 2 und § 24 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3 (allgemeine Ausgangsbeschränkung) und Nr. 9 (Alkoholkonsumverbot) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage haben (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 22 ff.).
b) Den vom Antragsteller hinsichtlich § 2 11. BayIfSMV gerügten formellen Verstoß gegen die Begründungspflicht aus § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG kann der Senat nicht erkennen. In der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen. Eine empirische und umfassende Erläuterung ist nicht geschuldet (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 74). Dem ist der Verordnungsgeber wohl hinreichend nachgekommen, indem er die Fortführung der Maßnahmen insbesondere auf das sich weiterhin auf hohem Niveau bewegende Infektionsgeschehen und den Nachweis besorgniserregender Virusvarianten in Bayern gestützt hat (vgl. Begründung vom 12.2.2021, BayMBl. 2021, Nr. 113). Eine detaillierte Auseinandersetzung, weshalb die allgemeine Ausgangsbeschränkung aufrechterhalten bleibt, obwohl Friseure, Schulen und Kindergärten (teilweise) öffnen, war entgegen der Auffassung des Antragstellers in formeller Hinsicht nicht notwendig.
c) Die Bestimmung in § 2 11. BayIfSMV ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie sich bei summarischer Prüfung an die Vorgaben in § 28a IfSG hält. Sie stellt eine Ausgangsbeschränkung im öffentlichen Raum i.S.d. § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG dar. Zur Begründung wird zunächst auf die zwischen den Beteiligten ergangene Senatsentscheidung vom 12. Januar 2021 verwiesen (Az. 20 NE 20.2933, Rn. 37 ff.).
aa) Sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 11. BayIfSMV bis zum 7. März 2021 (§ 1 Nr. 9 der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 112) nochmals zu verlängern, als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 18. Februar 2021 bundesweit 57 und in Bayern 55. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
bb) Auch einen Verstoß gegen § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vermag der Senat noch nicht zu erkennen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Senatsbeschluss vom 12. Januar 2021 (20 NE 20.2933 – juris Rn. 39 ff.) gelten gegenwärtig weiter. Die Gefährdungsprognose des Verordnungsgebers, dass eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 ohne die allgemeine Ausgangsbeschränkung erheblich gefährdet wäre, erweist sich auch derzeit nicht als rechtsfehlerhaft.
Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, der Verordnungsgeber habe wegen des jüngsten Rückgangs der Infektionszahlen die allgemeine Ausgangsbeschränkung vorrangig durch reine Kontaktbeschränkungen ersetzen müssen, lässt er insbesondere die derzeit unsichere Lage infolge der zunehmenden Verbreitung besorgniserregender Virusmutationen (VOC) mit potenziell leichterer Übertragungsmöglichkeit und möglicherweise schwereren Krankheitsverläufen außer Acht. Besonders die Variante B.1.1.7, die u.a. in Großbritannien vermehrt aufgetreten ist, verbreitet sich derzeit mit großer Geschwindigkeit in Deutschland. Während in der vierten Kalenderwoche (KW) ihr Anteil an nicht spezifisch ausgewählten positiven Proben von SARS-CoV-2 bei 4,8% lag, lag er in der KW 6 schon bei 22,8% (jeweils RKI Testzahlerfassung, vgl. Lagebericht vom 17.2.2021, S. 13, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Con-tent/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-17-de.p-df? blob=publicationFile). Das RKI schätzt die Gefahr für die Bevölkerung weiterhin als sehr hoch ein, zumal derzeit noch verlässlich abschätzbar sei, ob und in welchem Maße die VOC die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen (vgl. RKI, Risikobewertung, Stand 12.2.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Con-tent/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Auch der Hinweis des Antragstellers auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 5. Februar 2021 (Az. 1 S 321/21 – juris), greift nicht durch. Sie betrifft eine abendliche und nächtliche Ausgangssperre, die in Bayern seit 14. Februar 2021 nur noch in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 gilt (vgl. § 3 11. BayIfSMV; vgl. hierzu auch BayMBl 2021 Nr. 113, S. 3).
cc) Die allgemeine Ausgangsbeschränkung in § 2 11. BayIfSMV dürfte derzeit noch verhältnismäßig, als geeignet, erforderlich und angemessen sein.
(1) Soweit der Antragsteller ihren Mehrwert gegenüber reinen Kontaktbeschränkungen generell bezweifelt, kann auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 12. Januar 2021, die weiterhin gelten, verwiesen werden (Az. 20 NE 20.2933 Rn. 46). Im Übrigen darf der Verordnungsgeber nicht erst dann tätig werden, wenn die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wurde (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.2.2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 75).
