Medizinrecht

Orthomolekulare medizinische Behandlung ist keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode

Aktenzeichen  AN 1 K 17.01701

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14203
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 7 Abs. 1 S. 1, § 18, § 49 Abs. 2
BayBG Art. 96
AMG § 2, § 43

 

Leitsatz

1 Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist aufgrund der in § 49 Abs. 2 BayBhV enthaltenen Härtefallregelung auch mit höherrangigem Recht vereinbar. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es kommt für die Zuordnung, ob es sich um apothekenpflichtige Arzneimittel handelt, maßgeblich darauf an, ob jedermann die streitgegenständlichen Präparate unabhängig von einer Erkrankung erwerben könnte, nicht darauf, ob die Beschaffung auch ohne die Erkrankung tatsächlich erfolgt wäre. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3 Kann ein Präparat zur Behebung eines Zinkmangels eingesetzt werden und wäre es demzufolge auch beihilfefähig, führt der fehlende Nachweis des Zinkmangels wegen der materiellen Beweislast dazu, dass eine Erstattung ausgeschlossen ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die orthomolekulare medizinische Behandlung stellt eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode dar. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 entschieden werden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die Beteiligten wurden zur Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
A.
Es kann dahinstehen, ob der Widerspruch der Klägerin verfristet und die Klage gegen den Beihilfebescheid vom 12. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2017 damit unzulässig ist, da die Klage jedenfalls unbegründet ist (B. I.). Die Klage, die sich gegen den Beihilfebescheid vom 27. Juli 2017 richtet, in dem die Übernahme der Aufwendungen für das Präparat Vitamin K2 abgelehnt wurde, ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe für die genannten nicht apothekenpflichtigen Präparate hat (§ 113 Abs. 5 VwGO) (B. I.). Die Klage gegen den Beihilfebescheid vom 24. November 2017 ist ebenfalls jedenfalls unbegründet (B. II.). Die jeweiligen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
B.
Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z.B. U. v. 15.12. 2005, 2 C 35/04), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier für die Klagen nach der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) in der seit dem 1. Oktober 2014 geltenden Fassung.
Gemäß Art. 96 Abs. 1 BayBG erhalten Beamte u.a. Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge, solange ihnen laufende Besoldung, Unterhaltsbeihilfe nach Art. 97 BayBesG oder Versorgungsbezüge zustehen. Beihilfeleistungen werden zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt (Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Das Nähere hinsichtlich u.a. des Inhalts und Umfangs der Beihilfen regelt das Staatsministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung ( Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG). Von dieser Ermächtigung ist durch den Erlass der o.g. BayBhV Gebrauch gemacht worden.
Die Klägerin ist als Beamtin beihilfeberechtigt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Gemäß § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV sind beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist nach Auffassung des Gerichts auch mit höherrangigem Recht vereinbar, da in § 49 Abs. 2 BayBhV eine Härtefallregelung enthalten ist, (vgl. VG Ansbach, U.v. 26.07.2016 – AN 1 K 14.01929; BVerwG, U.v. 23.11.2017 – 5 C 6/16 zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV). Nicht beihilfefähig sind nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen sowie nach § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV Vitaminpräparate, die keine Fertigarzneimittel im Sinn des Arzneimittelgesetzes darstellen.
I. Die Mittel Mofferin 21, Dhea 25 mg und Vitamin K2 stellen keine Arzneimittel im Sinne von § 18 Satz 1 BayBhV dar. Zwar wurden die streitgegenständlichen Mittel von einem Arzt schriftlich verordnet, sie sind jedoch nicht wie in § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vorausgesetzt apothekenpflichtig (vgl. § 43 AMG). Diese Mittel sind vielmehr frei erhältlich. Zudem ist bereits dem Produktblatt des Herstellers (Biogena) zu entnehmen, dass es sich bei Mofferin 21 um ein diätetisches Lebensmittel handelt und eine Erstattung dementsprechend auch nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV als Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, ausgeschlossen ist. Bei Dhea 25 mg handelt es sich zudem um ein Nahrungsergänzungsmittel (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.05.2001 – 14 ZB 11.442), da es der allgemeinen Lebenshaltung dient und unabhängig von einer Erkrankung von jedermann erworben und benutzt werden kann. Es kommt für die Zuordnung maßgeblich darauf an, ob jedermann die streitgegenständlichen Präparate unabhängig von einer Erkrankung erwerben könnte, nicht darauf, ob die Beschaffung auch ohne die Erkrankung tatsächlich erfolgt wäre. Es steht jedermann frei, sich die streitgegenständlichen Präparate zu beschaffen. Eine Erkrankung darf auch dann nicht dazu führen, dass Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung von der Beihilfe zu erstatten sind, wenn ihre Einnahme oder Anwendung vom Arzt verordnet wurde. Selbige Ausführungen gelten für das Präparat Vitamin K2.
II. Zu der von der Klägerin begehrten Erstattung der mit Antrag vom 8. November 2017 geltend gemachten Aufwendungen gilt bezüglich der Präparate Vitamin K2 das oben ausgeführte (vgl. B. I.). Die Präparate Samuel Symbiolact Comp. Beutel sowie B12 Ankermann Vitaltabletten sind nicht apothekenpflichtige Nahrungsergänzungsmittel, was sich bereits aus der Gebrauchsinformation bzw. dem Beipackzettel zu den entsprechenden Präparaten ergibt. Somit sind sie gemäß § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV auch nicht beihilfefähig.
Das Präparat Cefazink 20 mg ist apothekenpflichtig und nach § 18 Satz 1 BayBhV damit grundsätzlich beihilfefähig. Allerdings ist die Beihilfefähigkeit vorliegend nach § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV ausgeschlossen. Cefazink 20 mg kann zwar zur Behebung eines Zinkmangels eingesetzt werden und wäre in einem solchen Fall auch beihilfefähig. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist jedoch auch die Vorbeugung gegen Zinkmangel. In diesem Fall soll das Präparat nur dann eingesetzt werden, wenn der Zinkmangel durch Ernährungsumstellung nicht zu beheben ist. Cefazink 20 mg ist folglich auch ein Nahrungsergänzungsmittel. Somit ist Cefazink 20 mg dann beihilfefähig, wenn es im konkreten Fall nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern zur Behebung eines entsprechenden Mangels eingesetzt wird. Den entsprechenden Mangel hat die Klägerin zwar als Grund der Einnahme von Cefazink 20 mg vorgetragen, einen entsprechenden Nachweis des Zinkmangels jedoch bis heute nicht vorgelegt, obwohl sie hierauf in der Klageerwiderung vom 19. Januar 2018 aufmerksam gemacht worden ist. Der fehlende Nachweis eines Zinkmangels führt wegen der materiellen Beweislast, die die Klägerin vorliegend trägt, dazu, dass eine Erstattung derzeit ausgeschlossen ist.
III. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die Klägerin die Medikamente im Rahmen einer orthomolekularen medizinischen Behandlung einnimmt. Selbstverständlich bleibt es ihr unbenommen, einen derartigen medizinischen Weg zu wählen, nur die Erstattungsfähigkeit der Medikamente ist dadurch nicht gegeben. Die orthomolekulare medizinische Behandlung stellt eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode dar (vgl. VG Saarland, U.v. 12.05.2016 – 6 K 2135/13 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens). Dementsprechend sind Aufwendungen für eine derartige Behandlungsmethode nicht notwendig im Sinne von Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V. mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV (vgl. BayVGH, U. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982). Eine Erstattung ist folglich ausgeschlossen.
C.
Nach alledem waren die Klagen daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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