(2) Auch der Hinweis des Antragstellers auf die Öffnung der Friseure, Schulen und Kindertageseinrichtungen ab dem 22. Februar bzw. 1. März 2021 verfängt nicht. Zum einen sind diese Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht wirksam. Zum anderen erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die teilweise Aufhebung einzelner Infektionsschutzmaßnahmen mit dem Fortbestand der allgemeinen Ausgangsbeschränkungen unvereinbar sein sollte.
(3) Der Antragsteller ist durch die angegriffene Ausgangsbeschränkung in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Die triftigen Gründe, in denen das Verlassen der Wohnung erlaubt bleibt, sind indessen – insbesondere im Vergleich mit der nächtlichen Ausgangssperre nach § 3 Satz 1 11. BayIfSMV – relativ weit gefasst (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 9.2.2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 92 zu § 1 der Bayerischen Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24.3.2020; BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 20 NE 20.849 – BayVBl 2020, 516 – juris Rn. 45 zu § 5 2. BayIfSMV i.d.F.v. 16.4.2020). Angesichts des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die damit verbundenen Einschränkungen für die allgemeine Handlungsfreiheit der Normadressaten aus Art. 2 Abs. 1 GG derzeit noch nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe. Die verbesserte epidemische Lage seit dem Verordnungserlass der 11. BayIfSMV am 15. Dezember 2020 bietet gegenwärtig noch keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung, zumal das gefährdungspotenzial der sich inzwischen sehr schnell in Deutschland ausbreitenden besorgniserregenden Virusvarianten noch nicht sicher abgeschätzt werden kann.
d) Das Alkoholkonsumverbot nach § 24 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV ist bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Norm steht im Einklang mit § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG und erweist sich wohl als verhältnismäßig.
§ 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG ermächtigt i.V.m. § 32 Satz 1 IfSG den Verordnungsgeber – als Regelbeispiel für eine notwendige Schutzmaßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG – dazu, den Alkoholkonsum „auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen“ zu untersagen. Hiervon hat der Antragsgegner mit § 24 Abs. 2 11. BayIfSMV Gebrauch gemacht, indem er den Konsum von Alkohol auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, untersagt hat; die konkret betroffenen Örtlichkeiten sind jeweils von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde festzulegen.
Der Vorhalt, die gesamte Innenstadt sei – im Hinblick auf das Ziel des Gesetzgebers, spontane Menschenansammlungen auf Plätzen an entsprechenden Verkaufsstellen zu vermeiden – nicht gleichzusetzen mit „bestimmten Plätzen“, greift zu kurz. Der Antragsteller verkennt, dass der Verordnungsgeber mit § 24 Abs. 2 11. BayIfSMV keineswegs pauschal bestimmt hat, dass der Konsum von Alkohol in Innenstädten untersagt wäre. Vielmehr werden mit der Vorschrift die Kreisverwaltungsbehörden in die Lage versetzt, entsprechende Verbotszonen räumlich festzulegen (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 11. BayIfSMV), sofern sich dies angesichts der örtlichen Gegebenheiten als erforderlich erweist (vgl. auch BayVGH, B.v. 19.1.2021 – 20 NE 21.76 – juris Rn. 30). Von einem „pauschalen Alkoholverbot im Bereich der Innenstadt, das sich nicht mit den örtlichen Gegebenheiten auseinandersetzt“ (vgl. Antragsbegründung vom 15.2.2021 S. 9) kann demgemäß keine Rede sein. Sollte die räumliche Festlegung durch die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einzelfall aus der Sicht eines Betroffenen über das für den Normzweck des § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG notwendige Maß hinausgehen, steht hiergegen verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz offen. Schon im Hinblick darauf ist die angegriffene Norm bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
3. Selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgeht, ergibt eine Folgenabwägung, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen des Antragstellers, ohne triftigen Grund die Wohnung zu verlassen und Alkohol auf öffentlichen Plätzen zu konsumieren (Art. 2 Abs. 1 GG), in der gegenwärtigen Pandemiesituation überwiegen.
Das pandemische Geschehen ist weiterhin auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 18. Februar 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-18-de.pdf? blob=publicationFile) ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 12.2.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend. Es ist noch unklar, wie sich deren Zirkulation auf die Situation in Deutschland auswirken wird. Aufgrund der vorliegenden Daten zu einer erhöhten Übertragbarkeit der VOC besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Verschlimmerung der Lage. Ob und in welchem Maße die VOC die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen, ist derzeit noch nicht sicher abzuschätzen. Das individuelle Risiko, schwer zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen bzw. statistischen Daten nicht abgeleitet werden. Auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen kann es zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Grundrechte des Antragstellers.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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